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Der Schlüssel zu Lebensglück, Erfolg und Liebe steckt in nur zwei Worten.
Dieses lebensverändernde Werkzeug gibt uns die Möglichkeit, unsere Energie nicht mehr für Dinge zu verschwenden, die wir nicht kontrollieren können. Konzentriere dich stattdessen endlich auf dich und darauf, was dir wichtig ist. Deine Ziele. Deine Beziehungen. Dein Leben.
Zwei einfache Worte – Lass sie – werden dich befreien. Befreien von der ständigen Anstrengung, alles und jeden um dich herum kontrollieren zu wollen. Befreien von den Meinungen, den Sorgen, den Emotionen und den Urteilen anderer.
Wer akzeptiert, dass man die Handlungen und Meinungen anderer nicht steuern kann, gewinnt Freiraum, Gelassenheit und Energie, die eigenen Möglichkeiten klarer zu sehen und zu nutzen. Akzeptanz und Wohlwollen stärken uns selbst und unsere Beziehungen.
Lerne, wie du:
· loslässt, worüber du keine Kontrolle hast
· aufhörst, dich mit anderen Menschen zu vergleichen
· Ängste und Selbstzweifel überwindest
· dich von den Erwartungen anderer freimachst
· erfüllende Freundschaften aufbaust
· gesunde Beziehungen und tiefe Verbindungen schaffst
· mit Selbstvertrauen das verfolgst, was dir wirklich wichtig ist
· Resilienz gegen alltägliche Stressoren und Ablenkungen aufbaust
· deinen persönlichen Weg zu Erfolg und Erfüllung findest.
Nachvollziehbar und wissenschaftlich fundiert erklärt Mel Robbins, wie sich ihre bahnbrechende Methode in acht Schlüsselbereichen des Lebens anwenden lässt. Ob im Job, in Beziehungen und Freundschaften oder in der Familie. Voller inspirierender Geschichten, praktischer Erkenntnisse und Ratschläge von Top-Experten ist dieses Buch ein Leitfaden für ein kraftvolleres und glücklicheres Leben. Entdecke, wie zwei Worte dein Leben verändern können!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 452
Veröffentlichungsjahr: 2025
Buch
Bei der Let-them-Theorie geht es um innere Freiheit. Zwei einfache Worte – Lass sie – befreien von der Last, andere managen zu müssen. Wer aufhört, sich darüber Gedanken zu machen, was andere denken, sagen oder tun, hat endlich die Energie, sich auf das eigene Leben zu konzentrieren. Die Let-them-Theorie lehrt, dass das eigene Leben umso zufriedenstellender wird, je mehr man andere ihr Leben leben lässt.
Autorin
Mel Robbins ist New-York-Times-Bestsellerautorin und weltweit renommierte Expertin für Mindset, Motivation und Verhaltensänderung. Ihre Bücher wurden in über 50 Sprachen übersetzt, ihr Buch The Let Them Theory ist mit über 1,5 Mio. verkauften Exemplaren innerhalb eines Monats nach Erscheinen in den USA das am erfolgreichsten gestartete Sachbuch aller Zeiten. Mit ihrem mehrfach ausgezeichneten Podcast (The Mel Robbins Podcast) erreicht sie Millionen Hörerinnen und Hörer in 194 Ländern. Die Mutter dreier Kinder führt ihr eigenes Medienunternehmen und ist eine der gefragtesten Speakerinnen weltweit.
Mel Robbins
Die
LET
THEM
Theorie
Zwei Worte, die dein Leben verändern werden
Aus dem Amerikanischen von Christina Hackenberg, Ursula Pesch und Elsbeth Ranke
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2024 unter dem Titel »The Let Them Theory« bei Hay House, Carlsbad, Kalifornien.
Alle Ratschläge in diesem Buch wurden von der Autorin und vom Verlag sorgfältig erwogen und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden. Eine Haftung der Autorin beziehungsweise des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist daher ausgeschlossen.
Wir haben uns bemüht, alle Rechteinhaber ausfindig zu machen, verlagsüblich zu nennen und zu honorieren. Sollte uns dies im Einzelfall aufgrund der schlechten Quellenlage bedauerlicherweise einmal nicht möglich gewesen sein, werden wir begründete Ansprüche selbstverständlich erfüllen.
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Deutsche Erstausgabe April 2025
Copyright © 2024 der Originalausgabe: © 2024 by Mel Robbins
Copyright © 2025 der deutschsprachigen Ausgabe: Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München
(Vorstehende Angaben sind zugleich Pflichtinformationen nach GPSR.)
Redaktion: Birthe Vogelmann
Umschlag: Uno Werbeagentur, München
Umschlagdesign: Pete Garceau
Umschlagillustration: © iStock/Getty Images
Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering
CH ∙ CB
ISBN 978-3-641-33819-0V005
www.goldmann-verlag.de
Für meine Tochter Sawyer, die dieses Buch zusammen mit mir geschrieben hat.
Es war wunderbar, dieses Erlebnis mit dir zu teilen, auch wenn es Momente gab, in denen du mich umbringen wolltest.
Wie man so schön sagt: Lass sie.
Inhalt
Einleitung: Meine Geschichte
DIELET-THEM-THEORIE
1 Höre auf, dein Leben mit Dingen zu verschwenden, die du nicht kontrollieren kannst
2 Erste Schritte: Lass sie + Lass mich
DUUNDDIELET-THEM-THEORIE
Mit Stress umgehen
3 Schockierende Erkenntnis: Das Leben ist stressig
4 Lass sie dir Stress bereiten
Die Meinung anderer fürchten
5 Lass sie schlecht über dich denken
6 Wie man schwierige Menschen liebt
Mit der emotionalen Reaktion anderer umgehen
7 Wenn Erwachsene einen Wutanfall bekommen
8 Die richtige Entscheidung fühlt sich oft falsch an
Das ständige Vergleichen überwinden
9 Ja, das Leben ist nicht fair
10 Wie du den Vergleich zu deinem Lehrer machst
DEINEBEZIEHUNGENUNDDIELET-THEM-THEORIE
Freundschaften mit Erwachsenen meistern
11 Die Wahrheit, die dir noch niemand über Freundschaften zwischen Erwachsenen gesagt hat
12 Warum manche Freundschaften einfach im Sande verlaufen
13 Wie du die besten Freundschaften deines Lebens schließen kannst
Andere dazu motivieren, sich zu ändern
14 Menschen ändern sich nur, wenn ihnen danach ist
15 Setze die Kraft deines Einflusses frei
Jemandem helfen, der zu kämpfen hat
16 Je mehr du versuchst, jemanden zu retten, desto schneller sinkt er
17 Richtig unterstützen
Die Liebe wählen, die du verdienst
18 Lass sie dir zeigen, wer sie sind
19 Deine Beziehung auf die nächste Stufe heben
20 Jedes Ende ist ein wunderbarer Neuanfang
Fazit: Deine Lass-mich-Ära ist gekommen
Anhang
Lass sie für Eltern
Lass sie für Teamleiter
Dank: Lass mich dich anerkennen
Literaturverzeichnis
Wie du mit mir in Kontakt bleiben kannst
Einleitung
Meine Geschichte
Im Alter von 41 Jahren hatte ich über 800 000 Dollar Schulden, war arbeitslos und musste mit ansehen, wie die Geschäftsidee meines Mannes, ein Restaurant zu eröffnen, langsam, aber sicher scheiterte. Es schien, als hätten wir im Leben versagt, ohne Hoffnung darauf, unserer erdrückenden Schuldenlast jemals zu entkommen.
Meine Hauptstrategie im Umgang mit der allgegenwärtigen Angst und den bohrenden Selbstzweifeln wurde die Vermeidung. Vermeide aufzustehen, indem du die Schlummertaste drückst. Vermeide den Schmerz durch Alkohol. Vermeide die eigene Verantwortung, indem du deinem Mann die Schuld gibst. Vermeide die Suche nach einem Job, indem du alles aufschiebst, was nur geht.
Neidisch beobachtete ich, wie meinen Freunden ein beruflicher Erfolg nach dem anderen gelang, während wir uns abmühten, etwas zu essen auf den Tisch zu bekommen. Ich war gerade entlassen worden und unschlüssig, was ich mit meinem Leben anfangen sollte: Ich hatte mich bereits als Pflichtverteidigerin bei der Legal Aid Society in New York City versucht, als Anwältin in einer großen Kanzlei in Boston, als Mitarbeiterin einiger Start-ups, als Geschäftsentwicklerin in einer Marketingagentur, als Coach, als Gastgeberin einer Call-in-Radioshow, ja ich hatte sogar ein kleines Studio eröffnet, wo man Getöpfertes selber bemalen konnte. Ich war ratlos. Nichts von alledem, was ich tat, schien auszureichen, um uns aus dem Loch zu ziehen, in dem wir steckten.
