Die Liebe ist ein Schmetterling - Lena Elfrath - E-Book

Die Liebe ist ein Schmetterling E-Book

Lena Elfrath

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Beschreibung

Eine Großstadt zwischen Vorortidyll und Untergrund, zwischen Agenturalltag und Partyexzess, zwischen Lüge, Wahrheit und Selbstbetrug. Mittendrin Fiona, das vergnügungssüchtige Model, Maik, der freiwillige Obdachlose, die selbstlose Gattin Aline und Achim, der narzisstische Karrierist. Alle vier sind sie auf der Suche, nach Freiheit, Echtheit und dem Lebenssinn. Sie begegnen einander, bleiben sich fremd - und stehen am Ende an einem fundamentalen Wendepunkt. In ihrem Debüt schafft Lena Elfrath verschiedene Lebensentwürfe, die eine ziemlich kritische Momentaufnahme der Gesellschaft bilden. Freundschaft, Geld, Sex, Zeit und Glück – das sind die Eckpfeiler des Koordinatensystems, in dem sich ihre den Mainstream-Vorurteilen hörigen Protagonisten bewegen und sich "entsprechend" verorten. Elfrath verwebt hier vier außergewöhnliche Lebensentwürfe grundverschiedener Charakteren aus völlig unterschiedlichen Milieus: Ein aberwitziges Spannungsfeld zwischen Selbstverwirklichung, Selbstdarstellung und Selbsterkenntnis.

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Seitenzahl: 507

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weissbooks.w

Impressum

Lena Elfrath

Die Liebe ist ein Schmetterling

Roman

© Weissbooks GMBH Frankfurt am Main 2016

Alle Rechte vorbehalten

Konzept Design

Gottschalk+Ash Int’l

Satz

Publikations Atelier, Dreieich

Umschlaggestaltung

Julia Borgwardt, borgwardt design

unter Verwendung eines Motivs von

© thesweetg / photocase.com

Foto Lena Elfrath

© Marc Krause

Erste Auflage 2016

ISBN 9783863370992

Dieses Buch ist auch als Printversion erhältlich

ISBN 9783863371067

lenaelfrath.de

weissbooks.com

Lena Elfrath

Die Liebe ist ein Schmetterling

Roman

Die Liebe ist ein Schmetterling

Inhalt

INTRO

DAS GLÜCK

TEIL 1

//Kapitel 1: ARBEIT

//Kapitel 2: FREUNDSCHAFT

//Kapitel 3: ESSEN

//Kapitel 4: FEIERN

//Kapitel 5: FREIHEIT

//Kapitel 6: KLEIDUNG

//Kapitel 7: GELD

//Kapitel 8: SELBST-BILDER

//Kapitel 9: ZUHAUSE

//Kapitel 10: LÜGEN UND GLAUBE

//Kapitel 11: ZEIT

//Kapitel 12: FREMDHEIT

//Kapitel 13: DAS ANDERE GESCHLECHT

//Kapitel 14: MUSIK

//Kapitel 15: SEX

TEIL 0

//Kapitel 1: DER AUFPRALL

//Kapitel 2: DAS RENNEN

//Kapitel 3: DAS ENDE IN DER MITTE

//Kapitel 4: DER ANFANG

OUTRO

INTRO

DAS GLÜCK

//Vormittag: Fiona//

Fade in.

Eine Böe weht durch meinen Mund. Geschmacksnoten Fisch, Rauch und nasser Hund. Hinten raus eher süßsäuerlich. Mein Hals brennt. Die Speiseröhre auch. Entweder kommt das Brennen von dem Zeug, das ich gestern durch die Nase gezogen habe, oder ich hing in der Nacht noch überm Klo. Oder beides. Und was ist das für ein Scheiß mit der Sonne? Im Katerzustand kenne ich ihr Licht normalerweise nur als Pünktchen am Rollladen. Heute ist sie ausgereift zur vollen Größe und abartig gelb, sie brennt mir die Birne weg, weil das Fenster sperrangelweit offensteht. »Model von Bild-Zeitung aufgefunden. Erlitt qualvollen Tod durch Wegschmelzen. Erst ihr wunderschönes Gesicht, dann ihre scharfen Synapsen. Alles im Raum verteilt.«

Umdrehen. Denkversuch.

Ist ja auch egal jetzt.

Und was ist dir nicht egal?

Du stellst Fragen. Ich will jetzt nicht nachdenken.

Doch: denken.

Glücklich sein ist nicht egal. Grandiosester Spaß. Was das heißt? Der Kater jetzt nicht direkt, aber was ihn herbeigeführt hat, das Abenteuer von gestern und das High, das bis heute anhält.

Wenn dein Kopf sich nur nicht gerade in alle Richtungen ausdehnen würde.

Die Show war fucking amazing, würde meine Kollegin aus New York sagen. Das Zeug hieß Ready-to-wear, aber in Wirklichkeit war es Haute Couture. Als Rock trug ich eine LKW-Ladung Tüll, auf der Straße wäre ich damit überall hängengeblieben. Haare und Make-up haben fast eine Stunde geschluckt, und die Frisur machte dem Rock Konkurrenz. Ich sah mystisch aus und habe mich auch so gefühlt.

Eigentlich war der Look zu kitschig für dich, aber er machte Eindruck.

Und wie der Eindruck machte! In der Front Row stapelten sich die internationalen A-lister. Nicht, dass ich einen Promi gesehen hätte, aber so hieß es backstage.

Soll ich aufstehen? Da ist noch ein Rest Wodka übrig.

Was soll das bringen?

Die Matratze saugt mich sowieso fest.

Niesen.

Wonach riecht es hier?

Fieses Niesen.

Ist ja widerlich.

Körperwende. So schwerfällig wie ein fettes Steak auf dem Grill. 300 Kopf-ps. Die Bettdecke in unerreichbarer Ferne. Möglichst vollständig unters Kopfkissen passen.

Ich bin kein klassisch schönes Beauty- oder Dessousmodel. Ich werde eher auf Laufstege geschickt. Dort haben die Mädchen oft ein markanteres Gesicht und keine Oberweite, die Statur gleicht eher einem Stab auf zwei Stäben aka Angelrute. Das Laufen macht mir auch mehr Spaß, obwohl der Großteil davon aus Warten besteht. Ich liebe das leichte Lampenfieber und die Props, die von einem Live-Publikum kommen. Ich zieh meine Karriere durch, ist mir egal, wenn ich mal Hunger hab. Wie Kate Moss schon sagte: »Nothing tastes as good as skinny feels.«

Als ich gestern auf den Laufsteg trat, haben die Leute die Augen aufgerissen, ich konnt’s spüren. Das Laufen fühlt sich an, als würde ich auf Schienen dahingleiten und dabei durch ein Kameraobjektiv schauen. Total surreal. Blicke, die dir zuflüstern, dass du der heißeste Scheiß auf Erden bist. Davon zehre ich.

Dann mach mal, dass du in ein paar Stunden auch noch so denkst. Wenn die Glückshormon-Kurve in den Keller stürzt. Was ist das, was hier so riecht? Chaos auf dem Boden. Nicht zum Aushalten. Wie schaffst du das immer?

Ich brauche jedes Mal Stunden, um ein Outfit für die After-showparty zu finden, das stylish und edgy ist, aber nicht zu verkrampft, eher authentisch und cool, undone … so halt. Nach der Show ist die Show. Kollegen, Designer und Fotografen, Paparazzi, Booker und Promoter, alles Leute, bei denen ich den besten Eindruck hinterlassen muss. Kontakte werden ausgetauscht, es wird ein bisschen gelästert und getratscht, gefachsimpelt, angebaggert und abgeschleppt. Manchmal sind die Promille und das gute Essen etwas zu viel nach dem Druck der Vortage. Das grenzt an Nötigung. Und gestern gab es kein Kokain, das mich davor bewahrt hätte. Oder doch, stimmt, es gab welches! Mit Kokain performe ich meinen Seduction Dance immer besonders gut.

Uuuh. Bloß nicht dran denken.

Ich weiß zumindest noch, als die Hütte schon fast leer war, ließ ich mich gehen, aber nicht das Male Model. Wir unterhielten uns. Glaube ich. Wir schauten uns in die Augen. Wir berührten uns mit den Händen zufällig an den Beinen, den Armen, dem Gesicht. Dazwischen ging ich noch zum Büfett. Zur Champagnerbar auch. Haben wir uns geküsst?

Filmriss. Die Sonne da draußen wäre eigentlich was Tolles, wärst du nicht verkatert.

Fuck, und jetzt verbrenne ich und werde es nie erfahren.

So wichtig war der jetzt auch nicht.

Doch doch, total! Neben dem Bett liegt meine Lederhose. Ich strecke mich über die Bettkante, um die Hose mit der rechten Hand greifen zu können.

Bloß nicht den Kopf bewegen.

Five Pockets, und in keiner ein Zettelchen mit einer Telefonnummer. Vielleicht hab ich ihm meine gegeben?

Was hier so riecht ist deine Hand, die gerade vor deiner Nase in den Hosentaschen wühlt. Du hast dir gestern Nacht noch den Finger in den Hals gesteckt.

