Die Kletterbibel - Martin Mobråten - E-Book

Die Kletterbibel E-Book

Martin Mobråten

0,0
36,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Für alle Schwierigkeitsgrade: Das Standardwerk für Kletterer Ob Sie fürs Bouldern in der Halle trainieren, oder für ausgedehnte Klettertouren im Freien: Mit der richtigen Technik klettert es sich leichter! Umso besser, wenn sich Anfänger in diesem Grundlagenwerk fundierten Rat einholen können. Aber auch erfahrene Kletterer profitieren von dem umfassenden Ratgeber und finden passgenaue Tipps in allen Kapiteln. - Geballtes Fachwissen von den Profikletterern Martin Mobråten und Stian Christophersen - Treuer Begleiter: Das Kletterbuch für Einsteiger, Fortgeschrittene und Profis - Man muss viel klettern, um ein guter Kletterer zu sein: Trainingsplanung mit System - Für die ungetrübte Freude am Klettersport: So können Sie Verletzungen verhindern -  Detaillierte Fotos von Griffpositionen, Fußtechniken und Klettersituationen Technik, Körper, Geist: Profi-Tipps zu Taktik und Planung beim Klettern Gegliedert ist das Buch in ein Kapitel zu Klettertechniken, einem zum kletterspezifischen Kraft-, Ausdauer- und Beweglichkeitstraining, und einem ausführlichen Kapitel zum mentalen Training. Taktik und Trainingsplanung kommen auch nicht zu kurz. Dazwischen finden sich inspirierende Geschichten aus der Kletter-Community. Das Autoren-Duo Martin Mobråten und Stian Christophersen, die beide als Athleten der norwegischen Nationalmannschaft am Start waren und heute als Trainer arbeiten, geben mit diesem Buch ihren geballten Erfahrungsschatz weiter. Ein schönes Geschenk für sich oder kletterbegeisterte Freunde!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 417

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



DIE KLETTER BIBEL

TECHNISCHES, PHYSISCHES UND MENTALES TRAINING

MARTIN MOBRÅTEN & STIAN CHRISTOPHERSEN

Übersetzt von Flo Scheimpflug

FOTO: CHRIS BURKARD

Stian Christophersen genießt die Aussicht in der Grande Grotta, Kalymnos, Griechenland.

IMPRESSUM

Sämtliche Angaben in diesem Werk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr. Eine Haftung der Autoren bzw. Herausgeber und des Verlages ist ausgeschlossen.

This Work was originally published in 2020 by Vertebrate Publishing, an imprint of Vertebrate Publishing, Omega Court, 352 Cemetery Road, Sheffield, S11 8FT, UK, under the title The Climbing Bible by Martin Mobråten Stian Christophersen Bjørn Sætnan.

1. Auflage 2023

© Martin Mobråten and Stian Christophersen 2020. Forword copyright © Jo Nesbø 2020.

© der deutschen Übersetzung: Bergwelten Verlag bei Benevento Publishing Salzburg – Wien, eine Marke der Red Bull Media House GmbH, Wals bei Salzburg

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags, der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen sowie der Übersetzung, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Gesetzt aus der ScalaOT und Kapra Neue Pro

Design und Layout: Jon Tore Modell

Satz: Marlene Auer

Lektorat der norwegischen Originalausgabe: Elisabet Skårberg

Englische Übersetzung: Bjørn Sætnan

Deutsche Übersetzung: Florian Scheimpflug

Coverabbildung: Luka Fonda / Red Bull Content Pool

Fotografie, sofern nicht anders angegeben: Bård Lie Henriksen

Medieninhaber, Verleger und Herausgeber:

Red Bull Media House GmbH

Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15

5071 Wals bei Salzburg, Österreich

ISBN 978-3-7112-0045-7

eISBN 978-3-7112-5029-2

MARTIN

Mama und Papa, danke, dass ihr es mir ermöglicht habt, meiner Leidenschaft zu folgen!Maria, es ist einfach großartig, dass ich das Klettern und den Rest meines Lebens mit dir teilen darf!

STIAN

Danke, Dad, für all die tollen Reisen und dafür, dass du mir das nähergebracht hast, was mein Leben geprägt hat.Danke, Karianne, für deine Geduld und dafür, dass du mir immer hilfst, wenn ich nicht weiterkomme.Danke, Mama, dass du immer an mich glaubst, egal, was passiert.Kasper und Oda, das hier ist für euch.

INHALTSVERZEICHNIS

DAS SPIEL Ein Vorwort von Jo Nesbø

Wie man dieses Buch lesen soll

Was kann uns die Geschichte lehren?

Spiel und Training

KAPITEL 1TECHNIK

Griffpositionen

Offene Hand

Zangengriff

Halb aufgestellt

Voll aufgestellt

Weitere Greifmöglichkeiten

Fußarbeit

Aufkanten

Schmieren

Volumes und große Tritte

Kletterschuhe

Die Grundlagen

Balance und Gewichtsverlagerung

Die Richtung von Kraft und Spannung

Statischer und dynamischer Kletterstil

Spezifische Techniken

Frontales Klettern

Eindrehen

Durchscheren

Seit-, Schulter- und Untergriffe

Layback

Louis’ Schule des Jammens

Klettern an Slopern

Stemmen

Manteling

Heel hook

Toe hook

Dyno

Pogo

Flick, Clutch und andere moderne Bouldermoves

Wandneigungen und entsprechende Techniken

Platten

Wandkletterei

Klettern in Überhängen

Dachklettern

Techniktraining

Stufen der Technikentwicklung

Vorstieg vs. Boulder

Einhängen des Seils

Routen und Boulder richtig „lesen“

Eigene Routen und Boulder definieren

Drinnen vs. Draußen

Beta oder nicht?

KAPITEL 2PHYSISCHES TRAINING

Der Kletterkörper

KRAFT

Fingerkraft

Deadhangs

Deadhang Trainingsmethoden

Interview mit Eva López

Arm- und Oberkörperkraft

Klimmzüge

Lock-offs

Finger-, Arm- und Oberkörper kombinieren

Bouldern

Campusen

Das Campusboard

Core-Training

Füße platzieren

Hängeübungen

Hangwaage

Begriffe des Krafttrainings

AUSDAUER

Mentale Aspekte

Physische Aspekte

Ausdauertraining

Kraftausdauertraining

Unterschiedliche Performance-Faktoren beim Bouldern und Lead-Klettern

BEWEGLICHKEIT

Hüftbeweglichkeit

Schultern und oberer Rücken

KAPITEL 3MENTALES TRAINING

Motivation und Zielsetzung

Widrigkeiten

Vertrauen und innerer Dialog

Versuchen, scheitern und besser scheitern!

Trau dich, es zu versuchen!

Angst vor dem Stürzen

Die Angst zu versagen

Konzentration und Fokus

Routinen und Rituale

Stressniveau und Kontrolle

Visualisierung

Einen Routenskizze erstellen

KAPITEL 4TAKTIK

Wann sollte ich klettern?

Reibung

Mit wem soll ich klettern?

Wie viele Versuche kann ich machen?

Hautpflege

Wie bereite ich mich mental vor?

Wie man eine Route in verschiedenen Abschnitten klettert

Wie man eine Route Rotpunkt klettert

ANEKDOTE EINES KLETTERERS: Magnus vs. „Neanderthal“

Wie man ein Boulderproblem punktet

ANEKDOTE EINES KLETTERERS: Stian vs. „Eurofighter“

Wie man eine Route Onsight klettert

Wie man eine Route oder einen Boulder flasht

Strategien für Wettkämpfe

Lead-Wettkämpfe

Boulder-Wettkämpfe

Taktische Vorbereitungen

Wettkampfpläne

Umgang mit Stress

Fernglas, Stift und Papier

KAPITEL 5VERLETZUNGSVORBEUGUNG

Allgemeines Krafttraining

Übungen mit dem eigenen Körpergewicht

Suspension-Training

Training mit Gewichten

Belastungsmanagement

Wenn der Schaden schon eingetreten ist

Akute Verletzungen

Chronische Verletzungen

Was ist Schmerz?