Wenn du dich schon einmal in so einer Situation befunden hast, weißt du, wie gewaltig selbst die einfachsten Aufgaben erscheinen: morgens aus dem Bett aufzustehen, die Briefe mit Rechnungen zu öffnen, ganz für die Familie da zu sein, ein leckeres Essen auf den Tisch zu zaubern, sich auf Jobs zu bewerben, spazieren zu gehen, endlich das Abonnement zu kündigen – oder sei es auch nur, ehrlich zuzugeben, wie mies es einem gerade geht …
Ich fühlte mich komplett überfordert. Jeden Morgen, wenn ich aufwachte, strömte die Angst durch meine Adern, und ich dachte: Bleibt das wirklich so für den Rest meines Lebens?
Doch das Komische daran war, dass ich eigentlich genau wusste, was ich in diesem Schlamassel tun musste: aufstehen, den gefürchteten Stapel Rechnungen abarbeiten, die Kinder für die Schule fertig machen, mich zum Spazierengehen zwingen, meine Freunde um Unterstützung bitten, mich um die Finanzen kümmern, einen Job finden. Und doch konnte ich mich zu nichts davon aufraffen.
Wie ich mein Leben änderte
Ich werde nie den Morgen vergessen, an dem sich alles änderte. Der Wecker klingelte, und ich lag im Bett, völlig erschlagen von unseren Problemen. Es ging mir wie so vielen in einer ähnlichen Situation, ich war von meinen eigenen Gedanken wie gelähmt, und das Allerletzte, was ich tun wollte, war aufzustehen und in den neuen Tag zu starten.
Doch dann geschah etwas Seltsames. Ein Gedanke tauchte in meinem Kopf auf, der letztlich mein Leben verändern sollte, ganz simpel, fast schon albern. Ich erinnerte mich daran, wie ich einen Raketenstart beobachtet hatte, wie die NASA beim Countdown bis zum Start herunterzählte: 5 – 4 – 3 – 2 – 1. Ich dachte: Wie wäre es, wenn ich auch einfach rückwärts zähle und selbst wie eine Rakete aus dem Bett starte?
Es erschien mir lächerlich, aber in meiner Verzweiflung versuchte ich es. Also zählte ich: 5 – 4 – 3 – 2 – 1 – und stand auf. Einfach so. Ich dachte nicht darüber nach, wie müde ich war oder wie sehr ich meinen Problemen aus dem Weg gehen wollte. Ich habe mich einfach bewegt, bevor mein Gehirn die Chance hatte, mir das auszureden. Es ist wie beim Start einer Rakete: Sobald man mit dem Countdown beginnt, 5 – 4 – 3 – 2 – 1, gibt es kein Zurück mehr.
Zu diesem Zeitpunkt war ich so sehr daran gewöhnt, dass meine Gedanken mich lähmten und Angst und Stress mich auffraßen, dass mich der Erfolg dieser Idee völlig überraschte. Ich weiß noch, was für eine Offenbarung es war, als ich mir dachte: Hallo? Ich kann mich schrecklich fühlen und schaffe es trotzdem, das zu tun, was ich tun muss? Ja, Mel, das kannst du. Es hat tatsächlich funktioniert.
In diesen fünf Sekunden hatte ich den Kreislauf des endlosen Grübelns unterbrochen. Es fühlte sich an wie ein kleiner Sieg, ja es war in einem gewissen Sinn wie eine Offenbarung: Wenn ich diese fünf Sekunden der Angst überwinden kann, vielleicht schaffe ich es dann auch, alles andere zu überwinden.
Deswegen fing ich an, immer dann rückwärts zu zählen, 5 – 4 – 3 – 2 – 1, wenn ich etwas tun musste … aber ich mich nicht dazu aufraffen konnte.
5 – 4 – 3 – 2 – 1 Steh auf, wenn der Wecker klingelt.
5 – 4 – 3 – 2 – 1 Greif zum Telefon und kümmere dich um eine neue Stelle.
5 – 4 – 3 – 2 – 1 Mach die Rechnungen auf, die sich seit Monaten stapeln.
Ich begann, diese Rückwärtszähl-Technik die »5-Sekunden-Regel« zu nennen. Es ist ganz einfach: In dem Moment, in dem einem etwas einfällt, was man tun sollte, muss man innerhalb von fünf Sekunden damit anfangen, sonst redet einem das Gehirn den Impuls wieder aus. Beginne einfach rückwärts zu zählen, 5 – 4 – 3 – 2 – 1, und bewege dich. Handle, bevor du anfängst zu zögern.
Diese Technik funktioniert aus einem ganz einfachen Grund: Das Rückwärtszählen erfordert eine gewisse Konzentration, dadurch kommt man aus dem Autopilot-Modus heraus, und das reicht tatsächlich schon als Motivationsschub, um loszulegen. So gelingt es, Ängste, Zweifel oder das ewige Verschieben zu überwinden. Jedes Mal, wenn man 5 – 4 – 3 – 2 – 1 zählt, ist es so, als würde man den ersten Dominostein in einer Reihe zum Kippen bringen. Eine gewisse Eigendynamik setzt ein, man denkt nicht mehr darüber nach, was man tun muss, sondern tut es bereits. Und das Beste daran? Ist man erst einmal in Bewegung, gelingt es viel leichter weiterzumachen.
Mit einem 5-Sekunden-Schritt nach dem anderen zwang ich mich, gleichsam einen Fuß vor den anderen zu setzen und langsam in mein Leben zurückzukehren. Ich möchte dir nichts vormachen. Das war nicht leicht. Die nächsten Jahre gehörten zu den schwersten in meinem Leben.
Es ist nicht einfach, sich mühsam aus Schulden herauszuarbeiten oder sich den schmerzhaften Problemen in seiner Ehe zu stellen. Es ist nicht leicht, an den eigenen Ängsten zu arbeiten oder die Selbstzweifel zu überwinden. Es kostet ganz schön viel Anstrengung, endlich seinen Lebenslauf zu aktualisieren und einen Job zu suchen, wenn man den eigenen Selbstwert in Frage stellt. Es ist mühsam, sich zu zwingen, körperlich wieder fit zu werden und sich gesündere Lebensgewohnheiten anzueignen, nachdem man sich gehen lassen hat.
Und es ist alles andere als glamourös, den ganzen Tag zu arbeiten, dann nach Hause zu kommen, sich um drei Kinder zu kümmern, ein paar Minuten mit seinem Mann zu verbringen und dann jede Nacht lange aufzubleiben, um herauszufinden, wie man noch zusätzlich Geld verdienen kann.
Doch genau das habe ich getan.
Die 5-Sekunden-Regel lehrte mich, dass Handeln die einzig richtige Antwort ist. Wer nur über seine Probleme grübelt, wird sie nie lösen. Du wirst deine Probleme nie anpacken, wenn du wartest, bis du Lust darauf hast. Diese Regel lehrte mich auch, dass niemand kommt, um mich zu retten. Du musst dich vor dir selbst retten. Du musst dich zwingen, kleine Schritte nach vorn zu machen, den ganzen Tag, jeden Tag, und vor allem auch dann, wenn du gerade keine Lust dazu hast.
Mit 5 – 4 – 3 – 2 – 1 habe ich die Ausreden, die Angst und dieses Gefühl der Überforderung überwunden. Schritt für Schritt, Tag für Tag, Woche für Woche gelang es mir, mein Leben und meine Karriere wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Auch mein Mann benutzte diese Technik. Er zwang sich, sich den Problemen in seinem Unternehmen zu stellen, und es funktionierte auch bei ihm. Allerdings dauerte es noch drei lange Jahre, bis ich jemand anderem von der 5-Sekunden-Regel erzählte. Ich hatte gezögert, sie mit anderen zu teilen, weil ich erstens nicht wusste, warum sie funktionierte, und zweitens sah ich mich nicht wirklich in einer Position, anderen Ratschläge zu erteilen.
Doch das änderte sich an einem schicksalhaften Tag, als eine frühere Mitbewohnerin mich als die »perfekte Person« empfahl, um auf einer kleinen Konferenz Tipps zum Thema Berufswechsel zu geben. Wahrscheinlich dachte sie an mich, weil ich schon so oft meinen Job gewechselt hatte. So oft, dass sogar ich den Überblick darüber verloren hatte. Die Veranstalter luden mich und meinen Mann nach San Francisco ein, inklusive Flug und Übernachtung im Hotel. Wenn man finanzielle Probleme hat, klingt das sehr verlockend und nach einem kostenlosen Urlaub, deshalb sagte ich zu. Es war das erste Mal, dass ich bei einer Veranstaltung eine Rede auf einer Bühne hielt. In der Highschool hatten wir gelernt, wie man ein Referat hält, aber das war alles. So breitete sich in mir zunehmend Panik aus, als ich das Flugzeug bestieg: Ach du meine Güte, worauf hatte ich mich da bloß eingelassen?