Das ist Glück: Ich verdiene einen Haufen Asche mit Spaß. Gut, solche Jobs wie gestern gibt es nicht oft, aber wenn es sie gibt… Ich muss nicht wie andere Ordner wälzen, vor meinem Bildschirm leise schnarchen, vor dem Telefon wegrennen und am Kaffeeautomaten anstehen. Es wäre der größte Horror für mich, jeden Tag zu wissen, was am nächsten Tag passiert. Und nächste Woche, und nächstes Jahr. Andere nennen das Sicherheit, ich nenne es Gefängnis. Mir ist aber auch klar: Mein Leben würde anders aussehen, wenn ich nicht entsprechend aussehen würde. Ich bin nicht naiv. Unser Leben ist unser Spiegel. Hinzukommen: Auftreten, Style und Coolness bis zum Kater, mein Leben ist ein einziger sauguter Film, und ich bin Regisseur, Darsteller, Drehbuchschreiber und Ausstatter in einem.

Hoffentlich knallt der Absturz nach deinem Höhenflug nicht zu sehr.

Die Leute aus meinem Heimatkaff denken, ich lebe in einer Blase. Manchmal kriege ich Nachrichten auf Facebook von alten Schulfreunden, die fragen: Was hast du heute Nacht erlebt? Wen hast du getroffen? Oder: Oh, du bist so mager. Mir ist das egal. Ich weiß, wer ich bin. Viele von denen finden sicher auch, es sei total bescheuert, so sinnlos zu feiern. Aber was bedeutet sinnlos in einer Welt ohne Sinn? Ich glaube nicht an einen übergeordneten Sinn für uns oder für die Dinge, die wir tun. »Und die Zukunft? Willst du nicht was aus deinem Leben machen?«, höre ich manchmal. Aber bitte, wer weiß schon, ob morgen nicht alles anders ist? Morgen bin ich alt und hässlich. Nein, wenn es einen Sinn des Lebens gibt, dann kann das nur einer sein: leben. Und das jetzt und maximal. Ich habe keine Lust auf diesen Moralapostelmist. Nicht darüber nachdenken oder diskutieren, sondern es tun. Die meisten Menschen, denen man auf der Straße so begegnet, sehen ihr Leben doch als Dauerjob. Als unfreiwilligen Drahtseilakt, bei dem es darum geht, möglichst ohne Schrammen und vorzeitigen Absturz auf die andere Seite des Abgrunds zu kommen. Mir reicht das nicht.

Du hast total übertrieben. Duschen? Kotzen?

Nein, nein. Mir geht’s total gut. Nur noch fünf Minuten. Bis mein Gehirn weggeschmolzen ist. Verfickte Sonne.

Fade out.

DAS GLÜCK//Vormittag: Aline//

Wie herrlich die Sonne meine Dekoration erhellt. Jugendlich wirkende gelbe Rosen mit Ziergras schauen aus bauchigen Vasen. Chiffontücher in glühendem Orange umschmeicheln die Blumen wie Wolken die untergehende Sonne. Dazu habe ich Glassteine, Servietten und das Geschirr auf dem Tisch arrangiert, alles perfekt auf die Sommersaison abgestimmt. Jetzt fehlt nur noch die zweite Kuchenplatte. Und die Vase hier muss noch einen Millimeter nach links. Oder nach rechts?

Die eine Blüte, die so verträumt Richtung Himmel schaut, noch ein Stück … vielleicht der Stein … oder das Tuch …

Jetzt hör schon auf, es wird nicht schöner.

So ist es perfekt.

Bist du jetzt glücklich?

Natürlich bin ich glücklich! Und so dankbar, ich möchte tanzen vor Freude. Meine Familie wird das Arrangement lieben. Und meine Freundinnen, die gleich zum Tee und Kartenspiel eintreffen, auch. Ich habe ein perfektes Zuhause geschaffen. Es zeugt von Bildung, von Stil. Ich weiß, was sich gehört. Ich bin stets darauf bedacht, dass es meinen Lieben an nichts fehlt. Makellos, wir sind eine makellose Familie. Wir können stolz sein. Mit »wir« meine ich meinen Mann und unser Kind. Ja wirklich, wir erwarten Nachwuchs. Es wird ein Sohn, das ist unsere Bestimmung. Ich nenne ihn Kilian.

Was heißt: deine Bestimmung?

Es mag naiv klingen, aber ich glaube an etwas. Ich glaube an das Gute im Menschen, an Gerechtigkeit, an Liebe. An etwas Höheres und an ein Schicksal. Ich weiß nicht, ob ich das Gott nennen würde, aber es trägt mich durchs Leben wie eine Sänfte und gibt mir einen Sinn. Ich meine, was kann mehr Sinn haben, als für wohlgeratene Nachkommen zu sorgen? Seit ich vierundzwanzig Jahre alt bin, widme ich mich dem familiären Wohl und stelle egoistische Ansprüche zurück. Nur die Liebsten zählen. Dafür bekomme ich das größte Geschenk zurück: Liebe. Es ist doch so, am Ende tun wir alles nur für Liebe und Anerkennung, für ein Zuhause und Sicherheit. Das Wichtigste für einen Menschen ist die Gewissheit, dass er nicht mehr »ich« ist, sondern »wir«. Wie sehr muss es seine Nerven aufreiben, wenn er weiß, dass seine Einsamkeit Unbestimmtheit mit sich bringt? Wie ungesund muss die Angst vor einer unklaren Zukunft sein? Vor dem richtungslosen Umherflattern. Wie ein fragiler Schmetterling. Ich dagegen habe einen festen Lebensplan. Ich weiß jeden Tag genau, was am nächsten Tag passieren wird. Jeder Mensch braucht Sicherheit und einen Sinn, der das Glück noch vervielfacht. Mein Leben für andere ist wie eines mal x.

Umschauen. Wo ist deine zweite Kuchenplatte?

Ich möchte die Törtchen mit den rosa Zuckerherzchen und der Creme anrichten, kann aber seit einer halben Stunde das Geschirr dafür nicht finden. Im Küchenschrank ist es nicht. In der Spülmaschine auch nicht. Seltsam.

Seltsam.

Tick, tack, tick, tack. Ich kann das Werk der alten Standuhr hören, obwohl die Bibliothek, in der sie sich befindet, weit weg scheint. Und dann, als ich ein Wischtuch in den Mülleimer werfe, entdecke ich es: Weißes Porzellan schwebt in tausend Teilen um Wischtuch-Knäuel im Müll herum. Es ist zerbrochen. Aber wie …?

Vielleicht, weil dein Mann …

Nein, nicht schlimm!

Du unterbrichst mich dauernd …

Es ist gar nicht schlimm. Schnell improvisiere ich, zücke eine meiner vielen anderen Kuchenplatten aus dem Schrank in der Lounge und drapiere die süßen Kunstwerke direkt auf dem Tisch. Ach, wenn ich nicht Hausfrau und Mutter wäre, wäre ich Künstlerin geworden.

Einatmen. Blick über das Teetafelpanorama. Alles ohne Makel. Ausatmen.

Die Sommersonne besucht mich durchs Fenster und legt ihr Licht über mein Dekor wie einen Segen. Danke, liebe Sonne. Eine perfekte Tea-Time steht bevor. Eine warme Zukunft.

DAS GLÜCK//Mittag: Achim//

»Was? Was ist? Ja, bitte?«

Ich zucke mega zusammen, dabei hat nur mein Assistent Johannes geklopft, um mich nach einem Briefing zu fragen. Mir doch egal, ob der was gecheckt hat. Wie lange hab ich wohl geratzt? Bestimmt nur ein paar Minuten. Noch latent verpennt will ich dem Typ seine Unterlagen geben, werfe dabei die Hälfte auf den Boden, hebe die einzelnen Blätter auf und gebe sie ihm.

Du solltest mal kürzer treten.

Draußen brennt die Sonne, und hier drin kriege ich nur die Klimaanlage mit. Ich arbeite einfach zu hardcore. Nein, nur viel, nicht zu viel. Es geht nicht anders in meinem Job. Ich bin jung und schon Head of Media für Europa, eine Löwenposition, von der andere träumen. Und ich kann nur sagen, Erfolg und Leistung, das brauche ich. Daneben meine beiden Autos – die Elf und den Firmenwagen –, den Bungalow mit Whirlpool, die Designercouch. Ich meine, klar, Money ist nicht alles, es gehören auch Immobilien dazu, wie die Schweizer sagen. Man muss schon auch einen gewissen Lifestyle leben. Und ja, ich entspreche dem Klischee, bei den Mädels aller Altersklassen bin ich auch begehrt. Das ehrt mich. Was will ich mehr?

So müde. Also ist das dein Glück?

Was heißt hier Glück? Das kommt nicht von selbst. So ein Leben ist nur was für Kämpfertypen wie mich, Weicheier können da gleich einpacken. Ich muss auf vieles verzichten, was anderen wichtig ist. Ich kann nicht jeden Abend Party machen oder bis zum Nachmittag pennen. Für Gammelei bleibt null Zeit. Dafür hab ich umso mehr Verantwortung und Druck. Ich muss eine Menge Kohle ranschaffen.

Das Telefon klingelt.

Und klar bin ich auch oft genervt und nervös, weil dies noch erledigt werden muss und das noch nicht steht. Und dann noch dieser BlackBerry, der mich vierundzwanzig Stunden am Tag erreichbar macht. Pausen? Fehlanzeige.

Hey, dein Telefon klingelt schon sehr, sehr lange!

Bei so viel Penetration von außen würde ein anderer Typ kollabieren, braucht sich also keiner beschweren. Meine Meinung. Ohne Fleiß kein Preis.

Das Klingeln stoppt.

Sei ehrlich.

Ich sag doch, ich sag’s ganz ehrlich! Ich habe jeden Krümel vom Kuchen verdient, bringe aber auch die Voraussetzungen mit. Ich bin der geborene Businessmaker, ein Leader, habe einen Killerinstinkt, langjährige Erfahrung und kenne alle Tricks. Ich bin ehrgeizig und gut gebaut, mache Sport und bin für jeden Spaß zu haben.

