Die Legende der Drachenorden - Jürgen Bücker - E-Book

Die Legende der Drachenorden E-Book

Jürgen Bücker

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Beschreibung

Als Cedric seinen Vater auf eine Reise in die Hauptstadt begleiten darf, beginnt für ihn das Abenteuer seines Lebens. Unterwegs begegnen den beiden etliche unbekannte und auch feindselige Wesen. Sogar von den als ausgestorben geltenden Drachen und ihren sagenumwobenen Reitern scheint es Lebenszeichen zu geben. Doch was als eine spannende Reise beginnt, wird plötzlich zum Albtraum. Cedric muss erkennen, dass das Leben in seinem kleinen Heimatdorf nicht annähernd das widerspiegelt, was in den Nordlanden tatsächlich vor sich geht. Der Eiserne Herrscher mit seinen grauenvollen Mischwesen trachtet nach seinem Leben. Es scheint eine unheimliche Verbindung zwischen den beiden zu geben. Als wenn dies nicht genug wäre, muss Cedric zudem erkennen, dass beinahe niemand von seinen Freunden und Bekannten das ist, was sie vorzugeben scheinen – am wenigsten er selbst. Ein Kampf auf Leben und Tod beginnt.

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Die Legende der Drachenorden
Impressum
Prolog
Das Baby unter dem Baum
Bei Ardana
Glandron
17 Jahre später
Der Zahnarzt
Eine abenteuerliche Reise
Bär
Bärs Geschichte
Treffen mit einer Hexe
Die Geburt des Bären
Orf, der Fährmann
Amostar
Nayala
Die Flucht
Das Geständnis
Die Tänzer
Die Feier
Der Drachen erwacht
Tod einer Prinzessin
Die Legende der Drachenorden
Dormats Rächer
Die Sklaven-Karawane
Bendix
Die Verwandlung
Ein neuer Gefährte
Am Schluchtensee
Das Schwarze Schwert
Myrcad und Ardana
Bendix’ Geschichte
Die Steinbrüche
Die Gorme
Das Lied der Flöte
Das Wirtshaus
Jessip
Das Würfelspiel
Einmarsch in die Arena
Eine unbequeme Wahrheit
Ein alter Bekannter
Der Drache
Die Amazonen
Die Gabe der Huron
Mis’rers Angebot
Werani
Vorbereitung auf die Schlacht
Duell mit Werani
Weranis Geschichte
Die Schlacht von Bar-El-Hulud
Zwei Schicksale im Kampf
Zwei Schicksale im Kampf
Abschied
Danksagung

Jürgen Bücker

Die Legende der Drachenorden

1

Aufbruch

Eisermann Verlag

Nanu?!

Warum ist immer wieder einmal ein Songtext vor einigen Szenen zu finden?

Die Erklärung: Ich habe für mich die Erfahrung gemacht, dass manche Beschreibungen oder Szenen (wie auch in Filmen) noch schöner und emotionaler rüberkommen, wenn sie mit Musik hinterlegt sind.

Daher habe ich in manchen Fällen einen Auszug aus einem Lied zitiert, das mir spontan eingefallen ist und das ich als perfekt und/oder schön für diesen Augenblick empfand.

Natürlich passt selten der gesamte Text, da bestimmte Situationen ja auch nicht die genau notwendige Länge haben oder sich von der Stimmung her ändern.

Die Betagteren (dieses Wort habe ich gerade erfunden) unter uns werden sich vielleicht auch an Noddy Holder erinnern, den Leadsänger der Band Slade, an den die Figur des Zwerges Noddyn angelehnt ist.

Ohne ihn und all meine anderen Lieblingsbands wäre meine Jugend (und auch meine Gegenwart) wesentlich ereignisloser gewesen – und auch stiller!

— Jürgen Bücker

Wer Interesse hat, den Roman mit musikalischer Untermalung zu genießen, findet auf Spotify unter Jürgen Bücker/profile/Legende der Drachenorden meine Legende der Drachenorden-Playlist

Viel Spaß!

Impressum

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.deabrufbar.

Print-ISBN: 978-3-96173-158-9

E-Book-ISBN: 978-3-96173-209-8

Copyright (2023) Eisermann Verlag

Lektorat: Bettina Dworatzek

Korrektorat: Daniela Höhne

Cover, Buchsatz und Innenseitengestaltung: Grit Richter, Eisermann Verlag

Bilder und Grafiken von www.shutterstock.com und creativemarket.com

Stockfoto-Nummer: 243003448

Hergestellt in Deutschland (EU)

Eisermann Verlag

ein IMPRINT der EISERMANN MEDIA GMBH

Alte Heerstraße 29 | 27330 Asendorf

Alle Personen und Namen innerhalb dieses Buches sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Prolog

I see a dark sail on the horizon

set under a black cloud that hides the sun

— Broadsword, Jethro Tull

Orin hasste den Wachdienst!

Besonders an einem Tag wie diesem: Es regnete und stürmte dermaßen heftig, dass er sich hinter die hüfthohe Mauer des Wehrturms gehockt hatte, um nicht augenblicklich von den Regenmassen völlig durchnässt zu werden.

Es half allerdings wenig, denn der Wind peitschte fast waagerecht über die Plattform des Turms. Mit jeder Böe bekam er feine Tropfen ab, denn diese schienen ein Eigenleben zu führen und flogen allen Gesetzen der Schwerkraft zum Trotz erst waagerecht über die Mauer und krabbelten dann senkrecht in seinen Kragen. Seine strähnigen blonden Haare hatten sich durch die Feuchtigkeit dunkel gefärbt und klebten an seinem Gesicht.

Und kalt war es! Der Sturm hatte auf seinem Weg über das Meer sehr kühle Luft mit sich gebracht, sodass Orin seinen Atem sehen konnte.

Da hockte er nun auf diesem alten, strohbedeckten Aussichtsturm am Rande der Klippe, während sich der Rest seiner Freunde vergnügte.

Dabei war er noch vor Kurzem unendlich stolz gewesen, als man ihn mit seinen gerade mal vierzehn Jahren aus der Reihe der Bewerber herausgepickt hatte. Denn normalerweise wurde ein solch verantwortungsvoller Posten nicht an einen Jungen seines Alters vergeben. Sicher hatte das mit seiner Größe und seiner Kraft zu tun, die tatsächlich weit über den Fähigkeiten seiner gleichaltrigen Freunde hinausgingen. Kein Wunder, denn er musste wie kein anderer auf dem elterlichen Hof mit anpacken und beim Einholen der Ernte helfen wie ein erwachsener Mann.

Dass sein Vater im Dorfrat saß und somit auf die Vergabe dieser Wachdienstaufgabe Einfluss nehmen konnte, war sicherlich von Vorteil gewesen.

So hatte er schließlich die Aufgabe bekommen, die ihm so viel bedeutete. Als jüngster Wachmann, den es jemals in seinem Dorf gegeben hatte – jedenfalls soweit er sich erinnern konnte –, war seine Position als Anführer in seiner Jugendbande unantastbar. Und es hatte ihm bei Unternehmungen schon etliche kleine Privilegien eingebracht, wie zum Beispiel das Beanspruchen des größten Fisches nach dem gemeinsamen Angeln.

Doch es hatte sich noch etwas verändert.

Seit einiger Zeit betrachtete er die Mädchen in seinem Dorf nicht mehr nur als blöde, quietschende Zicken, sondern fand aus einem Grund, über den er sich selbst noch nicht im Klaren war, Interesse an deren Tun. Plötzlich war es ihm nicht mehr egal, was sie über ihn dachten, und er wollte ihnen gegenüber immer gut dastehen.

Seine Favoritin war die blonde Falina, die für ihn engelsgleiche Züge besaß.

Doch gerade jetzt, wo er durch seinen Wachdienst wenig Zeit für seine Bande hatte, schien auch Falina mehr Gefallen am anderen Geschlecht zu finden. Als er ihr von seiner verantwortungsvollen Aufgabe erzählt hatte, meinte er zwar einen bewundernden Ausdruck in ihrem Blick erkannt zu haben, doch solche Schwärmereien konnten sehr schnell abkühlen, so viel hatte er schon gelernt.

Ausgerechnet jetzt musste er wieder Dienst haben!

Und dann gab es noch Hellgand, der genauso an Mädchen interessiert zu sein schien wie er selbst.

Falina, die sich als nicht ganz so engelsgleich entpuppte, wie Orin sie sich in seiner Fantasie ausgemalt hatte, machte sich einen Spaß daraus, die beiden Jünglinge gegeneinander auszuspielen und eifersüchtig zu machen. Sie machte klar, dass wohl der ihr Favorit werden würde, der ihr am meisten Kurzweil und Geschenke zu bieten hatte.

Die Oberflächlichkeit dieser Entscheidungskriterien war Orin egal. Er war verrückt nach Falina und wollte sie zur Freundin!

Und nun saß er hier auf dem Turm fest und Hellgand hatte alle Zeit der Welt, ihn auszustechen!

Der Vertrauensbeweis des Dorfrates und die Verantwortung waren ihm schnurz. Was nutzte einem die Anerkennung, wenn man keine Freundin hatte?

Inzwischen waren seine blonden Haare durch den Regen, der durch das fadenscheinige Strohdach tropfte, vollständig zu dunklen Strähnen verklebt, und er kauerte sich so weit wie möglich zusammen, um sein Zittern im Zaum zu halten.

Orin blickte hinauf zu dem großen messingfarbenen Gong, den er im Alarmfall mit dem verzierten Baumstamm zu schlagen hatte.

Eigentlich sollte er über die Brüstung spähen und Ausschau halten, aber das hätte das gleiche Ergebnis gehabt wie ein Sprung in den Dorfteich.