Als ich die Bühne betrat und mich 700 Leuten im Publikum gegenübersah, die mich anstarrten, fühlte sich mein Gehirn auf einen Schlag wie leergepustet an, und ich spürte, wie mein Dekolleté und mein Hals sich röteten.
Dann bekam ich auf der Bühne eine 21-minütige Panikattacke. Nach etwa 19 Minuten wusste ich nicht mehr, wie ich meinen Vortrag über berufliche Veränderungen beenden wollte, deswegen platzte ich mit der 5-Sekunden-Regel und wie man sie anwendet heraus, weil mir nichts anderes einfiel. Ich muss wohl einen Blackout gehabt haben, denn ich erinnere mich auch nicht mehr an den Teil, wie ich vor versammeltem Publikum meine E-Mail-Adresse nannte. Als ich von der Bühne ging, dachte ich mir: Das war das schlimmste Erlebnis meines Lebens! Gott sei Dank ist es vorbei.
Es stellte sich heraus, dass diese »kleine« Veranstaltung eine der ersten TEDx-Konferenzen überhaupt gewesen war. Sie war gefilmt worden, und ein Jahr später wurde das Video online gestellt. Es ging nicht nur viral, sondern wurde auch zu einem der meistgesehenen TEDx-Vorträge aller Zeiten. Die 5-Sekunden-Regel und ihr 5 – 4 – 3 – 2 – 1-Countdown verbreiteten sich durch eine Art Mundpropaganda auf der ganzen Welt. Immer mehr Menschen schrieben mir an meine E-Mail-Adresse und erzählten mir, wie diese Regel ihr Leben verändert hat. Ihre Geschichten bewegten mich so sehr, dass ich oft bis spät in die Nacht aufblieb, nachdem ich unsere drei Kinder ins Bett gebracht hatte, und eine E-Mail nach der anderen beantwortete.
In der Zeit, in der ich von all meinen Problemen überwältigt war, hatte ich oft das Gefühl, ich sei die Einzige, der es schwerfiel, notwendige Projekte anzupacken. Doch das stimmt nicht. Wir alle kämpfen mit der Motivation. Es ist ein universelles Problem, und die 5-Sekunden-Regel scheint eine Lösung zu sein, die nicht nur bei mir, sondern bei Menschen auf der ganzen Welt funktioniert.
Die Geschichten waren erstaunlich: Die Zuschauer hatten 5 – 4 – 3 – 2 – 1 genutzt, um Ängste, Prokrastination und fadenscheinige Ausreden zu überwinden, die sie daran hinderten, den Job zu wechseln. Einigen half es, 50 Kilo abzunehmen, ihr Alkoholproblem in den Griff zu bekommen, ein Unternehmen zu gründen oder zu verkaufen, ihre Gesundheit und ihre Ehe zu verbessern. Die Bandbreite der medizinischen und klinischen Anwendungen war umwerfend: Ärzte und Psychologen setzten die 5-Sekunden-Regel ein, um Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS), Zwangsstörungen und Depressionen zu behandeln. Während ich die Einleitung zu diesem Buch schreibe, erreichen uns Berichte von sage und schreibe über tausend Menschen, welche die 5-Sekunden-Regel benutzt haben, um sich selbst von einem Selbstmordversuch abzuhalten und um sich Hilfe zu suchen.
Als dieser TEDx-Vortrag im Internet immer populärer wurde, wurde ich eingeladen, bei anderen kleineren Veranstaltungen zu sprechen. Ich erinnere mich, dass ich gebeten wurde, in einer Bar vor einer Gruppe von Immobilienmaklern zu reden. Es war mir peinlich, dort mit einem Bierglas in der Hand zu stehen und zu versuchen, die Musik und die Leute zu übertönen, die im Nebenraum quatschten. Aber ich habe es überlebt. Ich habe in Kellerräumen von Kirchen gesprochen, im Klassenzimmer einer Highschool, dann beim Lunch am Arbeitsplatz eines Freundes, und von da an wurde ich immer häufiger angefragt.
Ich bekam einen Ausschlag, sobald ich das Mikrofon in der Hand hielt, und wurde nicht einmal dafür bezahlt. Je öfter ich über die 5-Sekunden-Regel sprach und beobachtete, wie gut sie funktionierte, desto mehr war ich davon besessen zu verstehen, warum ein so simpler Hack zu solch positiven Ergebnissen führen konnte.
Deswegen besann ich mich auf meine Fähigkeiten als Juristin und begann, zum Thema Gewohnheiten, menschliches Verhalten und zur Psychologie der Motivation zu recherchieren. Ich hatte quasi einen Fall zu bearbeiten: Warum funktioniert das Herunterzählen von 5 – 4 – 3 – 2 – 1? Ich sammelte Beweise aus den Erfahrungen ganz normaler Menschen, die das Rückwärtszählen angewendet hatten. Ich fand überzeugende Fallbeispiele in den Berichten von Therapeuten, Suchtmedizinern und Ärzten, die ihren Patienten die 5-Sekunden-Regel empfohlen hatten, und alle Beweise deuteten auf eine einfache Erklärung hin:
Kleine, konsequente Maßnahmen verändern alles
In jener Zeit hatten meine Freunde und meine erweiterte Familie keine Ahnung, mit was ich mich beschäftigte, weil ich zu viel Angst hatte, darüber zu sprechen. Mel? Sie gibt Ratschläge? Ich glaub’s ja nicht. Sie hat doch beinahe ihr eigenes Leben ruiniert.
Zu diesem Zeitpunkt hatte mein Mann sein Restaurant aufgegeben und kämpfte mit Depressionen. Wir waren immer noch hoch verschuldet, deswegen arbeitete ich in einem Vollzeitjob, um unsere fünfköpfige Familie finanziell irgendwie über Wasser zu halten, während ich an den Wochenenden damit beschäftigt war, bei kleineren Veranstaltungen zu sprechen. Nachts arbeitete ich an einer Publikation zum Thema Motivation.
Ich wusste, dass ich die 5-Sekunden-Regel den Menschen vermitteln und dies irgendwie zu meinem Beruf machen wollte, doch ich wusste nicht, wie. Rückblickend wird mir klar, wie sehr mich das Impostersyndrom gelähmt hat: Welches Recht hatte ich, mich als Expertin für irgendetwas zu bezeichnen? Wahrscheinlich habe ich auf eine Art Erlaubnis gewartet, mich endlich zu trauen, an die Öffentlichkeit zu gehen.
Vielleicht geht dir das auch gerade so? Du wartest auf den richtigen Moment. Du wartest darauf, dass deine Angst ein wenig nachlässt. Du wartest darauf, dass jemand kommt und dir sagt, dass heute der Tag ist, an dem du anfangen solltest. Das Problem beim Warten ist nur, dass leider niemand kommen wird. Der Einzige, der dir die Erlaubnis geben muss, bist du selbst.
Ernsthaft zu versuchen, als Motivationsrednerin Geld zu verdienen, war eine der besten Entscheidungen in meinem Leben. Mehr darüber, wie es zu diesem Durchbruch kam, werde ich auf den folgenden Seiten dieses Buches erzählen.
Als ich endlich mit meinen Vorträgen Geld verdiente, verwendete ich jeden Dollar, um unsere Schulden Schritt für Schritt zurückzuzahlen. Im ersten Jahr hielt ich 17 bezahlte Reden. Im nächsten Jahr waren es 47. So konnte ich meine Festanstellung aufgeben, völlig überrascht von dem, was da gerade in meinem Leben passierte. Im dritten Jahr waren es 99 Vorträge und eine 24-Städte-Tournee mit JPMorganChase. Ich war die meistgebuchte Rednerin der Welt geworden und wurde von Unternehmen engagiert, die ich bewunderte.
Wie war das geschehen? Ganz einfach, indem ich mich morgens aus dem Bett zwang, auch dann, wenn ich keine Lust dazu hatte. Sich selbst zum Handeln zu bewegen, auch dann, wenn man Angst hat, voller Selbstzweifel ist oder eine Ausrede nach der anderen bemüht, ist eine Fähigkeit, die man erlernen kann. Wenn man sie erst einmal beherrscht, wird einem klar, wie man durch kleine, konsequente Schritte alles erreichen kann.