Schmerz und Verletzung

Schmerz, Sensibilisierung und Belastung

Häufige Verletzungen und Beschwerden

Fingerverletzungen

Gelenkschmerzen

Ellbogenschmerzen

Schulterschmerzen

Knieschmerzen

Junge Kletterer und Verletzungsrisiken

ANEKDOTE EINER KLETTERIN: Der schlimmste Albtraum eines Kletterers

KAPITEL 6TRAININGSPLÄNE

Periodisierung

Peaking

Trainingspläne

Ziele, Anforderungen und Kapazitäten

Längerfristige Pläne

Periodische Planung

Kurzfristige Pläne

Interview mit Tom Randall

Planen einer Trainingseinheit

Gesamtbelastung

Wie man auch in stressigen Zeiten sein Niveau hält

ANEKDOTE EINER KLETTERIN: Klettern während und nach der Schwangerschaft

Die Freude am Klettern

Die zehn Gebote des Kletterns

Epilog

Schwierigkeitsskalen

Glossar

Mehr zum Thema

FOTO: DAG HAGEN

„MIR WURDE BEWUSST, DASS ICH ALS MITTLERWEILE VIERZIGJÄHRIGER DEN SPASS AN DEN SPIELEN MEINER KINDHEIT WIEDERENTDECKT HATTE. UND ZWAR NICHT NUR AN IRGENDEINEM SPIEL, SONDERN EINEM SPIEL, DAS MANCHMAL VIEL REALER IST ALS DAS, WAS MAN ALS ‚REALITÄT‘ BEZEICHNET.“

DAS SPIEL

VORWORT VON JO NESBØ

Als ich noch ein Kind war, spielten wir oft Cowboy und Indianer. Ich war der Jüngste in der Gruppe, aber die älteren Kids respektierten mich wegen meiner Fähigkeit, möglichst spektakulär zu sterben. Mir machte es nichts aus, mich manchmal von ein wenig zu weit oben aus den Ästen fallen zu lassen, solange es dem visuellen Effekt zusätzlichen Schwung verlieh. Auf dem Heimweg kamen wir bei Normalos vorbei, die ihre Kinderwagen schoben, ihre Autos wuschen, den Rasen mähten oder andere friedliche, bedeutungslose oder langweilige Dinge taten. Ich dachte mir nur: Verdammt! Ist diesen Leuten denn nicht klar, dass nur wenige Meter von ihnen entfernt ein Kampf auf Leben und Tod gefochten wurde?

35 Jahre später klammerte ich mich an ein Stück Fels, hoch oben an der berühmten Thaiwand in Railay in Thailand. Als ich 80 Meter hinunter ins Meer blickte, wurde mir klar, dass, wenn ich mir in diesem Moment theatralisch an die Brust fasste, mein Indianergeheul losließ und stürzte, es dieses Mal nicht nur ein spektakulärer Sturz, sondern auch ein sehr realer Tod sein würde. Es sei denn natürlich, dieses lächerlich dünne Seil würde seinen Zweck erfüllen und mich auffangen, was es, wie mir mein zukünftiger Kletterkumpel versicherte, normalerweise immer tut. Ich starb auf dieser Reise drei- oder viermal, schaffte es aber immer wieder, mich ins Leben zurückzukämpfen. Dabei wurde ich von einem Cocktail aus Adrenalin, Überlebensinstinkt, körperlicher Kraft, die ich nicht besaß, und einer mir bis dahin unbekannten geistigen Ausdauer angetrieben. Wütende Flüche und ungehemmte Freudenschreie, Angst und Lachen, erblindete Augen und plötzliche Enthüllungen hinsichtlich des bevorstehenden Erfolgs verwandelten sich in plötzliche Panik, die wiederum alle Rückzugspläne und weißen Fahnen zu einem entschlossenen Kampf gegen Kalk, die Dämonen und die Schwerkraft werden ließ. Als wir dann auf dem Rückweg aus dem Dschungel an einem Luxusstrand vorbeikamen, der von vor Sonnencreme glänzenden Touristen bevölkert war, dachte ich mir nur: „Verdammt! Ist diesen Leuten denn nicht klar, dass nur wenige Meter von ihnen entfernt ein Kampf auf Leben und Tod gefochten wurde?

Mir wurde bewusst, dass ich als mittlerweile Vierzigjähriger den Spaß an den Spielen meiner Kindheit wiederentdeckt hatte. Und zwar nicht nur an irgendeinem Spiel, sondern einem Spiel, das manchmal viel realer ist als das, was man als „Realität“ bezeichnet.

Natürlich ist Klettern in erster Linie das: Spaß und Spiel. Wir müssen nicht zu Meistern im Bezwingen steiler Wände werden. Dort oben gibt es schließlich nichts zu essen. Andere Sportarten wie Laufen, Schwimmen, Reiten oder Skifahren sind viel besser darin, Essen auf den Tisch zu bringen, wenn der Tag kommt, an dem das Stromnetz zusammenbricht.

Klettern kommt der Prämisse eines Kinderspiels so nahe wie nur irgend möglich: „Hey, lass mal sehen, wer da hochklettern kann!“ Als ich mich weiter mit dem Klettern beschäftigte, stellte ich mit einer gewissen Verwunderung fest, dass trotz der Tatsache, dass es ein reines Spiel und Spaß ist, viele bereit sind, Zeit, Schweiß und Tränen zu opfern, um gute Kletterer zu werden. Oder zumindest, um besser zu werden. Mich selbst eingeschlossen.

Mir wurde aber auch klar, dass sich nur sehr wenige von ihnen die Mühe machten, ihr Training auf etwas anderem aufzubauen als dem, was sie von anderen Kletterern aufgeschnappt hatten oder auf den Erfahrungen und persönlichen Ideen, die sie selbst aus anderen Sportarten mitgebracht hatten, um beim Klettern Fortschritte zu erzielen. In einer Zeit, in der die Trainingswissenschaft selbst in den kleinsten Sportarten professionalisiert, hinterfragt und analysiert wird, frage ich mich, warum das nicht auch beim Klettern so ist? Als Außenstehender, der von anderen Sportarten zum Klettern kam, stellte ich mit Erstaunen fest, dass systematisches Training bei einem großen Teil der Klettercommunity verpönt war. Vielleicht hängt das mit den etwas unklaren Maßstäben des Kletterns zusammen. Der „echten“ Verbundenheit mit der Natur, die sich dem Leistungsgedanken der Industriegesellschaft entgegenstellt, oder das natürliche Talent, das sich dagegen sträubt, von gezielten Routinen eingesperrt zu werden. Tatsache ist letztendlich, dass es bei kindlichen Spielen zwar darum geht, Spaß zu haben, es aber auch dazugehört, besser zu werden.

So wie ich es sehe, gibt es inzwischen einen Trend, das Training nicht nur als Teil, sondern als Erweiterung des Spiels zu sehen. Die meisten von uns – wir, die wir nicht in die Geschichte des Kletterns eingehen werden – können eine tiefe Befriedigung darin finden, uns persönliche Ziele zu setzen und sie mit den Mitteln zu erreichen, die uns zur Verfügung stehen, sei es technisches Talent, Kraft, Einstellung und Mentalität, Spielfreude, Disziplin oder schiere Willenskraft. Deshalb ist ein Buch, das sich mit der Verbesserung der eigenen Technik, den Trainingsmethoden, der Strategie und der Verletzungsprophylaxe befasst, eine willkommene Erweiterung unseres Spiels, ein Werkzeug, um herauszufinden, wer es schafft, „dort hinaufzuklettern“.

Während ich diese Zeilen schreibe, habe ich gerade den Abstieg vom Kolsåstoppen in der Nähe von Oslo hinter mir, wo ich mit losen Griffen, Basalt und Rautenporphyr gekämpft habe. Auf diesem bin ich lächelnden Passanten begegnet, die mich mit den Worten: Na, da haben wir wohl Spaß in der Sonne gehabt, was?, begrüßten. Ich habe zurückgelächelt und gedacht: Die haben keine Ahnung.

FOTO: BJØRN SÆTNAN

Maria Davies Sandbu klettert Un Petit Hueco Dans Rocklands (Font 7b+), Rocklands, Südafrika.

DER GRUND, warum wir dieses Buch schreiben, ist ein zweifacher. Erstens war das Interesse am Klettern noch nie so groß wie heute. Während Klettern als Outdoor-Aktivität früher als alternativ und sogar ein wenig seltsam galt, ist der Klettersport heute etwas „Normales“ geworden. Immer mehr Menschen beginnen zu klettern, sowohl in der Halle als auch im Freien, weil sie den Spaß und die Herausforderung an diesem Sport schätzen.