Wozu auch, fragte er sich.

Welcher verrückte Kapitän würde sein Schiff bei so schwerer See aus dem Hafen fahren lassen, um irgendein unbedeutendes Dorf wie das seine anzugreifen?

Das könnte man auch gefahrloser bei besserem Wetter haben!

Trotzdem war da noch der Dorfhäuptling Krestos.

Vor dem musste man unbedingt Respekt haben! Es kursierten die wildesten Gerüchte, wie grausam und unerbittlich er als junger Krieger gewesen war, und auch wenn er jetzt schon die Blüte seines Lebens hinter sich hatte, so war er immer noch eine Respektsperson.

Auch wenn es für Orin völliger Unsinn und unnötig war, jetzt eine Wache aufzustellen: Falls Krestos herausfinden würde, dass er seine Aufgabe nicht gewissenhaft erledigt hatte, würde der Teufel los sein!

Und so, wie er Krestos einschätzte, käme der sogar persönlich zur Kontrolle vorbei.

So entschloss sich Orin, in Abständen blitzschnell über die Brüstung zu schauen, um sofort wieder abzutauchen. Dabei würde er vielleicht nicht ganz so nass, und mit etwas Glück könnte er später noch in die Scheune zu den anderen, ohne wie ein durchnässter Hirtenhund auszusehen.

Also ging er kurz in die Hocke, lugte schnell mit dem Kopf über die Brüstung und tauchte wieder ab.

Er war verwirrt.

In diesem kurzen Augenblick hatte er genau das gesehen, was er zu sehen erwartet hatte: ein aufgewühltes Meer mit einem dunklen, regengepeitschten Wolkenhimmel.

Aber war da nicht noch etwas anderes gewesen?

Vorsichtig schaute er noch einmal über die Brüstung, genau in dem Augenblick, als ein Blitz die See in weißes Licht tauchte.

Und da war es! Ein großes Drachenboot mit schwarzem Segel!

Es war schon in Strandnähe, und nun konnte Orin auch ein Gewimmel von Leuten an Bord des Schiffes ausmachen, die kurz davor waren, aus dem Boot zu springen und den Strand einzunehmen.

Sofort sprang Orin auf und betätigte mit aller Kraft den Gong.

»Überfall, Überfall«, schrie er, obwohl ihm klar war, dass der Sturm sein Geschrei verschluckte.

Mit Grauen wurde ihm bewusst, dass er den Zeitpunkt der Warnung verpasst hatte: Zwar würden die Bewohner den Gong hören, doch im selben Moment würden die Invasoren schon fast in ihren Hütten stehen.

Er musste helfen!

So schnell er konnte, stieg er die Leiter des Turmes hinab, griff sein Kurzschwert und den Schild – seine Ausrüstung zum Turmwächter – und lief den Weg hinunter zum Dorf.

Als er dort ankam, war der Kampf schon in vollem Gange, und etliche der Hütten, die dem Landeplatz am nächsten waren, brannten bereits in den typisch bläulichen Flammen des berüchtigten Höllenfeuers. Dies war eine gefürchtete Waffe zur Brandlegung, die mit Fackeln oder Katapulten auf die Gegner geschleudert wurde und mit Wasser kaum zu löschen war.

Orin lief, ohne recht zu wissen, was er tun sollte, durch das Dorf und wurde zum ersten Mal mit der grausamen Realität eines solchen Überfalles konfrontiert. Die Invasoren bestanden zum großen Teil aus den gefürchteten Kreaturen, einer Mischung aus Mensch und Tier, die der Eiserne Herrscher für seine Kriegszwecke gezüchtet hatte. Seine dunklen Magier hatten dafür über lange Zeit grauenvolle Versuche beim Kreuzen von Menschen und verschiedenen Tierarten durchgeführt. Hierzu entführten sie oft des Nachts Betrunkene oder Obdachlose aus den Städten oder überfielen abgelegene Höfe, um deren Inhaber – egal ob Mann, Frau oder Kind – ihren furchtbaren Versuchen auszusetzen. Lange Zeit waren die dunklen Magier bei ihrem schrecklichen Werk erfolglos gewesen und ihre bemitleidenswerten Versuchspersonen starben sofort. Die wenigen, die lebten, waren stark missgebildet und allein nicht überlebensfähig. Sie wurden sofort getötet oder einfach ihrem schrecklichen Schicksal überlassen.

Doch die Misserfolge hielten die Magier nicht von weiteren Versuchen ab, und sie experimentierten weiter mit allen möglichen Tieren. Bevorzugt wurden Hunde, Wölfe und Katzen, da diese in ausreichender Zahl vorhanden waren und sich aufgrund ihres Wesens für eine Kampfkreatur anzubieten schienen. Die Ergebnisse blieben allerdings die gleichen, bis plötzlich durch einen Mangel an anderen Tieren ein Wildschwein mit einem Menschen gekreuzt wurde. Dieses Mischwesen überlebte und war wegen seiner Intelligenz auch in der Lage, einfache Befehle zu verstehen und zu befolgen. Die Lebensdauer des Wesens war allerdings wesentlich kürzer als die eines Menschen.

Doch das interessierte den Eisernen Herrscher recht wenig, denn er verheizte sie nach Belieben in jeder Schlacht, sodass die Lebenserwartung ohnehin nicht besonders hoch war. In den Schlachten waren sie von großer Wichtigkeit: Sie waren hervorragende Kämpfer, und ihr eigenes Leben schien für sie überhaupt keinen Wert zu haben. Sie waren so groß wie ein Mensch und hatten ihr Äußeres fast komplett vom Wildschwein. Grau-schwarzes Borstenkleid, den Kopf eines Ebers und ebenso die Hinterläufe, auf denen es sich aufrecht bewegte. Lediglich die Vorderläufe waren den Armen eines Menschen gewichen und hingen muskulös und behaart an den Seiten herab. Durch die kurzen Hinterläufe bewegten sie sich leicht vornübergebeugt mit kleinen Schritten. Außer mit einem Lendenschurz, einem kleinen Brustharnisch und einem Schwert waren diese Mischwesen meistens mit nur einigen anderen Utensilien wie Feuersteinen oder Ähnlichem ausgerüstet. Nur einige wenige trugen noch einen Helm und weitere Rüstung, als Zeichen eines höheren Ranges innerhalb der Truppe.

Genau solch ein Wesen bekam Orin nun zum ersten Mal in seinem Leben in Aktion zu sehen. Der gewaltige Wildschweinmischling trieb gerade einen Fischer mit seiner Familie aus seiner Hütte und streckte den notdürftig Bewaffneten vor den Augen seiner Kinder nieder.

Der Kampfeslärm und die Schreie der Frauen und Kinder betäubten Orin fast, sein Herz raste und er war unfähig, sich zu bewegen.

Der Schrei einer bekannten Stimme riss ihn aus seiner Starre: Falina wurde von einem der Angreifer bedrängt!

Mit einem langgezogenen Brüllen und erhobenem Schwert rannte er zu der Hütte, vor der ein Krieger Falina von hinten gepackt hatte und in die Luft hob.

Falina schrie vor Angst und strampelte wie wild mit den Beinen.

Orin wollte gerade zu ihr hinüberlaufen, als er einen dumpfen Schlag am Hinterkopf spürte und alles dunkel wurde.

Von der linken Seite war einer der Söldner, die sich dem Eisernen Herrscher angeschlossen hatten, aus dem Schatten getreten und hatte Orin genau in dem Moment, als er an dieser Hütte vorbeilaufen wollte, einen Keulenhieb über den Schädel verpasst.

Sein Schrei brach abrupt ab und er stürzte blutüberströmt auf den Boden.

Der Krieger warf einen kurzen Blick auf den bewegungslosen Körper und rief seinen Kumpanen, der Falina gepackt hatte, zu: »Hast du sie noch nicht gefunden? Wo sind sie?«

»Hier am Ufer sind sie nicht. Aber dort am Waldrand steht noch ein Wagen mit Zelt, da wird gekämpft.«

Der erste Krieger drehte sich zu einem weiteren Kämpfer um, der gerade aus dem Haus trat, seine blutige Säbelklinge an seinem Unterarm abwischte und dabei boshaft lächelte.

»Los, dorthin. Schnell!«

Beide liefen zu dem Wagen am Waldesrand, vor dem verbissen gekämpft wurde.

Ein muskulöser Mann verteidigte den Eingang des Zeltes, und er tat das offensichtlich mit großem Erfolg, denn zwei tote Kreaturen lagen schon vor ihm. Zwei weitere wurden durch seine kräftigen Schläge schwer bedrängt.

Er bewegte das Schwert mit einer Leichtigkeit, als wenn es ein Teil seines Körpers wäre.

Und es schimmerte!

Der Krieger mit der Keule unterstützte sofort seine in Not geratenen Kumpane; ihr Anführer, ein Menschenkrieger mit Krummsäbel, schlich sich jedoch zur Seite des Zeltes.

Wenn jemand so verbissen den Eingang eines Zeltes verteidigte, dann musste etwas ganz Besonderes darin sein.

Mit einem Hieb trennte der Säbelträger die Seite des Zeltes auf und sprang hinein.

Vor ihm kniete eine Frau mit langen, dunklen Haaren, die einem Säugling mit einer Feder Zeichen auf den Unterarm schrieb.

Beim Anblick des Kriegers schrie sie auf und hob schützend die Hände vor das Baby.

Ohne Skrupel schlug ihr der Krieger blitzschnell die rechte Hand ab, die noch die Schreibfeder hielt, und holte auch schon zum tödlichen Hieb aus, als sich die nächsten Momente für ihn stark verlangsamten.