Ich war 150 Tage im Jahr unterwegs, stand auf der Bühne und lehrte die 5-Sekunden-Regel, sprach über die Psychologie der Motivation, während mein Mann sich zu Hause um unsere drei Kinder kümmerte. Die Regel und meine Fähigkeiten als Rednerin sprachen sich immer mehr herum. Bei einer Veranstaltung hatte ich 27 000 Zuhörer. CEOs weltweit führender Marken, Profisportler, Ärzte, Neurowissenschaftler und Bestsellerautoren empfahlen meine Arbeit weiter. Ich veröffentlichte einen Newsletter, weil ich keine Zeit mehr hatte, persönlich auf all die E-Mails zu antworten. Schließlich schrieb ich an das TEDx-Team und bat darum, meine E-Mail-Adresse aus dem Online-Video zu entfernen.
Wenn mich Leute fragten, ob ich einen Doktortitel habe oder Therapeutin sei, antwortete ich: »Nein, ich habe mir das alles auf die harte Tour angeeignet – indem ich mein eigenes Leben vermasselt habe und es dann wieder in Ordnung bringen musste.«
Nach jahrelanger eigener Erfahrung und intensiver Recherche zu Belegen und Fallbeispielen war ich endlich so weit, ein Buch über meine Erkenntnisse zu schreiben. 2017 veröffentlichte ich im Selbstverlag Die 5-Sekunden-Regel.
Die 5-Sekunden-Regel wurde zum erfolgreichsten selbstveröffentlichten Hörbuch der Geschichte und zum sechstmeistgelesenen Buch des Jahres bei Amazon. Dieses Buch ist inzwischen von Millionen von Menschen gelesen und in 41 Sprachen übersetzt worden.
Im Laufe der Jahre, in denen ich durchs ganze Land reiste und auf Bühnen sprach, habe ich drei wichtige Dinge gelernt. Erstens: Die allermeisten Menschen versuchen im Leben einfach, ihr Bestes zu geben, finanziell über die Runden zu kommen, eine Familie zu gründen, sich zu verlieben, mehr Spaß zu haben und das Potenzial des Lebens auszuschöpfen. Wir suchen nach einfachen Möglichkeiten, um ein wenig glücklicher zu sein und unser Leben ein wenig besser zu gestalten, nicht nur für uns selbst, sondern auch für unsere Mitmenschen.
Zweitens wurde mir immer wieder gesagt, dass ich die erstaunliche Fähigkeit besitze, komplexe Ideen und wissenschaftliche Forschung in einfache, umsetzbare Ratschläge zu komprimieren, die jeder nutzen kann, um sein Leben zu verbessern.
Und drittens macht mir nichts mehr Freude, als meine Erkenntnisse mit Menschen wie dir zu teilen.
Deshalb habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, viele einfache Hilfsmittel zu entdecken und weiterzugeben, die allen dabei helfen sollen, ein besseres Leben zu führen. Diese »Einfachheit« ist der Schlüssel zum Erfolg, denn wenn man sich leicht an etwas erinnert, wendet man es auch an. Wusstest du zum Beispiel: Wenn man vor dem Spiegel mit sich selbst High five macht, ist das eine der schnellsten Methoden, um sein Selbstvertrauen zu stärken? Ich auch nicht. Als ich davon erfuhr, habe ich mich intensiv damit befasst, und es wurde das Thema meines New-York-Times-Bestsellers The High 5 Habit, auf Deutsch Die einfachste Gewohnheit der Welt.
Je erfolgreicher die Leute die 5-Sekunden-Regel und die High-5-Habit anwendeten, desto mehr Organisationen, Medienunternehmen und bekannte Marken baten mich, Programme für ihre Mitarbeiter, ihre Kunden oder für ihr Publikum zu entwickeln.
Im Jahr 2019 gründete ich 143 Studios und ein in Boston ansässiges Medienunternehmen, das preisgekrönte Veranstaltungen, Audio-Serien, Online-Kurse, Zeitschriften, Bücher und Weiterbildungsangebote für Kunden wie Starbucks, Audible, Ulta Beauty, JPMorganChase, LinkedIn und Headspace produziert.
2022 ging der Mel-Robbins-Podcast an den Start, der inzwischen in 194 Ländern ausgestrahlt wird und zu den bestplatzierten Podcasts der Welt gehört. Wir haben kostenlose Online-Kurse entwickelt, mit mehr als einer Million Teilnehmenden. Der kleine Newsletter, den ich vor langer Zeit begonnen habe, wird heute zweimal wöchentlich von eineinhalb Millionen Menschen gelesen. Mehr über mein Medienunternehmen, den Podcast, meinen Newsletter und unsere Kurse erfährst du unter www.melrobbins.com.
Für alles, was ich erreicht habe, hatte ich vorher weder einschlägige Erfahrungen noch die »nötigen« Qualifikationen. Ich habe es einfach gemacht.
Ich war 41, als ich völlig am Boden war und die 5-Sekunden-Regel erfand, die mir half, morgens aufzustehen. Ich war 44, als ich die Panikattacke auf der TEDx-Bühne hatte. Ich war 46, als ich mein erstes Honorar als Rednerin bekam. Ich war 49, als ich mein erstes Buch im Selbstverlag veröffentlichte, Die 5-Sekunden-Regel. Ich war 50, als ich mein Medienunternehmen gründete. Und ich war 54, als ich den Mel-Robbins-Podcast begann, einen der beliebtesten und am schnellsten wachsenden Podcasts der Welt.
Mein Leben hat sich nicht wegen einer einzelnen Sache verändert, die ich getan habe. Es hat sich wegen der Tausenden von Morgen verändert, an denen ich aufgewacht bin, keine Lust hatte, aufzustehen, aber mich dann mit 5 – 4 – 3 – 2 – 1 dazu gezwungen habe, es doch zu tun.
Mein Leben zu ändern, war alles andere als glamourös, es war mühsam!
Ich verdanke meinen Erfolg oder meine finanzielle Unabhängigkeit nicht irgendeinem Geheimrezept. Ich habe es geschafft, weil ich das getan habe, was den meisten schwerfällt: Ich bin jeden Tag aufgestanden, egal wie ich mich fühlte, und habe mich über ein Jahrzehnt lang mit viel Disziplin und Kraftanstrengung schrecklich langsam an meine Ziele herangearbeitet.
An manchen Tagen habe ich mich nur darauf konzentriert, ein bisschen besser zu sein als am Tag zuvor. Oft reicht das schon. Ich bin nicht ungewöhnlich oder anders als andere oder besonders begabt, und ich hatte auch nicht besonders viel Glück. Nein, ich habe einfach Werkzeuge ausfindig gemacht, die bei mir funktionieren, und die habe ich benutzt. Heute bestehen meine gesamte Karriere und meine Lebensaufgabe darin, diese Werkzeuge mit dir zu teilen.
Ich sage das alles nicht, um zu prahlen. Meine Absicht ist lediglich, anderen zu zeigen, dass sie sich völlig unterschätzen. Mir war das auch nicht klar. Durch beherztes Handeln habe ich einige außergewöhnliche Dinge erreicht, und das kannst du auch.
Es wird dir gelingen, dein Leben zu ändern. Irgendwann kommt der Tag, an dem man die eigenen Ausreden satthat und den inneren Schweinehund überwindet. Man hat vielleicht nie besonders große Lust, ins Fitnessstudio zu gehen. Doch es kommt der Tag, an dem man sich einfach dazu zwingt. Wahrscheinlich hat man nie Lust, dieses eine bestimmte, unangenehme Gespräch zu führen. Aber irgendwann bist du es leid, davor wegzulaufen, und zwingst dich dazu. Du wirst wahrscheinlich nie große Lust darauf haben, dich nach einem besseren Job umzusehen. Aber irgendwann zwingst du dich einfach, mit der Suche zu beginnen.
Die 5-Sekunden-Regel wird dir helfen, die eigenen inneren Blockaden zu überwinden und Dinge anzupacken, auch wenn du keine Lust dazu hast. Du wirst überrascht sein, was du im Laufe der Zeit damit alles erreichen kannst.
Die 5-Sekunden-Regel funktioniert, weil sie einem hilft, den inneren Schweinehund zu überwinden. Eines kann sie allerdings nicht leisten: Sie kann die Herausforderungen des Alltags nicht beseitigen, mit denen wir jeden Tag konfrontiert sind. Egal wie oft man 5 – 4 – 3 – 2 – 1 zählt, es wird den lästigen Verkehrsstau oder rücksichtslose Mitmenschen, einen mikromanagenden Chef oder die Vorwürfe von Seiten der Familie nicht wegwischen, genauso wenig wie endlose Selbstverurteilungen, Schuldzuweisungen, passive Negativkommentare und Forderungen. Und auch da bin ich mir sicher: Je häufiger man zu sich selbst 5 – 4 – 3 – 2 – 1 sagt und sich zu Veränderungen pusht, desto mehr wünscht man sich, dass auch andere Menschen sich ändern.