Zweitens wollten wir nach über zwei Jahrzehnten des Kletterns als Leidenschaft und Beruf unser dokumentiertes und auf Erfahrung basierendes Wissen zusammentragen und schriftlich festhalten, um sowohl neuen als auch erfahrenen Kletterern das nötige Handwerkszeug und die Inspiration zu geben, damit sie ihr eigenes Klettern zu neuen Höhen führen können.

Dieses Buch behandelt technische, physische und mentale Leistungsfaktoren im Klettern und wie diese trainiert werden können, damit du dein Niveau steigern kannst. Weitere Themen sind Taktik, Trainingsplanung und Maßnahmen, wie Verletzungen verhindert werden können. Unser Ziel ist es, dir praktische Hilfsmittel an die Hand zu geben, egal, wo im weiten Feld des Kletterns du dich befindest: entweder um dein eigenes Niveau zu steigern oder um Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zu helfen. Wir wünschen dir, dass du verletzungsfrei bleibst und so viel Freude an diesem wunderbaren Sport hast, wie wir es in den vergangenen 20 Jahren hatten.

WIE MAN DIESES BUCH LESEN SOLL

Dieses Buch ist rund um die drei klassischen Leistungsfaktoren beim Klettern aufgebaut: Technik, Körper und Geist.

Im Technik-Kapitel widmen wir uns den verschiedenen Grundlagen für alle Bewegungen an der Wand und behandeln spezielle Klettertechniken, bevor wir es mit Tipps für das eigene Training schließen.

Das Kapitel zum körperlichen Training konzentriert sich auf kletterspezifisches Kraft-, Ausdauer- und Beweglichkeitstraining. Ein eigenes Kapitel ist der allgemeinen Kraft- und Verletzungsprophylaxe gewidmet. In diesem stellen wir die Grundprinzipien zur Verringerung des Verletzungsrisikos vor und geben einen kurzen Überblick über häufige Kletterverletzungen. Das Kapitel zum mentalen Training befasst sich mit den mentalen Charakteristiken und Eigenschaften, die für die Kletterleistung zentral sind und wie sie trainiert werden können.

Darüber hinaus befasst sich dieses Buch mit Taktik und Trainingsplanung. Die Ausführungen sind mit kürzeren Themen wie Reibung, Hautpflege und Erzählungen über gute Trainingsumgebungen und Menschen oder Geschichten, die uns inspiriert haben, gewürzt.

Die Kapitel sind so gegliedert, dass die grundlegendsten Informationen gleich am Anfang vermittelt werden, bevor gegen Ende der Kapitel auf tiefer gehende Themen eingegangen wird. Unsere Beschreibungen der verschiedenen Techniken beginnen wir mit den grundlegendsten und enden mit den fortgeschrittensten. Solchen, die man wahrscheinlich erst braucht, wenn man schon auf einem relativ hohen Niveau klettert.

Ganz hinten im Buch findest du eine Liste von Wörtern und Ausdrücken, die wir Kletterer gerne verwenden, sowohl am Fels als auch beim Schreiben von Büchern wie diesem.

Die Bewegungen beim Klettern sind vielfältig: Es gibt niemals zwei, die einander ganz gleichen. Deswegen ist es auch wichtig, ein möglichst breites Repertoire an Bewegungen aufzubauen, wenn man mit dem Klettern beginnt. Weniger erfahrenen Kletterern empfehlen wir daher, sich auf die Kapitel über Technik und mentales Training zu konzentrieren. Hier werden verschiedene Techniken vorgestellt und es wird darüber gesprochen, wann sie angewendet und wie sie trainiert werden können.

Fortgeschrittene Kletterer werden feststellen, dass alle Kapitel Teile enthalten, die für sie relevant sind. Klettern ist ein komplexer Sport, und daher ist es wichtig, sich nicht bloß auf einen Bereich zu spezialisieren, wenn man sich verbessern will. Dennoch solltest du dir deiner eigenen Stärken und Schwächen bewusst werden und deinen Trainingsschwerpunkt auf den Bereich legen, in dem du dich verbessern möchtest. Zwischen dem Training für einen Boulderwettkampf in der Halle und der Vorbereitung auf lange, herausfordernde Sportkletterrouten im Freien werden immer große Unterschiede bestehen. Wir hoffen, dass dich das Lesen unseres Buches bei diesem Prozess unterstützt, indem wir dir das nötige Rüstzeug, die Motivation und etwas Inspiration auf deinem Weg zu neuen Höhen geben.

Ganz hinten im Buch findest du eine Liste mit Wörtern und Ausdrücken, die wir Kletterer gerne verwenden, sei es im Klettergarten als auch beim Schreiben von Büchern wie diesem.

FOTO: BJØRN HELGE RØNNING

Stian Christophersen klettert Trøbbel (Font 8a+), Harbak, Norwegen.

WAS KANN UNS DIE GESCHICHTE LEHREN?

Das moderne Klettern ist eine Kombination aus Spiel und Training, es wird mit und ohne Seil und sowohl in der Halle als auch im Freien praktiziert. Wir sind der festen Überzeugung, dass alle Aspekte des Kletterns wichtig sind, um die Motivation aufrechtzuerhalten und sich zu verbessern.

Die Communities und Generationen, die hier in Norwegen starke Kletterer hervorgebracht haben – oft ist es eine bestimmte Community oder Generation, die sich hervorgetan hat –, waren diejenigen, die die verschiedenen Facetten und Disziplinen des Kletterns in sich vereint haben. Sie haben abwechselnd hartes Training und wettkampforientiertes Bouldern in der Halle betrieben und sind sowohl auf kurze als auch auf lange Boulder- und Sportklettertrips gefahren, um sich an echtem Fels im In- und Ausland zu versuchen. Sie haben diese Aktivitäten gemeinsam unternommen und sich dabei gegenseitig auf den nächsten Level gepusht. Wenn man genau darüber nachdenkt, ist es schwer, ganz allein ein guter Kletterer zu werden. Jemand muss dich anleiten und sichern, und es ist außerdem von großem Vorteil, wenn man mit einem Freund über die richtigen Lösungen für eine Route, das „Beta“, sprechen kann. Deine Community wird auch dich beim Training anspornen und dafür sorgen, dass du auf deinen Klettertrips Spaß hast.

SPIEL UND TRAINING

Wie Jo in seinem Vorwort schreibt, lässt sich das Klettern in vielerlei Hinsicht zwischen den beiden leicht widersprüchlichen Elementen „Spiel“ und „Training“ aufteilen. Das Spiel ist vielleicht das Element, das Klettern im Vergleich zu traditionelleren Sportarten wie Laufen oder Gewichtheben am besten charakterisiert. Stell dir eine stinknormale Boulder-Session vor: Die Boulderer sitzen auf der Matte, plaudern über dies und das, besprechen Bewegungen, und ab und zu versuchen sie auch mal einen Boulder. Nach dem Scheitern bei einem Dyno-Move, plumpst der eine herunter, rollt über die Matte, und seine Freunde lachen. Für die meisten von uns ist das wie ein Spiel, das wir aus unserer Kindheit kennen. Andererseits verbinden wir das Training für das Klettern normalerweise mit Fingerboarding, aufgepumpten Unterarmen und Dehnübungen. Vielleicht beschließt du, eine Route fünfmal hintereinander zu klettern, um die Ausdauer für ein Projekt zu trainieren, an dem du gerade arbeitest. Das ist ermüdend und schmerzhaft, und die meisten Menschen würden das nicht als Spielen bezeichnen.

Viele Kletterer bevorzugen das Spielen und bemühen sich sehr, tunlichst alles zu vermeiden, was sie als Training betrachten, während andere Kletterer das Trainieren lieben und auf das Spielen ganz vergessen.