Die abgeschlagene Hand fiel zwar zu Boden, die Schreibfeder jedoch löste sich vorher aus den Fingern der Frau und fiel direkt auf den Unterarm des Säuglings, genau dorthin, wo die Schriftzeichen waren.

Im nächsten Augenblick war der Säugling verschwunden.

Die Frau schaute geschockt abwechselnd von ihrem blutigen Armstumpf zu der leeren Wiege und öffnete ihren Mund, ohne dass ein einziges Wort herauskam.

Der Krieger starrte auf die Wiege und glaubte, seinen Augen nicht trauen zu können.

Dieser Moment der Verwirrung rettete der Frau das Leben, denn bevor der Krieger sich wieder gefangen hatte, spürte er einen heißen Schmerz im Magen. Als er an sich herunterschaute, sah er eine Schwertspitze aus seinem Bauch ragen.

Ohne einen Ton von sich zu geben, fiel er auf die Knie.

Als er auf dem Boden aufschlug, war er schon tot.

Das Baby unter dem Baum

»Björk, was war das?«

Die junge Frau, die nur notdürftig bekleidet war, hielt sich ihr Leibchen vor ihre Blöße und setzte sich auf.

Björk, ebenfalls mit freiem Oberkörper, blieb im Gras liegen und zeigte ein leicht verärgertes Gesicht. Er hatte sich extra diesen sonnigen Spätnachmittag ausgesucht und alles bis ins kleinste Detail geplant! Dieser wunderbare Platz mit Blick auf den Sonnenuntergang, ein kleiner Korb voll Wein und süßem Gebäck und er hatte sich sogar extra gewaschen!

Für seine Mühen wollte er nun aber auch belohnt werden! Er war schon lange hinter Rebecca her und hatte sie, wie es ihm vorkam, ewig umworben.

Doch sie schien sich noch nicht so recht entscheiden zu können und hielt ihn immer wieder hin.

Heute sah es so aus, als würde sein Aufwand endlich Früchte tragen – bis eben!

»Was denn?« Er musste sich bemühen, sich die Ungeduld in seiner Stimme nicht zu sehr anmerken zu lassen.

Machte sie jetzt doch wieder einen Rückzieher und suchte nach einem fadenscheinigen Grund, ihr romantisches Rendezvous abzubrechen?

»Na, das Schreien, das Babyschreien. Hast du das nicht gehört?«

Er atmete aus und legte eine leicht belehrende Miene auf. »Also, Rebecca, ich mag ja manchmal etwas dumm sein, aber so viel weiß ich schon, dass wir erst noch ein paar andere Dinge machen müssen, bevor du ein Baby schreien hörst.«

Ob sie diesen Wink mit dem Zaunpfahl verstand?

Dann legte er gespielt nachdenklich seine Stirn in Falten und stützte sein Kinn mit den Fingern ab.

»Und dauert es nicht noch ein wenig, bis das Baby dann da ist?«

Rebeccas Stimmung bekam einen Dämpfer. Sie hatte es bestimmt nicht nötig, gerade von Björk als ahnungsloses Dummchen hingestellt zu werden.

Doch sie hatte keine Lust zu streiten. Ihre Aufmerksamkeit war durch etwas anderes gefesselt.

»Ganz bestimmt! Ich habe sicher einen Schrei gehört!«

Björk merkte, dass die Stimmung kippte. Jetzt waren Diplomatie und Herzblut gefragt!

»Der einzige Schrei, den du gehört hast, kam aus meinem Herzen, und es sagte: Lass mich nicht länger warten! Ich werde dich auf Händen tragen und dir jeden Wunsch erfüllen!« (Das hörten angeblich alle Mädchen gern, hatte ihn einmal sein älterer Cousin aufgeklärt.)

Flehentlich blickte Björk seine Rebecca an und drückte sie sanft zurück ins Gras.

Rebecca war sichtlich verwirrt und hatte Mühe, sich auf Björks Zärtlichkeiten zu konzentrieren. Er hatte gerade wieder mit seinen Turteleien begonnen, als erneut das Schreien eines Babys zu hören war.

Sofort änderte sich die Situation: Björk erstarrte bei seinen Zärtlichkeiten und schloss deprimiert die Augen, während Rebecca sofort wütend nach ihren Kleidern griff und ihn anfauchte.

»Ach, so hören sich also die Schmachtschreie deines Herzens an! Vielleicht solltest du dir ein paar Kräuter gegen Heiserkeit für dein Herz geben lassen. Auf!«

Bevor Björk noch irgendetwas entgegnen konnte, war Rebecca vollständig angezogen und mit gespitzten Ohren unterwegs, um die Quelle der Schreie auszumachen.

Vor einer kleinen Baumgruppe an einem Hügel schien sie fündig geworden zu sein, denn sie blieb abrupt stehen.

Björk ließ sich wesentlich mehr Zeit: Der Tag war gelaufen!

Langsam kleidete er sich während des Gehens an und knirschte mit den Zähnen. »Ich liebe Babys!«

Schließlich hatte er sie eingeholt und schaute ihr über die Schulter.

»Was …?« Er brachte keinen Ton mehr heraus.

Vor ihnen lag ein schreiendes Baby, eingehüllt in blutbeschmierte Leinentücher.

Auf den Leinen lagen eine Schreibfeder und ein Lederbeutel, aber was Björk am meisten erstaunte, war das Schwert, das dem Baby unter den Windeln auf den Rücken gebunden war. Zwar war es fast vollständig in ein Ledertuch voll merkwürdiger Schriftzeichen eingeschlagen, doch ein Teil des Griffes war noch sichtbar, und der endete in einem großen Reißzahn, wie ihn Björk noch nie gesehen hatte.

Der Arm des Babys war unter den verrutschten Leinen sichtbar, und auch darauf befanden sich Zeichen wie auf dem Ledertuch.

Björk war völlig irritiert! Diesen Tag hatte er irgendwie ganz anders geplant …

»Und jetzt?«

»Jetzt nehmen wir es mit zu Ardana! Oder wolltest du es hier etwa liegen lassen?«

»Ja … Nein! Ich meine … was wird denn jetzt aus unserem freien Tag?«

»Na, freigemacht haben wir uns für heute ja schon genug, oder? Hier, halt mal!«

Mit diesen Worten gab sie Björk den Korb mit den Lebensmitteln, den sie bis dahin gehalten hatte.

Sie bückte sich nach dem Baby und nahm es auf den Arm.

»Nanu, ist das schwer!«

Ihre Augen wurden groß. »Was ist denn das?«

Erst mit dem Anheben des Kindes zeigte sich die ganze Schönheit des Schwertes. Das Ledertuch war beim Anheben des Kindes heruntergerutscht und offenbarte nun den kompletten Schwertgriff, während die Klinge noch ein ganzes Stück unter den Windeln hervorlugte.

Selbst Rebecca konnte den Blick nicht von dem wunderschön gefertigten Heft des Schwertes lassen.

Um den Griffbereich schlängelte sich der Körper eines Drachens, der schließlich in einer Kralle endete, die wohl der eines Drachen nachempfunden sein sollte. Eine echte Drachenkralle konnte es unmöglich sein, wusste Björk, denn Drachen waren schon lange Zeit nicht mehr gesehen worden und wahrscheinlich ausgestorben. Außerdem gaben die ihre Krallen nicht freiwillig her.

Björk berührte kurz den Griff und merkte erstaunt, wie griffig sich das Schuppenmuster an seine Hand schmiegte. Fast als würde sich der Drachenkörper um seine Hand schlingen und sie miteinander verschmelzen!

Im gleichen Augenblick meinte er ein fahles Schimmern in der hornfarbenen Kralle zu erkennen.

Erschrocken ließ er den Griff los. »Hast du das gesehen?«

Rebecca schaute ihn mit großen Augen an. Sie hatte sich mehr auf das Baby konzentriert.

Björk betrachtete misstrauisch den Griff, der ganz normal aussah.

»Los, schnell zu Ardana!«, rief er und schleppte eine erstaunte Rebecca mit. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass dieses Ereignis wesentlich mehr beeinflussen würde als sein romantisches Treffen mit Rebecca. Wie recht er damit haben würde, konnte er nicht ahnen.

Bei Ardana

Ardana war so etwas wie die Druidin in ihrem Dorf, und selbst der Häuptling fragte sie um Rat, wenn er nicht mehr weiterwusste. Sie genoss großen Respekt bei allen, was auch an ihren ungewöhnlichen Heiler-Qualitäten lag. Für fast jede Krankheit oder Verletzung hatte sie eine Behandlungsmethode, und nicht wenige schworen Stein und Bein, dass sie zu dem alten Magiergeschlecht gehörte.

Im Hause der Magierin tauchte man in eine andere Welt ein. Überall in den Regalen standen bauchige Gläser, deren Inhalt glücklicherweise wegen der trüben Flüssigkeit nur schemenhaft zu erkennen war.

Neben den Gläsern standen oder lagen Bücher in allen Größen und Ausführungen, die meisten jedoch in Leder gebunden, teilweise zerfleddert und offensichtlich sehr alt.

Auf einem kleinen Tisch beim Kamin waren mehrere Glaskolben mit einer Flüssigkeit gefüllt, die erhitzt und durch ein Labyrinth von Glasröhren und Lederschläuchen transportiert wurde, bis sie schließlich in einen anderen Kolben tropfte.