Das bringt uns zurück zum Anliegen dieses Buches.
In den letzten zehn Jahren habe ich mich sehr darauf konzentriert, einfache Techniken zu entdecken, weiterzuentwickeln, zu unterrichten und mit anderen zu teilen, wie wir uns selbst optimieren können. Doch in all dieser Zeit hatte ich mich nie mit dem Faktor Nummer eins beschäftigt, der (laut Forschung) darüber entscheidet, ob wir ein gesundes und glückliches Leben führen: unsere Beziehungen. Hier kommt die Let-them-Theorie ins Spiel.
Vor zwei Jahren stolperte ich über die beiden Worte: Lass sie. Es war, als würde in meinem Leben ein Schalter umgelegt. Die 5-Sekunden-Regel hat meine Beziehung zu mir selbst grundlegend verändert. Und sie hat meine Beziehung zu anderen Menschen verändert.
Hier ist die Erklärung, warum das so ist.
Bei der 5-Sekunden-Regel geht es um SELBST-Optimierung. Sie hilft einem, an schwierigen Tagen SICHSELBST aus dem Bett zu werfen, ins Fitnessstudio zu gehen, sich hinzusetzen und mit dem Schreiben zu beginnen, den Berg von Rechnungen zu öffnen, das Risiko einzugehen, sich für einen Fortbildungskurs anzumelden, endlich einmal einen Blick auf seinen Kontoauszug zu werfen, die Wäsche der letzten zwei Wochen zu waschen oder den AI-Programmierkurs zu besuchen, den man dringend absolvieren sollte.
Jedes Mal, wenn du 5 – 4 – 3 – 2 – 1 zählst, pushst du DICHSELBST durch das Zögern, Aufschieben, Grübeln und Zweifeln hindurch. Du bringst DIRSELBST bei, wie du Dinge anpacken kannst, egal wie du dich fühlst. Deshalb funktioniert es.
Im Laufe der Jahre habe ich mich jedoch gefragt: Warum muss ich mich eigentlich ständig dazu zwingen, weiterzumachen? Warum habe ich so viel Angst, zu versagen? Warum macht es mich so nervös, ein Risiko einzugehen? Warum fällt es mir so schwer, um das zu bitten, was ich brauche? Was genau steht mir dabei im Weg?
Hast du jemals wirklich innegehalten und in Ruhe über diese Fragen nachgedacht? Warum zögere ich eigentlich? Warum verschiebe ich Dinge immer wieder? Warum bin ich häufig so erschöpft? Warum überdenke ich jede Entscheidung hundertmal? Was steckt hinter all meinen Zweifeln? Was hindert mich daran, die notwendigen Dinge zu tun oder mein Leben so zu leben, wie ich es möchte? Wovor habe ich Angst?
Ich war schockiert, als ich die Antwort für mich selbst entdeckte: Es waren andere Menschen. Oder besser gesagt, dass ich es zuließ, dass andere mich beeinflussten. Ich verschwendete viel zu viel Zeit und Energie darauf, mir Gedanken über andere zu machen: was sie tun, was sie sagen, was sie denken, was sie fühlen und was sie von mir erwarten. Doch wir können unsere Mitmenschen nicht kontrollieren, egal wie sehr wir uns auch bemühen, egal was wir tun. Das ist eine Tatsache. Und doch leben wir oft so, als ob wir es könnten.
Viele glauben, wenn man das Richtige sagt, mögen einen die anderen. Wenn man ständig zusätzliche Aufgaben übernimmt, bringt einem das die Anerkennung von seinem Chef oder seiner Chefin. Wenn man entgegenkommend ist, die Wünsche seiner Mutter erfüllt und nett im Umgang mit seinen Freunden ist, gelangt man zum Frieden mit sich selbst. Das stimmt leider nicht.
Dieses Buch wird dir zeigen, wie zwei einfache Worte – Lass sie – dich befreien können. Befreien von den Meinungen, Gefühlsergüssen und Urteilen anderer. Befreien von dem ermüdenden Teufelskreis, alles und jeden um einen herum managen zu wollen.
Es gibt eine bessere Art, sein Leben zu leben.
Die Let-them-Theorie hilft, Zeit und Energie zu sparen, um sich auf das wirklich Wichtige zu konzentrieren. Du hast schon viel zu viel Zeit damit verbracht, ständig nach Anerkennung zu streben, dich für das Glück anderer verantwortlich zu fühlen oder dich von deren Meinung bremsen zu lassen. Jetzt gilt es zu lernen, wie du aufhörst, deine Macht zu verschenken, und wie du dein Leben so gestalten kannst, dass du selbst an erster Stelle stehst – mit all deinen Träumen, Zielen und deinem eigenen Glück. Und das Beste daran? Die Let-them-Theorie verändert nicht nur dein eigenes Leben zum Besseren – sie verändert auch das Leben aller anderen in deiner Umgebung.
Wie du von diesem Buch profitieren kannst
In diesem Buch geht es um die Let-them-Theorie: was das ist, warum sie funktioniert und wie es gelingt, sie in acht Schlüsselbereichen des Lebens anzuwenden, in denen man vergeblich versucht hat, Dinge zu kontrollieren, die man einfach nicht kontrollieren kann. Das Buch ist vollgepackt mit Forschungsergebnissen, Beweisen und Geschichten darüber, wie die Let-them-Theorie angewendet werden kann. Du wirst erfahren, dass dieser Ansatz in der Philosophie der Antike, im Stoizismus, in den Lehren der großen Weltreligionen, in spirituellen Praktiken und auch in der Psychotherapie angewendet wird.
Obwohl vieles auf wissenschaftlicher Forschung basiert, ist dies weder ein Lehrbuch noch eine wissenschaftliche Abhandlung. Dieses Buch soll ein praktischer Leitfaden für die Anwendung der Let-them-Theorie und ihrer Prinzipien in den wichtigsten Lebens-bereichen sein. Deshalb ist es leicht verständlich geschrieben, es soll Spaß beim Lesen machen und ist mit zahlreichen nachvollziehbaren Geschichten und konkreten Erkenntnissen angereichert. Außerdem findet sich am Ende jedes Abschnitts eine Zusammenfassung, damit man die wichtigsten Erkenntnisse sofort zur Hand hat und das Gelernte unmittelbar anwenden kann.
Ich kann es kaum erwarten, dass du dieses Buch liest und umsetzt, was du gelernt hast. Du wirst schnell erkennen, wie sehr du bisher dein Glück an das Verhalten, die Meinungen und die Gefühle anderer geknüpft hast. Du hast unbewusst deine Fähigkeit sabotiert, glücklicher und gesünder zu sein und zu bekommen, was du möchtest.
Damit ist nach diesem Buch Schluss.
Wenn du dir fest vornimmst, dass du mit mir durch dieses Buch gehst, es liest und sofort damit beginnst, das Gelernte umzusetzen, garantiere ich: Dein Leben wird ein bisschen leichter, und deine Beziehungen werden so viel befriedigender.
Dies wird eine der befreiendsten und schönsten Erkenntnisse sein, die du jemals erlangt hast. Das alles beginnt mit zwei einfachen Worten: Lass sie.
DIE LET-THEM-THEORIE
• Lass sie + Lass mich
1
Höre auf, dein Leben mit Dingen zu verschwenden, die du nicht kontrollieren kannst
Wenn es dir schwerfällt, dein Leben zu ändern, deine Ziele zu erreichen oder glücklicher zu werden, möchte ich, dass du den folgenden Satz genau liest: Das Problem bist nicht du; das Problem ist die Macht, die du unbewusst an andere abgibst.
Das passiert uns allen, oft ohne dass wir es überhaupt merken. Viele machen den Fehler, zu denken, wenn man das Richtige sagt, werden schon alle zufrieden sein. Wenn man sich ganz besonders anstrengt, wird der Partner vielleicht nicht enttäuscht sein. Wenn man nett genug ist, mögen einen vielleicht seine Kollegen etwas mehr. Wenn man den Frieden bewahrt, wird die Familie vielleicht aufhören, die eigenen Entscheidungen zu kritisieren. Ich weiß das, weil ich es selbst erlebt habe. Ich habe jahrelang versucht, es allen recht zu machen, und dachte, wenn ich nur genug tue, das Richtige sage und alle zufriedenstelle, werde ich endlich glücklich.