Ausgiebiges Gähnen und Breitmachen. Füße auf den Tisch.

Nur kurz, sieht ja keiner.

Die Aufmerksamkeit kippt weg.

Was? Ich bin wieder da! Die Mädchen! Erst gestern wieder: Ein Trainee aus der Ukraine, zwanzig Jahre alt, schön, klug, sexy. Sie war gestern Nacht zum ersten Mal bei mir und wollte partout nicht mit mir ins Bett steigen. Dass die auch immer so kompliziert sein müssen, die Tussis, ganz ehrlich, stellen sich an, als wäre ihr Körper der heilige Gral. Dabei ist Katharina so ein heißes Stück und hat mich einfach verrückt gemacht. Zwei Stunden später hatte ich sie dann endlich, dann hab ich sie verrückt gemacht. Ich schaff es aber auch immer.

Bing. Bing. Bing …

Das Licht auf meiner Voicemail blinkt gestresst wie eine Alarmleuchte.

Der Anruf von eben.

Ich drücke auf den Knopf »Messages«. Unverständliches Gequatsche, gemischt mit Knistern und Rauschen im Hintergrund, da kann man ja nicht hinhören. Mein Name fällt, ein paar Fetzen, es wird wohl nicht so wichtig sein. Ich will mich gerade wieder an die Unterlagen setzen, als ich mich wundere.

Hör hin.

Die Stimme von dem Typen kommt mir bekannt vor. Ich hör nur halbe Sätze, unterbrochen von Knistern: »Verabschiede dich schon mal … ihr werdet alles verlieren.« Er klingt aufgeregt. Ist der besoffen? »… Augen und Ohren offen halten … Pass auf, sonst passiert eine Katastrophe.« Nach einem weiteren Knistern folgt ein saftiges: »Arschloch!« Ey, was will der Typ? Ob ich ein Arschloch bin, das entscheide immer noch ich! Ich will die Nachricht noch einmal anhören, doch etwas läuft schief, als ich auf den Knopf drücke. Die automatisierte Frauenstimme sagt: »Nachricht gelöscht«. Scheiße, blöde Kuh! Versteht alles falsch, was man macht, typisch Frau. Wo ist Johannes, wenn man ihn braucht? Der Telefonscheiß hier ist seine Aufgabe.

»Johannes!«

DAS GLÜCK//Mittag: Maik//

Konzentrier dich. Zieh dich zurück. Du bist sicher hinter deinem Schmutz, in deiner Deckung, deiner Rolle. Niemand wird dir etwas tun. Lauf gekrümmt mit hektischen Schritten wie ein crack-getriebener Mann. Sprich mit dir selbst. Finde Schutz in dir selbst. Hier bist du sicher.

Ich habe zwei Stunden gebraucht, um mich äußerlich und innerlich auf diesen Moment vorzubereiten. Jahre, um zu erkennen, dass ich das hier tun muss. Zwei Wochen für einen halbwegs entfremdenden Bart und eine Sekunde, um meine komplette Vergangenheit zurückzulassen. Ein Leben auf Reset.

Vergiss, was war. Schau nicht zurück. Nichts kann dir passieren.

Ich nahm meine Kappe, den Schlafsack und eine Plastiktüte mit ein paar grundlegenden Sachen drin. An der Schwelle der Haustür hielt ich die Luft an, als stünde ich am Rande eines Zehnmeterbretts. Dann folgte der Kopfsprung ins Freie. Menschen, Mengen und Gemenge, Anzugträger in Hektik, Zivilisten in sommerlicher Einkaufsstimmung. Ich bin in die schlechteste Tageszeit geraten: die Mittagszeit. Aber da muss ich jetzt durch und mache mich auf in Richtung Hauptbahnhof.

Einfach laufen. Sobald du in der Bahn sitzt, hast du es geschafft. Heb nicht den Kopf, schau weder nach links noch rechts. Die verwischte Optik im Augenwinkel ist alles, was du brauchst.

Mein Blick flüchtet sich auf meine zerlatschten Turnschuhe und den Asphalt. Um mich herum ist es laut, Farben und Bewegungen. Das macht mich nervös. Was, wenn mich jemand erkennt? Und auch wenn nicht, was denken diese Fremden wohl von mir? Nehmen sie mich wahr als das, was ich darstelle? Nehmen sie mich überhaupt wahr?

Du bist durchsichtig. Wenn die Menschen sich schon untereinander nicht wahrnehmen, wie sollen sie dann dich sehen? Wo du jetzt noch weniger bist als sie.

Die Konzentration auf meine Füße setzt aus, als ich beinahe mit einer Anzugträgerin zusammenstoße. Wir weichen uns aus, und nun stehen wir für den Bruchteil einer Sekunde voreinander und schauen uns an. Sie trifft mich. Mit ihrem Blick, einer Mischung aus Entsetzen und Verwirrung. Dann renne ich weiter.

Mir ist schlecht.

Du wirst dich daran gewöhnen. Lauf weiter!

Ich laufe ja. Da ich das Ticket schon gekauft habe, stürme ich direkt hinunter zu den Gleisen. Erneuter Schockmoment: Menschen, noch mehr davon. Habe ich denn nirgends meine Ruhe? Wie soll ich meinen Reset bloß ertragen, ohne Menschenpause?

Mach dich zu. Du schaffst das schon.

Als ich in die vollgepackte Bahn steige und die Türen sich schließen, folgt eine hundertachtzigminütige Ewigkeit voller Verkrampftheit. Ich wage mich auf keinen der wenigen Sitzplätze, kann mich in keinem Gang verstecken, keine Ecke ist frei, um mich zu verkriechen und ungesehen zu machen. Stattdessen stehe ich mittendrin, auf engem Raum mit all diesen normalen Menschen, Müttern, Models, Marketingtypen. Keiner von uns kann fliehen. So wenig wir miteinander reden möchten, die Blicke tun es umso mehr. Ich ziehe die Kappe tiefer ins Gesicht und spüre dennoch jeden einzelnen von ihnen. Sie sortieren, sie kategorisieren.

Das ist es: Wahrheit ist eine Frage des Sortierens, der Haltung. Glück ist eine Frage der Haltung. Wie die Identität. Die Menschen merken nicht, dass sie es sich in ihren Klischees bequem gemacht haben. Sie sehen dich, aber sie wissen nicht. Aber meinst du nicht, dass du die Menschen manchmal ein bisschen zu sehr verabscheust?

Da stehe ich drüber. Es ist nur so, die Menschen haben diesen Drang, sich selbst zu belügen und sich über andere Menschen und Lebewesen zu erheben, um sich von ihrer Niedrigkeit abzulenken. Das kleine nichtige Lebewesen Mensch hält sich tatsächlich für etwas Besseres. Im schlimmsten Fall von Selbstsucht meint es sogar, sein Leben hätte einen übergeordneten Sinn. Ich meine, als wären so etwas Dummes wie die Menschen tatsächlich gottgesandt oder gar nach dem Antlitz Gottes geschaffen. Lächerlich. In Wirklichkeit rennen sie kopflos durchs Leben und hinterfragen einfach mal gar nichts. Was Menschen als Glück und Sinn ansehen, kann nur eine Illusion sein. Glück fühlen sie nur kurzzeitig, wenn sie einen bestimmten Zustand erreicht haben. Und dann müssen sie schon zum nächsten Ziel hecheln und spüren so lange einen Mangel, bis sie es erreicht haben. Nicht die Freude am Tun treibt sie an, sondern die Sucht nach dem Erreichen, die Jagd des Ego-Esels nach den Karotten. Und die Karotten haben die kürzest mögliche Haltbarkeit. Diese Form von Belohnung äußert sich in den Karrierestufen hierarchischer Strukturen, in Bewunderung von außen, in Konkurrenzkämpfen und Konsum, im Bessersein, Schönersein, Erfolgreichersein als andere. Ein bisschen wie in einem Computerspiel. Ein Konzept, dessen Reiz ich verstehe, weil das Belohnungssystem im Gehirn eben so funktioniert, aber bei dem ich die langfristige Kosten-Nutzen-Rechnung nicht nachvollziehen kann, weil es einfach nur eine hirnlose Jagd nach Punkten und Levels ist. Um ihre Ziele zu erreichen, gehen die Menschen über Leichen. Ich meine damit, dass sie die wahren Bedürfnisse und die anderer umbringen und künstlichen Werten unterordnen. Und die Leichen verstecken sie vor sich selbst, bis sie sie vergessen.

Ich stand mehrfach vor der Entscheidung, diesen Planeten zu verlassen. Nicht in dramatischer Manier, im Gegenteil, der Tod erschien mir immer als tröstliche Idee, als Lösung. Je älter ich werde, desto weniger scheint meine Umgebung sich weiterzuentwickeln. Stattdessen wird sie enger, die Konzepte starrer. Und ich drifte automatisch von der Welt ab. Das passiert einfach. Es ist wie mit der Ausdehnung des Universums: Je mehr der eine Planet sich vom anderen Planeten entfernt, desto mehr entfernt sich der andere vom einen. Ein seltsam schwereloser Zustand. Normalitäten wie Karriere, Image, Besitz und Dinge, Wohnen, zwischenmenschliche Erwartungen und vermeintliche Werte werden mir einfach immer egaler. Ich hab ja noch nie eingesehen, warum »egal« nur ein Adjektiv ist, das sich grammatikalisch nicht steigern lässt. Egal, egaler, am egalsten – eine Verschwendung eines herrlichen Wortes, wenn man mich fragt.

