Die kleine Pension an der Alster - Christian Pfannenschmidt - E-Book
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Die kleine Pension an der Alster E-Book

Christian Pfannenschmidt

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Beschreibung

Ein Glücksroman mit viel Herz: Das Feelgood-Highlight »Die kleine Pension an der Alster« von Christian Pfannenschmidt jetzt als eBook bei dotbooks. Die patente Elfie Gerdes hat sich ihren größten Traum erfüllt: eine eigene kleine Frühstückspension! Mit viel Liebe führt sie das Haus – und hat natürlich immer ein offenes Ohr für die Sorgen ihrer Gäste. Dabei hat Elfie selbst Probleme: Die finanzielle Zukunft von ›Hotel Elfie‹ sieht alles andere als rosig aus – und noch dazu wünscht sie sich einen liebenswerten Partner, mit dem sie gemeinsam ihren Traum leben kann. Als Elfie sich stattdessen vom einen auf den anderen Tag auch noch um einen pubertierenden Jungen kümmern muss, ist das Chaos komplett! Doch Elfie ist nicht so einsam, wie sie sich manchmal fühlt – und einmal mehr beweist sich, dass niemand wirklich allein ist, der wahre Freunde hat … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der zauberhafte Feelgood-Roman »Die kleine Pension an der Alster« von Christian Pfannenschmidt sorgt für ein Wiedersehen mit den vielgeliebten Charakteren der Bestseller »Das Hotel an der Alster« und »Sommer im Hotel an der Alster«. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 347

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Über dieses Buch:

Die patente Elfie Gerdes hat sich ihren größten Traum erfüllt: eine eigene kleine Frühstückspension! Mit viel Liebe führt sie das Haus – und hat natürlich immer ein offenes Ohr für die Sorgen ihrer Gäste. Dabei hat Elfie selbst Probleme: Die finanzielle Zukunft von ›Hotel Elfie‹ sieht alles andere als rosig aus – und noch dazu wünscht sie sich einen liebenswerten Partner, mit dem sie gemeinsam ihren Traum leben kann. Als Elfie sich stattdessen vom einen auf den anderen Tag auch noch um einen pubertierenden Jungen kümmern muss, ist das Chaos komplett! Doch Elfie ist nicht so einsam, wie sie sich manchmal fühlt – und einmal mehr beweist sich, dass niemand wirklich allein ist, der wahre Freunde hat …

Über den Autor:

Christian Pfannenschmidt, geboren 1953, war Journalist und Reporter für die Abendzeitung München, den Stern und das Zeit-Magazin. Heute lebt er als Autor in Köln und Berlin. Von ihm stammen unter anderem die Drehbücher der ZDF-Erfolgsserie »Girlfriends«. »Die Villa am Seerosenteich« wurde in mehrere Sprachen übersetzt und in der Verfilmung als ARD-Zweiteiler, verfolgten über 6 Mio. Menschen die Karriere von Isabelle, dem Mädchen vom Lande, das zur Chefin eines Modeimperiums aufsteigt. 2003 gründete er eine eigene Fernsehproduktion und setzte seine persönliche Erfolgsgeschichte mit TV-Serien wie u.a. »Die Albertis« und »Herzensbrecher – Vater von vier Söhnen« sowie der erfolgreichen Freitagabend-Reihe »Meine Mutter ist unmöglich« fort.

Bei dotbooks erschienen Christian Pfannenschmidts Romane »Die Villa unter den Linden«, »Der Klang unserer Seelen«, »Die Villa am Seerosenteich« und »Die Albertis«.

Außerdem haben ihn die Charaktere der »Girlfriends«-Serie nicht mehr losgelassen. Und so hat er – basierend auf den Drehbüchern – sieben Romane über die Freundinnen Marie, Ilka und Elfie geschrieben:

Band 1: »Fünf Sterne für Marie«Band 2: »Freundschaft auf den dritten Blick«Band 3: »Zehn Etagen zum Glück«Band 4: »Demnächst auf Wolke sieben«Band 5: »Kurz vor zwölf im Paradies«Band 6: »Das 1x1 zum großen Glück«Band 7: »Die kleine Pension an der Alster«

Die Bände 1-3 der »Girlfriends«-Serie sind bei dotbooks auch in dem Sammelband »Das Hotel an der Alster« erschienen. Die Bände 4-6 der Serie erschienen bei dotbooks unter dem Titel »Sommer im Hotel an der Alster«.

Die Website des Autors: www.christianpfannenschmidt.de

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Aktualisierte eBook-Neuausgabe Mai 2020

Dieses Buch erschien bereits 2000 unter dem Titel »Frühstück für Zwei« bei Rowohlt

Copyright © der Originalausgabe 2000 Christian Pfannenschmidt

Copyright © der aktualisierten Neuausgabe 2020 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Binh Tanh Bui, lanych und adobeStock/dietwalther

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (CG)

ISBN 978-3-96655-105-2

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Besuchen Sie uns im Internet:

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blog.dotbooks.de/

Christian Pfannenschmidt

Die kleine Pension an der Alster

Roman

dotbooks.

Kapitel 1

Der Himmel konnte sich nicht entscheiden. Über lichtblaue, zartgelbe und rauchweiße Partien jagten schwarze, lila, grüne und orange Wolkenfetzen, wechselten alle paar Sekunden Form und Farbe, verwehten und lösten sich auf, um neuen Formationen Platz zu machen, die im nächsten Moment wie aus dem Nichts entstanden, sich aufblähten, zu gewaltigen Gebilden heranwuchsen, weiterjagten und wieder verwehten. Dann riß die Wolkendecke für wenige Augenblicke auf, und das Schauspiel begann von neuem.

»Wenn das man gutgeht …« Elfie drückte sich den eleganten Strohhut mit der riesigen schwarzen Schärpe fester auf den Kopf, als sie besorgt nach oben blickte und mit beschleunigten Schritten auf das Grab ihres verstorbenen Mannes zuging. Mein Mann …, hatte sie in den letzten Tagen immer wieder bitter gedacht, … daß ich nicht lache! »Noch nicht mal verheiratet waren wir, als er es sich in den Kopf setzte, plötzlich tot umzufallen! Warum manche Leute es bloß mit dem Sterben eiliger haben als mit dem Leben und dem Lieben und dem …« Eine Windböe riß die Rockschöße ihres schwarzen Jacketts hoch, und beinahe wäre ihr der Hut doch noch vom Kopf geflogen, als Elfie merkte, daß sie halblaut vor sich hinsprach. Mißmutig verzog sie das Gesicht, sah sich schnell um und prüfte, ob jemand sie beobachtete. Dann schimpfte sie: »Reiß dich zusammen, Gerdes! Kein Striptease auf’m Friedhof, und keine Selbstgespräche! Verstanden?« Wieder sah sie sich prüfend um, führte eine Hand zu einem knappen Salut an die Hutkrempe und trat vor Alexander Hofstädters Grab.