Weil du vorhast, dieses Buch lesen, hast du wahrscheinlich die Absicht, dich als Kletterer zu verbessern. Um dies zu erreichen, musst du trainieren – aber du solltest auch auf das Spielen nicht vergessen. Spielen zu können, ist genauso wichtig, um sich als Kletterer zu verbessern, wie auf dem Griffbrett zu hängen oder Routen so lange zu wiederholen, bis man völlig ausgepumpt ist. Beim Spielen lernt man neue Feinheiten für technische Bewegungen, und das Spielen verhindert, dass das Klettern langweilig und eintönig wird, wie es bei anderen Trainingsformen der Fall sein kann. Gleichzeitig wirst du dir durch gezieltes Training technischer, mentaler und physischer Faktoren viel bewusster werden, wie du dich an der Wand bewegst, und gleichzeitig sowohl deine physische als auch deine mentale Fitness steigern. Die Kombination von gezieltem Training und Spiel macht dich zu einem besseren Kletterer, und deswegen solltest du sich nicht als gegensätzliche Elemente, sondern als symbiotische Bausteine sehen.

Vergiss nicht, dass auch die traditionelleren Formen des Trainings so gestaltet werden können, dass sie sich mehr wie ein Spiel anfühlen. Viele der besten Athleten führen ihre Leistungen darauf zurück, dass sie immer Spaß haben, auch beim Training. Also spiele und hab jedes Mal Spaß, wenn du trainierst!

GEDANKEN ZUR TRAININGSPHILOSOPHIE

In vielen Ländern hat sich in der Trainingsphilosophie seit Jahren ein Fokus auf die körperlichen Bestandteile des Trainings herauskristallisiert. Hingegen liegt in Ländern wie Japan, der Schwerpunkt stärker auf dem Spiel mit den Bewegungen und weniger auf rein körperlichen Aspekten. Vielleicht lehnen wir uns hier weit aus dem Fenster, aber wir glauben, dass einige Kletterer zu viel Wert auf körperliches Training gelegt haben, was sich in ihrem Klettern widerspiegelt – es gibt zahlreiche Kletterer mit schlechter Technik. Als wir noch Wettkampfkletterer in Norwegen waren, wurde uns gesagt, dass wir zwischen Training und Klettern unterscheiden müssen. Das ist eine logische Unterscheidung, aber es ist wichtig zu betonen, dass das eine das andere nicht ausschließen sollte. Man kann zwischen Trainingseinheiten, bei denen der Schwerpunkt eher auf dem Spiel liegt, und Trainingseinheiten, bei denen man gezielt trainiert, unterscheiden, aber man sollte sich nicht auf das eine auf Kosten des anderen konzentrieren.

FOTO: BJØRNAR SMESTAD

KAPITEL 1

TECHNIK

KLETTERN WIRD als eine „technische Kraftsportart“ DEFINIERT. Mit anderen Worten, die Technik ist eines der wichtigsten Elemente, die es zu beherrschen gilt. Für viele ist sie auch das schwierigste. Was also ist Technik, und, vielleicht noch wichtiger, was ist eine gute Technik? Wenn man ein Kind beobachtet, das noch nie geklettert ist, wird man sehen, dass es intuitiv weiß, wie man an der Wand das Gleichgewicht hält. Dies ist ein Beispiel für eine gute Technik. In ähnlicher Weise sehen wir oft, dass Kletteranfänger, die eine gute körperliche Verfassung haben, dazu neigen, sich ausschließlich auf ihre Arme zu verlassen, um die Wand hochzukommen. Das ist ein Beispiel für eine schlechte Technik. Bei der Technik geht es also darum, das Gleichgewicht zu halten und effektiv Kraft zu sparen. Aber ist das schon alles? Gibt es überhaupt eine allgemeingültige Antwort auf die Frage, was eine gute Technik ist? Wir sind der Meinung, dass es im Klettern eine Reihe von grundlegenden Bewegungsabläufen und Positionen gibt, die universell sind. Gleichzeitig ermöglichen die körperlichen und geistigen Fähigkeiten eines Kletterers sowie auch dessen Einschränkungen eine große Variation bei der Anwendung der verschiedenen Techniken.

In diesem Kapitel werden Griffpositionen, Fußarbeit, Grundlagen und spezifische Techniken vorgestellt. Wir beschäftigen uns auch damit, welche dieser Techniken für die verschiedenen Klettertypen am besten geeignet sind. Zum Schluss gibt es noch Tipps zum Techniktraining.

FOTO: BJØRN HELGE RØNNING

Wenn Mangel an guten Griffen und Tritten herrscht, zeigt sich, wie wichtig ausgefeilte Technik ist. Siri Olimb Myhre schwebt Oppvarmingseggen (Font 6c+), Harbak/Norwegen hinauf.

GRIFFPOSITIONEN

Für uns Kletterer ist es wichtig, verschiedene Arten von Hand- und Fingerpositionen auf einem Griff zu beherrschen. Nicht nur die unterschiedlichen Griffe – Aufleger (sloper), Löcher (pockets) und Leisten (crimps) –, auch die Arten, wie man sie am besten greift, sind sehr unterschiedlich. In vielen Routen und bei zahlreichen Boulderproblemen müssen mehrere, wenn nicht sogar alle Griffpositionen verwendet werden. Wir haben uns entschieden, die Griffpositionen zu kategorisieren:

•offene Hand, hängende Finger

•Zangengriff

•halb aufgestellt

•voll aufgestellt

Einige Griffpositionen sind aggressiver als andere. Eine aggressive Griffhaltung bedeutet, dass das Mittelgelenk der Finger in einem Winkel von 90 Grad oder mehr gebogen wird, was zu einer stärkeren Aktivierung der Schultern und Arme führt. Eine aggressive Griffhaltung ermöglicht größere und explosive Bewegungen, während eine weniger aggressive Griffhaltung für vorsichtiges und präzises Klettern geeignet ist.

Die jeweilige Griffposition wird oft durch den Griff vorgegeben, aber dennoch kann man durch Verwendung verschiedener Positionen am selben Griff auch unterschiedliche Arten der Körperbewegung ermöglichen.

FOTO: BJØRN HELGE RØNNING

Stian Christophersen klettert Fokus (Font 8a+), Harbak/Norwegen. Mit links hält er sich voll aufgestellt an einer Leiste fest, während er mit rechts nach einem Zangengriff schnappt.

OFFENE HAND

Dies ist die gebräuchlichste Griffposition und kann bei den meisten Griffen verwendet werden. Der größte Teil der Beugung und auch der Belastung liegt auf dem äußersten Gelenk. Kletterer können in dieser Position ein bis vier Finger verwenden. Die Anzahl der verwendeten Finger hängt in der Regel von der Form und Größe des Griffs ab.

Sobald man allerdings den kleinen Finger zu dieser Griffposition hinzufügt, werden Arm und Schultern beansprucht, und die Griffposition wird aggressiver. Das liegt daran, dass sich der Winkel des Mittelgelenks der anderen drei Finger verringert, wenn man den kleinen Finger mit verwendet.

Griffe 1–3 werden Fingerlöcher genannt.

Auf diesem Foto sieht man die richtige Griffposition auf einem Sloper. Durch eine möglichst große Auflagefläche der Hand auf dem Griff entsteht mehr Reibung.

Auf diesem Foto sieht man eine halb aufgestellte Griffposition auf dem Sloper. Sie reduziert die Kontaktfläche zwischen der Hand und dem Griff und somit auch die Reibung.

Die Griffposition mit hängenden Fingern ist ideal für große Griffe und Löcher, kann aber auch für das Klettern an Leisten angewendet werden, solange diese nicht zu schmal sind. Sie ist die bevorzugte Griffposition beim Vorstiegsklettern, da der physische Aufwand geringer ist als bei anderen Griffpositionen. Zudem ist man der Ansicht, dass die Finger weniger verletzungsanfällig sind, wenn man einen Griff mit offener Hand und hängenden Fingern anstelle von aggressiveren Griffpositionen mit aufgestellten Fingern verwendet.

Beim Klettern an Slopern, also an Griffen mit negativem Auflagewinkel, wird in der Regel eine Griffvariante der offenen Hand verwendet. Das Ziel dabei ist, die Kontaktfläche zwischen dem Griff, der Hand und den Fingern zu maximieren. Mehr Kontakt durch die Handfläche resultiert in mehr Reibung, wie auf den Fotos oben zu sehen ist.