Der zweite, größere Tisch, beherbergte ein merkwürdiges Messinggebilde, dessen Bedeutung sich Björk nicht erklären konnte: Es bestand aus mehreren verschieden großen Kugeln, die miteinander verbunden waren und sich gegeneinander bewegten. Einige Papyrusrollen lagen aufgeschlagen daneben; eine davon wurde durch Briefbeschwerer in Form zweier kleiner, zahnbestückter Tierschädel am Zusammenschnellen gehindert.

Durch die Fenster drang nur wenig Licht ins Innere, da die Fensterbänke von allen möglichen Pflanzen und Kräuterkulturen besetzt waren. Hier lag ein angenehmer Duft von Kräutern in der Luft. Auch die Decke war unregelmäßig von Kräuterbüscheln in den verschiedensten Trocknungsstadien übersät. Sie verliehen der Decke das Aussehen, als wenn von ihr Wurzeln herunter wachsen würden.

Beleuchtet wurde der Raum durch mehrere Wagenräder, auf denen wohlriechende Bienenwachskerzen befestigt waren.

An einem der Räder hingen drei Vogelkäfige, von denen einer von einem Raben bewohnt war, der mit empörtem Krächzen gegen seine Einkerkerung protestierte.

Auf dem Boden waren in zwei Ecken Pentagramme aufgezeichnet, umgeben von seltsamen Schriftzeichen. Gleich daneben stand eine offene Kiste mit Waffen, viele davon waren ihm gänzlich unbekannt.

Trotz der Fremdartigkeit gab es keinen Platz, an dem Björk sich so sicher und gemütlich gefühlt hätte wie hier bei Ardana.

Das lag zum großen Teil an der von ihm scherzhaft bezeichneten Rundecke des Raumes, in der sich etliche dicke dunkelrote Sitzmöbel um einen Rundtisch schmiegten.

In einem dieser Sitzmöbel saß er nun und betrachtete mit den anderen den Gegenstand des Interesses, der sich auf dem Tisch befand: das Baby!

Ardana und Rebecca beugten sich neugierig über das Kind, während Björks Interesse mehr von dem Schwert angezogen wurde, das neben dem Kind lag.

Neben ihrer natürlichen Autorität und Ausstrahlung war Ardana auch ausgesprochen schön. Sie hatte ein ebenmäßiges Gesicht, lange, lockige, schwarze Haare und dazu blaue Augen, die einem auf den Grund der Seele zu blicken schienen. Zwar konnte man an einigen Fältchen und grauen Strähnen erahnen, dass sie nicht mehr ganz so jung war, doch ihr wirkliches Alter vermochte keiner zu erraten (und zu fragen traute sich ohnehin niemand). Irgendwie schien sie schon immer im Dorf gewesen zu sein.

Sie beugte sich über das Baby und machte dabei ein nachdenkliches Gesicht, während sich Rebecca vor Begeisterung kaum einkriegen konnte.

»Ein Junge, sagst du?«

Ardana nickte nur.

»Ach, ist der süß! Davon möchte ich auch mal einen ganzen Stall voll.«

Im Hintergrund murmelte Björk leise etwas wie: »Da muss man aber auch vorher was tun!«

Ardana verzog schmunzelnd die Lippen und fragte sich insgeheim, wie lange Rebeccas Begeisterung wohl anhalten würde, wenn sie zum sechsten Mal nachts aufwachte, um die Brust zu geben oder Windeln zu wechseln.

Ardana studierte den linken Unterarm des Jungen, auf dem einige Schriftzeichen und Blutstropfen zu sehen waren.

»Mich würde viel eher interessieren, wer du überhaupt bist, kleiner Mann.«

Ardana zog die Schriftzeichen mit ihrem Finger nach. Prompt bröckelten Teile davon ab.

»Die Zeichen kommen mir bekannt vor, aber ich kann sie im Moment nicht zuordnen. Irgendwo habe ich die schon einmal gesehen! Björk, bring mir doch bitte den Beutel und das Schwert.«

Björk, für den das Schwert sowieso interessanter war als das Baby, kam der Bitte nur ungern nach. Jetzt würde Rebecca sicher das Thema Baby lang und breit mit ihm ausdiskutieren wollen.

Aber im Moment schien sie von Ardanas Untersuchung gefesselt zu sein.

»Was haben wir denn hier?«

Der Beutel beinhaltete mehrere kleine Säckchen und eine Schreibfeder.

»Aha! Von solch einer Feder hat unser kleiner Freund also seine Schriftzeichen. Und wenn ich mich nicht irre – hoppla!«

Zum Vorschein kam ein gerolltes, brüchiges Pergament, das sich als eine Art Landkarte entpuppte.

»Das könnte unser Land sein, aber diese Zeichen und Symbole sind mir rätselhaft. Einige könnten Städte sein, aber bei anderen ist keine Ansiedlung weit und breit – jedenfalls soweit mir bekannt ist. Es sind jedoch wieder die gleichen Zeichen wie auf dem Arm.«

»Auf dem Schwert und der Scheide sind auch welche«, schaltete sich Björk ein. »Vielleicht sind das irgendwelche Zaubersprüche?«

»Mit dem Schwert kann uns ja vielleicht Glandron weiterhelfen«, entgegnete Ardana. »Ich werde ihn holen lassen.«

Glandron

Glandron war der Dorfschmied und kümmerte sich neben dem Beschlagen der Pferde und anderen typischen Tätigkeiten eines Schmiedes auch um die Herstellung von Schwertern. Seine Familie pflegte hierin eine lange Tradition und galt als eine der besten Schwertschmiede des Landes. Glandron entsprach ganz dem Bild, das sich jeder von einem Schmied machte: Er hatte einen unglaublich muskulösen Oberkörper, der umso beeindruckender wirkte, wenn er vor Hitze und Anstrengung schwitzend am Amboss stand und sich jeder Muskel unter seiner mit Brandflecken übersäten Lederschürze abzeichnete. Dazu kamen seine langen blonden Haare, die er im Nacken zusammengebunden trug, und sein Schnäuzer, der ihm geflochten an den Mundwinkeln herunterhing und ihn so für jeden, der ihn nicht kannte, etwas mürrisch aussehen ließ. Dabei war er alles andere als das, er hatte sogar einen ausgeprägten Sinn für Humor.

Glandron musterte das Schwert mit Kennerblick.

»Ja, das ist in der Tat eine wundervolle Arbeit! Der Griff ist gefertigt wie Drachenschuppen, der Schaft zum Teil ebenso. Und hier: Das soll vermutlich einer Drachenkralle nachempfunden sein.«

Er betrachtete die Kralle genauer. »Ich bin mir nur nicht im Klaren, aus welchem Material sie gemacht ist. Für Elfenbein ist sie ein wenig zu dunkel und ihr fehlt die typische Wachstumsmaserung.«

Er tippte gegen die Kralle. »Sie scheint mir auch wesentlich härter zu sein.«

Dann kniff er ein Auge zu, hob das Schwert an das andere und strich mit seiner schwieligen Hand über die Klinge. »Hier ist auch irgendeine Legierung auf der Klinge, die mir nicht bekannt ist. Merkwürdig!«

Er nahm das Schwert in beide Hände und vollführte einige Schwünge in der Luft.

»Bei den Göttern, ist die leicht! Und dieser Klang! So etwas habe ich noch nie in der Hand gehabt.«

Ardana hatte Glandron bei seinen Übungen mit einem verklärten Blick beobachtet. »Hast du eine Ahnung, wo das Schwert herkommen könnte?«

»Ich habe einmal von einer Legende gehört, in der von sogenannten Drachenschwertern die Rede war. Die verliehen ihrem Träger angeblich magische Kräfte. Aber ob es so etwas gibt und ob dies hier so eins ist?«

Glandron machte einen skeptischen Eindruck und schien das kurze Aufblitzen in Ardanas Augen nicht gesehen zu haben.

»Tja, auf jeden Fall müssen wir uns um unseren jungen Freund hier kümmern. Das Beste ist, wenn möglichst wenige Leute von dem Kleinen wissen. Und ich denke …« Ihr Blick ging in die Runde: Dort stand Björk, schon wieder ganz eingenommen von dem Schwert und völlig desinteressiert an Babys. Für ihn waren sie nur nervtötende schreiende Bündel, die seinen Geruchssinn auf eine harte Probe stellten. Daneben Rebecca, die dermaßen vor Muttergefühlen und Mitleid zu zerfließen schien, dass Ardana Angst bekam.

»Ich denke, ich weiß die perfekte Lösung!«

Mit diesen Worten trat sie vor Glandron und hielt ihm das Baby hin, das prompt zu schreien anfing.

Glandron war so perplex, dass er das Kind annahm und ihm gleichzeitig die Kinnlade herunterfiel.

»Glückwunsch, Glandron, du bist jetzt Vater!«

Er hielt den Kleinen an ausgestreckten Armen weit von sich, fast, als hätte er Angst vor ihm.

Tatsächlich hatte er Angst, dieses kleine Menschenwesen mit seinen kräftigen Händen zu verletzen. Er hatte noch nie mit einem Baby zu tun gehabt und wusste überhaupt nicht, was von ihm erwartet wurde. Erschrocken und auch ein wenig fasziniert betrachtete er den kleinen Schreihals ganz genau.

Und Schreihals war in der Tat die richtige Bezeichnung für diesen Burschen. Dass so kleine Lungen solch eine Lautstärke erzeugen konnten, grenzte an ein Wunder – ein unüberhörbares!

Der Mund kam immer näher auf ihn zu, obwohl er das Kind weiter von sich hielt.

Glandrons Augen weiteten sich. Das musste doch eine Täuschung sein!

Der aufgerissene Rachen kam näher und näher, bis er schließlich Glandrons komplettes Blickfeld einnahm.