Doch was passiert stattdessen? Du arbeitest mehr, strengst dich noch mehr an, nimmst dich zurück, und trotzdem ist immer jemand enttäuscht. Irgendjemand kritisiert dich nach wie vor. Trotz aller Anstrengung hat man das Gefühl, dass es nie genug ist, egal wie sehr man sich bemüht.
Das muss nicht so sein. Dieses Buch soll dir helfen, deine Macht zurückzuerobern. Damit du deine Zeit, deine Energie und dein Glück nicht länger vergeudest und nicht mehr versuchst, Dinge zu kontrollieren, die du nicht kontrollieren kannst – wie die Meinung, die Stimmung oder die Reaktionen anderer –, und dich stattdessen auf das konzentrierst, was du kontrollieren kannst: dich selbst.
Und das Bemerkenswerte daran: Wenn du aufhörst, alle anderen zu managen, wirst du feststellen, dass du viel mehr Macht hast, als du denkst – du hast sie nur verschenkt, ohne es zu wissen.
Ich möchte dir die einfachste und lebensveränderndste Idee vorstellen, die ich je entdeckt habe: die Let-them-Theorie.
Was ist die Let-them-Theorie?
Bei der Let-them-Theorie geht es um innere Freiheit. Zwei einfache Worte – Lass sie – befreien dich von der Last, andere managen zu müssen. Wenn du aufhörst, dir darüber Gedanken zu machen, was andere denken, sagen oder tun, hast du endlich die Energie, dich auf dein eigenes Leben zu konzentrieren. Du hörst auf, nur zu reagieren, und beginnst zu leben.
Anstatt dich mit dem Versuch verrückt zu machen, andere anzuleiten oder ihnen zu gefallen, kannst du lernen, sie einfach gewähren zu lassen.
Und wie sieht das Ganze aus? Stell dir einmal vor, du bist bei der Arbeit und deine Kollegin hat schlechte Laune. Anstatt dich davon beeinflussen zu lassen, sagst du einfach: Lass sie. Lass sie mürrisch sein. Das ist nicht dein Problem. Konzentriere dich auf deine Arbeit und darauf, wie du dich fühlst.
Oder vielleicht macht dein Vater wieder einmal eine Bemerkung über deine Lebensentscheidungen, und es trifft dich wie ein Schlag in den Magen. Anstatt dir den Tag verderben zu lassen, sag einfach: Lass ihn. Lass ihn seine Meinung haben. Es ändert nichts daran, wer du bist oder was du erreicht hast, oder an deinem Recht, Entscheidungen zu treffen, die dich glücklich machen.
Andere haben in Wahrheit nicht wirklich Macht über einen – es sei denn, man gibt sie ihnen.
Ich sage dir, warum das funktioniert: Wenn du nicht mehr versuchst, Dinge zu kontrollieren, die du nicht kontrollieren kannst, verschwendest du keine Energie mehr darauf. Du gewinnst Zeit, schützt deinen Seelenfrieden und kannst dich wieder auf wichtige Dinge konzentrieren. Dir wird klar, dass dein Glück von deinen Handlungen abhängt und nicht vom Verhalten, der Meinung oder der Stimmung anderer.
Das klingt simpel, und das ist es auch. Aber ich verspreche dir, diese eine Veränderung wird ebenso alles andere verändern. Und auch wenn es Lass sie heißt – in diesem Buch geht es um DICH, deine Zeit und deine Energie, denn das sind deine wertvollsten Ressourcen.
Die Let-them-Theorie lehrt, dass das eigene Leben umso zufriedenstellender wird, je mehr man andere einfach ihr Ding machen lässt. Je besser es uns gelingt, unsere Mitmenschen so sein zu lassen, wie sie sind, oder sie fühlen zu lassen, was sie fühlen, oder denken zu lassen, was sie denken, desto beglückender werden unsere Beziehungen.
Zu lernen, andere Erwachsene einfach so sein zu lassen, wie sie sind, hat mein Leben verändert. Es wird auch deines verändern. Wenn du endlich aufhörst, deine Macht an andere abzugeben, wirst du erkennen, wie viel Macht du selber hast.
Aber vielleicht ist das Überraschendste an der Let-them-Theorie, wie ich sie entdeckt habe.
Es ist mir fast peinlich, das zu erzählen.
Was meine komplette Einstellung zum Leben auf den Kopf stellte, entdeckte ich bei einem Schulball. (Ein Satz, von dem ich nie gedacht hätte, dass ich ihn einmal schreiben würde.)
Der Schulball, der mein Leben veränderte
Ich weiß wirklich nicht, was es mit Schulbällen auf sich hat, aber Halleluja, sie sind verflixt anstrengend. Vier hatte ich schon mit unseren beiden Töchtern durchgemacht, deswegen dachte ich, der von unserem Sohn Oakley würde ein Kinderspiel sein. Doch ich hatte mich gründlich geirrt.
Unsere Töchter hatten sich monatelang über jedes Detail Gedanken gemacht: Kleider, Verabredungen, Anfragen von Tanzpartnern, Frisuren, Selbstbräunungssprays, Make-up, Blumenanstecker, die Fahrt zum Ball, Post-Prom-Partys, es nahm kein Ende, und ich war froh, als alles endlich vorüber war.
Unser Sohn hingegen war sich nicht sicher, ob er und seine Freunde überhaupt zum Ball gehen sollten. Trotz meiner Nachfragen erfuhren wir weder Details noch wurden wir in irgendwelche Pläne eingeweiht. (Jeder, der einen Sohn, einen Bruder oder einen Freund hat, wird jetzt wissend nicken.)
Und dann, wenige Tage vor dem Schulball, beschloss Oakley, dass er doch hingehen wollte. Alles wurde in letzter Minute erledigt – Smoking kaufen, die Sneakers, die er tragen wollte, die Logistik. Sogar die Entscheidung, mit wem er auf den Ball gehen wollte, worüber sich unsere Töchter monatelang den Kopf zerbrachen, wurde erst 48 Stunden vor dem großen Ereignis in Angriff genommen.
Als es dann endlich so weit war, hatten wir auf wundersame Weise den Smoking und die Schuhe, und wir hatten das Datum und den Ort für die Fotoaufnahmen vor dem Ball herausgefunden. Irgendwie hatte man uns auch überredet, die Party nach dem Schulball auszurichten. Uff!
Kurz bevor wir zur Tür hinauseilten, richtete mein Mann Chris noch ein letztes Mal Oaks Fliege. Unsere Tochter Kendall, die gerade vom College für ein paar Tage zu Hause war, schaute ihren Bruder an und sagte: »Du siehst SO Hammer aus, Oakley!«
Ich stand da und genoss den Moment. Was für ein hübscher junger Mann er war. Ich konnte nicht glauben, wie schnell 18 Jahre verflogen waren. Genauso wenig konnte ich glauben, dass Kendall fast mit dem College fertig war, unsere Tochter Sawyer bereits ihren Uniabschluss in der Tasche hatte und nun für ein großes Technologieunternehmen in Boston arbeitete.
Und wie ich so sinnierend in der Küche stand, ergriff mich diese Tatsache mit einem Schlag: Die Zeit verstrich, und ich wünschte mir, alles ginge etwas langsamer. Das ist die grausame Eigenschaft der Zeit. Sie tickert immer weiter, ob man nun versucht, sie aufzuhalten oder nicht. Die Zeit, die man mit geliebten Menschen verbringt, ist wie ein schmelzender Eiswürfel.
In der einen Minute ist er noch da … und plötzlich ist er weg.
Die traurige Tatsache: Du und ich, wir können das Schmelzen des Eiswürfels nicht aufhalten. Wir können nur versuchen, das Beste aus der Zeit mit unseren Liebsten zu machen, solange wir sie haben. Das ist das Einzige, was wir tun können. In Momenten wie diesen, wenn ich ganz bewusst kurz innehalte, ergreift mich immer eine gewisse Wehmut.
Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich habe das Gefühl, dass ich durchs Leben hetze und mir viel zu selten erlaube, es wirklich zu genießen. Wie oft störe ich mich fürchterlich an Kleinigkeiten, die eigentlich unwichtig sind, und ruiniere die kurzen intensiven Momente mit den Menschen, die mir viel bedeuten.
War es wirklich nötig, mich so sehr darüber aufzuregen, dass alles in letzter Minute passierte, und das an Oakley auszulassen? Nein.