Der Wind hatte Blätter und ganze Zweige von den umstehenden Büschen und Bäumen auf die roten Rosen und Ranunkeln geweht, die den frischen Grabhügel bedeckten. Elfie wurde plötzlich ganz ruhig, bückte sich, brachte das Grab in Ordnung und begann, still zu weinen. Dann schüttelte sie den Kopf.

»Nee, du! So war das nicht abgemacht! Mich hier allein zu lassen, einfach so, aus heiterem Himmel!« Sie wischte sich die Tränen ab, kramte in ihrer Handtasche nach einem Taschentuch, schneuzte sich geräuschvoll und sah angriffslustig auf das Grab.

»Okay, das mit dem Hotel war meine Idee. Aber trotzdem! So hatten wir das nicht abgemacht, Alexander. Jetzt steh ich allein da mit dem Kasten, und nix ist klar. Dein Testament ist noch nicht eröffnet, die Goldy von der Sparkasse zickt rum, und ich habe keine Ahnung, mit wieviel ich rechnen kann, und selbst wenn ich das wüßte – wie soll ich das allein denn schaffen? Ich weiß doch gar nicht, wie das geht! Zwölf Zimmer! Weißt du eigentlich, was das bedeutet?«

In dem Moment grollte ein verhaltener Donner von einem Ende des Horizonts zum anderen. Elfie verdrehte die Augen, sah etwas schuldbewußt, aber vorwiegend trotzig zum Himmel auf und beschwerte sich: »Und jetzt auch noch rumgrummeln!« Als sie wieder auf das Grab sah, gestattete sie sich einen tiefen, traurigen Seufzer und sagte dann leise: »Mal im Ernst, Alexander, ich schaff das nicht. Und, ehrlich gesagt, hab ich ohne dich auch weder den Mut noch die Lust dazu.« Sie musterte das Grab und schwieg eine Weile. »Verstehst du das?« Und nach noch einer Weile fragte sie: »Ist das in Ordnung?« Sie legte den Kopf schief, wie um nach einer Antwort zu horchen. Dann nickte sie entschlossen. »Also gut. Dann fahr ich jetzt zu denen hin und rede mit ihnen. Werden ja keine Unmenschen sein. Und so ein Hotel … Das ist doch … Das kriegen die doch in Null Komma nix auch an jemand anders verkauft!« Das glaubte sie zwar selbst nicht, aber ihr Entschluß stand trotzdem fest, und wenn Elfie einmal einen Entschluß gefaßt hatte, dann hielt sie sich auch daran. Es sei denn, sie überlegte es sich noch einmal anders.

Sie nickte zufrieden, lächelte und bedankte sich bei Alexander für das Gespräch. »Also denn geh ich mal. Tschüs, Alexander! Bis morgen.«

Als der Platzregen einsetzte, trug ein Möbelpacker gerade das letzte Stück Umzugsgut in den Möbelwagen. Es war ein Bügelbrett, das während der letzten Instruktionen an die Umzugscrew unbeachtet an der Eingangssäule des Hotels gelehnt hatte und beinahe vergessen worden wäre. Der Möbelpacker fluchte und rannte, das Bügelbrett unterm Arm, auf den Umzugswagen zu, verstaute es hastig und stieg, immer noch fluchend, zu seinem Kollegen in den Wagen. »Also los! Baden-Baden. Und tritt aufs Gas! Bloß raus aus diesem Hamburger Schmuddelwetter!«

Werner Schnabel schaute dem Wagen wehmütig nach. Am Ende war ihm alles doch viel zu schnell gegangen. Als der Möbelwagen um die Ecke bog, drehte er sich um und blickte sich in der fast leeren Hotelhalle um. Es war ein so trostloser Anblick, daß ihm fast die Tränen kamen. »Vierundvierzig Jahre …!« Plötzlich fühlte er sich alt und müde, und das lag nicht nur an der Packerei der letzten Tage. Das warme Gelb der frischgestrichenen Wände, das strahlende Orange der Decke, der glänzende Lack an der Glastür zum Frühstückszimmer, aber auch Farbeimer, Leitern, Pinsel, Wischlappen und Abdeckplanen, die noch überall herumstanden und -lagen, sprachen von einem Neuanfang, mit dem er, Werner Schnabel, Chef des Traditionshauses »Pension Schnabel«, nun nichts mehr zu tun hatte. Sogar Farben und Tapeten, Lampen und Teppichboden waren bereits von seiner Nachfolgerin ausgesucht worden. Er hatte das Haus nur noch renoviert zu übergeben. Ein Leben ohne das Hotel, ohne sein Hotel … war das überhaupt vorstellbar? Auf dem Weg zur Küche sammelte er einige Pinsel zusammen und stellte sie in eine Terpentindose. Als er die Küchentür erreicht hatte, mußte er unwillkürlich lächeln.

Seine Frau Rita – eine Mischung aus Grande Dame und in die Jahre gekommenem Blauen Engel – saß am Küchentisch. Das heißt, sie lag fast. Zumindest ihre langen Beine lagen auf dem Küchentisch, und ihre goldbesetzten Lackpumps ragten wippend über einen Flaschenwald. Rita hob das Cocktailglas, das sie in der Hand hielt, und prostete ihrem Mann mit einem entspannten Lächeln zu. Daß sie genauso wenig wie ihr Mann wußte, was sie mit der geballten Ladung Ruhestand anfangen sollte, die ihnen beiden jetzt bevorstand, ließ sie sich nicht anmerken. Sie war realistisch genug, um zu sehen, daß die Übergabe des Hotels an eine Jüngere für alle das beste war – auch für das Hotel.

»Was soll das denn sein?« fragte Werner Schnabel und sah seine Frau mißbilligend an.

»Ich mach bloß Rest«, sagte sie und schwenkte ihr Glas über das gute Dutzend Flaschen mit Hochprozentigem in allen Farben des Regenbogens. »Nun guck nicht so!«

Werner Schnabel winkte gutmütig ab und sah auf die Uhr. »Pünktlich ist sie schon mal nicht«, meinte er und räumte das Frühstücksgeschirr zusammen, das die Möbelpacker hinterlassen hatten. »Das ist schon mal kein gutes Zeichen.« Rita Schnabel zog eine Augenbraue hoch. Sie wußte, welche Platte er jetzt auflegen würde. Wie recht sie hatte, merkte sie, als er, noch bevor sie etwas Zurechtweisendes sagen konnte, weitersprach.