Ardana beobachtete ihn amüsiert. Sie hatte schon öfter merkwürdige Reaktionen von Männern beim Anblick von kleinen Kindern erlebt.

Während er wie hypnotisiert auf den Mund starrte, hörte er von Weitem ihre Stimme.

»Wir werden sehen, was aus dir wird!«

17 Jahre später

Der Zahnarzt

»Bist du verrückt geworden?!«

Das kleine Baby von einst hatte erneut seinen Mund geöffnet und schrie genauso laut wie damals.

Als Cedric als Baby geschrien hatte, so hatte Ardana es ihm erzählt, hätte er trotz seines Geschreis irgendwie süß ausgesehen. Zwar mit rotem Kopf und ohne Zähne, aber trotzdem süß.

Nun wollte sich jemand daran machen, diesen Zustand wieder herzustellen, zumindest was die Zähne betraf.

Cedric hatte inzwischen mittellange braune Haare, die ihm in diesem Augenblick wirr an der schweißbedeckten Stirn klebten.

Er saß in der Schmiede in einem Stuhl und ein grauhaariger Alter näherte sich ihm mit einer furchteinflößenden Zange.

Blut lief Cedric aus dem Mundwinkel und er konnte seine Augen nicht von diesem Folterinstrument lassen.

Glandron betrachtete diese Szene mit ehrlichem Mitleid. Er brauchte Greuel glücklicherweise im Moment ja nur von hinten zu betrachten (was bei den fettigen Haaren und den Fliegen, die um dessen Kopf schwirrten, kein schöner Anblick war), doch auch das reichte, ihm einen Schauer das Rückgrat hinunterlaufen zu lassen.

Der Grauhaarige humpelte weiter auf Cedric zu.

»Wieso willst du mir noch einen Zahn ziehen? Der Schlechte ist doch schon draußen!«

»Weil wir daf immer fo gemacht haben!«, spuckte Greuel mehr, als dass er sprach. Der sadistische Unterton in seiner Stimme war nicht zu überhören.

»Jaaa?«

»Jaaa!«, schrie Greuel, und sein Gesicht nahm Cedrics komplettes Gesichtsfeld ein. Riesige Zahnlücken und Stümpfe, regelrechte Zahnruinen kamen immer näher und verströmten dabei einen Gestank, der ihn erschauern ließ. Sein Blick wanderte höher und blieb auf dem Grund dieser schrecklichen Heilkunst haften: Zwei schielende Augen! Die Fehlstellung war dermaßen massiv, dass Cedric sich fragte, wie dieser Mann überhaupt ohne anzuecken durch eine Tür gehen konnte, geschweige denn einen Zahn bei sich oder anderen zu ziehen, ohne Verstümmelungen zu hinterlassen. Dass er es offenbar nicht konnte, bewies sein Gebiss.

In seiner Verzweiflung wandte er sich an Glandron.

»Vater, wieso darf dieser Wahnsinnige überhaupt so an mir herumfuhrwerken?«

»Es ist nun mal mit Ardana abgesprochen, dass Greuel die kleineren Behandlungen in ihrer Abwesenheit übernimmt.«

Björk, inzwischen mit einem kleinen Bauch und feistem Gesicht ausgestattet, hielt weiter Cedrics Arm fest, biss sich auf die Lippe und nickte bestätigend.

»Ja, so ist es nun mal abgesprochen!«, brachte er unterwürfig heraus.

»Die kleineren Behandlungen?« Cedrics Stimme überschlug sich.

»Meine Zähne sind doch keine kleinen Behandlungen! Ich will kein Gebiss haben wie ein vergammelter Gartenzaun!«

»Ach, ftell dich nicht fo an, man gewöhnt fich an allef!«, raunzte ihm Greuel zu und kam mit der Zange zurück, die er sich gerade geholt hatte.

Cedrics Augen weiteten sich vor Schreck und ihm wurde schlagartig klar: entweder seine Zähne oder …

Als Greuel schließlich in Schlagdistanz war, trat Cedric mit voller Wucht zu, und zwar zwischen Greuels Beine!

Dessen Augen verdrehten sich noch wilder, als sie es schon waren, und ein langgestrecktes Stöhnen entrang sich seiner Kehle, als er langsam zusammensackte.

Lässig schwang sich Cedric aus dem Stuhl und schaute auf den winselnden Greuel.

»Ach, stell dich nicht so an! Man gewöhnt sich an alles. Das waren doch gerade deine Worte, oder?«

Glandron und Björk, die bei Cedrics Tritt ebenfalls mit schmerzverzerrtem Gesicht eingeknickt waren, atmeten erleichtert durch. Glandron wischte sich die schweißnasse Stirn, und Björk pustete hörbar die Luft aus.

»Das war knapp«, entgegnete Cedric mit dicker Wange und wischte sich die letzten Blutspritzer aus dem Gesicht.

Im gleichen Augenblick liefen vier Kinder in die Werkstatt und plapperten sofort aufgeregt auf Cedric ein:

»Cedric, du lebst ja!«

»Ich dachte, sie nehmen dir den Kiefer ab!«

»Stimmt es, dass man aus Zähnen Würfel machen kann?«

Ihnen auf den Fersen kam Rebecca hereingerannt, sichtlich erschöpft und außer Atem.

»Björk, kannst du nicht mal auf die Jungs aufpassen? Ich muss noch putzen und waschen.«

Björk musterte erst sie, dann die Jungs und ließ sich schließlich zu einem lapidaren: »Nein«, herab. Dann beachtete er sie nicht mehr und wandte sich wieder Cedric zu.

Rebecca entdeckte Cedric und kam auf ihn zu, nicht ohne Björk im Vorübergehen ein: »Warte ab, bis du zu Hause bist!«, zuzuraunen.

Björk wurde sich offensichtlich bewusst, dass er etwas über das Ziel hinausgeschossen war, denn er schluckte nervös und öffnete sich den Kragen.

Seinen Einwurf zur Versöhnung tat Rebecca mit einer Handbewegung ab und widmete sich demonstrativ Cedric.

»Alles in Ordnung bei dir?«

»Wunderbar!«, nuschelte Cedric mit seiner dicken Wange. »Größerer Schaden konnte wie durch ein Wunder vermieden werden.«

Nun hatten die Kinder Greuel entdeckt, der sich mühsam wieder aufgerappelt hatte.

»Greuel, was ist mit dir?«

»Macht Zähne ziehen Spaß?«

»Tut das weh?«

Greuel stöhnte noch einmal und bedachte Cedric beim Rausgehen mit einem wütenden Blick.

»Wart ab, bif du Magenschmerzen bekommst!«

***

Glandrons Hof lag ungefähr sechs Meilen vor dem Dorf und befand sich seit vielen Generationen in Familienbesitz. Früher hatte der Großvater Ackerbau betrieben, doch nachdem das Alter und die kräftezehrende Arbeit seiner Gesundheit mehr und mehr zugesetzt hatten, war er davon abgerückt und hatte sich schließlich auf das konzentriert, wodurch die Familie berühmt geworden war: auf die Fertigung exzellenter Waffen, insbesondere Schwerter.

Glandron hatte sich im Dorf eine kleinere Schmiede eingerichtet, in der er den Bewohnern Hufeisen und Geräte fertigte. Dort verbrachte er mehrere Tage in der Woche, und meistens nahm er Cedric mit.

Für Cedric war das Leben im Dorf eine schöne Abwechslung zu der doch sehr ruhigen Zeit auf dem Hof und er hatte Gelegenheit, andere Jungen seines Alters kennenzulernen. Doch so sehr er sich auch bemühte, so wirklich Zugang zu den anderen Jungs und deren Banden bekam er nie. Vielleicht lag es an seiner Körperkraft. Er war zeitlebens immer wesentlich stärker gewesen als andere seines Alters, und die Arbeit in der Schmiede hatte ihn nicht gerade schmächtiger werden lassen. Wenn er dann, wahrlich ein wirkliches Kraftpaket, im Dorf einer Bande angehören sollte, deren Anführer einen ganzen Kopf kleiner war als er, ihm aber dauernd Vorschriften machen wollte, wäre Ärger vorbestimmt.

Cedric gab sich viel mit Älteren ab, bis er schließlich die meiste Zeit mit Erwachsenen verbrachte.

Am liebsten jedoch beobachtete er Glandron bei der Fertigung eines Schwertes, und manchmal konnte er ihn sogar zu einem Gefecht mit Übungsschwertern überreden. Dass er das schon sehr oft mit Älteren und Erwachsenen getan hatte, behielt er klugerweise für sich, denn das wollte vor allem Ardana nicht.

Als Glandron mit der Fertigung eines besonders schönen Schwertes beschäftigt war, stellte Cedric schließlich die unvermeidliche Frage.

»Vater, wann bringst du mir bei, so ein schönes Schwert zu schmieden?«

Glandron lächelte, während er das Schwert weiter schliff.