Ich drehte mich im Kreis. Eine radikale Änderung musste her, ein irreversibler Schritt. Ich recherchierte wochenlang – nicht mal umbringen darf man sich, ohne nach einem gescheiterten Versuch in einer geschlossenen Anstalt zu landen – und besorgte mir Pillen übers Internet. Gleich fünf der vielen illegalen Händler bemühte ich für eine Menge Geld in der Hoffnung, dass wenigstens einer die echten Produkte schicken würde. Der Plan war simpel, aber recht dekorativ: Ich würde nach Südamerika fliegen, mich mit meinem Schlafsack an einen leeren Strand setzen und dort die Pillen mit einer Flasche Wodka überdosieren. Für den Fall, dass etwas schiefgehen und ich nur komatös oder unzurechnungsfähig werden sollte, hatte ich einen Zettel dabei, auf dem stand, dass man mich in die Schweiz schicken sollte. Dort darf man sich umbringen, soweit ich weiß. Ich kaufte ein One-Way-Ticket, Geld war ja nun auch sehr egal. Und dann, direkt nach der Online-Buchung, nachdem ich den Bezahlbutton geklickt hatte, bildete sich Schweiß auf meinem Rücken. Nun war die Sache beschlossen. Kein Zurück mehr.

Ich lag drei Tage bei runtergelassenen Rollläden auf meinem Sofa, bewegte mich nicht. Das kann ich gut, mich einfach ausschalten. Niemand aus meinem Umfeld wusste etwas von meinem Plan, außer einem Kumpel, und der nahm mir nicht ab, dass ich das tatsächlich durchziehen würde. Aber von meinen Dingen verabschiedete ich mich schweren Herzens. Da war zum Beispiel die Uhr von meinem Vater. Für das Fahrrad und den ekligen Sessel empfand ich plötzlich ein bisschen Liebe. »Macht’s gut, Jungs, war schön mit euch.« – »Tschö, Junge, du wirst uns fehlen, verdammt noch mal.« Das war krass. So etwas hatte ich noch nie erlebt, ich schien plötzlich Seelen in den Dingen zu entdecken und begann, mich mit ihnen zu unterhalten.

Dann im Dämmerzustand eine Erleuchtung: Wenn meine Tage ohnehin gezählt waren, wieso sollte ich dann direkt zur letzten Station springen und den Weg dorthin auslassen? Wenn sowieso alles egal war, konnte ich auch erstmal den Sprung in ein anderes Nichts wagen. Ein ehrliches, vom menschlichen Urteil unabhängiges Nichts war schließlich das, was ich immer gesucht habe! Ob es so etwas überhaupt gibt, weiß ich bis heute nicht, aber auch das ist egal, bei so viel ultimativer Egalität. Der Besuch im Niemandsland sollte nur ein Test sein, ein Spiel, ohne die Gefahr einer Niederlage. Dreieinhalb Wochen waren es bis zum Flug. Ich wollte ganz nach unten steigen, mich so richtig in den Bodensatz der Gesellschaft hineinlegen: obdachlos werden.

Du denkst, um die Abgefucktheit der Welt zu ertragen, musst du noch abgefuckter sein. Ein Leben ohne Werte und ohne Moral.

Freiheit ist, wenn ich nichts zu verlieren habe. Ich sehe mein Spiegelbild in einer Fensterscheibe der Bahn und muss mein Selbstmitleid auslachen.

Du siehst wirklich ziemlich abgefuckt aus, dafür, dass du nicht mal seit einer Stunde draußen rumrennst.

Ich komme am Hauptbahnhof der Stadt meiner Wahl an, verlasse den Zug und fühle mich hier draußen sofort wohler. Zum einen werde ich in dieser Stadt niemandem begegnen, den ich kennen könnte. Zum anderen ist es hier nicht so vollgestopft mit Menschen, und die, die da sind, schauen irgendwie netter oder eben gar nicht. Oder liegt das an mir und daran, dass ich mich langsam an mich selbst gewöhne? Ich mache mich auf den Weg, um einen Platz zu suchen, an dem ich meine Zeitung ausbreiten kann.

Einfach den Schildern Richtung Innenstadt folgen. An einer stark befahrenen Straße entlang. Abbiegen, Parkplatz, Videothek. Da hinten tummeln sich Menschen auf einem Platz mit Brunnen.

Hierhin?

Schlecht. Der Platz ist zu groß, hier können die Menschen dich meiden, und dann spenden sie nicht. Weiterlaufen durch eine Altstadt mit Schaufenstern, Eisdielen, Menschen und noch mehr Menschen. Alles voll und eng. Hier in den Gassen kann dich niemand mehr übersehen. Dort vor dem Schuhgeschäft?

Ich trau mich nicht.

Du musst.

Jetzt?

Mach schon.

Ich kann nicht. Ich brauche einen Ort mit mehr Sonne, mehr Ausblick und weniger Leuten, die mir auf den Füßen herumtrampeln. Also laufe ich weiter. Blumenladen, Restaurant, Bäckerei, Bankautomat. Und dann kommt mein Platz, eine Hauswand in der Sonne. Rechts daneben lockt ein Modegeschäft mit großem Schaufenster und teuren Klamotten nach Geldbörsen. Genauso nach teurem Konsum sieht eine Mischung aus Café und Bar mit Terrasse schräg gegenüber aus. »Chuches« steht über den Glastüren. Ich schaue mich um. Sollte ich nicht besser auf einen Moment warten, an dem es nicht so voll ist?

Los, los!

Ich halte die Luft an, renne zur Zielmauer, reiße die Zeitung aus meiner Tüte, werfe sie auf den Boden und plumpse hinterher. Ich krame erneut in meiner Tüte und ziehe zwischen klirrenden Glasflaschen, die als Attrappen dienen, einen Pappbecher hervor. Coca-Cola steht drauf. Schnell will ich ihn loswerden und platziere ihn vor mir, als säße eine Spinne darin. Da steht er also, der Becher. Ich hab’s geschafft. Ich bettle.

Was für ein Glück.

TEIL 1

//Kapitel 1: ARBEIT

//Nachmittag: Achim//

Immer locker bleiben. Eben war ich noch kurz davor, das Meeting zur Special Edition eines unserer Tablets abzusagen wegen meiner Wut über den Anruf. Aber so viel Raum will ich dem nicht geben, und jetzt sitze ich hier mit drei Leuten von der Digital-Agentur, meinem Assistenten Johannes, der ordentlich mitschreibt, mit einer Juniorin, die für mich spricht, und versuche mich auf die Präsentation der Agentur zu konzentrieren. Und das ist gar nicht so easy, denn die Müdigkeit reißt mich wieder in ein Loch, und der Agenturtyp quatscht megalangweilig, was entweder an seinem verkaufigen Redestil oder am Inhalt liegt, was beides nicht für die Agentur spricht. Überhaupt kann ich Agenturen nicht leiden, die wollen uns nur das Geld aus der Tasche ziehen, berechnen Megabudgets und reden, als würden sie das vierte Weltwunder herbeirufen. Oder das zwölfte. Das geht ja gar nicht. Ich tue so, als würde ich Notizen machen, und zeichne Kreuze in mein Notizbuch. Warum nur wollte der Boss, dass ich an dieser Sitzung teilnehme? Alright, zuhören jetzt, was der Agenturfuzzi sagt:

»Was ist hier also die Challenge? Wir müssen eine sehr anspruchsvolle, trendorientierte, aber finanzkräftige Zielgruppe abgreifen. Wir featuren hier eine Submarke mit limitierten High-End-Produkten auf einer Microsite mit Wide-Lane-Performance …«

Äääh … hat der gerade High-End-Po gesagt? Wie geil, very funny.

»Die Premiumklasse wird sich auch in den Preisen widerspiegeln, die gehen hoch bis zu tausendfünfhundert Euro, in der Grundausstattung – werden aber nicht auf der Microsite kommuniziert, sondern nur, ich wiederhole, nur auf Request.«

Jetzt wird es bestimmt total interessant.

»Für die Wiedererkennung und eine exakte Abgrenzung wird es in der Kommunikation eine spezielle Corporate Language geben, die die Approachability dieser Premium und Lifestyle Brand für die Target Group steigert. Sie kommt locker und trendy daher, aber dennoch erwachsen. Natürlich müssen wir die Brand wie die Microsite in den entsprechenden Networks implementieren. Was die Clickability betrifft, setzen wir interaktive schwarze Elemente ein, die in der Struktur Ansätze von Gamification zeigen. Die Positionierung …«

Schon wieder Po. Verdammt, null Konzentration hier, null. Und das war schon alles zu den Preisen?

»Denn die Frage ist ja: Was ist für unsere Zielgruppe die Definition von ›attraktiv‹. Was forciert emotionale Identifikation mit der Marke? Was ist die Realität? Was ist Ihre Realität?«

Stimmt sie so, wie du denkst, dass sie stimmt?

What? Ich pack das heute nicht mehr. Ich will zeigen, dass ich ganz Ohr bin, und stelle eine Frage: »Entschuldigen Sie, Herr äh …, wie lange wird die Präsentation wohl noch dauern?«

Der Agenturtyp spuckt mir entgegen, dass wir doch erst angefangen haben, bitte sehr. Alle schauen mich an, und ich merke erst jetzt, dass ich eine Haltung habe wie ein Esel in der Prärie zur Mittagszeit. Ich schiebe meinen Rücken von den Füßen ausgehend an der Stuhllehne nach oben, doch kaum dreht der Typ sich zurück zur Wand, an die die Folie der Präsi gebeamt wird, sacke ich wieder in mich zusammen. Und weiter geht’s.