»Ich bin mir sowieso nicht sicher, ob diese Frau Gerdes dem allen hier …« – er machte eine ausladende Geste über das ganze umzugs- und renovierungstypische Durcheinander – »… auch wirklich gewachsen ist.«

»Ach, Werner!« In Rita Schnabels Stimme klang so viel Verständnis mit, wie ihr Mann verdiente, und so viel Strenge, wie die Situation erforderte. »Du suchst doch nur nach Gründen, um dich nicht von diesem alten Kasten trennen zu müssen.« Sie beugte sich vor und wählte aus den bunten Flaschen ein Exemplar mit grünem Inhalt aus, hob es hoch, stieß dabei fast eine andere Flasche um und sagte, während sie ein größeres Malheur mit Dominoeffekt durch ein paar schnelle Handgriffe verhinderte: »Frau Gerdes ist jung und energisch und vom Fach. Komm, probier den mal!«

Als die Flaschen bei dem Beinahesturz klirrten, hatte Elfie sich räuspernd an die offene Küchentür gestellt, ohne daß die beiden sie bemerkten, und ihr graute so sehr vor dem fälligen Gespräch, daß sie nicht wußte, was sie sagen sollte. So hörte sie den Schnabels eine Weile zu, obwohl das gar nicht ihre Absicht war.

Ohne auf das Angebot zum Mittrinken einzugehen, sagte Werner Schnabel ernst: »Da ist Frau Goldy aber ganz anderer Meinung.«

Bei dem Stichwort Goldy hielt Elfie erschrocken den Atem an und hörte Rita Schnabel wegwerfend sagen: »Die Goldy! Diese kleinkarierte Sparkassenmaus! Hat die in all den Jahren mal unternehmerischen Weitblick gezeigt?« Sie stellte die Flasche so heftig auf den Tisch zurück, daß es beinahe doch noch Scherben gegeben hätte. »Es sollte mir leid tun, wenn die Goldy der Gerdes den Anfang schwerzumachen gedenkt. Aber wenn, dann muß sie da eben durch. Und sie wird sehr schnell merken, daß sie von dem Birkner besser beraten ist, sobald der aus dem Urlaub zurück ist, und schließlich ist er immer noch der Filialleiter. Nein, nein, Werner, die Gerdes weiß genau, was sie will, und das zieht sie auch durch.«

»Trotzdem …«, sagte Werner Schnabel nachdenklich. »Wenn das Finanzielle nicht stimmt … Und ein bißchen will man ja auch selber wissen, wie’s hier weitergeht.«

Rita Schnabel stand auf, ging zu ihrem Mann hinüber und nahm seine Hände: »Werner! Wir haben uns lange genug um alles gekümmert. Wir sind alt genug für ein bißchen Ruhe und Frieden.« Sie ließ seine Hände wieder los und sah ihn ernst an. »Sonst geht es mir am Ende noch wie der Gerdes. Fällt der Mann einfach tot um, und du stehst als Frau allein da und hast nichts mehr von ihm.«

Das war der Moment, in dem Elfie sich erneut räusperte, teils um nicht wieder weinen zu müssen und teils um nicht länger dieses nun doch intim werdende Gespräch zu belauschen. »Guten Tag!« sagte sie mit so fester Stimme, daß sie selbst überrascht war. »Da bin ich!«

Etwas überrumpelt, aber alles in allem erlöst, kamen die Schnabels auf Elfie zu. Die wartete ab, bis beide ihr die Hand gegeben hatten, um dann zu sagen: »Na, denn will ich mal gleich mit der Tür ins Haus …«

»Aber ja, gerne!« Rita Schnabel strahlte und gab sich einen Moment lang der Vision hin, Elfie würde sich umgehend an den Abwasch machen.

»Es geht nicht«, sagte Elfie und lächelte entschuldigend. »Ich kann es nicht machen.«

Das Strahlen erstarrte auf Rita Schnabels Gesicht zu einer Maske, dann senkten sich ihre Mundwinkel, und ebenso fragend wie ablehnend sah sie Elfie an.

Die nickte knapp. »Richtig. Ich kann Ihre Pension nicht übernehmen.«

Werner Schnabel dirigierte die beiden Frauen ins Frühstückszimmer. Alle drei waren zu sehr mit ihren eigenen Gedanken und Gefühlen beschäftigt, um etwas sagen zu können. Elfie hatten ihre eigenen Worte umgehauen, denn einerseits beglückwünschte sie sich zu ihrem Mut, und andererseits hatte die Sache, als sie einmal ausgesprochen war, eine brutale Endgültigkeit.

Auch Rita Schnabel bewunderte Elfies Mut, und genau wie Elfie war sie von der Unmöglichkeit überzeugt, dieses Hotel, so klein es auch war, allein führen zu können, aber sie hatte nicht die geringste, nicht die allergeringste Absicht oder auch nur Bereitschaft, von dem Verkauf zurückzutreten und auf ihren in der Tat wohlverdienten Ruhestand zu verzichten oder ihn auch nur hinauszuzögern.

Werner Schnabel unterdessen kannte seine Frau gut genug, um zu wissen, wie sehr sie der vom Schicksal gebeutelten und doch so resoluten Elfie gleich zusetzen würde. Seufzend machte er sich darauf gefaßt, seine Frau dabei zu unterstützen, Elfie in die Pflicht zu nehmen und auf Unterzeichnung der Übernahmepapiere zu bestehen. Jetzt, da ihm die Möglichkeit zur Fortsetzung seines Lebenswerkes auf einem silbernen Tablett serviert wurde, so wie er es sich vor wenigen Minuten noch ersehnt hatte, stand auch sein Entschluß fest: Es gab kein Zurück. Das einzige, was er für die unglückliche, sympathische junge Frau noch tun konnte, war, seine eigene Frau zu mäßigen und bei aller sachlich gebotenen Härte der Verhandlungsführung für einen menschlichen Ton zu sorgen. Da half es Elfie gar nichts, ihre Sorgen und Nöte, die finanzielle Unklarheit und ihre emotionale Überforderung mit dem plötzlichen Tod ihres Lebensgefährten ins Feld zu führen. Die Schnabels blieben hart. So hatte Elfie schließlich keine andere Wahl, als das juristische Konstrukt zu bemühen, das sie sich auf dem Weg hierher zurechtgelegt hatte, um sich selbst Mut zu machen.

»Mein Mann … also Herr Hofstädter hat diesen Vertrag gleichberechtigt mitunterschrieben. Ohne ihn und seine finanzielle Absicherung hätte ich das nie gemacht. Und jetzt lebt er nicht mehr. Damit ist der Vertrag null und nichtig«, sagte sie mit hocherhobenem Kopf.