»Dazu braucht es eine Menge, Cedric.«

Bevor Glandron mit seiner Erklärung fortfahren konnte, unterbrach ihn Cedric auch schon. »Aber schau mal, ich habe riesige Muskeln!« Dabei spannte er seinen ganzen Körper an, bis der Kopf rot anlief. »Keiner kann einen Acker so schnell pflügen wie ich und keiner kann so schwere Steine beim Turnier werfen.«

»Das mag ja alles sein, aber du musst nicht nur stark sein, sondern auch geschickt. Denn man sollte ein Schwert nicht nur fertigen können, man sollte auch damit umgehen können! Nur so kannst du erkennen, ob du ein wirklich gutes Schwert gefertigt hast, oder nur eines, das schön aussieht!«

»Ich weiß, ich weiß, aber du lässt mich ja nur zuschauen! Wir üben immer nur mit Holzschwertern. Aber ich möchte auch mal ein richtiges Schwert in der Hand halten und mit ihm die Luft durchschneiden! Ich arbeite immer nur auf den Feldern oder am Haus. Aber niemals kann ich mit einem echten Schwert üben! Björk hat mir erzählt, wie vortrefflich du mit dem Schwert umgehen kannst. Warum zeigst du mir nicht den Umgang damit?«

»Weil ich denke, dass das noch ein wenig Zeit hat.« Glandron machte ein grüblerisches Gesicht und schaute Cedric dann prüfend an. »Aber ich mache dir einen anderen Vorschlag. Ich muss dieses Schwert in den nächsten Tagen nach Amostar bringen. Wie fändest du es, wenn du mich dorthin begleiten würdest?«

Cedrics Augen weiteten sich. »Amostar? Dort war ich noch nie! Ich habe tolle Geschichten darüber gehört, von den merkwürdigen Wesen und Geschäften, die es dort geben soll. Oh ja, Vater, das wäre was!«

Ardana wird mich dafür vierteilen, dachte Glandron, und fragte sich, ob er sich nicht zu etwas ganz Dummen hatte hinreißen lassen.

Eine abenteuerliche Reise

Die letzten Tage vor der Abreise waren für Cedric kaum auszuhalten, und als es endlich auf den Rücken zweier nicht ganz so frischer Klepper in Richtung Amostar ging, war er vor Begeisterung kaum zu bändigen.

Nie zuvor hatte er sich so weit von seinem Dorf entfernt, was natürlich auch daran lag, dass er kein Pferd besaß, mit dem er längere Ausflüge hätte unternehmen können. Die meiste Zeit trieb er sich auf dem Hof herum oder suchte sich Beschäftigung im Dorf. Doch mit zunehmendem Alter fühlte er immer öfter den Drang, etwas Neues kennenzulernen und Abenteuer zu erleben. Es fehlte einfach irgendetwas in seinem Leben. Etwas, das ihn vor Herausforderungen stellte und wo er seinen Mut beweisen konnte. Das tägliche Einfangen der Hühner war in dieser Hinsicht wenig hilfreich, dieses Verlangen zu stillen. Doch nun, da er endlich einmal herauskam aus seinem Dorf, war es bis zum ersten Abenteuer nur eine Frage der Zeit.

Als Erstes konnte er seinen Horizont erweitern – und das buchstäblich! Nachdem sie ein Tal durchritten hatten, kamen sie an einen höher gelegenen Kamm, der ihnen den Blick über die Landschaft ermöglichte. Sie zügelten die Pferde.

»Bei den Göttern, ist das weit weg!« Cedric zeigte auf eine entfernte Gebirgskette, die den Horizont abschloss.

Glandron lächelte. »Ach, so weit ist das gar nicht. Du wirst sehen, dass wir in einigen Tagen genau dort oben stehen und dann wieder so ein Ausblick vor uns liegt. Und dann noch einer und noch einer und immer so weiter.«

»Immer so weiter? Das kann doch gar nicht sein! Du meinst, es geht immer weiter und weiter und niemals ist Schluss?«

Glandron runzelte die Stirn. »Was meinst du damit?«

»Na … irgendwie Ende!« Cedric ruderte mit den Armen. »Dass irgendwann einfach eine Mauer kommt oder ein Abgrund oder irgendwas …«

»Ich verstehe, was du sagen willst. Aber wie sollte das denn aussehen? Mit einem Mal ist alles schwarz? Oder du fällst gar hinunter ins Nichts? Oder du bist – schwupp – wieder an deinem Ausgangspunkt?« Glandron lachte. »Also, so weit, wie ich gekommen bin, habe ich so etwas noch nicht erlebt, und ich bin sehr weit gekommen!«

»Wirklich? Wie weit denn?«

»Nun, während der Kriege um die alte Hauptstadt haben wir die wilden Stämme des Ostens bis in die alten Gebirge verfolgt, das war sehr weit weg! Da hatte man zwar oft durchaus den Eindruck, dass die Welt zu Ende ist und man in ein schwarzes Loch fällt, doch das lag an der Unwirtlichkeit der Gegend!« Glandron verzog das Gesicht in Erinnerung an diese Zeit.

»Wieso, wie sah es denn dort aus?«

Glandron hatte noch nie zuvor in Cedrics Anwesenheit von dieser Zeit gesprochen. Jetzt schien die Gelegenheit günstig wie nie, endlich etwas zu erfahren. Hier konnte er nicht wie sonst irgendwelche Ausflüchte suchen wie: Das erzähle ich dir später, erst muss ich jetzt eine Sense schmieden! Nun war er ihm gewissermaßen ausgeliefert und er würde ihn löchern, bis er alles erzählt hatte.

Doch die Antwort war enttäuschend. »Ach, einfach sehr ungastlich. Es war einfach alles … dunkel und grau.«

Einsilbig wie immer. Doch nicht dieses Mal!

»Dunkel und grau? Das kann doch nicht alles gewesen sein! Was ist denn dort alles passiert?«

Glandron wand sich. »Also, um ehrlich zu sein … es ist nicht wirklich viel passiert.«

Cedric verstand die Welt nicht mehr. »Ihr werdet doch nicht die Wilden bis in ihre Wälder und Schluchten verfolgt haben, und dann ist nichts passiert? Damit kommst du nicht durch, Vater!«

»So ähnlich war es aber, Cedric! Wir haben sie bis in ihre dunkle Heimat verfolgt. Dort war alles neblig, grau, kalt und nass! Es wurde immer schwieriger, ihrer Spur zu folgen. Schließlich haben wir einen kleinen Trupp gestellt, der dann aber flüchten konnte. Nach drei Tagen haben wir dann die letzte Spur verloren.«

Was wirklich geschehen war, würde Glandron für sich behalten, und wenn es nach ihm ginge, würde auch niemand die Wahrheit erfahren. Von den wenigen, die zurückgekehrt waren, hatten sich etliche das Leben genommen, und ihm wäre es vielleicht auch nicht anders ergangen, hätte er nicht Ardana getroffen.

Seine Gesichtszüge hatten sich verhärtet.

Cedric hatte dies in seiner Enttäuschung allerdings nicht bemerkt. »Na, immerhin war es ein Abenteuer!«

»Ja, immerhin«, presste Glandron zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.

»Mir ist noch gar nichts passiert!«, protestierte Cedric. »Seit meiner Kindheit lebe ich nur in diesem Dorf, hüte Schafe und Hühner und kann froh sein, wenn es einmal ein Fest gibt. Seit ich auf dieser Welt bin, ist mein Leben einfach nur langweilig!«

Glandron dachte daran, wie sie Cedric gefunden hatten: Eingewickelt in blutverschmierte Tücher, mit einem rätselhaften Schwert an seinem Rücken.

Dir ist garantiert schon etwas passiert, wollte er ihm am liebsten sagen, doch das hätte sehr viele Fragen aufgeworfen. Fragen, die er im Moment nicht beantworten konnte und wollte.

Am Ende des zweiten Tages kamen sie zu einer Holzbrücke, die über einen kleinen Fluss führte. Glandron zügelte sein Pferd.

»So, jetzt sind wir an der Grenze.«

»Grenze? Was für eine Grenze gibt es denn hier?«

»Na ja, keine richtige Grenze. Es ist nur die Grenze von unserem Land, das sehr ruhig und friedlich ist, zu dem wilden Land, wo wenige Menschen wohnen wollen und viele gefährliche Tiere leben.«

Ah, das klang in Cedrics Ohren wie Musik! Hier ging jetzt bestimmt bald das Abenteuer los!

»Was gibt es denn alles für gefährliche Tiere?«, fragte er aufgeregt.

»Nun, alle möglichen! Wölfe, Bären, Raubkatzen, um nur einige zu nennen. Und wer weiß, wie viele es noch gibt, die ich noch gar nicht gesehen habe.«

»Oh, du meinst, sie könnten auch dir gefährlich werden?«

»Durchaus möglich! Wie gesagt: Ich kenne auch nicht jedes Tier. Vielleicht gibt es welche, die noch größer sind als Bären. Und die wären bestimmt auch für mich gefährlich.«

Glandron stieg ab. »Und deshalb werden wir jetzt jede Nacht eine Wache aufstellen, damit wir nicht unsanft geweckt werden. Wie sieht es aus: Traust du dir die erste Wache zu?«

Cedric war begeistert. Endlich ging es richtig los! Und der Vertrauensbeweis, dass er die erste Wache übernehmen durfte, steigerte seine Stimmung noch weiter. Das würde eine Reise werden, die er niemals vergessen würde!

Am nächsten Morgen ging es früh weiter, um vor der stechenden Mittagssonne schon einige Meilen geschafft zu haben. Das Aufstehen fiel Cedric schwer. An so eine Wache musste er sich erst gewöhnen. Zweimal in der Nacht aufzustehen war ungewohnt für ihn und entsprechend gähnte er nach dem Aufstehen ordentlich.

»Na, Wache zu halten, ist doch nicht so gemütlich, was?«, bemerkte Glandron mit einem Lächeln. »Aber keine Bange, daran gewöhnst du dich ganz schnell. Und damit du schneller wach wirst, zeige ich dir gleich was.«

Sofort war die Müdigkeit vergessen. Doch die Überraschung war nicht ganz das, was Cedric sich vorgestellt hatte: eine Pflanze.