Was will überhaupt Marketing? Was unterscheidet diese Special Edition von allen anderen Special Editions? Und vor allem: Was ist die Message? Öffnen Sie all Ihre Sinne, meine Damen und Herren, das vierte Weltwunder beginnt jetzt und zieht immer weitere Schützengräben zwischen die blutigen Fronten. Erleben Sie Premiumqualität voller Innovation in einer neuen Dimension. Es geht hier um Hedonismus vom Feinsten. Die Fusion einer Emotion mit der Kreation einer Vision unserer Mission.

Gleich gibt’s hier eine Kollision. Der Agenturtyp schwelgt in einer Story, die von der Selbsthilfegruppe »Digital-Marketing für Weicheier« erzählt, und holt weit aus, wobei er in einen Singsang verfällt und an den unpassendsten Stellen Pausen macht – ein bisschen wie ein Märchenerzähler auf Tonband. Was soll das? Und ganz ehrlich: Stimmt die Reihenfolge der Wörter überhaupt? Das geht gar nicht. Ich bin ein Löwe und er ist es nicht, ein Löwe steht auf Fakten und nicht auf so ein Emo-Geseiere, mit dem die Werbung versucht die Leute zu ködern. Diesen Clickability-Kram sollen gefälligst die Agenturfuzzis machen, die bekommen schließlich einen Haufen Kohle dafür.

Eigentlich ist mein Job mein Leben, und ich hab hart genug dafür gekämpft, um auf die Position des European Head zu kommen. Geht ja nur über Headhunter, so was. Ich spreche europaweit für ein riesiges, global agierendes Unternehmen, das Kommunikationstechnologie herstellt. Ich sag nur, jeder aus meiner Business School wollte in so ein Schlachtschiff mit Sicherheiten, festem Vertrag, Betriebsrat, Betriebsrente, Mitarbeiteraktien, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld und jeder Menge hierarchischer Stufen für die Karriere. Aber dass ich gleich dermaßen abgehe, war jenseits der Vorstellungskraft meiner Kommilitonen. Ich hab mich bewusst auf Big Business eingelassen, denn meine Schokoladenseite ist das Verkaufen und das Repräsentieren. Ich hab nur das Pech, eine Workaholic-Asiatin als Chefin zu haben, die alles umkrempeln will, alles wissen und gemonitort haben will, mir niedere Aufgaben wie die Teilnahme an solchen Meetings aufdrückt und hardcore undankbar ist. Meine Meinung. Sie hasst mich eben. Kann sein, weil ich ein wenig Macho bin. Ein Macho Iberico mit Megacharme zwar, aber dennoch ein Macho, und eine Frau, die mir sagen will, wo’s langgeht, das krieg ich nicht auf die Kette. Wenn die gehen würde, wär ich King. Aber das kommt schon noch, das inszeniere ich, ich säge und nage an ihrem Stuhl wie ein Geheimdienst-Profi.

Pause.

Diskutierende Kollegen-Stimmen irgendwo im Hintergrund. Arschloch. Ihr werdet alles verlieren. Denkst du etwa, der Drohanruf von vorhin hat etwas mit der Asiatin zu tun?

Dem Boss? Nein, das geht gar nicht. Der kam von einem eifersüchtigen Typen oder einem Ex-Kollegen, Ex-Partner, whatever. Der Typ meldet sich sicher noch mal. Wenn ich nur wüsste, wer es war. Seine Stimme kam mir so bekannt vor, dass ich jetzt noch Gänsehaut kriege. Das Gequatsche des Agenturtypen beißt sich durch mein Gehirn. Point of of of of Sale? Das hier ist der Point of Hell, ich muss weg. Ich hole meinen BlackBerry raus und verwende das Teil zum ersten Mal gegen meinen Job, um abzuhauen, nicht, um erreichbar zu sein: »Ah, das ist ja mega, ich muss leider weg. Dringender Anruf von einem Partner. Johannes, Sie notieren alles mit, ja? Danke. Danke auch an Sie für den Vortrag, Herr äh … Kollege, immer locker bleiben.«

//ARBEIT//Nachmittag: Maik//

Man kann doch nicht sein ganzes Leben lang ums Überleben kämpfen. Unter Druck und mit der Angst, dass alles nicht reicht, was man sich abringt. Wie halten die Menschen das durch? Wieso machen wir das mit und überleben das? Ich weiß es: Es ist die Hoffnung auf Besserung. Die Hoffnung ist gefährlich. Sie kann nur ein Konstrukt des Systems sein. Schon das kleinste Bisschen Hoffnung macht uns zum domestizierten Haustier, macht uns blind, wischt alle anderen Wahrscheinlichkeiten aus unserem Kopf und lässt uns weitermachen, auch wenn wir es besser wissen müssten.

Und du wehrst dich wie ein Tier.

Aber es ist doch so: Die Hoffnung auf eine Art der Erlösung, sei sie noch so erlogen und konstruiert, bringt uns dazu, zu parieren, zu funktionieren, unsere Konkurrenten aus dem Weg zu beißen in ebenjener Hoffnung, dass gerade wir irgendwann zu den wenigen gehören, die es schaffen. Und die Mehrheit zurücklassen. Sollen die anderen doch verlieren, solange wir gewinnen.

Erst der Leidensdruck, wenn die Hoffnung stirbt, öffnet das Tor zur Veränderung. Ähnlich wie bei mir. Jetzt bin ich ganz ohne Druck, verdinge mich meiner Arbeit ohne Zwang: Ich bettle. Ich winkle die Beine an, umgreife meine Knie und verstecke mein Gesicht unter den Oberarmen. Ich sehe nur Füße, Asphalt, Waden und bunte Einkaufstüten. Gelächter und Stimmen werden zum Hintergrundrauschen, wie ich es als Kind im Schwimmbad oft hörte, wenn ich auf dem Handtuch lag und die Augen schloss. Alle stecken so tief in ihrer Welt fest, dass sie mich kaum wahrnehmen. Das ist gut fürs Eingewöhnen. Trotz Gedrängel sind die so anständig, dass sie nicht gegen meinen Becher treten, sondern drum herum steigen.

Pause.

War ich eben eingenickt? Ich muss mich schon ganz schön wohlfühlen, dass ich mitten in der Öffentlichkeit schlafe. Zwei Stunden sind vergangen, wie ich auf der Armbanduhr sehe, die ich in meiner Tüte verborgen habe. Ich habe noch keinen einzigen Cent erbettelt, aber dafür umgibt mich bereits eine Art Sicherheit. Ich kann jetzt aufschauen und die Leute beobachten. Von außen sehen die Leben der Menschen immer so perfekt aus. Da hinten hocken ein paar Frauen mit Sonnenbrillen auf der Terrasse des Chuches und genießen riesige Kuchenstücke.

Magenknurren.

Ein paar Jungs mit Skaterklamotten und Rennrädern rollen an mir vorbei und finden sich total cool. Und jetzt geht eine junge Frau an mir vorbei, hübsch, lange Beine, ihr Blick irgendwo im Nirgendwo hinter einer großen Sonnenbrille. Früher hätte ich mit den Jungs noch gebiket und der Frau hinterhergeschaut, aber ich gehöre nicht mehr zu ihnen. Das Seltsame ist: Die Leute nehmen mich als Obdachlosen wahr, und in dem Moment, in dem ich das spüre, weiß ich, ich bin auch einer. Aber in meinen Becher schmeißen sie trotzdem nichts. Vielleicht hätte ich mehr von dem schwarzen Lidschatten in mein Gesicht schmieren sollen. Oder vielleicht sollte ich irgendwie sediert gucken.

»Ey, Kumpel, was geeeeht?«

Meine Güte, genau das wollte ich vermeiden, vor allem an meinem ersten Tag: Ein dreckiger, besoffener Typ eiert von der Seite auf mich zu. Er, seine Flasche und seine Fahne lassen sich neben mir nieder. Ich bin genervt und frage: »Macht man das so? Zu zweit dasitzen, wenn einer gerade versucht zu arbeiten und an Geld zu kommen?«

»Kann man machen, wie man lustig ist, Kumpel. Ich wollt mal hallo sagen. Ich hab dich hier noch nie gesehen. Hallo.«

»Hallo.«

»Kochi, und du?«

Zum Glück streckt mir der Typ nicht auch noch seine schwarze Hand zur Begrüßung hin.

»Maik.«

Kochi nickt.

»Und? Schon reich?«

»Nein, nicht so toll heute.«

Stöhnend beugt Kochi sich vor, schaut in meinen Becher und dreht dann seinen Kopf zu mir nach hinten.

»Was los, Junge? Scheiße drauf?«

»Ich weiß nicht, ich bin nicht so in Übung.«

»Ja, du siehst frisch aus. Noch nicht lang auf der Straße, was?«

Ich zucke mit den Schultern. Der Typ lehnt sich noch näher zu mir und glotzt, als wollte er prüfen, ob meine Nase mittig sitzt. Er grinst: »Nein Kumpel, ich weiß, was geht, du bist nüchtern!«

Was ist daran lustig? Zumindest muss Kochi husten vor Lachen und röchelt hinterher: »Komm, Junge. Willst du was hiervon abhaben? Das ist Klarer. Gutes Stöffchen. Hab ihn aus dem Supermarkt da. Da hinten. ’Ne Menge Asche.«

Mir wird schlecht, als er die Flasche mit dem billigen Zeug vor mich hält.