»Ha!« schnaubte Rita Schnabel. »Das werden wir ja sehen. Dann schalten wir eben unseren Anwalt ein.«

»Rita, ich bitte dich!« Werner Schnabel sah seine Frau eindringlich an. Er hatte schon seit einigen Minuten das Gefühl, daß gutes Zureden die bessere Taktik gewesen wäre, denn offenbar fiel es der jungen Frau verdammt schwer, sich von ihrer Zukunftsvision als Hotelbesitzerin zu lösen. Ein paar Hinweise auf Übergangskredite, Lieferantenabkommen und 630-Mark-Jobs wären vielleicht hilfreicher gewesen als dieses In-die-Enge-Treiben.

Aber Rita Schnabel warf erst ihrem Mann und dann Elfie einen giftigen Blick zu und sagte scharf und endgültig: »Ich will mein Geld sehen. Wir werden Sie verklagen. Ich werde Sie zwingen, diesen Vertrag zu erfüllen. Ihnen wird noch Hören und Sehen vergehen, Frau Gerdes!« Während ihrer letzten Worte hatte sie sich drohend vor Elfie aufgebaut, und als sie fertig war, griff sie ungeduldig hinter sich nach dem Arm ihres Mannes. »Komm, Werner, in diesem Hotel haben wir nichts mehr zu suchen!« Und damit zog sie ihn aus dem Frühstücksraum, an der Rezeption vorbei und aus dem Haus.

Elfie stand da wie unter Schock. Anwalt …, dachte sie, Vertrag … Testament … Sparkasse … Hotel! Sie faßte sich an den Kopf und murmelte: »Ich werd noch verrückt.« Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und stürmte aus dem Hotel, wem immer es auch gehören mochte. Momentan war es jedenfalls Niemandsland, und genauso fühlte sich Elfie: als sei dies nicht das richtige Leben, diese Stadt nicht ihr Zuhause, genausowenig wie die Orte, an denen sie mit Alexander Hofstädter gelebt hatte. Es gab kein Gestern, kein Heute, kein Morgen für sie. Und wohin sie jetzt gehen sollte, war ihr vollkommen unklar. Sie hatte ja nicht mal eine eigene Bleibe. Nach Alexanders Tod hatte sie die Finca in Mallorca, in der sie zuletzt zusammengelebt hatten, aufgegeben, aber sie war noch nicht verkauft, so daß ihr nicht einmal das Geld zur Verfügung stand. Mit ein paar persönlichen Sachen war sie bei ihrem Uraltfreund Bernd Bosch untergekommen, vorübergehend, bis sie sich in der Dachetage des Hotels einrichten würde. Eine Dachetage, die nun doch nicht ihr gehören würde. Wie lange konnte sie Bernds Gastfreundschaft in Anspruch nehmen? Wie lange würde es dauern, bis sie finanzielle Klarheit hatte? Und stimmte es überhaupt, daß nach Alexanders Tod der Kaufvertrag ungültig war?

Elfie blieb stehen. Sie war einfach so drauflosmarschiert, hatte ihre Gedanken frei laufen lassen und nicht darauf geachtet, wo sie überhaupt hinging. Jetzt sah sie sich um. Aber das bereute sie schon Sekunden später und geriet wieder ins Grübeln. Es war schließlich nicht irgendein Hotel, das sie sich ausgesucht hatte. Es war schon dieses eine ganz spezielle. In dieser Straße mit den schönen alten Häuserfassaden, den kleinen Läden, spielenden Kindern in den Toreinfahrten und Innenhöfen, den unterschiedlichsten Anwohnern, die so ziemlich alle Altersgruppen, Monatseinkommen und Nationalitäten vertraten – eine bunte Straße in einem bunten Viertel mit allem, was der Großstädter zum täglichen Leben braucht, vom Bäcker am Morgen bis zur Kneipe am Abend. Zur Alster war es nicht weit, zur Innenstadt auch nicht. Schwanenstraße …! Stolzer Schwan, singender Schwan, sterbender Schwan …! Elfie seufzte und merkte, daß sie mit alledem innerlich noch längst nicht abgeschlossen hatte. Aber sie merkte auch, daß ihr das entscheidende Quentchen Mut und Kraft fehlte, um dieses ehrgeizige Projekt allein in Angriff zu nehmen. »Allein« war dann auch das Wort, das ihr beim Umherblicken durch den Kopf spukte. Immer wieder, bis sie merkte, daß sie es halblaut vor sich hinmurmelte. Elfie drückte ihre Hände an die Schläfen, schüttelte den Kopf, wie um sich aus dem Bann dieses deprimierenden Wortes zu befreien und es abzuschütteln. Ihr ganzer Körper straffte sich, und plötzlich nahm sie wahr, wo sie eigentlich genau war. Als sie die Straße entlanggestürmt war, hatte sie alles wie durch ein Kaleidoskop gesehen, alles gleichzeitig und durcheinander, und jetzt fokussierte sie ihren Blick, sah in den Frisiersalon, vor dem sie zufällig zum Stehen gekommen war, und ging entschlossen hinein. Genau, dachte sie. Was tut die Frau von Welt, wenn ihr der Himmel auf den Kopf gefallen ist? Läßt sich den Kopf renovieren.

Die summende, surrende, plätschernde, klappernde und dazu noch von plaudernden Stimmen und leiser Musik unterlegte Betriebsamkeit in dem großen, hellen Salon Die Dame war vom ersten Moment an Balsam für Elfies geschundene Seele. Einen Moment lang blieb sie an der Tür stehen und sah kopfschüttelnd zu, wie zwei Friseurinnen, von denen die eine offenbar noch eine Auszubildende war, vier Kundinnen gleichzeitig bedienten. Eine bekam unter der Trockenhaube die Temperatur neu eingestellt, die zweite wurde von der Auszubildenden gekämmt und zum Waschen vorbereitet, der dritten wurde Spray in die fertige Frisur gesprüht, während die Friseurin plaudernd die vierte bei Laune hielt. Erst als das Telefon klingelte und keine der beiden Frauen sich auch nur rührte, bemerkte Elfie die männliche Drohne, die in einer Ecke des Frisiersalons ganz entspannt in einem bequemen Sessel lehnte und Zeitung las.

Elfie hatte längst begriffen, daß sie einen ungünstigen Moment erwischt hatte, um sich unangemeldet einer Kopfrenovierung zu unterziehen, aber wie diese Szene weitergehen würde, wollte sie doch noch sehen.