ZANGENGRIFF

Wie der Name schon sagt, ist diese Griffposition dafür gedacht, einen Griff von zwei Seiten zu halten, ihn also „in die Zange“ zu nehmen. Der Daumen befindet sich dabei auf der einen Seite, während die restlichen Finger auf der anderen Seite gegenhalten. Wenn man einen Griff auf diese Weise zusammendrückt bzw. „pincht“, kann man die Körperspannung an der Wand auf eine Weise aufrechterhalten, die andere Griffpositionen nicht zulassen. Ein Zangengriff erfordert jedoch Kraft, und viele Kletterer tun sich mit dieser Griffposition schwer.

In Kletterhallen sind die Griffe auf die Wand montiert und stehen vor, was es den Kletterern ermöglicht, fast alle Griffe in der Halle zu pinchen. Im Freien kommt der Zangengriff vor allem beim Klettern von Sintern zum Einsatz.

HALB AUFGESTELLT

Die halb aufgestellte Griffposition (half crimp) ist für kleinere Griffe, Leisten und Kanten geeignet. Dabei wird das mittlere Fingergelenk gebogen, während das äußere Gelenk gerade bleibt. Einen Griff halb aufgestellt zu halten ist deutlich aggressiver, als dies mit offener Hand zu tun. Wenn die Züge weit und komplex sind oder die Wand steil ist, hat diese Griffhaltung aber deutliche Vorteile. Halb aufgestellt wird beim Bouldern und in Crux-Passagen beim Vorstiegsklettern geklettert. Diese Griffhaltung ist körperlich anstrengender als das Klettern mit der offenen Hand, weil mehr Muskeln beteiligt sind, gleichzeitig ermöglicht der half crimp einen höheren Krafteinsatz.

VOLL AUFGESTELLT

Das Klettern mit voll aufgestellten Fingern (crimpen) eignet sich für wirklich kleine Leisten und wenn man sich explosiv zwischen kleinen Griffen bewegt. Die Griffposition ähnelt dem half crimp mit dem Unterschied, dass man zusätzlich den Daumen einsetzt, um die Finger in einer aufgestellten Position zu fixieren. Dies ist die aggressivste Griffposition und sollte nur verwendet werden, wenn es notwendig ist.

Man könnte meinen, dass Crimpen die bevorzugte Griffposition für jede Situation ist – und für viele Kletterer ist sie das auch. Der Haken an der Sache ist jedoch, dass das Klettern mit voll aufgestellten Fingern die aggressivste ist und in engem Zusammenhang mit allerlei Verletzungen von Ringbändern, Knorpeln, Knochen und Sehnen steht. Wenn man aber mit Vorsicht klettert und lernt, wie und wann man die richtige Griffposition und Fingerhaltung einsetzt, kann man das Verletzungsrisiko verringern. Da das Klettern mit voll aufgestellten Fingern klare Leistungsvorteile hat, werden wir das Thema dabei belassen und weiter crimpen.

Kinder und junge Erwachsene, bei denen die Fingergelenke noch im Aufbau sind, sollten nicht crimpen.

WARUM CRIMPEN WIR EIGENTLICH?

Hast du dich jemals gefragt, wie Fledermäuse es schaffen, kopfüber zu hängen, wenn sie schlafen? Und was das mit dem Crimpen zu tun hat?

Viele von euch haben sicher schon die Erfahrung gemacht, dass es einfacher ist, kleinere Griffe festzuhalten, wenn man den Daumen über den äußersten Teil des Zeigefingers legt, anstatt den Griff offen oder halb aufzustellen. Viele beginnen auch zu crimpen, wenn sie gepumpt sind. Es ist also offensichtlich, dass diese Griffposition einige Vorteile bietet. Aber warum ist das so?

Es gibt mehrere Gründe, weshalb wir uns für das Crimpen kleiner Griffe entscheiden. In erster Linie deswegen, weil uns ein zusätzlicher Finger, in diesem Fall der Daumen, bei der Kraftübertragung auf den Griff unterstützt. Im Gegensatz zum Festhalten mit offener Hand vergrößert sich beim Crimpen die Kontaktfläche zwischen dem Griff und den Fingerspitzen, was zu einer besseren Reibung führt und es uns ermöglicht, noch kleinere Griffe festzuhalten. Abgesehen davon, gibt es noch weitere Gründe, warum wir uns für das Crimpen entscheiden. Beispielsweise befindet sich der Winkel der Fingergelenke in einer besseren Position, um Kraft auszuüben, als wenn man eine offene Hand benutzt. Außerdem erhöht sich die Reibung zwischen Sehne und Sehnenscheide. Diese Reibung macht schätzungsweise bis zu neun Prozent der am Fingermittelgelenk ausgeübten Kraft aus. Das bedeutet, dass wir entweder die Muskulatur um neun Prozent entlasten oder entsprechend mehr Kraft in einer Griffposition bei maximaler Muskelanstrengung erhalten können.

Dieser Mechanismus wird als Tendon Locking Mechanism (TLM) bezeichnet und ist auch der Hauptgrund dafür, dass Fledermäuse sich an den Zehen aufhängen und mit minimalem Einsatz von Muskelkraft schlafen können.

WEITERE GREIFMÖGLICHKEITEN

Viele Kletterer bevorzugen eine bestimmte Art der Griffhaltung, was oft mit genetischen Faktoren zusammenhängt. Kletterer mit kleinen Händen bevorzugen Kanten und Leisten, sind aber bei breiten Zangen (pinches), wo große Hände von Vorteil sind, im Nachteil.

Wichtig ist, dass man alle Griffpositionen trainiert und anwendet, um sich an die verschiedenen Herausforderungen in der Wand anpassen zu können. Viele Kletterer schaffen es, ihre Lieblingsgriffposition bei den meisten Griffen zum Einsatz zu bringen. Kletterer, die sich viel im Freien aufhalten, neigen zum Klettern mit aufgestellten Fingern, dem Crimpen, und tun das selbst dann, wenn sie sich in der Halle bewegen. Das ist nicht unbedingt falsch, aber wer ein kompletter Kletterer werden will, sollte alle Griffpositionen gut beherrschen. Kinder und Anfänger sollten wegen der Verletzungsgefahr vermeiden, mit aufgestellten Fingern zu klettern.

FUSSARBEIT

Deine Beine und Füße können und sollten einen großen Teil der Kraft aufbringen, die notwendig ist, damit du dich an der Wand halten kannst. Dies erfordert die richtige Positionierung der Füße. Sie kann ganz unterschiedlich sein, je nachdem, ob du auf einem Sloper oder auf einer schmalen Kante stehst. Wände mit unterschiedlichen Winkeln machen die Sache noch komplizierter. Außerdem gibt es verschiedene Schuhe, die für unterschiedliche Anwendungen konzipiert sind.

In erster Linie ist es wichtig, dass du deinen Fuß präzise auf dem Tritt platzierst. Als Kletterer solltest du deswegen deinen Fuß im Blick haben, wenn du ihn positionierst. Oft sehen wir Kletterer stürzen, weil ihnen der Fuß abgerutscht ist, nachdem sie ihn planlos – ohne zu schauen – platziert haben. Das ist gerade bei Anfängern ein immer wiederkehrendes Problem. Auf die Füße zu vergessen passiert leicht, weil man ja nach oben schaut und sich auf den nächsten Griff konzentriert. Wenn dann auch noch die Nerven oder die Ausdauer zu einem Problem werden, steht ungenaue Fußarbeit auf der Tagesordnung. Denk dran, dass auch ein kleiner Tritt eine winzige Vertiefung haben kann, die vielleicht nur schwer ausmachbar ist, aber entscheidend dafür sein kann, ob dein Fuß stehen bleibt oder abrutscht. Mit anderen Worten: Gute Fußarbeit erfordert Präzision und Konzentration. Nimm dir einen Moment Zeit, und beobachte erfahrene Kletterer an der Wand. Du wirst feststellen, dass es so gut wie unmöglich ist, zu hören, wenn sie ihren Fuß auf einen Tritt setzen. Ihre Fußarbeit ist äußerst präzise, damit sie das Beste aus ihren Füßen herausholen können.

Es ist wichtig, sowohl den Körper als auch die Ferse abzusenken, wenn du auf Volumen oder Griffen stehst, um die Kontaktfläche und damit die Reibung zwischen dem Griff und deinem Schuh zu vergrößern.