Ich bin sicher, du kannst das nachvollziehen, auch wenn du gerade kein Kind hast, das auf einen Schulball geht. Vielleicht hast du dir durch die Kommentare deiner Familie einen gemeinsamen Urlaub ruinieren lassen, oder du warst so sehr mit der Arbeit oder der Uni beschäftigt, dass du deswegen wieder einmal eine Verabredung mit Freunden abgesagt hast. Man kann Jahre seines Lebens damit vergeuden, sich von bedeutungslosen Dingen oder wegen der endlosen Überstunden bei der Arbeit vom Wesentlichen ablenken zu lassen. So leicht lässt man sich vom Alltag stressen, dass man vergisst, das Leben auch zu genießen.
Als ich in der Küche stand und Chris dabei zusah, wie er Oakleys Fliege zurechtrückte, versuchte ich, diesen Moment ganz bewusst in mich aufzusaugen. Ich holte tief Luft, ging auf Oak zu und umarmte ihn. Ich sah ihn an und sagte: »Du siehst einfach toll aus.«
»Danke, Mama.« Dann sah er auf die Uhr und sagte: »Leute, wir müssen los!«
Und schwupp, war dieser magische Moment vorbei, und die Zeit tickerte weiter. Das Leben ist schon komisch. In der einen Minute weint man darüber, wie die Zeit vergeht und wie groß die Kinder geworden sind, und in der nächsten rennt man herum, um seine Schlüssel zu finden, und ärgert sich, dass jemand sein schmutziges Geschirr in der Spüle stehen gelassen hat, schon wieder!
Auf dem Weg nach draußen holte ich noch ein wunderschönes Anstecksträußchen aus dem Kühlschrank, das ich im Blumenladen für Oakleys Partnerin besorgt hatte. Er warf einen Blick darauf und sagte: »Mama, sie will keine Ansteckblumen. Nimm das BITTE nicht mit.«
Ich starrte ihn an. »Aber es ist doch so schön«, sagte ich. »Bist du sicher?«
»Ich habe dir doch gesagt, dass sie keins will.«
»Und wenn ich es einfach mal mitnehme? Wenn sie es tragen will, kann sie … und wenn nicht, muss sie ja nicht?«
Er schnauzte mich an: »Mama, bitte! Ich will echt nicht, dass du das mitnimmst.«
Ich sah hinüber zu unserer Tochter Kendall in der Hoffnung auf moralische Unterstützung. Doch sie schüttelte nur den Kopf und sagte: »Mama, lass es. Er ist nervös. Er kennt das Mädchen, das er gefragt hat, nicht wirklich. Bitte übertreib nicht.«
Zugegeben, ich war in dem Moment verärgert und vielleicht sogar ein wenig verletzt. Ich hatte einige Zeit damit verbracht, im Internet zu recherchieren, was momentan bei Bällen an Blumenschmuck in Mode war, und hatte seiner Tanzpartnerin etwas wirklich Hübsches bestellt. UND ich hatte mir die Zeit genommen, zum Blumenladen zu fahren, es abzuholen und zu bezahlen. Ich hatte ihm eine Freude machen wollen, und anstatt dankbar zu sein, meckerte er mich an. Außerdem war es sein erster Schulball – eigentlich hatte er doch gar keine Ahnung!
Deswegen steckte ich das Anstecksträußchen für alle Fälle in meine Handtasche, und wir machten uns auf den Weg zu dem Ort, an dem die Fotos vor dem Ball gemacht wurden. Dort angekommen, stellte uns Oakley seine Partnerin vor. Sie holte eine Boutonniere für sein Revers heraus und fragte meinen Mann Chris, ob er ihr helfen könne, es Oak anzustecken. Da konnte ich natürlich nicht anders.
Ich griff in meine Handtasche, holte das kleine Blumengesteck für sie heraus, als sei es ein Lottohauptgewinn und sagte zu ihr: »Oakley hat zwar gesagt, du möchtest nichts, aber ich habe das hier für dich anfertigen lassen, vielleicht gefällt es dir ja?«
Oakley warf mir einen vernichtenden Blick zu, und ich wünschte sofort, ich hätte meinen Mund gehalten. Er wandte sich entschuldigend an seine Tanzpartnerin. »Du musst es nicht tragen.«
Sie schaute mich an und erwiderte: »Ist schon okay … ich trag es.«
Erst da bemerkte ich, dass sie sich selbst ein kleines Sträußchen gebastelt hatte, das sie am Handgelenk trug. Kendall verdrehte die Augen. Chris drehte sich weg. Oh, hätte ich doch in diesem Moment im Boden versinken können!
Oakley schnappte sich das Teil von mir und schob das kleine Gesteck auf das freie Handgelenk, das sie ihm großzügigerweise hinstreckte.
Dann steckte Chris die Knopflochblume an Oakleys Smoking. Wir machten ein paar Fotos, und plötzlich begann es zu regnen. Genauer gesagt … es schüttete! In der Wettervorhersage war nichts von Regen angekündigt gewesen, deswegen hatte keiner der 20 schwarz gekleideten Jugendlichen oder deren Eltern eine Regenjacke, geschweige denn einen Regenschirm dabei.
Die werden alle klatschnass, dachte ich. Doch das schien die jungen Leute überhaupt nicht zu tangieren. Sie unterhielten sich einfach weiter in ihren Grüppchen, und ich hörte, wie sie sagten: »Ach, wohin gehen wir eigentlich zum Essen?«
Ich beugte mich zu Oakley und flüsterte: »Oak, habt ihr nichts reserviert für euer Abendessen vor dem Ball?«
»Äh. Nein.«
Ich sah meinen Mann an und sagte: »Sie haben kein Restaurant reserviert?!«
Er schüttelte den Kopf. »Tja, so ist es wohl.«
Weder meinen Mann noch meinen Sohn schien das weiter zu stören. Mannomann, aber mich hat es gestört. Wie zum Teufel können 20 Jugendliche vor dem Schulball keine Reservierung oder Pläne zum Essengehen haben? Unsere Töchter hatten das schon Monate im Voraus geregelt! Oak und seine Freunde diskutierten in der Gruppe über verschiedene Möglichkeiten. Ich sah sie an und fragte: »Und was habt ihr jetzt zum Abendessen vor?«
Oakley drehte sich zu mir um und sagte auf diese lässig-coole Art, wie es nur ein Teenager fertigbringt: »Ich glaube, wir gehen einfach zu Amigos.«
Die Amigos-Taqueria ist wirklich eine tolle kleine Taco-Bar im Stadtzentrum … aber es gibt dort ganze vier Tische. Der Laden hat die Größe eines Schuppens. Alle Mütter erstarrten, und sogar einige Väter stellten diesen Plan vorsichtig in Frage. 20 junge Leute in Abendgarderobe wollten ohne Regenschirme oder -jacken in den Wolkenbruch hinaus zu einem Fast-Food-Laden, in den vielleicht zehn von ihnen hineinpassen … und das vor dem Schulball?! Ich war fassungslos.
Kennst du das Gefühl, wenn dir dein Körper zwei Schritte voraus ist und er sich einfach nicht davon abhalten lässt, etwas Unpassendes zu sagen oder etwas Unsinniges zu tun? Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich nicht die Einzige unter den anwesenden Eltern war, die sich einmischte. Dutzende von Eltern drängten sich nun um ihre Sprösslinge und versuchten, die Situation zu retten. Ich zückte mein Handy und suchte nach Restaurants, die eventuell noch Platz für zwanzig Personen hatten.
Fehlanzeige … Es gab keins. Ich konnte spüren, wie Kendall mich beobachtete. Sie stand einfach nur da, als ich den anderen Eltern zurief: »Ich kann nirgendwo etwas Freies finden. Ich suche mal nach einer Pizzeria, die hierher liefert.«
In diesem Moment ergriff sie meinen Arm, zog mich zu sich heran und sah mir fest in die Augen.
»Mama, wenn Oakley und seine Freunde vor dem Ball in eine Taco-Bar gehen wollen, dann LASSSIE.«
»Aber der Laden ist doch viel zu klein, sie passen gar nicht alle hinein. Die werden klatschnass«, erwiderte ich.
»Mama, dann LASSSIE nass werden.«
»Aber dann sind seine neuen Turnschuhe hin.«
»Dann LASSSIE draufgehen.«
»Kendall, die sind nagelneu!«
»MAMA! Du nervst. LASSSIE in nassen Smokings und Ballkleidern zum Schulball gehen. LASSSIE essen gehen, wo sie wollen. Es ist ihr Ball. Nicht deiner. Hör endlich auf.«
LASS. SIE.
Die Wirkung war unmissverständlich. Etwas in mir gab auf. Ich spürte, wie die Anspannung verschwand, mein Verstand hörte auf zu rasen, und der Stress, das Geschehen kontrollieren zu wollen, verflog. Warum musste ich mich überhaupt einmischen? Warum sollte ich diese Situation managen? Warum überlegte ich nicht einfach, was ich heute zu Abend esse, anstatt mir Gedanken zu machen, was sie essen? Warum machte ich mir überhaupt solche Sorgen um sie?