»Nee danke.«

»Komm schon. Mal nippen. Wirst sehen, dann klappt’s auch mit der Asche.«

Der Kerl drückt mir die Flasche in den Oberarm und stinkt so nach Schweinestall, dass ich am liebsten meinen Magen auf seine Hand entleeren möchte. Aber der ist schon leer.

»Meine Güte … jetzt hör auf. Ich will nicht, okay?«

Kochi reißt die Augen auf, darin vermischen sich Überraschung und Verachtung.

»Oho, das will er nicht, der Herr. Passt nicht hierher, ist was Besseres, da braucht er keine Asche im Becher.«

Du benimmst dich wie ein arrogantes Mädchen. Verscherz es dir nicht gleich am ersten Tag. Du solltest offener sein, wenn du keine Feinde haben willst. Tu wenigstens so. Außerdem muss was in deinen Magen.

»Na gut, ich trink mal kurz.«

Ich nehme Kochi die Flasche ab und schaue in seine kleinen entzündeten Augen, deren gesehene Bilder ich nicht kennen will. Ich halte seinen Blick aus, während ich den Deckel abschraube und mit meiner Hand über die Öffnung wische.

Besser noch mal wischen.

Das Zeug brennt wie Benzin. Zwei große Schlucke halte ich aus. Natürlich ist es das Billigste, was man kriegen kann. Ich gebe ihm die Flasche zurück: »Danke.«

»Klar, Mann. Hast du bisschen Kleingeld? Ich meine, hast du wirklich gar nichts gesammelt? Komm schon, du hast doch schon was weggesteckt, oder? Das hier ist bester Klarer. ’Ne Menge Holz, Alter.«

Ich lache. Was soll ich tun? Ein bisschen Geld hab ich für den Anfang in meiner Hosentasche. Die Schlucke von Kochis Zeug sind keinen Cent wert, aber ich werde den Typ sonst nicht mehr los.

»Mal sehn.« Aus meiner Hosentasche krame ich eine ordentliche Menge Münzen.

Ich zähle sie in meiner Hand und überlege, wie viel ich Kochi geben will, als seine Griffel zugreifen und alles schnappen.

»Danke, Junge, das passt dann schon.«

Gut. Das war das. Kochi zählt die Münzen mit ungläubigem Blick.

»Und dafür hast du den ganzen Tag geschnorrt?«

»Wie? Das ist doch viel.«

»Quatsch. Besoffen, oder was?«

Wieder eine Mischung aus Kichern und Husten. Schön, wenn ich anderen eine Freude machen kann.

»Im Ernst, Mann, das sind höchstens, fff, na ja, sagen wir mal, drei bis sieben Euro.«

»Ah, du bist ein Mathegenie. Und die ganze Flasche kostet wie viel? Zwei fünfzig?«

»Ich sammle dreißig an guten Tagen. Wenn ich das jeden Tag fett mache, bekomme ich mehr als ein … na, wie heißen die, die nix machen und Geld kriegen?«

»Hartz IV-Empfänger?«

»So was würde ich nie machen, die faulen Säcke. Da bleib ich lieber auf der Straße und schnorre für mein Geld. Manche Typen sprechen die Leute sogar an. Fragen an Ticketautomaten oder im Bahnhof nach Geld. Nerven rum. Werden aggressiv. Ich mag das nicht so.«

»Ja, klingt nach ’ner Menge Spaß.«

Dann dreht Kochi mir sein sonnen- und dreckgebräuntes Gesicht zu.

»Auf der Straße leben und Schnorren ist das Letzte, Alter.«

Pause.

Wieso schockt mich das? Weil es von einem besoffenen Straßenprofi wie ihm kommt, der sich doch schon daran gewöhnt haben müsste? Was habe ich erwartet?

»Ich hatte gehofft, das sei so rockstarstyle, Ghetto, Koks, Frauen, Aliens.«

Wir lachen beide, als Kochi mir noch mal die Flasche hinhält und raushustet: »So oder so, mit ein bisschen von dem Zeug hier geht alles besser.«

Es reicht, du bist gleich betrunken.

Ich wische die Zweifel weg, hab schließlich genug Geld dafür bezahlt, nehme die Flasche, hole Luft und setze an. Während ich meinen eigenen Schluck höre, sehe ich, wie auf der anderen Straßenseite eine Dame steht und mich mustert. Sie ist Mitte dreißig, trägt eine pinkfarbene kurze Jacke, einen großen Hut, eine enge Jeanshose. Sie sieht ganz hübsch aus, stolz und doch unsicher. Ich kann ihren Blick hinter der großen Sonnenbrille spüren. Wie Lichtschwertstiche. Mist. Sie soll aufhören, mich anzuglotzen. Ich trinke weiter und richte dabei die Flasche so aus, dass sie meine Augen bedeckt. Ich darf die Flasche nicht absetzen, zumindest so lange nicht, bis die Frau wegschaut. Oder bis ich betrunken genug bin, um ihre Stiche nicht mehr zu spüren.

Die Menschen nehmen dich als Obdachlosen wahr. Und in dem Moment, in dem du das spürst, weißt du, du bist auch einer. »Auf der Straße leben und Schnorren ist das Letzte.«

»Ey, Alter, sauf nicht alles weg.« Kochi reißt die Flasche an sich. »Alter, ey, Mann, ey, die ganze Pulle …« Er murmelt vor sich hin und pumpt den Rest aus der Flasche ab, da sehe ich die Frau in Pink in unsere Richtung steuern. Wohin genau läuft sie?

Sie kommt auf euch zu.

Was will sie? Was mach ich jetzt?

Beruhig dich.

Ich kehre auf meine Ausgangsposition zurück und suche Deckung unter meinen Armen.

Nicht bewegen. Nicht hochschauen. Dir kann nichts passieren. Einfach nicht bewegen. Und besser auch nicht atmen.

Während Kochi weiter unsinniert und ich die Arme fest um meinen Kopf lege, sackt mir hier unten der Alkohol ins Gesicht. Es scheint anzuschwellen. Von allen Absätzen der Straße höre ich nur zwei, die in großen Schritten auf mich zukommen. Sie bleiben genau vor mir stehen und klappern unruhig auf der Stelle.

Nicht atmen, nicht aufschauen.

Ein Rascheln und ein Klingeln von Münzen in Händen.

Luft anhalten.

Mir wird heiß und schwindelig, als eine ganze Menge schwerer Münzen in meinem Becher landet.

Wie viel ist das wohl?

Muss Luft holen. Kopf hoch, alles dreht sich, ich sehe, wie die Dame mir direkt in die Augen schaut, höre mich sagen: »Danke.«

Das ist alles?

Umso mehr sagt dafür Kochi.

»Ha, danke Lady. Sie sind gutmütig. Warten Sie! Und die rosafff Farbe auf ihrem Kleid, Stil, Sie haben wirklich … warten Sie. Frau … hallo, hallo!«

Die Dame versucht Haltung zu bewahren, aber ihr Gesicht schreit vor Entsetzen. »Diese besoffenen Penner sind furchteinflößend«, denkt sie sicher. Sie nickt, dreht sich um, dann wird aus ihren normalen Schritten ein Rennen, auf das Café Chuches zu. Gut gemacht, wir haben sie vertrieben.

Was soll’s? Du wirst sie wiedersehen. Du hast dein erstes Geld im Becher und bist ordentlich betrunken.

Jetzt gehöre ich offiziell hierher.

//ARBEIT//Nachmittag: Aline//

Fluchtdrang.

Nur ein paar Münzen wollte ich dem Wohnungslosen in die Dose werfen, und jetzt diese seltsame Intimität: Unsere Augen berühren sich. Er sieht nicht aus, als müsste er auf der Straße leben. Er sieht aus wie … ja, wie ein ganz normaler Mensch. Im Gegensatz zu seinem Freund, der mich jetzt auch noch auf meinen Modestil anspricht. Seine Stimme klingt schrecklich. Und er riecht erbärmlich.

Zum Glück befindet sich direkt gegenüber das Café Chuches, in dessen heimeligen Wänden ich gern für ein Stück Kuchen verweile. Ich renne darauf zu und beschließe: Eine kleine Belohnung habe ich mir verdient. Wie immer zur Nachmittagszeit ist es dort gut gefüllt, dennoch erwartet mich mein Stammplatz in der Ecke. Ich lasse mich nieder, stelle meine Einkaufstüten daneben und lege meinen Hut vor mich auf den Tisch. »Einen Café au Lait, bitte«, rufe ich der jungen Bedienung zu. Ich atme tief ein und lange aus. Der Atem führt zur Seele, habe ich neulich gelesen.

Augen zu. Nebenan Geräusche von dem dreijährigen Kind und der jungen Mutter. Sehnsucht. Augen auf.

Die Musik hat Mühe, sich ihren Weg durch die vielen Stimmen zu bahnen. Ich kann kaum meine eigenen Gedanken hören. Die viele Arbeit zehrt an meinen Nerven, und ich bin müde nach dem gestrigen Abend mit meinen drei Bridgedamen. Die Uhrzeit, zu der sie schließlich gingen, hat meiner Gastfreundschaft recht gegeben. Bei Prosecco und Finger Food blieben sie bis in den späten Abend. Da ich das Küken unter ihnen bin, beeindruckt sie meine Arbeit nur noch mehr und sie loben meinen Sinn für das Schöne.

Mein ganzes Umfeld kommt aus gutem Hause.

Das Pärchen an der Bar. Wie glücklich die beiden aussehen.

Alle haben Geld.

Sie ist wunderschön und jung, mit einer Frisur und einem Make-up wie aus einem Magazin, dazu ein enges weißes Minikleid und dicke modische Stiefel. Er ist gutaussehend, stilvoll im Anzug. Und reich.