Achte auf den Tritt und setze deinen Fuß achtsam und präzise. Senke sowohl deinen Körper als auch deine Ferse ab, wenn du auf großen Reibungstritten stehst. Dadurch vergrößerst du die Kontaktfläche und damit auch die Reibung zwischen Sohle und Griffoberfläche.

1. AUFKANTEN

Sowohl Innen- und Außenkante als auch die Spitze des Kletterschuhs können zum Ansteigen auf kleinen Tritten verwendet werden.

2. SCHMIEREN

Beim Stehen auf Auflegern, Volumen oder direkt an der Wand, wird das Stehen durch die Reibung zwischen Schuh und Oberfläche ermöglicht. Dies wird als „schmieren“ (smearing) bzw. als „auf Reibung ansteigen“ bezeichnet. Wenn du auf Reibung ansteigst, ist die Kontaktfläche zwischen deinem Schuh und dem Tritt entscheidend dafür, wie solide der Fuß letztlich zu stehen kommt. Wird beim Stehen auf Reibung zusätzlich die Ferse abgesenkt, vergrößert sich dadurch die Kontaktfläche des Schuhs mit dem Tritt. Würdest du hingegen versuchen, auf so einem Tritt die Kante deines Kletterschuhs einzusetzen, wäre die Kontaktfläche deutlich kleiner, und das würde das Risiko erhöhten, dass dein Schuh den Halt verliert und du abrutschst. Im Prinzip kannst du auf so gut wie jeder Oberfläche auf Reibung ansteigen. Diese Technik wird häufig verwendet, um das Gleichgewicht aufrechtzuerhalten oder aber als Zwischenschritt, wenn du dich mit deinen Füßen zu einem besseren Tritt hocharbeitest.

3. VOLUMES UND GROSSE TRITTE

Wenn du auf einem großen Tritt, der deutlich aus der Wand herausragt, stehst, ist es von Vorteil, wenn du auf diesem Tritt so weit außen wie möglich ansteigst. Dadurch kannst du dich besser zur Wand hin lehnen. Sehr oft kann man beobachten, wie unerfahrene Kletterer ihre Füße zu nah an der Wand platzieren, wenn sie auf einem Volumen stehen. Meistens tun sie das, weil sie sich so sicherer fühlen. Das führt aber dazu, dass die Belastung auf Finger und Arme erheblich erhöht wird und man sich umso mehr festhalten muss, da man die Wand durch diese Position „steiler“ macht.

KLETTERSCHUHE

Die Steilheit der Wand ist maßgeblich dafür, wie du deine Füße einsetzt. Wenn der Winkel der Wand weniger als 90 Grad beträgt, also eine sogenannte Platte ist, dann sind weiche Schuhe besser, weil man die volle Wirkung des Reibungsgummis an der Wand nutzen kann. An senkrechten Wänden sind steifere Schuhe mit stabilen Sohlenleisten die bessere Wahl. Bei solchen Modellen kann man die Kanten der Sohlen zum präzisen Ansteigen nutzen. Bei steilen Überhängen kann man mit aggressiven Schuhen, die über einen „downturn“ verfügen, mit den Zehen zusätzlich an den Tritten ziehen. „Downturn“ bedeutet, dass der Schuh eine nach unten gewölbte, bananenartige Form hat, die die Kraftübertragung vom Fuß auf den Tritt erleichtert.

Beim Indoorklettern, aber auch am Fels sind Schuhe erforderlich, die sowohl gute Kanten- als auch Reibungseigenschaften haben. Mittlerweile gibt es viele Schuhmodelle, die diese Eigenschaften vereinen und sich deswegen gut für Anfänger und Hallenkletterer eignen. Mit zunehmender Erfahrung kann es sinnvoll sein, mehrere verschiedene Modelle für unterschiedliche Einsatzbereiche im Rucksack zu haben. Einen aggressiven Schuh für steiles Klettern, einen weichen Schuh zum Reibungsklettern in der Halle und einen steifen Schuh für das Klettern am Fels.

FOTO: VOLKER SCHÖFFEL, GENEHMIGTER WIEDERABDRUCK

Röntgenbild eines Fußes, der in einem Kletterschuh steckt: Die Zehen werden durch den eng sitzenden Schuh zusammengepresst. Finde den Schuh, der zu deinem Fuß passt, und gönn deinen Füßen beim Klettern immer wieder eine Pause – ziehe die Schuhe während des Trainings oder der Klettersession immer wieder aus.

DIE RICHTIGEN SCHUHE KAUFEN

Das Wichtigste beim Kauf eines Kletterschuhs ist die Passform! Diese variiert stark zwischen den verschiedenen Marken und Modellen. Hab keine Scheu davor, der lästigste Kunde im Laden zu sein, und probiere viele verschiedene Modelle an, um sicherzustellen, dass du den Schuh findest, der am besten zu deinem Fuß passt. Kletterschuhe passen sich dem Fuß an und dehnen sich bei Gebrauch etwas aus, aber es ist wichtig, dass der Fuß das gesamte Volumen des Schuhs ausfüllt, sowohl in der Zehenbox als auch im Fersenbereich. Achte darauf, dass die Schuhe nicht zu klein sind! Zu oft wird auch Anfängern geraten, die kleinsten Schuhe zu kaufen, in die sie ihre Füße stecken können, doch das führt meistens nur zu einem: Schmerzen. Der Sinn von eng anliegenden Schuhen besteht darin, durch eine möglichst steife Schuhspitze eine gute Kraftübertragung im Zehenbereich zu haben. Das ist aber nur beim Klettern im Freien auf kleinen Tritten wirklich notwendig. Bei zu kleinen Schuhen ist außerdem die Möglichkeit des Kletterns auf Reibung stark eingeschränkt.

DIE GRUNDLAGEN

Die „Fundamentals“ sind grundlegende Prinzipien, an die wir uns unabhängig von der Art der Bewegung, die wir ausführen wollen, immer halten müssen. In diesem Buch haben wir uns entschieden, folgende Fundamentals zu definieren:

•Gleichgewicht und Gewichtsverteilung

•Kraftvektor und Spannung

•statischer und dynamischer Kletterstil

Der Grund für die Wahl dieser drei Fundamentals ist, dass sie für jede Bewegung, die wir an der Wand ausführen, wesentlich sind. Wie auch immer wir uns an der Wand bewegen, es kommt immer zu einer Umverteilung des Gewichts. Egal, wie wir klettern, wir haben stets die Wahl zwischen einer schnellen (dynamischen) und einer statischen (blockierenden) Bewegung. Um einen Griff bestmöglich zu belasten, sind wir darauf angewiesen, dass die Zugkraft in die richtige Richtung wirkt. Oft nutzen wir auch die Kraft, die zwischen zwei Berührungspunkten an der Wand wirkt, zum Beispiel zwischen zwei Griffen oder zwischen einem Griff und einem Standbein. Diesen Zustand bezeichnen wir als Spannung.

1. BALANCE UND GEWICHTSVERLAGERUNG

Das Aufrechterhalten des Gleichgewichts ist wichtig, um so wenig Energie wie möglich zu verbrauchen. In der Sportwissenschaft spricht man von einem Gleichgewicht, wenn sich der Schwerpunkt des Sportlers im Zentrum seiner Steh- und Haltepunkte, dem Auflagebereich, befindet.

Der Schwerpunkt ist jener Punkt, an dem sich das Gewicht des Körpers konzentriert. Er befindet sich in der Regel knapp unter dem Bauchnabel.

Der Auflagebereich befindet sich zwischen den Punkten, an denen dein Körper den Boden berührt. Wenn du auf dem Boden stehst, dann bist du im Gleichgewicht, weil sich dein Schwerpunkt im Auflagebereich zwischen deinen Beinen befindet. Würde dein Schwerpunkt außerhalb davon liegen, würdest du aus der Balance geraten. Ein breiter Auflagebereich verschafft dir mehr Bewegungsspielraum, ohne dass du das Gleichgewicht verlierst. Auch die Traktion der Auflagepunkte kann den Bewegungsumfang erhöhen, ohne dass das Gleichgewicht verloren geht. So ist es auf Beton leichter, bei anspruchsvollen Bewegungen das Gleichgewicht zu halten, als auf Eis.