Die ältere Friseurin mochte wohl Ende Zwanzig sein, wirkte aber älter, reifer, »handfest«, wie Elfie es für sich formulierte. Sie hatte ein offenes, flächiges Gesicht, große wissende Augen und ebenso schlicht wie effektvoll gefönte, schulterlange braune Haare. Wütend sah sie zu ihrem Chef hinüber, der das vierte Klingeln des Telefons lediglich zum Anlaß nahm, eine Zeitungsseite umzublättern und sich von dem Gebäckteller zu bedienen, der auf einem Kaffeetischchen neben seinem Sessel stand. Elfie war drauf und dran, eine ungehörige Bemerkung in Richtung Chefsessel loszulassen, sagte sich dann aber, daß sie damit die Arbeitsteilung im Salon Die Dame nicht ändern und den beiden überforderten Kolleginnen womöglich bloß Ärger einhandeln würde. Um so interessierter fragte sie sich, was die Friseurin wohl als nächstes tun würde. Die kniff böse die Augen zusammen, auch ihr Mund bewegte sich wie in einem stummen Fluch, dann lächelte sie ebenso charmant wie entschuldigend ihre Kundinnen an und eilte ans Telefon. »Salon Die Dame, Fatima Bürgenstock, guten Tag … Heute mittag? Oh, tut mir leid, da bin ich ausgebucht … Nein, die hat Urlaub.«

Die Trockenhaube klingelte. Fatima Bürgenstock legte eine Hand auf die Sprechmuschel und rief der Auszubildenden »Haube!« zu, dann lächelte sie die wartende Kundin an und flüsterte verschwörerisch: »Gleich geht’s los, öng peti momang!« Dann sprach sie wieder in den Hörer. »Wissen Sie was? Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Ich streiche meine Mittagspause, dann schaffen wir das. Sie müßten allerdings um Punkt halb zwei hier sein … Ja? … Aber nicht doch, gerne! Tschüs, Frau Bernsdorf, salü!«

Sie legte auf und warf ihrem Chef einen vernichtenden Blick zu. Der hob stumm seine Kaffeetasse und signalisierte, daß sie leer sei und er doch recht gern noch einen Schluck nachgeschenkt bekäme. Dazu bedurfte es nicht mehr, als die ebenfalls auf dem Kaffeetisch befindliche Thermoskanne zu ergreifen, dem Deckel eine viertel Drehung zu geben und den Ausguß in die Öffnung der Kaffeetasse zu senken. Fatima ergriff die Thermoskanne, gab dem Deckel eine viertel Drehung und senkte den Ausguß in die Öffnung der Kaffeetasse. Dabei lächelte sie böse und sagte: »Bei Ihnen macht die Arbeit richtig Spaß, Herr Kehlau, und wenn ich’s recht bedenke, eigentlich jeden Tag mehr. Ich bin wirklich gerne bei Ihnen beschäftigt, und ich bin davon überzeugt, daß das noch sehr lange der Fall sein wird. Falls Sie noch eine Fußreflexmassage benötigen, muß ich mich allerdings leider entschuldigen, da ich gerade zwei Kundinnen zu bedienen habe, Meister!«

Wenn nicht jedes andere Wort schon gesessen hätte, so war die Art, wie Fatima dieses letzte »Meister!« ausspuckte, eine gezielt verabreichte Ohrfeige. Dem Chef verschlug es jedenfalls die Sprache, und Elfie freute sich. Sie lächelte die Friseurin an, als sei sie eine alte Freundin.

Fatima hatte Elfie schon beim Telefonieren entdeckt. Jetzt kam sie auf sie zu und sagte: »Das mußte mal gesagt werden.«

Elfie nickte ernst. »Aber ich sehe schon, daß Sie nicht noch mehr schaffen können. Es war auch nur so ein spontaner Einfall, hier reinzukommen. Wann könnte ich denn …?«

»Spontan ist immer am besten und muß belohnt werden«, unterbrach Fatima sie. »Heute geht es aber wirklich nicht mehr. Aber wissen Sie was? Ich streiche meine Mittagspause auch morgen, und wir machen es uns gemütlich miteinander, ohne …« Sie zeigte vielsagend auf ihren inzwischen wieder ganz ruhig und selbstzufrieden zeitungslesenden Chef.

Elfie hatte das Gefühl, mehr als einen Friseurtermin angeboten zu bekommen, und akzeptierte Fatimas Vorschlag, ohne auch nur den Anflug eines schlechten Gewissens. Sie fühlte ihre Lebensgeister wieder erwachen, die sich zunächst einmal mit einem vernehmlichen Magenknurren zurückmeldeten, und Elfie machte sich auf den Weg in das kleine Bistro um die Ecke und bestellte sich einen Spinatauflauf.

Alles eins nach dem anderen, sagte sie sich, als sie auf das Essen wartete. Immer peu à peu, wie Gudrun Stade zu sagen pflegte. Direkt nach einem Friedhofsbesuch bei Gewitter eine endgültige berufliche Entscheidung treffen … Elfie schüttelte den Kopf über ihre eigene Unvernunft, aber einen Ausweg sah sie trotzdem nicht. Dann fiel ihr Blick auf die Spiegelfront des Bistros, und sie erschrak über sich selbst. Unglücklich saß sie da, ihre großen Augen schienen noch riesenhafter als sonst. Geradezu gespenstisch und hohlwangig sah sie aus. Und dann noch diese verwaschenen, strähnigen Haare, nicht rot, nicht braun, wie ein Kapotthut aus dem letzten Jahrhundert, schalt Elfie sich. Blond, das wär was! Strahlend blond! Und viel kürzer. Nicht daß ich persönlich dann gleich mitstrahlen würde und wüßte, was ich tun soll, aber es wäre ein Anfang. Wie gesagt, immer alles schön eins nach dem anderen!

Nach dem Essen ging es Elfie schon besser. Sie wußte wieder, was in ihrer momentanen Situation, wie überhaupt im Leben, das wichtigste war: sich nicht allein mit allem rumzuquälen, sondern mit ihren Freunden zu reden. Da nutz ich doch einfach meinen Witwenbonus aus und trommel sie alle zusammen, dachte sie, zahlte, ging und bestellte alle, die sie erreichen konnte, für den Abend ins Checkers, wo Elfie sich immer noch wohl fühlte, nachdem sie es eine Zeitlang geführt und dort ihre ersten Erfolge als Sängerin gefeiert hatte.

Die härteste Nuß war, wie üblich, Alrun. Elfie hatte sich schon manchmal gefragt, warum sie diesen »wandelnden Rechenschieber«, wie sie ihre beste Freundin in solch kritischen Momenten heimlich nannte, schon so lange so gern hatte. Aber es waren über die Jahre nicht nur Bilanzen, Steuererklärungen und unangenehme Geschäftskorrespondenzen gewesen, die Alrun ihr abgenommen hatte.