Sie hatten den dicht bewachsenen Saum nach dem Fluss schon vor einiger Zeit verlassen und kamen in ein Gebiet, das nicht mehr so eng und so hoch bewachsen war. Hier steuerte Glandron auf eine dunkelrote Pflanze mit großen Trichterblüten zu. Über den Kelchen, in denen sich eine klare Flüssigkeit befand, ragten orangegelbe Stacheln in die Luft.

»Falls du jemals allein unterwegs sein und Durst haben solltest, trinke niemals aus dem Kelch dieser Pflanze!«

»Weshalb? Ist die Flüssigkeit vergiftet?« Cedric starrte das harmlos aussehende Gewächs erstaunt an.

»Nein, die Flüssigkeit ist einfach nur klares Wasser, das ist in Ordnung! Aber die Stacheln darüber …« Glandron stieg zusammen mit Cedric ab und band sich ein Stück Leinen um seine Hand. Dann knieten sie zu der Pflanze hinunter, die Glandron bis zur Hüfte ging. Vorsichtig schob er nun seine bandagierte Hand auf den Trichter des Kelches zu, so als ob es der Kopf eines Tieres sei.

»Pass jetzt genau auf.«

Als seine Hand genau über dem Kelch war, fuhr plötzlich einer der Stacheln rasend schnell herunter und stach in den Verband. Auf diesem zeigte sich ein dunkler Fleck. »Das ist eine Flüssigkeit, die kleinere Tiere sofort lähmt! Sie fallen dann um. Und wenn du nun einmal auf den Boden siehst«, Glandron schob mit seinem Stiefel den Sand ein wenig hin und her, »dann entdeckst du diese langen Schlingen, die das Opfer fesseln und langsam mit einer Säure zerfressen. Für Menschen ist der Stachel nicht sehr gefährlich, du bekommst lediglich starke Schmerzen und vielleicht auch Halluzinationen. Interessant, was?«

Cedric hatte bei den letzten Erklärungen seinen Blick abschweifen lassen. »Ja, durchaus! Aber da vorn könnte noch etwas weitaus Interessanteres sein, oder?«

Glandron folgte seinem Blick und sah in einiger Entfernung einen Schwarm Geier kreisen. Langsam richtete er sich auf und zog leise sein Schwert. »Da könntest du recht haben! Schauen wir doch mal nach.«

Als sie sich auf die Stelle zubewegten, hörte nach einigen Schritten jeglicher Pflanzenwuchs auf und Cedric wurde eines beeindruckenden Naturschauspiels gewahr.

»Was ist denn das? Das sieht aus wie ein … ein Knick in der Landschaft!«

Glandron gebot ihm mit erhobenem Zeigefinger leiser zu sprechen.

»Ja, das ist es auch in gewisser Weise. Dies ist eine Erdverschiebung, die zu den großen Steinbrüchen gehört. Sie erstreckt sich unglaublich weit und dient unserem Land als natürlicher Schutz vor allem, was aus den südlicheren Gefilden gern zu uns kommen würde.«

»Was würde denn gern zu uns kommen wollen? Und wie schützt es uns?«

»Sieh selbst.«

Inzwischen hatten sie den Vorsprung erreicht. Es handelte sich um eine Klippe, die nicht höher war als zwanzig Ellen, sich aber in gezackter Form so weit hinzog, wie das Auge sehen konnte. Es fehlte jegliche Vegetation und die steilen Steinklippen machten den Eindruck, als wären sie unmöglich zu erklimmen.

Staunend blickte Cedric vom Rande der Klippe herab.

Glandron bückte sich nach einem Stein. »Und hier hast du den Grund des kleinen Schmauses!« Er warf den Stein hinunter auf ein Gewühl von Federn und Schnäbeln, das sogleich auseinanderstob.

Zum Vorschein kam ein kleines Gerippe, an dem nur noch wenige Überreste des armen Wesens hingen. Es hatte Ähnlichkeit mit einer sehr großen Ratte, bei der die Nagezähne durch ein Fleischfresser-Gebiss ersetzt worden waren.

Glandron steckte sein Schwert erleichtert wieder ein. »Siehst du: Dies ist wirklich eine gefährliche Gegend! Man weiß nie, was als Nächstes auf einen lauert!«

Cedric warf noch einen letzten Blick auf das Gerippe, bevor sie sich wieder umwandten und zu den Pferden zurückgingen. »Na ja, aber für dieses kleine Viech hättest du dein Schwert ja wohl nicht gebraucht. Das hätte ich ja noch mit meinem Messer erledigt!«

Cedric sollte sich später noch an seine Worte erinnern.

***

»Wie lange sind wir wohl noch unterwegs, Vater?«, fragte er am dritten Tag ihrer Reise.

»Nun, ich denke, dass wir noch zwei Tage brauchen, um diesen Wald hinter uns zu lassen, und dann noch einmal ungefähr drei Tage. Allerdings …«

»Allerdings was?«

Glandron runzelte die Stirn und blickte sich verstohlen um. »Dieser Wald gefällt mir nicht.«

»Sind hier gefährliche Tiere, oder wohnen andere merkwürdige Wesen hier?« Cedrics Stimme war die Vorfreude auf ein mögliches Abenteuer anzuhören.

»Nein, normalerweise nicht. Bis in diese Gegenden wagen sich die gefährlichen Tiere kaum. Und andere ungebetene Gesellen gab es hier bislang auch nicht.« Glandron schaute sich erneut misstrauisch um. »Es ist nur etwas zu still hier. Eben war der Wald noch voll von Geräuschen – wenn auch nicht immer von solchen, die man hören wollte. Doch wir reiten nun schon eine ganze Weile und es ist fast nichts mehr zu vernehmen.«

Zu beiden Seiten des Pfades ragten hinter einem Streifen Büsche nun Felsen empor, die sich weiter vorn fast berührten und einen nur noch zwei Pferdelängen breiten Durchgang frei ließen.

Glandron war sichtlich unwohl. »Also, wenn ich jemanden überfallen wollte -«

Weiter kam Glandron nicht. Plötzlich teilte sich das Unterholz auf beiden Seiten des Pfades und dachsähnliche Kreaturen stürmten auf sie zu. Ihnen folgte eine Bande Räuber, bis an die Zähne bewaffnet und laut schreiend. An dem Durchgang hatten sich drei Wesen postiert, die etwas schmächtiger waren als ein Mensch, auf deren gedrungenen muskelbepackten Körpern sich jedoch ein Echsenkopf befand.

Sie gaben schauerliche Zischlaute von sich und zeigten ihre gebogenen Krallen. Eine Flucht nach vorn fiel aus.

»Verflucht!«, schrie Glandron. »Schnell, Cedric, hier rüber!«

Mit diesen Worten trieb er sein Pferd auf die rechte Seite des Pfades bis an die Felswand, wo beide aus den Sätteln sprangen und sich vor die Pferde stellten.

Glandron versuchte, Cedric Deckung zu geben, da dieser nur mit seinem Messer bewaffnet war und sich gerade noch gegen die bissigen Dachswesen verteidigen konnte. Es entbrannte ein wilder Kampf, bei dem Glandron schon nach kurzer Zeit etliche Gegner niedergestreckt hatte.

Es war das erste Mal, dass Cedric ihn wirklich kämpfen sah. Er war fasziniert von der Geschmeidigkeit und Schnelligkeit, mit der Glandron zu Werke ging. Doch zum ersten Mal merkte er auch, dass ein Kampf nicht nur Aufregung und Abenteuer war, sondern dass es hier tatsächlich um Leben und Tod ging. Wenn er es nicht schaffte, sich diese gefräßigen Biester vom Leibe zu halten, würden sie ihn in Stücke reißen. Für Faszination war da kein Platz mehr.

Die angreifenden Dachswesen und die Räuber waren von der Statur her um einiges kleiner als Glandron, sodass er sie gut auf Distanz halten konnte und immer wieder einen, der zu unvorsichtig war und sich zu nah heranwagte, mit einem Schwertstich niedermachen konnte.

Doch die Menge der Gegner war immens. Mit fortlaufender Dauer des Kampfes würden die Chancen von Glandron und Cedric mehr und mehr sinken.

Der Anführer der Räuber, ein Mensch mit wilder Kriegsbemalung, beurteilte den Ausgang des Kampfes wohl genauso, hatte aber Angst, dass Glandron seine Bande vorher zu sehr dezimieren würde. Deshalb rief er Glandron durch den Kampflärm zu: »Falls ihr euch ergebt, verspreche ich euch einen schnellen, schmerzlosen Tod durch meine Hand und überlasse euch nicht den Horrokar! Er zeigte auf die dachsähnlichen Wesen. »Nun, wie wählt ihr?«

Cedric war entsetzt, und das musste man ihm wohl deutlich angesehen haben, denn Glandron lächelte ihm aufmunternd zu, als er für einen Moment in Cedrics Richtung schauen konnte.

»Na, was hältst du von der Wahl? Nicht so toll, was?«

Cedric schüttelte den Kopf.

Glandron wandte sich an den Anführer. »Du lässt uns also die Wahl zwischen Sterben und … Sterben. Hab ich das richtig verstanden?«

Der Anführer grinste sadistisch zurück. »So kann man es wohl auch ausdrücken. Aber immerhin habt ihr die freie Wahl! Wo hat man das noch in diesem Lande?«

»Da hast du recht, das ist ein feiner Zug von dir!«

Cedric glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen! Hier ging es um Leben und Tod und Glandron plauderte mit dem Anführer, als ginge es um einen Ferkelverkauf! War er wirklich so abgebrüht oder bluffte er nur?

»Dann ist es ja nur fair, wenn ich dir auch die Wahl lasse!«, sagte Glandron lächelnd.

Der Anführer blinzelte irritiert.