Wie bei jeder anderen Sportart befindet sich der Kletterer im Gleichgewicht, wenn der Schwerpunkt innerhalb des Stützbereichs liegt. Der Stützbereich eines Kletterers wird durch die Kontaktpunkte an der Kletterwand definiert. Dazu gehören nicht nur die beiden Füße, sondern auch die Hände. Ein stabiles Gleichgewicht wird am besten durch die Zentrierung des Schwerpunkts innerhalb des Stützbereichs erreicht. Um das Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, sollte man möglichst vier Kontaktpunkte (zwei Hände und zwei Füße) an der Wand haben, bevor man eine Bewegung einleitet, und drei Punkte, wenn man die Bewegung ausführt. Das bedeutet, dass du, wenn du eine Hand lösen willst um weiter zu greifen, mit der anderen Hand und den beiden Füßen einen sicheren Griff und Tritt haben musst. Ein besserer Halt erhöht auch deine Fähigkeit, sich frei an der Wand zu bewegen. Beim Klettern an großen und positiven Griffen kannst du dich von der Wand weg und von einer Seite auf die andere lehnen. Das bedeutet, dass ein schlechtes Gleichgewicht durch bessere Griffe ausgeglichen werden kann. Das ist bei kleineren und weniger positiven Griffen nicht möglich.

Die Kletterin senkt ihren Körper unterhalb der Griffe ab, um den Arm entlasten zu können und den Haltewinkel zum Griff zu verbessern.

Der Schwerpunkt befindet sich innerhalb eines relativ breiten Stützbereichs.

Um ein gutes Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, bewegt die Kletterin erst den Körper nach rechts, bevor sie weiterreist.

In der Regel solltest du dich so nah wie möglich an der Wand und unterhalb der Griffe positionieren, je nachdem, wie es die Tritte zulassen. Wenn du deinen Körper unter die Griffe absenkst, verringerst du die Belastung auf die Arme, weil dein Körper einen besseren Winkel zu den Griffen einnimmt. Um zu vermeiden, dass du mehr als nötig ermüdest, ist es am besten, so oft wie möglich mit gestreckten, „langen“ Armen zu klettern.

Unter Gewichtsverlagerung versteht man das Prinzip, den Körper, insbesondere die Hüften, so zu positionieren, dass der Schwerpunkt bei der Bewegung innerhalb der Stützfläche zentriert bleibt. Die häufigste Form der Gewichtsverlagerung ist die Verlagerung des Schwerpunkts nach rechts, wenn man die rechte Hand bewegt, und umgekehrt. Um das Gleichgewicht zu halten, sind normalerweise keine großen Bewegungen erforderlich. Meistens genügt es, die Hüfte um ein paar Zentimeter zur Seite zu schieben, um das Gleichgewicht zu halten. Wenn du die Gewichtsverlagerung gekonnt einsetzt, erreichst du eine bessere Balance in der Bewegung, erhöhst die Reichweite und verschwendest weniger Energie. Die Gewichtsverlagerung ist das grundlegende Prinzip hinter einem großen Teil der Techniken, die wir beim Klettern einsetzen. Es ist eine grundlegende Fähigkeit, die man ausgiebig trainieren sollte.

Erinnere dich daran, dass du deinen Fuß überall auf der Wand platzieren kannst, um deinen Stützbereich zu vergrößern und so ein besseres Gleichgewicht zu erlangen.

Denk daran, dass du deinen Körper so positionieren musst, dass er sich auch nach der ausgeführten Kletterbewegung im Gleichgewicht befindet. Es nützt wenig, wenn du beim Beginn der Bewegung zwar im Gleichgewicht bist, aber nicht, wenn die Bewegung abgeschlossen ist. Das beste Beispiel dafür ist das sogenannte „aufgehende Scheunentor“. Dazu kommt es, wenn der Kletterer das Gleichgewicht verliert und aus der Wand schwingt.

SEITGRIFF-ÜBUNG

Die Übung besteht aus einem nach rechts gerichteten Seitgriff sowie drei Tritten. Diese sollten gleichmäßig horizontal verteilt sein: ein Tritt direkt unter dem Seitgriff und je ein Tritt auf jeder Seite. Halte den Seitgriff mit der rechten Hand und stell dich nur mit dem rechten Fuß an die Wand. Lass deinen linken Fuß gerade nach unten hängen, ohne ihn auf Reibung hinzustellen. Es sollte leicht sein, das Gleichgewicht zu halten, wenn du nur auf dem rechten Tritt stehst. Auch wenn du auf den mittleren trittst, funktioniert es noch. Sobald du auf dem linken Tritt stehst, wird das sprichwörtliche „Scheunentor“ jedoch aufgehen, und du wirst das Gleichgewicht verlieren.

Hannah Midtbø klettert einen steilen Boulder durch geschicktes Kombinieren unterschiedlicher Kraftvektoren.

2. DIE RICHTUNG VON KRAFT UND SPANNUNG

Viele der Griffe können wir nur halten, weil wir in der Lage sind, die Kraft in die richtige Richtung zu lenken. Stell dir einen Seitgriff vor. Wenn du versuchst, ihn wie einen normalen Griff zu belasten und gerade nach unten ziehst, wirst du dich nicht festhalten können. Stattdessen musst du versuchen, dich so zu positionieren, dass die Zugkraft senkrecht auf die Griffoberfläche wirkt. Ähnlich ist es bei einem Untergriff: Hier musst du mit deinen Füßen hoch genug ansteigen, um Druck aufbauen und ihn verwenden zu können. Nur dann kannst du den Untergriff effektiv einsetzen.

Manchmal können wir auch die Kraft nutzen, die zwischen den Griffen wirkt. Wir nennen das Spannung. Der Begriff umfasst alle Situationen, in denen der Körper Spannung oder Kräfte zwischen verschiedenen Kontaktpunkten aufrechterhält. Das kann zwischen zwei Griffen sein, aber auch zwischen einem Griff und einem Tritt.

Stell dir zwei gegenüberliegende Seitgriffe vor, die du zusammenpressen musst, um Spannung zu erzeugen. Wir nennen das „Kompressionsklettern“, und das ist besonders wichtig beim Klettern an Slopern. Durch das Aufbauen und Aufrechterhalten der Spannung kannst du selbst an den Griffen klettern, die normalerweise nicht einmal gut genug zum Hängen sind.

Synnøve Berg Nesheim macht einen Toehook, um Spannung auf dem linken Seitgriff aufzubauen.

Beim Klettern an Überhängen musst du Spannung im gesamten Körper, von den Fingern bis zu den Zehen, aufrechterhalten. Wie man diese Spannung optimieren kann, ist nicht immer einfach zu verstehen. Du musst mit deinen Armen ziehen – aber nicht zu sehr, sonst verlierst du den Kontakt zu den Tritten! Um diese Art des Gleichgewichts nachzuvollziehen, kann es hilfreich sein, sich die Füße als Krallen vorzustellen, die dich nach unten ziehen, während die Arme gleichzeitig nach oben ziehen.

Dein Körper ist stärker als deine Finger! Wenn du mit deinem Körper mehr Spannung als nötig aufbaust, um deine Position zu halten, wird sich die Belastung für deine Finger unnötig erhöhen. Ein optimaler Belastungszustand erfordert Erfahrung und viel Zeit an der Wand und unterstreicht, wie wichtig es ist, so viel wie möglich an unterschiedlichen Griffen und Wandneigungen zu üben.

3. STATISCHER UND DYNAMISCHER KLETTERSTIL

Einer unserer erfahrensten Klettertrainer und gleichzeitig eine Legende des Wettkampfkletterns in Norwegen, Chris Fossli, sagte einmal, dass alle Bewegungen im Optimalfall dynamisch sein sollten, dass aber unsere „schlechten“ dynamischen Fähigkeiten sie daran hindern. Das ist teilweise richtig, denn wir sollten uns bemühen, die meisten Bewegungen zumindest einigermaßen dynamisch auszuführen, um die Energieverschwendung zu minimieren. Ein statischer Stil erfordert ein höheres Maß an Kraft, da die Bewegung langsamer ausgeführt wird, während dynamische Bewegungen eine schnellere Kraftentwicklung, eine bessere Koordination von Armen, Beinen und Körper sowie räumliches Bewusstsein und Kontaktstärke erfordern.