Mein Mann mag es nicht, dass wir auf dem Konto nicht mithalten können. Ich unterstütze und beruhige ihn, wie es sich für eine gute Lebenspartnerin gehört.

Und Kinder im Anmarsch.

»Unser Sohn wird eine hochgradige Ausbildung brauchen«, erkläre ich ihm immer.

Die perfekte Harmonie, spannende Gespräche und ein inniges Sexleben.

Das zu leisten ist nun mal nicht so einfach.

All das läuft bei dem Pärchen gegenüber wie von selbst, so wie es kuschelt und gestikuliert. Lachend genießen die beiden ihre Zeit bei bitzelndem Champagner und Kribbeln im Bauch. Sie lieben und respektieren sich, nehmen sich, wie sie sind. Sie scheinen wirklich glücklich, so wie sie alles um sich herum vergessen. Wenigstens für den Moment. Das denkst du, nicht wahr? Davon träumst du.

Wir sind auch ohne das hochschwangere Konto eine perfekte Familie.

Achtung, das Mädchen schaut rüber.

Wo ist mein Einkaufszettel?

Nervöser Blick zur Bar, das Mädchen lächelt. Du nickst zurück.

Ich atme ein, atme aus und bin voller Leichtigkeit und Klarheit. Aber etwas beschäftigt mich heute. Als ich am Morgen aufstand, herrschte Unordnung in der Lounge. Dabei war ich mir sicher, dass ich gestern Abend alles aufgeräumt hatte. Ich lasse nie etwas über Nacht stehen, sonst kann ich nicht schlafen. Aber an diesem Morgen, als ich im Nachthemd die Treppen hinunterstieg, klafften die Schubladen des Wandschranks offen und waren leergeräumt bis auf die Knochen. Tischdecken, Teller, zerwühlt und zerbrochen. Sogar die privaten Fotoalben und die Kisten mit Postkarten und Erinnerungsstücken lagen ausgebreitet im Chaos. Man hat nichts gestohlen, glaube ich. Es schien, als hätte man etwas gesucht. Gott weiß, wer das war, vielleicht mein Mann, aber wieso sollte er so etwas tun? Ich klaubte das Gröbste zusammen und ging erst einmal einkaufen.

Was man eben so macht in einer beängstigenden Situation.

Beim Einkaufen bekomme ich wieder Boden unter die Füße.

Nun muss ich meinen Kaffee zahlen, dann nach Hause und weiter aufräumen. Das Pärchen an der Bar zwitschert immer noch.

Sehnsucht, wieder.

Ich krame im Innenfach meiner Celine-Handtasche, um mein Portemonnaie zu suchen, finde stattdessen aber etwas anderes: ein zusammengefaltetes Papier. Das kenne ich! Es ist ein alter Brief. Mein Mann hat ihn mir ganz am Anfang unserer Liebe geschrieben. Aber über der Handschrift steht etwas anderes, etwas Neues, quer mit rotem Filzstift geschrieben. Ich kann es nur mit Mühe lesen:

»Die Liebe ist ein Schmetterling,

bunt und wunderschön.

Doch fang ihn ein und du wirst ihn,

gemein vergehen sehn.«

Das ist aber infantil.

Ist etwas infantil, das vom Tod spricht?

Ist hier vom Tod die Rede? Ich kenne diese Schrift. Woher kenne ich sie nur, wer war das, wer hat meinen heiligen Liebesbrief mit seiner Kritzelei entweiht?

Undefinierbares Emotionsgemisch aus Trauer, Wut und Schock.

»Sie möchten zahlen?«

Ich schaue zur Kellnerin auf. »Ja, bitte.«

Bebend suche ich nach Geld, sehe aber nur verschwommen hinter meinem Tränennetz. Ich weiß nicht, was mich mehr bewegt, die Angst, dass jemand bei uns eingebrochen ist oder dass dieser jemand es irgendwie geschafft hat, eine alte Erinnerung in meine Tasche zu stecken.

Oder gar die Erinnerung selbst?

Die Kellnerin schaut sich hektisch um und signalisiert damit, dass sie es eilig hat. »Entschuldigen Sie. Stimmt so.« Ich reiche ihr einen viel zu großen Schein, packe alles zusammen, stopfe den Brief in die Tasche zurück und finde noch genug Ruhe, um der weiblichen Hälfte des glücklichen Pärchens an der Bar zuzunicken. Dann eile ich zum Auto. Ich muss etwas unternehmen.

//ARBEIT//Nachmittag: Fiona//

OMG! Was so alles abgeht auf so einem VIP-Aftershowparty-Konzert-Modenschau-Dings, auf dem sich die Celebritys die Sektflöten in die Hand geben.

Du fühlst dich doch selbst wie ein Celebrity. Bisschen daneben.

Stimmt. Ich warte im Chuches an der Bar. Immer noch in meinem weißen Minikleid und mit dem Make-up vom Laufsteg. Meine Füße glühen in den dicken Boots, und ich habe noch keine Sekunde geschlafen. Ich möchte auch nicht schlafen. Ich möchte jede Sekunde dieses Moments erleben. Eigenchemie flasht noch, die fremde Chemie wohl auch. Außerdem sitze ich schief, Jesus, ist das der Barhocker? Ich hab in dieser Abenteuerlust eben meinen Fuck Buddy angerufen, na und? Wir trinken noch einen, und dann kann ich irgendwann ins Bett – vielleicht mit ihm, vielleicht ohne ihn, mal sehn.

Der Duft von frisch gebackenem Kuchen wabert durch den Raum, du kannst ihn fast sehen.

Nichts gibt’s. Ich habe jetzt fast vierundzwanzig Stunden durchgehalten, da werde ich vorm Schlafen auch nichts mehr essen. Ich war gestern schon dicht und ohne Nahrung, als meine neue Kollegin Zoé und ich bei der Location ankamen. Die Pause hatte ich zu Hause verbracht, wo ich mir extra vor der Show das Essen verkniffen hatte, da das meinen Bauch aufblähen würde. Dafür gab es das letzte Bisschen Kokain. Es waren noch vier Stunden bis zum Showbeginn. Vor Ort räumte das Eventpersonal in der Gegend rum, baute auf, Licht hier, Licht da, Mikrocheck, Gläserklirren. Aber die Styling-Leute waren verschollen. »Jeden Moment müsste der Rest der Crew kommen«, pfiff uns die Organisationstante entgegen und kam mit Halsbändern auf uns zu. »Hier, nachher für die Party, die All-Access-Pässe und die für den Jacuzzi-Bereich.« Und weg war sie. Ich wusste in dem Fall, was »jeden Moment kommt die Crew« hieß. Also nutzten wir die lange Zwischenzeit sinnvoll aus, mit etwas, das wir eigentlich nicht durften: Wir machten uns auf dem Laufstegrand breit, kippten Drinks runter, rauchten Kette und kicherten behämmert vor uns hin.

Meine Kollegin so: »Hast du die Jungs von MTV vorhin gesehen? Der eine war ja süß.«

Und ich so: »Nee, kenn ich nicht. Die sind mir zu jung. Aber der eine von dieser Soap soll kommen … na, dieser schlechten Soap … was weiß ich … der Blonde … genau!«

Und sie so: »Hä?«

Und ich so: »Ja.«

So ungefähr. Andächtig vollzog Zoé einen Rundumblick durch den Raum und schüttelte sich ein wenig vor Ekstase. »Hast du schon gehört? Die Aftershowparty soll der Wahnsinn werden. Lauter Promis, Musiker und Rockstars. Das soll letztes Jahr schon so heftig abgegangen sein.«

Zoé sprach aus, wovor ich Angst hatte. Es scheint vielleicht schräg, wenn man mehr Lampenfieber wegen der Aftershow-party hat als wegen der Show selbst. Aber das ist so: Der Laufsteg ist dein Job, da geht es um deine Rolle, hinter der du dich verstecken kannst. Wenn die nicht funktioniert, ist es nicht deine Schuld und es berührt dich nicht so. Aber auf einer Party bist du allein mit dir selbst, und nur du hast die Verantwortung. In solchen Momenten weiß ich manchmal nicht, wen ich zeigen soll – die Figur vom Laufsteg, die von backstage oder irgendwas ganz anderes.

Ich war erst skeptisch gegenüber Zoé, weil sie so ein vielversprechendes saujunges Teenager-New-Face ist, das für Jobs durch die Weltgeschichte tingelt.

Neid?

Kein Neid, nur ist sie eben so jung.

Im Gegensatz zu dir, meinst du.

Während wir tranken, erzählte sie von einer Agentur in Asien, bei der sie täglich gemessen wurde, und wenn sie zugenommen hatte, bekam sie kein Taschengeld. Im nächsten Atemzug erzählte sie mir wieder, dass sie sich ihre Hosen anfertigen lässt, weil ihr die normalen nie passen bei ihrer Figur. In ihrem Kükendasein lässt sie sich natürlich beeinflussen und vieles mit sich machen, um vorwärtszukommen.

Gib’s zu, du bist trotzdem neidisch und denkst, es lohnt sich.

Dass sie so jung war, war gestern Nachmittag immerhin ein Vorteil für mich, denn so konnte ich sie ganz einfach abfüllen und das Beste aus der Warterei machen. Unsere Kicherfrequenz stieg proportional zum Alkoholkonsum. Plötzlich drückten sich zwei Securitys neben uns rum: »Ey, hi. Also, ihr dürft hier nicht sitzen. Ihr lauft doch nachher?«

Zoé und ich trafen uns mit den Blicken irgendwo im Raum. Dann richtete die Kleine sich auf, als hätte ein Groupie sie um eine Autogrammkarte gebeten.