Alrun hatte auch für alles andere ein offenes Ohr und Auge und meist sogar einen brauchbaren Rat. Der Schuß Pessimismus, der ihr eigen war, hatte Elfies manchmal besinnungsloses Drauflosleben schon manches Mal auf das Maß an Realismus und Pragmatismus zurechtgestutzt, mit dem die eine oder andere Klippe des Lebens dann doch besser zu umschiffen war. Und Alrun war immer da gewesen. Genauso wie Elfie für sie, vor allem seit Alrun vor fast vier Jahren von ihrem Mann sitzengelassen worden war und nicht gewußt hatte, wie sie ihrem damals siebenjährigen Sohn Melvin Mutter, Vater, Zuhause, Spielgefährte und Brotverdiener gleichzeitig sein sollte. Denn Melvins Vater hatte mit seinem Abgang ganze Arbeit geleistet. Niemand wußte, wo er steckte. Was Alrun in dreifacher Hinsicht belastete: Sein plötzliches Verschwinden hatte ihr nicht nur gefühlsmäßig den Boden unter den Füßen weggezogen, sondern sie auch finanziell wie organisatorisch in Bedrängnis gebracht. Letzten Endes doch alles irgendwie geregelt zu bekommen war ihr nur dadurch möglich gewesen, daß sie sich angewöhnt hatte, in Schubladen mit Ordnungsfächern zu denken. In der Schublade für Melvin, beispielsweise, gab es die Ordnungsfächer Schule, normale Wochenenden, besondere Wochenenden, Geburtstag, Geschenkwünsche, Zimmeraufräumtag, Arzttermine und Geburtstage von Melvins Freunden. Und nur wenn Alrun beim Aufstehen gedanklich diese wie auch alle anderen Schubladen nach Tagesanforderungen durchcheckte, fühlte sie sich ihrem randvollen Leben gewachsen und konnte klaren Kopfes zur Arbeit in der Hauptbuchhaltung eines internationalen Finanzierungskonzerns gehen, in der sie als die rechte Hand des Abteilungsleiters fungierte, und das mit großem Erfolg. Insofern war das, was Alrun, ohne es zu wissen, in Elfies Augen zum wandelnden Rechenschieber machte, lediglich eine Überlebensstrategie, die sie brauchte, um beruflich wie privat präsent zu sein.

»Einen unterschriebenen Vertrag für ungültig zu erklären, eine so große Sache abzusagen, nur aus einer Laune heraus …« Erregt strich Alrun sich eine lange, rotbraune Haarsträhne vorm Gesicht weg und sah Elfie vorwurfsvoll an.

Es war voll und laut im Checkers, und die Menschentraube, die Elfie an dem kleinen Stehtisch in der Mitte des Lokals um sich geschart hatte, war auch nicht gerade eine stumme Trauergemeinde. So hatte Alrun viel lauter gesprochen, als es ihre Gewohnheit war.

Schmollke, Urgestein und Portier des Hansson Palace, Elfies ehemaliger Arbeitsstelle, Vera, Elfies liebste Kollegin aus jener Zeit, und Doris Barth, die Empfangschefin des Hansson Palace, standen etwas abseits und betrachteten Elfie sorgenvoll. Sie wußten, daß es bei Elfies momentaner Stimmung keinen Zweck hatte, auf sie einzureden und sie von etwas überzeugen zu wollen, das Elfie angst machte. »Wißt ihr«, sagte Schmolli nachdenklich in die Runde, »ich kenne das noch von meiner Schwester her. Wenn eine Frau ihren Partner verliert, dann packt sie plötzlich zu all der Traurigkeit auch noch so eine Art existenzielle Angst … die Angst vor Armut und Not … eine richtige Panik, vor dem Aus zu stehen. Genau das macht unsere Elfie jetzt auch durch. Aber die berappelt sich schon wieder. Ich glaube nicht, daß sie bei ihrer jetzigen Entscheidung bleibt.«

»Na, ich weiß nicht …« Vera legte den Kopf schief und sah zweifelnd zu Elfie hinüber. Auch Doris Barth neigte zu einer eher negativeren Beurteilung von Elfies momentanem Befinden.

»Wir müssen ihr einfach weiter fest zur Seite stehen«, meinte Schmolli.

Das wiederum sahen Vera und Doris Barth ganz genauso. »Und was nützt mir Mut, Alrun, wenn es nur der Mut der Verzweiflung ist und dann doch alles in die Grütze geht?« Elfie sah ihrer Freundin trotzig ins Gesicht.

»Das beste ist, du rechnest mit dem schlimmsten«, sagte Alrun und meinte das nicht annähernd so destruktiv, wie es klang. »Die werden dich verklagen.« Sie sprach inzwischen wieder leiser. »Schon allein, weil sie behaupten werden, anderen Interessenten abgesagt zu haben und nun wirtschaftlich von dir geschädigt worden zu sein. Und dann, meine Liebe, dann hast du zwei Klötze am Bein. Herzlichen Glückwunsch!«

»Danke, Alrun!« sagte Elfie bissig und nahm einen großen Schluck Cuba Libre. »Danke, allerbeste Freundin! Ist doch immer wieder schön, wie du mir Mut machst.«

Alrun stocherte mit dem Strohhalm in ihrem Glas nur herum, wie schon die ganze Zeit über. »Ich bin Buchhalterin, Elfie. Ich sehe die Dinge des Lebens nun mal nüchtern.«

Wenn es noch eines Kommentars bedurft hätte, um Alrun für Elfie an diesem Abend zur Unperson zu machen, so war es dieser. Alruns Sicht der Dinge kollidierte mit Elfies derzeitiger Verfassung so gründlich, daß zwischen den beiden Frauen praktisch keine Verständigung möglich war. Elfie wußte nicht mal, was sie darauf erwidern sollte.

In dem Moment bot eine Blumenverkäuferin am Nebentisch eine kleine Showeinlage, indem sie sich bei jemandem, der ihr ein Sträußchen abgekauft hatte, mit einem Tanzliedchen bedankte – für Elfie ein wunderbarer Anlaß, ihre allgemeine Verzweiflung und die ganze spezielle Enttäuschung über Alrun an jemandem abzureagieren. »Na, und die gehen mir schon lange auf den Keks«, legte sie los. »Diese Händler mit ihren Blumen und Zeitungen und geklauten Feuerzeugen und Uhren und …« Auf die schnelle fiel ihr nicht mehr ein, also variierte sie ihre Schimpftirade. »Betteln, schummeln, jammern, einem die Hucke vollquatschen …«

Nicht ahnend, daß all das ihr galt, trat die Blumenverkäuferin an Elfies Tisch und bot in einem näselnden Singsang, passend zu ihrer Verkleidung als baskenmütziges Pariser Straßenkind, der versammelten Runde »eine kleine Biedermeier-Sträuß« an. Elfie fuhr zu ihr herum und imitierte ihren Akzent, als sie barsch sagte: »Nein, möchten wirrr nischt!«

Die Blumenverkäuferin zuckte nur mit der Schulter und zog wortlos weiter.