Bei einer statischen Bewegung wird ein Arm an Ort und Stelle gehalten, ohne dass sein Winkel verändert wird, während der andere Arm sich zum nächsten Griff bewegt. Per Definition sind natürlich alle Bewegungen „dynamisch“, aber beim Klettern verwenden wir den Begriff „dynamisch“ ausschließlich für schnellere Abläufe, bei denen beide Arme in Bewegung sind.

Die Begriffe „statischer“ und „dynamischer Kletterstil“ verwenden wir, um die Art und Weise zu beschreiben, wie sich verschiedene Kletterer an der Wand bewegen. Statische Kletterer rühren sich gerne langsam und kontrolliert, während dynamische Kletterer sich schneller bewegen und zwischen den Griffen hin und her „springen“. Statisches Klettern ist nützlich, wenn die Griffe klein oder schwer zu treffen sind oder wenn man nur auf Sicht klettert, weil man nicht weiß, wo sich der nächste Griff befindet und wie er zu halten ist. Klettert man statisch, verringert man zwar die Gefahr, einen Griff zu übersehen oder falsch in die Hand zu bekommen, muss aber oft mehr Kraft aufwenden, um diese Sicherheit aufrechtzuerhalten. Der statische Stil wird oft bei vertikalen und weniger steilen Klettereien bevorzugt. In diesen Fällen sind es oft kleine Griffe sowie das erforderliche Gleichgewicht, die das Klettern zu einer Herausforderung werden lassen. Ein solches Gelände ist mit einem statischen und kontrollierten Stil leichter zu bezwingen. Statisches Klettern erfordert mehr Körperkraft, da man den Körper in verschiedenen Positionen länger fixieren muss. Kletterer mit einem kräftigen Rumpf und starken Schultern sind für diesen Kletterstil besser geeignet.

Ein statisches Bewegungsmuster ist der Stil der Wahl, wenn die Bewegungen präzise sein müssen und die Griffe schwer zu treffen sind.

Weite Moves macht man am besten dynamisch.

Wenn wir eine Bewegung dynamisch ausführen, können wir die zu Beginn einer Bewegung erzeugte Geschwindigkeit nutzen. Dies ist besonders beim Klettern in steilem Gelände wichtig. In diesen Fällen sind es oft weite Züge, die die größte Herausforderung darstellen, die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts ist in solchen Fällen weniger von Bedeutung. Noch dazu ist das statische Klettern in steilem Gelände körperlich viel anstrengender, da es deutlich mehr Energie erfordert, den Körper während der Bewegungen in einer kontrolliert stabilen Position zu halten.

Dynamisches Klettern kann auch bei Auflegern sehr effektiv sein. Wenn du dich an einem Sloper (= Aufleger) langsam hochziehst, entfernt sich dein Schwerpunkt allmählich von der Wand, und die Reibung deiner Handfläche auf dem Griff nimmt dadurch ab. Wenn du auf Slopern hingegen dynamisch kletterst, kannst du die Bewegung schon von unten einleiten, wo der Haltewinkel im Verhältnis positiver und die Reibung daher besser ist. Das Prinzip ist bei schlechten und abschüssigen Tritten dasselbe. Wenn du dich nach oben ziehst, heben sich automatisch deine Fersen, die Kontaktfläche wird kleiner, und du riskierst, vom Tritt abzurutschen. Wenn du auf abschüssigen Tritten kletterst, solltest du dies deswegen auch dynamisch tun und die Bewegung von unten einleiten.

Eine schnelle und dynamische Bewegung zeichnet sich durch eine Vorbereitung, eine Hauptphase und eine Endphase aus, ähnlich wie bei einem Hochsprung. In der Vorbereitungsphase versuchst du mit den großen Muskelgruppen in Beinen und Rumpf Kraft zu erzeugen. Die Arme helfen, die Bewegung einzuleiten und den Körper in die richtige Richtung zu lenken. Dabei ist es wichtig, dass die Arme den Körper zur Wand ziehen, damit sich der Körper beim nächsten Griff nicht gleich wieder von der Wand wegbewegt hat. In der Hauptphase müssen Arm und Hand so koordiniert werden, dass sie den nächsten Griff präzise fassen können.

Ein Deadpoint auf einem Sloper. Die Bewegungseinleitung fängt ganz unten an. Der Körperschwerpunkt wird über den linken Fuß zur Wand bewegt. Dadurch kann der linke Fuß gestreckt und so die Aufwärtsbewegung generiert werden, während die rechte Hand die Griffposition aufrechterhält und den Körperschwerpunkt möglichst nahe an der Wand hält. Indem schon früh Kraft generiert wird, können anstrengende Körperpositionen übersprungen und der nächste Griff am Höhepunkt der Aufwärtsbewegung erreicht werden.

Eine dynamische Bewegung muss natürlich auch zu einem Ende gebracht werden, wenn der nächste Griff einmal erreicht ist. Durch das richtige Dosieren von Menge und Richtung der Kraft in der Anfangsphase wird am Schluss weniger Energie benötigt, um die dynamische Bewegung zu stoppen. Ein Ball, der gerade hochgeworfen wird, ist am Scheitelpunkt seiner Flugbahn kurz schwerelos, bevor er wieder nach unten fällt. Dies ist der sogenannte Totpunkt, der „Deadpoint“. Beim Klettern ist der Deadpoint der ideale Zeitpunkt, um den Körperschwung abzufangen und die dynamische Bewegung zu stoppen. Das erfordert Timing und auch eine gewisse Kontaktkraft. Kontaktkraft ist die Fähigkeit, schnell genug Kraft aufzubauen, um den nächsten Griff im richtigen Moment zu halten. Um eine dynamische Bewegung zu beenden, braucht man außerdem Körperspannung, um den Schwung abzufangen und die Position zu stabilisieren. Das wird umso schwerer, je schlechter die Griffe sind.

Für viele Kletterer ist dynamisches Klettern eine mentale Herausforderung. Es kann schwierig sein, wirklich loszulassen und alles auf den nächsten Griff zu setzen. Im Gegensatz dazu fühlt es sich viel sicherer an, einen Zug statisch und kontrolliert auszuführen. Vor allem beim Sportklettern ist das statische Klettern weit verbreitet, weil viele Kletter:innen Angst vor dem Stürzen haben.

Dynamisches Klettern ist etwas, das trainiert werden kann – und trainiert werden sollte! Vor allem für kleinere Kletterer kann es der Schlüssel zum Erfolg sein, da die Züge für sie tendenziell weiter sind. Denk daran, dass die Gewöhnung an einen dynamischeren Kletterstil einige Zeit dauern kann.

Im Laufe unserer Karriere haben wir mit vielen Kletterern zusammengearbeitet, denen das Risiko einer dynamischen Bewegung unangenehm war und die daher einen statischen und kontrollierten Stil bevorzugt haben. Wir haben aber auch festgestellt, dass diese Athleten ihr Niveau erheblich steigern konnten, sobald sie sich an einen dynamischeren Kletterstil gewöhnt hatten.

DEUTSCHE DYNAMIKEN

Beim dynamischen Klettern „fließt“ die Bewegung von einem Griff zum nächsten. Udo Neumann, ehemaliger Trainer der deutschen Nationalmannschaft, vergleicht das dynamische Klettern mit der Art und Weise, wie sich ein Affe von Ast zu Ast schwingt. Affen nutzen die Übergänge zwischen den Schwüngen perfekt, jede Pendelbewegung geht ohne sichtbare Unterbrechung in die nächste über. Genauso können Kletterer die Energie, die bei einer Bewegung entsteht, nutzen, um den Schwung für die nächste Bewegung mitzunehmen. Die meisten von uns haben wahrscheinlich schon einmal die Erfahrung gemacht, dass sie nach einem dynamischen Move anhalten, den Schwung verlieren und dann wieder von vorne anfangen müssen, um wieder ein Momentum für den nächsten Move zu generieren. Bei sehr erfahrenen Kletterern kann man beobachten, wie sie das Momentum von einer Bewegung zur nächsten mitnehmen. Man kann zwar einwenden, dass Klettergriffe keine Äste sind, doch das Prinzip bleibt dasselbe: so wenig Energie wie möglich aufzuwenden, um eine Bewegung auszuführen! Das bedeutet dynamische Bewegungen und fließende Übergänge zwischen den einzelnen Moves. „The perfect combination between fast and slow, aka flow“ – Tyler Landman

FOTO: GETTY IMAGES

SPEZIFISCHE TECHNIKEN