»Jaja, das sind wir. Das soll toll werden. Wir freuen uns schon.«

Ach was soll’s, ich ließ mich einfach von Zoé Superstar mitreißen: »Ja, das sind wir. Da machen auch voll viele andere Supermodels mit, oder Zoé?«

Gott, bist du peinlich.

Die Blicke der Securitys wanderten wohlwollend an uns auf und ab. Die so: »Können wir ein Foto mit euch machen?«

Und ich so: »Weiß nicht. Sollen wir?«

Kurzes Nicken, schon hatten wir jeweils einen von den Typen in unserer Mitte, während der andere das Foto machte. Das Security-Pärchen war aus der Wandschrank-Serie »drei Glatzen kleiner als ich, dafür zwölf Bizeps breiter«. Wie seltsam muss das aussehen neben so zwei stelzigen Riesenweibern. Ich frage mich, was die Kerle von solchen Fotos haben, wenn sie sie nicht gerade auf freaks.de hochladen. Aber gut, es sorgte bei mir für so was wie ein Starfeeling, und das brauchte ich – dringend!

Der kleinere von den Typen war der Sprecher: »Danke, Mädels. Viel Spaß noch. Aber geht mal nach hinten, bald ist Einlass.«

Zoé hampelte rum.

»Oh ja?«

»Oh ja« passte nicht in den Kontext, aber dann fand sie etwas, das sie nachschieben konnte: »Kommen heute wirklich lauter Rockstars?«

»Ja, da haben sich ziemlich viele angekündigt. Slayer, Rammstein, Juliette Lewis.«

»Oh ja?«

Scheiße, Slayer?

Zoé schickte mir ihr schönstes Postkartenlächeln zu und hatte keine wirkliche Ahnung, von wem die Rede war.

»Wir passen nachher auf euch auf, wenn es zu wild wird. Wir stehen immer da hinten.« Der Sprecher zeigte … keine Ahnung wohin. »Wenn was ist, meldet euch einfach.«

»Danke, total toll«, sagte sie.

Natürlich gingen wir nicht nach hinten, nachdem die Securitys abgezogen waren. Die Zeit verstrich und Zoé hampelte weiter.

Sie so: »Slayer soll kommen? Hihi, hoho«

Sie so: »Und Rammstein? Oh my Gooood!«

Sie so: »Ich muss mal.«

Und ich so: »Wo bleiben nur unsere Leute, verdammte Scheiße?«

Schwenk durchs Café. Da sitzt eine Frau an einem Bistrotisch und starrt entsetzt auf einen Brief.

Wo war ich?

Was da wohl drauf steht? Die Frau ist eine elegante Erscheinung, Klamotten gebrandet, kurzes pinkfarbenes Jackett mit Blütenprint, ein riesiger Hut vor ihr auf dem Tisch, eine Skinny Jeans von Nudie, Sonnenbrille von Dior, auf dem Boden volle Einkaufstüten aus Edelboutiquen. In dem Luxus möchte man schwelgen.

Wo war ich?

Bei der Arbeit.

So langsam tropften doch ein paar Crew Member in die Location und nahmen uns mit nach hinten. Ich ahnte, das Styling würde knapp und katastrophal werden. Die Nervosität kribbelte am Kopf. Ich versuchte, das Gefühl in Sekt zu ertränken. Eigentlich mag ich ja Lampenfieber, wie erwähnt, aber das war schon unangenehm oszillierend. Oder war’s geil?

Die Frau in Pink ist ganz hübsch, nur ein bisschen bieder. Mütterlich. Genau der Typ Frau, den Männer wollen. Sie hat zu Hause bestimmt eine perfekte Familie. Die wunderbarste Harmonie, spannende Gespräche und ein inniges Sexleben. Und Kinder im Anmarsch.

Weiter ging’s mit dem Stylingteam, als das endlich vollständig war. Alles lief verdammt hektisch ab. Die Garderobe war eine Zumutung. Paravents standen sinnlos im Weg rum, besoffene Menschen mit Backstagebändchen verirrten sich immer mal wieder in den Raum, standen kopflos in der Gegend und fragten, ob sie Fotos knipsen dürften.

Zuerst kam ein leicht morbides Make-up dran, ein Stück Papier wurde auf meine Wangen geklebt und darüber Rouge in einem metallischen Violett gepinselt. Dann ging es weiter auf den Frisierstuhl, wo Lockenwickler in meinen Haaren landeten. Währenddessen wurde die Musik draußen immer lauter und rockiger, der Moderator sagte was von Verzögerung, und an meinen Haaren rupfte ein standardmäßig genervter Hairdresser rum.

Ich saß immer noch auf dem Stuhl, als sich schon die ersten Mädchen an der Treppe zur Bühne aufreihten. Es macht mich wahnsinnig, wenn ich höre, dass die Moderation uns ankündigt, die Musik losgeht, und ich immer noch nicht fertig bin.

All das Geackere lohnt sich aber am Ende für das kurze Gefühl auf dem Laufsteg. Und es lief super. Die Show war heiß, die Musik herb, die Klamotten knapp. Schon beim Fitting hatte ich den punkigen, aber edlen Style geliebt. Jeans, Leder, Latex, zwischendurch auch mal ein bisschen Seide. Das bin ich! Der sexy, unwiderstehliche Vamp!

Der unwiderstehliche Vamp? Du bist immer noch high.

Arbeit kann man das wirklich nicht nennen, was ich da mache, das ist mein Leben. Deswegen beschäftigst du dich auch nur damit, deswegen hängt dein Selbstwertgefühl nur davon ab.

Und die VIP-Aftershowparty war großartig. Alle wollten Fotos mit uns machen. Einer von Rammstein hat mich angebaggert. Na ja, sagen wir eher, ein Fotograf und guter Freund von Till. So ist das eben, ich war selbst auch schon öfter die jüngere Schwester von Inga Halström, wenn ich auf eine Party wollte. Nicht, dass so eine Designerin existieren würde, aber hört sich halt gut an. Zoé und ich haben getanzt, getrunken, Drogen konsumiert, uns vom Jacuzzi im Bikini mit lustigen Jungs durchblubbern lassen.

Und wenn du siebenundfünfzigmal von den Gästen hörst »girls, you are amazing«, dann glaubst du es irgendwann auch.

Recht haben sie. Jawohl. Zwischendurch haben wir uns mal gegenseitig fotografiert und auf Instagram gepostet. Als die Lichter angingen, bin ich noch zu ein paar Leuten nach Hause und wir haben weitergefeiert. Bis jetzt.

Die Kellnerin läuft wieder vorbei, und du fühlst dich unsichtbar. Das passt nicht zum Höhenflug.

Eigentlich müsste ich meine Abenteuer dokumentieren und veröffentlichen, aber ich traue mich noch nicht. Ich habe auch niemandem von der Show erzählt. Ich brauche keinen meiner Freunde oder Männer dort. Nicht, dass es mir peinlich wäre oder so. Aber trotzdem. Nicht alle sind so offen wie ich. Viele würden ein bisschen Spaß im Bikini als billig oder imageschädigend ansehen. Oder als Untergang der Sitte, keine Ahnung. Aber ob etwas daneben ist, ist mir doch egal, denn daneben ist es nur für andere. Und interessieren mich die anderen? Ich denke, ein Model ist von Grund auf exhibitionistisch veranlagt. Muss es sein. Manchmal tut es einfach gut, wenn Leute mir auf den Arsch schauen. Ich kann stolz sein auf meinen Körper, warum sollte ich ihn dann verstecken? Verhüllungszwang erachte ich nicht gerade als Fortschritt der Emanzipation.

Ich meine, es war ja nicht wie in China: Es gibt solche Urban-Model-Legenden von Mädchen, die mit Roofies in Getränken sediert und gefügig gemacht werden. Das sind oft sehr junge Mädchen, die von ihren Agenturen in Bars oder auf Partys geschickt werden. Male Models werden oft dazu gebucht, um mit den Mädchen in den Bars zu flirten und sie erstmal schön geil zu machen, während sie die Drogen in ihre Getränke kippen. Bis die Mädchen total im Eimer sind und nichts mehr checken. Dann landen sie auf irgendeinem Hotelzimmer, wo sich der Kunde ihrer annimmt. Oder mehrere Kunden, Geschäftsmänner, irgendwelche Leute, die sich das teure Spiel leisten können.

Aus eigener Erfahrung kenne ich das Ding mit den Roofies nicht. Aber was sonstige Nebengeschäfte mit Models angeht, habe ich genug mitgemacht. Wie einmal mit einem Promoter in New York, wo ich für eine Agentur unterwegs war. Der Aufenthalt in Manhattan war kurz, der Eindruck hielt umso länger. Promoter wie Joshua sind Typen, die Geld dafür kriegen, dass sie Models in bestimmte Clubs holen. In diesem Setting sollen nämlich reiche männliche Gäste sehr viel Geld ausgeben. Die Models genießen durch die Promoter den Vorteil, dass sie als junge abgebrannte Mädchen oder Jungs in einer sauteuren Stadt umsonst die Sau rauslassen können. Das geht so weit, dass Josh den Models Apartments organisiert, in denen seine Mädchen keine der fiesen New Yorker Mieten zahlen müssen.

Ich hatte natürlich was mit Josh und dachte, er mag mich, weil er mich immer dabeihaben wollte und so zuvorkommend war.

War vielleicht ’n bisschen doof.