Alrun schüttelte den Kopf und sah Elfie verständnislos an. »Wer dich nicht kennt, könnte dich hassen«, sagte sie.

Elfie warf den Kopf in den Nacken und verkündete: »Ich habe Sorgen. Ich darf das.«

Doris Barth beschloß, daß es höchste Zeit für einen Themenwechsel sei, und fing an, eine jüngst erlebte Anekdote aus dem Hansson Palace zum besten zu geben, als plötzlich eine Baseballkappe neben dem Stehtischchen auftauchte.

Elfie verzog das Gesicht und murmelte: »Ist heute nacht Krötenwanderung, oder was?«

»Melvin!« stieß Alrun hervor und faßte sich erschrocken ans Kinn. »Wie … was … wie kommst du denn hierher?«

»Mit mir«, ertönte nun eine männliche Stimme. »Mit mir kommt er hierher.«

Alle drehten sich zu dem Mann um, der einen Block mit Taxenquittungen durch die Luft wedelte. »Ich habe achtzehn Mark sechzig auf der Uhr.«

Nun entwickelte sich eine etwas tumultartige Szene, weil mehrere Menschen gleichzeitig versuchten, ihr Anliegen loszuwerden: Melvin versuchte zu erklären, daß es eine dringende Bitte um Rückruf seitens ihres Abteilungsleiters für seine Mutter gebe, die er ihr nicht habe mitteilen können, weil sie offenbar ihr Handy ausgeschaltet hatte, der Taxifahrer forderte sein Geld, Elfie hatte massive Einwände gegen die Zweckentfremdung des Checkers als Kindergarten, ihre Ex-Kollegen aus dem Hansson Palace versuchten herauszubekommen, wer das Kind war, und Alrun versuchte, alle gleichzeitig zum Schweigen zu bringen, da von dem Moment an, als Melvin den Namen ihres Vorgesetzten genannt hatte, für sie feststand, daß der Abend im Checkers für sie beendet war. Zuerst drückte sie dem Taxifahrer einen Zwanzigmarkschein in die Hand, dann schimpfte sie mit Melvin, der beteuerte, ihr das alles schon zweimal auf die Mailbox gesprochen zu haben, und dann behauptete sie, es handle sich um etwas Wichtiges, das sie nicht telefonisch regeln könne, sie müsse sofort persönlich zu ihrem Chef fahren. »So ‘n Quatsch! »sagte Elfie.« Ich sag Thomas Bescheid, der läßt dich vom Büro aus telefonieren, in aller Ruhe. Wegen irgend so ‘ner blöden Bilanz brauchst du doch nicht Stunden nach Feierabend da anzutraben!«

Alrun wimmelte Elfies vernünftige Einwände und Vorschläge nervös ab. »Nein, nein, das verstehst du nicht. Das geht nicht. Ich muß.« Sie beugte sich zu einem flüchtigen Wangenkuß zu Elfie vor, und schon im Gehen rief sie ihr über die Schulter zu: »Du hast gesagt, du zahlst, nicht?«

Und dann waren sie und Melvin verschwunden.

Als sich kurz darauf auch noch die Kollegen aus dem Hansson Palace verabschiedeten, war Elfie so allein, wie sie sich schon die ganze Zeit über gefühlt hatte. Sie bestellte sich noch einen Cuba Libre und prostete der Eingangstür in ihrem Rücken zu. »Wiedersehen, Melvin. Tschüs, Alrun. Nett, daß ihr da wart, Vera, Doris und Schmolli.« Sie trank einen Schluck und starrte dann in das Glas. »Nööö«, sagte sie gedehnt. »Ich hab ja keine größeren Probleme. Ich brauch auch keine Freunde, die mir zuhören und helfen. Ist schon in Ordnung, daß ihr mich hier allein stehen laßt.«

Daß Elfie an diesem Abend nicht in Selbstmitleid versank und doch noch zu der Entscheidung kam, vor der sie sich so scheute, lag an ihrem guten alten Freund Bernd.

Als Elfie beschwipst und niedergeschlagen in seine Wohnung kam, die ja vorübergehend auch ihre war, fand sie ihn nackt auf dem Bett liegend Geschichtsarbeiten korrigieren, die seine Schüler am Vormittag geschrieben hatten. Die Arbeitshefte ersetzten das Kopfkissen, und Bernd lag auf dem Bauch davor und machte einen zufriedenen Eindruck. Elfie war leise eingetreten, weil sie ihn nicht stören wollte, falls er schon schlief, und im ersten Moment bemerkte er sie gar nicht. Elfie lächelte wehmütig. Ein schöner Mann! Und eine schöne Wohnung, modern und trotzdem gemütlich, in der warme, erdige Farben dominierten, so daß die bunten Grafiken an den Wänden um so besser zur Geltung kamen.

Elfie rasselte mit ihrem Zweitschlüssel und sagte leise: »Na, schöner Mann!«

Bernd erschrak nur für einen kurzen Augenblick. Dann sagte er: »Glaub ja nicht, daß ich mich jetzt umdrehe!«

»Nicht nötig«, sagte Elfie, als sie auf sein Bett zuging. »Mir ist sowieso nicht nach Lachen zumute.«

Bernd hatte geahnt, daß Elfie Angst vor der eigenen Courage bekommen würde, wenn der Zeitpunkt gekommen war, den Hotelbetrieb nun tatsächlich allein zu eröffnen, und er hatte sich darauf gefaßt gemacht, Elfie behutsam, aber hartnäckig durch diese kritische Zeit zu begleiten. Aber als er jetzt ihre Stimme hörte, beschloß er, ihr den Kopf zu waschen und das ganze zu erwartende Hin und Her abzukürzen. Er kannte Elfie gut genug, um zu wissen, sie wartete nur darauf, daß ihr jemand sagte, was sie tun sollte. Bernd schlug das Arbeitsheft zu, das er zuletzt durchgesehen hatte, atmete tief durch und dachte: Ich glaube, es ist besser so – für uns beide. Elfie trat zu ihm ans Bett, und die beiden begrüßten sich zärtlich und vertraut. Soviel Zeit muß sein, dachte Bernd. Elfie durfte sogar noch ihre »sogenannten« Freunde niedermachen, die sie alle »im Stich« ließen und sie nicht verstanden. Als sie eher beiläufig erwähnte, das mit dem Hotel sei nun auch »vom Tisch«, fand Bernd, es sei an der Zeit, das gemütliche Schlafzimmer zu verlassen und in die Küche zu gehen. Nicht, daß Bernds Küche ungemütlich gewesen wäre, dafür wohnte, kochte und aß er viel zu gern, aber sie stellte doch den angemesseneren Rahmen für das dar, was er zu sagen hatte.