»Na, das ist doch ganz klar: Wenn ich hier sterbe, bist du der Erste, den ich mitnehme, das verspreche ich dir! Willst du das?«

Dabei machte Glandron ein so entschlossenes und grimmiges Gesicht, dass der Anführer sofort seine Spießgesellen enger um sich scharte.

Dann blickte er wieder Glandron an, allerdings weniger siegessicher als zuvor. »Na gut, ihr habt es so gewollt!«

Der Anführer hatte gerade den Arm gehoben, um das Angriffssignal zu geben, als plötzlich eine tiefe Stimme aus der Richtung der Felsenge erklang.

»Oh, ein Spielchen! Darf ich auch?«

Bär

Im Zwielicht der Enge war der Umriss eines Wesens zu sehen, das erst auf den zweiten Blick als Mensch zu erkennen war. Es war ein Mann, der sogar noch einen Kopf größer war als Glandron, mit einem Bärenschädel als Kopfbedeckung.

Sein Körper war mit riesigen Muskeln bepackt, sodass selbst Glandron beinahe schmächtig neben ihm aussah.

Er war in Bärenfell gekleidet und überall, wo Haut sichtbar wurde, konnte man Narben von Bärentatzen entdecken.

Sein Gesicht war braungebrannt und eingerahmt von langen, braunen Haaren und einem ebensolchen Vollbart.

In der rechten Hand hielt er einen Gegenstand, der einer großen beidseitigen Sense mit Spitze in der Mitte ähnelte. Sein linker Arm steckte in einer Eisenrüstung, die am Unterarm mit Stacheln gespickt war und an dessen Ende sich eine gebogene Klinge über dem Handrücken befand. Mit einer ruckartigen Bewegung ließ er die Klinge an einer Schiene über den Handrücken herausschnellen. Zur optischen Abrundung seiner furchterregenden Erscheinung waren seine Stiefel vorn mit Bärenzähnen besetzt und ebenfalls verstärkt.

Hinter diesem Bär von einem Mann konnte man zu beiden Seiten die Reste der drei Echsenwesen ausmachen, die die Enge bewacht hatten – offenbar mit wenig Erfolg.

»Der Bärentöter!«

Die Ehrfurcht in den Stimmen der Räuber war deutlich herauszuhören.

»Nun, was ist? Darf ich mitmachen?« Der Krieger kam der Räuberbande mit ihren umzingelten Opfern langsam näher.

Das Gemurmel und die Unsicherheit der Bande nahmen mit jedem Schritt der Annäherung zu. Vor allem, als der Krieger auch noch begann, seine Sense in großen Kreisen zu schwingen. Die schwere Waffe wurde dabei mit einer Leichtigkeit bewegt, als handle es sich um einen Strick. Das Sirren der Klinge und das unerschütterliche Selbstbewusstsein des Kriegers machten dem Nervenkostüm der Räuber mehr und mehr zu schaffen.

»Ich warne dich, Bärentöter, wir sind zahlreich! Vielleicht kannst du einige von uns erwischen, aber am Ende werden wir doch zu viele für dich sein!«

»Nun, das käme wohl auf einen Versuch an, denke ich! Und zu denjenigen in den ersten Reihen möchte ich auf jeden Fall nicht gehören!«

Diese Ankündigung reichte aus, um eine Panik in den vorderen Reihen auszulösen, die verzweifelt versuchten, sich nach hinten durchzuschummeln. Der Anführer hatte alle Mühe, seine Bande von einer Fahnenflucht abzubringen. Jeden Moment konnte sich seine ach so hartgesottene Bande in Wohlgefallen auflösen. Daher versuchte er es nun mit Diplomatie.

»Wir wollen nichts von Euch! Geht einfach Eurer Wege und lasst es gut sein! So vermeiden wir unnötigen Ärger, den keiner von uns braucht!«

»Ach, jetzt bin ich gerade schon in Stimmung! Da werd ich doch nicht aufhören, bevor ich richtig angefangen habe! Ich denke, ich werde heute mal die Taktik ändern und erst die letzten Reihen massakrieren.«

Wieder kam hektische Aktivität in die Reihen der Räuber, die nun krampfhaft versuchten, von hinten nach vorn zu gelangen.

Inzwischen war der Krieger auf zwei Pferdelängen herangekommen und die Räuber sahen sich plötzlich in einen Zweifrontenkrieg verwickelt: Vorn war der zähe Reisende, der zu allem entschlossen war, und von links näherte sich ein Gegner, der aussah wie ein Berserker direkt aus der Hölle.

Nun zeigte sich die Qualität der Räuberbande: Es gab keine!

Es war eine Sache, über zwei einsame Reisende herzufallen, jedoch eine ganz andere, sich einem versierten Kämpfer und einem Krieger entgegenzustellen, dessen Ruf ihm vorauseilte und dessen Kleidung mit dem Blut der besten eigenen Kämpfer besudelt war.

Dazu zog dieser noch mit einer Zuversicht und Begeisterung in die Auseinandersetzung, als bestünde seine einzige Angst darin, dass ihm nicht genug verschiedene Ideen zum Massakrieren einfallen wollten.

Schließlich machte Glandron den ersten Schritt, indem er die Verwirrung der Räuber ausnutzte und mit einem lauten Schrei mitten in die Bande fuhr.

Wie auf ein Signal stürmten nun auch die Räuber auf den Bärentöter zu, wobei die erste Angriffsreihe sogleich von der Sense niedergemacht wurde. Mit der gepanzerten linken Hand parierte der Krieger einige Schwertschläge und ließ weiterhin die Sense kreisen. Durch das ungleiche Größenverhältnis konnte der Krieger so einen um den anderen Gegner niedermachen, ohne selbst in die Reichweite der Meute zu gelangen, die zu ihrem Pech keine Lanzen oder Bögen besaßen, die dem Bärentöter hätten gefährlich werden können.

Zusammen mit Glandron wurde die Meute schließlich immer weiter dezimiert, bis alle, mit Ausnahme des Anführers, die Flucht ergriffen.

»Ihr elenden Hunde, bleibt hier!«, rief er seinen flüchtenden Kameraden hinterher. Einige machten tatsächlich Anstalten umzukehren, doch denen stellte sich der Bärentöter in den Weg. Er breitete die Arme aus und ließ ein fürchterliches Gebrüll hören. Sofort machten die Räuber auf dem Absatz kehrt und flohen.

»Feiges Pack, kämpft wenigstens wie echte Männer!«, rief der Anführer ihnen hinterher.

Doch ohne Wirkung. Bald waren nur noch die Geräusche der Flüchtenden im Unterholz zu hören.

»Na, nun scheinst du allein zu stehen! Wie ist es jetzt um deinen Mut bestellt? Willst du ihnen nicht gleich hinterherlaufen?« Glandrons Frage blieb einen Moment unbeantwortet, da er den Anführer mit einer Serie von Schwertstreichen eindeckte, denen der Räuber seine volle Aufmerksamkeit widmen musste.

Seine Antwort kam dann auch ein wenig gepresst. »Ich habe … immer noch … meine Ehre! So schnell … gebe ich … nicht auf! Und wenn ich denn … hier sterben sollte … heute scheint ein guter Tag dafür zu sein!«

Mit diesen Worten setzte er zum Gegenangriff an und machte Glandron seinerseits reichlich zu schaffen.

Der Bärentöter stützte sich auf seine Sense und beobachtete mit Interesse den Kampf.

Cedric, der nach wie vor nur mit einem Messer bewaffnet war, stand kurz vor dem Bärentöter und beobachtete, wie sich das Kampfgeschehen in seine Richtung bewegte. Dabei stand der Räuber nun mit dem Rücken zu ihm.

Das war doch die Gelegenheit, diesem Kampf ein Ende zu bereiten und sich für die erlittenen Ängste zu rächen!

Cedric hob sein Messer langsam an und trat einen halben Schritt näher an die Kämpfenden heran.

»Das würde ich lieber sein lassen«, hörte er da die tiefe drohende Stimme des Bärentöters. Gleichzeitig spürte er eine unangenehme Berührung zwischen seinen Beinen.

Als er an sich heruntersah, erkannte er entsetzt, dass ihm der Krieger seine Sense von hinten zwischen die Beine geschoben hatte, sodass er unweigerlich beim nächsten Schritt vorwärts mindestens entmannt, vielleicht aber auch bis zum Bauchnabel aufgeschlitzt werden würde.

»Seid Ihr von Sinnen?! Dieser Mistkerl wollte uns töten! Was ist, wenn er meinen Vater tötet?«

»Dann war das wohl nicht sein Tag«, entgegnete der Krieger trocken. »Dies hier ist ein fairer Kampf, Mann gegen Mann, und man wird sehen, wer der Bessere ist«

Nach seinem ersten Entsetzen erkannte Cedric, dass er tatsächlich keine andere Chance hatte, als den Kampf einfach zu beobachten.

Und es war in der Tat ein fairer Kampf, denn auch der Anführer war kein Anfänger mit dem Schwert.

Lange Zeit sah es so aus, als könne sich keiner der Kontrahenten einen Vorteil verschaffen, als Glandron plötzlich ungestüm angriff und von oben einen gewaltigen Schlag auf die Schwerthand des Räubers führte. Durch das weite Überkopfausholen blieb dem Räuber jedoch genug Zeit, sich seitlich wegzudrehen, und durch die Wucht des Schlages und die Ausweichbewegung des Räubers stand Glandron nun fast mit dem Rücken zum Anführer.

Der nutzte seinen Vorteil aus und hob seinerseits die rechte Hand, um das Schwert auf Glandrons ungeschützten Rücken niedersausen zu lassen.

Da erschien plötzlich Glandrons Schwert in seiner linken