Lass. Sie. Es ist ihr Schulball, nicht deiner. Hör auf, zu kontrollieren, zu kritisieren oder dich darum zu kümmern, und LASSSIE.
Und genau das habe ich getan. Während die anderen Eltern weiter versuchten, ihre Kinder zu mikromanagen, ging ich auf Oakley zu und lächelte. »Und was jetzt?«, fragte er. »Hier sind 40 Dollar für Amigos«, sagte ich zu ihm. »Ich wünsche dir einen tollen Ball.« Er grinste breit, umarmte mich herzlich und sagte: »Danke, Mama. Den werden wir haben.«
Dann sah ich zu, wie Oak und seine Partnerin aus der Tür hi-naus in den strömenden Regen rannten. Ich sah, wie sie durch den Sturm liefen, wie der Schlamm auf ihr Kleid spritzte und wie seine neuen Sneakers verdreckten. Und es war mir egal. Eigentlich war es sogar irgendwie süß.
Ich ahnte nicht, dass dieser eine Moment meine gesamte Lebenseinstellung grundlegend verändern würde.
Lass sie … Was für eine großartige Idee
Ich konnte nicht glauben, wie sich meine Wahrnehmung innerhalb einer Woche veränderte. Wann immer ich gestresst, angespannt oder frustriert war, dachte ich: Lass sie … und mir fiel lustigerweise auf, dass es fast immer in Bezug auf andere war.
Lass Familie Robbins bei jeder einzelnen Verabredung zu spät sein.
Lass Oma die Überschriften in der Zeitung laut vorlesen: »Hast du schon gehört, dass …?«
Lass die Leute das Foto kritisieren, das ich gerade gepostet habe.
Lass Oakley wütend sein, weil ich ihm nicht erlaube, heute Abend länger wegzubleiben.
Lass sie, wenn das Geschirr wieder einmal unabgewaschen in der Spüle steht.
Lass sie doch am Montagmorgen im größten Berufsverkehr ihre Straßenarbeiten machen.
Lass sie. Sollen die Verwandten doch meine beruflichen Entscheidungen kritisieren.
Lass sie. Dann ist meine Schwiegermutter eben nicht mit meinem Erziehungsstil einverstanden.
Lass sie. Dann gibt es heute wohl keine Bagels mehr in der Bäckerei.
Lass sie. Soll doch der Nachbarshund den ganzen Tag bellen.
Zwei einfache Worte: Lass sie. Sie haben alles verändert. Auf einen Schlag schien es, als sei mir vieles einfach egal und als stünde ich auf seltsame Weise über den Dingen. Sachen, die mich früher gestört hatten, waren mir plötzlich einerlei. Leute, über die ich mich früher geärgert hatte, waren mir gleichgültig. Mein Klammergriff im Leben begann sich zu lockern. Ereignisse bei der Arbeit, die mich früher gestresst oder dazu gebracht hätten, nach Hause zu gehen, um bei meiner Familie Dampf abzulassen, ließen mich nun kalt. Der Platz in meinem Gehirn, der früher mit dummen Sorgen, Ärgernissen und Dramen vollgestopft war, stand nun für wichtigere Dinge zur Verfügung.
Je öfter ich Lass sie sagte, desto mehr wurde mir klar, dass vieles von dem, worüber ich mir Gedanken machte, weder meine Zeit noch meine Aufmerksamkeit wert war. Nicht jeder Konflikt mit anderen war meine Energie wert. Das war so befreiend!
Je öfter ich Lass sie sagte, desto mehr Zeit hatte ich für mich. Zeit zum Nachdenken. Zeit zum Durchatmen. Zeit, um Spaß zu haben. Zeit, die ich mit dem verbringen konnte, was mir wichtig war. Zeit, mich um mich selbst zu kümmern.
Ich fühlte mich wohl, war glücklich und ruhte in mir. Die Wirkung war unbestreitbar. Sogar Chris fiel es auf: »Du wirkst irgendwie verändert.« Und ich fühlte mich tatsächlich anders. Ich fühlte mich so gut, dass ich Lass sie online teilen musste, deswegen postete ich ein 60-Sekunden-Video, um die Let-them-Theorie in den sozialen Medien wie folgt zu erklären:
Wenn deine Freunde dich diese Woche nicht zum Brunch einladen – lass sie. Wenn jemand, zu dem du dich wirklich hingezogen fühlst, deine Zuneigung nicht erwidert, lass ihn. Wenn deine Kinder dieses Wochenende nicht früher aufstehen wollen, um mit dir zu dieser Veranstaltung zu gehen, dann lass sie. Wir verschwenden viel zu viel Zeit und Energie mit dem Versuch, andere zu zwingen, unsere Erwartungen zu erfüllen. Ganz wichtig: Wenn andere – jemand, mit dem du zusammen bist, ein Geschäftspartner, ein Familienmitglied – nicht so sind, wie du es von ihnen erwartest, versuche nicht, sie dazu zu bringen, sich zu ändern. Lass sie einfach sie selbst sein, denn sie offenbaren dir, wer sie sind. Lass sie einfach gewähren, und anschließend kannst du für dich entscheiden, was du als Nächstes tust.
Innerhalb von 24 Stunden hatten es mehr als 15 Millionen Leute angeschaut. Innerhalb einer Woche waren es 60 Millionen, und es gab Zehntausende von Kommentaren zu dem Video. Nachrichtenagenturen begannen, Artikel über die Let-them-Theorie und ihre Wirksamkeit zu schreiben. Menschen auf der ganzen Welt hörten meine digitale Botschaft und überfluteten meinen Posteingang mit Fragen, Geschichten und Beispielen, wie sie die Let-them-Theorie anwendeten. Psychologen und Therapeuten schrieben Blogbeiträge.
Ich war so überwältigt von dieser unmittelbaren Reaktion, dass ich eine Podcast-Episode über die Let-them-Theorie und meine Erfahrungen damit aufnahm. Diese Episode entwickelte ein wahres Eigenleben. Sie wurde so oft geteilt und war laut Apple die sechst-meistgeteilte Podcast-Episode des Jahres, weltweit.
Doch das war nur der Anfang, denn dann kamen die Let-them-Tattoos!
Jede Menge Let-them-Tattoos …
Lass sieist bei weitem das Wirkmächtigste, was ich je entdeckt habe. Die Tatsache, dass sich Menschen auf der ganzen Welt Lass sie dauerhaft auf ihren Körper tätowieren ließen, hat mich ehrlich gesagt dazu inspiriert, dieses Buch zu schreiben. Ich wollte unbedingt verstehen, warum diese beiden Worte so eine unmittelbare, tiefe und universelle Wirkung auf so viele Menschen haben.
Die Erforschung der Let-them-Theorie
Ich habe die letzten beiden Jahre damit verbracht, die Let-them-Theorie zu erforschen: warum sie funktioniert und wie man sie nutzen kann, um sein Leben zu verändern und seine Beziehungen zu anderen zu verbessern.
Während der Arbeit an diesem Buch habe ich mit vielen der weltweit führenden Experten in den Bereichen Psychologie, Neurowissenschaften, Verhaltensforschung, Beziehungen, Stress und Glück gesprochen. Du wirst sie beim Lesen kennenlernen, und ihre Forschungsarbeiten werden dir helfen, die Let-them-Theorie in zahllosen Momenten deines Lebens anzuwenden. Die Forschungsergebnisse sind eindeutig: Diese Sache funktioniert. Und sie funktioniert richtig gut.
Doch in diesem Buch geht es nicht nur darum, die Let-them-Theorie darzulegen. Es geht auch um ein Grundgesetz der menschlichen Natur: Alle Menschen haben ein fest verankertes Bedürfnis nach Kontrolle.
Wir alle haben den angeborenen Wunsch, möglichst alles in unserem Leben zu kontrollieren: unsere Zeit, unsere Gedanken, unsere Handlungen, unser soziales Umfeld, unsere Pläne, unsere Zukunft, unsere Entscheidungen. Der Eindruck, die Kontrolle zu haben, gibt uns ein angenehmes und sicheres Gefühl, sodass wir natürlicherweise versuchen, jeden und alles um uns herum zu regulieren – häufig, ohne es zu merken.
Tatsache ist jedoch auch, dass es Dinge gibt, die man niemals beeinflussen kann. Egal wie sehr du es versuchst, es wird dir nie gelingen, eine andere Person zu ändern. Die einzige Person, die du kontrollieren kannst, bist du selbst, deine Gedanken, Handlungen und Gefühle.