Und das war genau das, was Elfie nicht hören wollte. Sie sprang auf und rannte ins Wohnzimmer.

Bernd dachte nicht im Traum daran, Elfie ihren Dickkopf auf eine Weise ausleben zu lassen, die sie ihr Leben lang bereuen würde. Er nahm die Gläser, die er vorher eingeschenkt hatte, und folgte ihr.

Wie eine grimmige Monarchin thronte sie auf dem nachtblauen Sofa und starrte auf die Wand. Aber wenn Bernd sie schon nicht dazu zwingen konnte, ihn anzusehen, so mußte sie ihm doch zuhören. Zuerst sprach er darüber, daß es falsch sei, weitreichende Entscheidungen allein zu treffen, dann darüber, daß es falsch sei, einmal getroffene Entscheidungen wieder umzustoßen, und dann kam er zu dem Punkt, der ihm am wichtigsten war. Abgesehen davon, daß er einen Rücktritt vom Kaufvertrag eine Zumutung für die Schnabels fand, führte er Alrun ins Feld, die sich bereit erklärt hatte, unentgeltlich die gesamte Buchführung für das Hotel zu machen, und dann das Zimmermädchen Julietta, das Elfie extra aus dem Hansson Palace abgeworben hatte und nun ohne Arbeitsplatz dastehen würde, mit einem Mann, der einen unsicheren und schlecht bezahlten Job im Hafen hatte, und vier Kindern. Dabei ging es Bernd sowohl um die soziale Verpflichtung, die Elfie da übernommen hatte, als auch um die menschliche Seite. Daß beide Frauen sich aus Sympathie für Elfie und ihre Geschäftsidee an Elfies Hotel gebunden hatten, sei doch nichts, was sie mal eben so vom Tisch wischen könne.

Elfie war zutiefst erschrocken. Julietta hatte sie völlig vergessen. Wie hatte ihr das passieren können? Sie riß die Augen auf, faßte sich an die Brust und murmelte: »Stimmt … Julietta!«

In dem Moment wußte Bernd, daß er sein Ziel erreicht hatte. Aber ein wenig Nachsetzen konnte nicht schaden.

»Und was glaubst du, was Alexander dazu sagen würde, wenn du jetzt kneifst? Aber du brauchst dich auch nicht darüber zu wundern, daß niemand das versteht. Hinschmeißen, Elfie, aufgeben … das paßt nicht zu dir.«

Elfie seufzte tief und sah Bernd zweifelnd an. »Ach Bernd …!«

»Nix ›Ach Bernd‹!« Bernd war jetzt voll in Fahrt und ging erregt im Wohnzimmer auf und ab, während er Elfie den Rest gab. »Da draußen laufen Hunderttausende von Frauen rum, die einen Traum von einem besseren Leben haben. Irgendeinen. Sie träumen davon, daß jemand ihre Kraft, ihre Talente, ihre Fähigkeiten erkennt und ihnen eine Chance gibt.«

»Aber ich habe Angst, Bernd!« warf Elfie dazwischen und sah ihn verständnissuchend an. »Einfach Angst.«

Aber bevor Bernd auf diesen verständlichen Punkt einging, hatte er noch etwas anderes zu sagen. »Du, Elfie, du hast diese Chance bekommen, eine Chance, um die dich viele beneiden würden, dein eigenes Hotel. Du bist die Chefin. Du kannst dein Leben in die Hand nehmen und selbst gestalten. So was gibt man doch nicht auf!«

Elfie sah ihn bewegt an. Jetzt hatte er sie endgültig. Langsam ging er auf seine Sammlung mit Spieluhren zu, zog eine mit einer Ballerina auf und sagte: »Und wenn du Angst hast und Hilfe brauchst: Du bist nicht allein auf der Welt. Ich bin da. Dein oller Bernd ist immer für dich da.« Dann ließ er die Ballerina tanzen.

Kapitel 2

Als Elfie den Schnabels am nächsten Morgen unter wortreichen Entschuldigungen versicherte, es bleibe alles beim alten, begegneten die Vorbesitzer ihr freundlich, aber distanziert. Die Hotelhalle war jetzt zwar kahl und leer, aber dafür wirkte sie nicht mehr wie eine Malerwerkstatt, und Elfie sah sich in ihrem neuen Reich zufrieden und erleichtert um. Eine gute Entscheidung, die großen alten Räume nicht nur hell, sondern gelb anmalen zu lassen. Daß die ganze Hotelhalle an diesem Morgen von Sonnenlicht durchflutet war, machte alles nur noch schöner und wärmer und ließ Elfie neuen Mut fassen.

Der Handel bekam auch gleich einen quasi amtlichen Segen, als Hauptwachtmeister Poggensee, der zuständige Beamte für diesen Teil des Viertels, auf einem Routinebesuch – er holte dort in regelmäßigen Abständen die ausgelesenen Illustrierten für seine Frau ab – im Hotel vorbeischaute. Das heißt, ein reiner Routinebesuch war es an diesem Morgen nicht, sondern gleichzeitig das Abschiednehmen von Rita und Werner Schnabel. Daß Poggensee dabei auch gleich deren Nachfolgerin kennenlernte, werteten alle Anwesenden als gutes Omen.

»Wenn was ist, wir sind da«, waren Poggensees letzte Worte an Elfie, als er, einen Stapel Zeitschriften unterm Arm, wieder ging.

Rita Schnabel sagte schmunzelnd: »So werden Freundschaften fürs Leben gestiftet«, als sie Elfie ins Frühstückszimmer winkte, um ihr noch ein paar Tips und Hinweise zu geben.

»Mit dem Aufstehen richten Sie sich auf fünf Uhr ein, besser schon halb fünf«, war einer davon.

»Halb fünf?« wiederholte Elfie entgeistert.

»Aber sicher doch! Dienen, Frau Gerdes, dienen … Das muß man mögen. Frühstück machen, Weckdienst, Anreisen, Sonderwünsche … Gäste sind wie Hyänen: morgens die ersten, abends die letzten.«