Die Myzelchroniken: Portalzauber - J Gipfelbasilisk - E-Book

Die Myzelchroniken: Portalzauber E-Book

J. Gipfelbasilisk

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Beschreibung

Nach einem Jahrzehnt in Vergessenheit stößt Zomis’ Geist im Myzel auf eine Gefahr: Eine Splittergruppe der Nord bedroht Zyamel mit der Öffnung eines alten Portals. Währenddessen suchen seine einstigen Gefährten Salrius und Kairon nach einem Kristall, der Schlüssel zu ihrer Herkunft sein könnte, und geraten in einen Konflikt, der sie bis an die Grenzen der bekannten Welten führt. Als der Anführer der Splittergruppe plant, ein Tor zur Quelle der Magie zu öffnen, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Doch in den Schatten schlummert eine Macht, die ihr Erwachen vorbereitet – und mit ihr wird Zyamel in Flammen stehen.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Impressum

 

Gipfelbasilisk

c/o Fakriro GbR / Impressumsservice

Bodenfeldstr. 9

91438 Bad Windsheim

 

© 2024 J. Gipfelbasilisk

Verlagslabel: Gipfelbasilisk

 

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist Gipfelbasilisk verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne Gipfelbasilisks Zustimmung unzulässig.

 

Tolino E-Book ISBN: 9783759243669

 

 

Lektorat: Maria Nitzl |https://mn-lektorat.de

 

Korrektorat: Mareike Westphal |https://worttief.de/

 

Kartenillustration: Timo Kümmel |https://timokuemmel.wordpress.com

 

Charakterillustration: Carolin Summer |https://wanderkraehe.de

 

Cover & Buchsatz: Juliana Fabula |https://julianafabula.de/grafikdesign/

Unter Verwendung folgender Stockdaten: shutterstock.com | Michael Hinkle, InspireZone, jessicahyde, Eky Studio, Abstractor, ekosuwandono, Remigiusz Gora | freepik.com

 

 

Eine Leseprobe befindet sich auf:

https://gipfelbasilisk.de/myzelchroniken

 

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Kurzvita

Widmung

Vorwort

Jinnathon Weltkarte

Prolog

Perqua

Zehn Jahre

Die Festung

Vorbereitungen

Die Jagd

Ein warmer Empfang

Die Akademie

Der Amüsierbetrieb

Der Abgrund öffnet sich

Das erste Blut

Abschied

Svavespoba

Wir sind die Letzten

Portalzauber

Wiedervereint

Blutvergießen

Die Gabe

Bannzauber

Weltenfall

Epilog

Danksagung

Dramatis Personae

Wesen & Völker

Die verschiedenen Sporlingsarten

Zyamel & Jinnathon

Content Notes

 

Kurzvita

 

Gipfelbasilisk wohnt mit seinem Mann in einem 300 Jahre alten Haus. Er liebt den Harz, die Natur und seinen verwilderten Garten, in dem sich so mancher Pilz findet. Sein Bücherregal wird von den Genres Horror und Fantasy dominiert.Neben seiner Autorentätigkeit streamt er auf Twitch.

 

Homepage: https://gipfelbasilisk.de/ueber-mich

 

Instagram, Twitch, Twitter, YouTube, Facebook, TikTok, Threads, Mastodon, Blusky: Gipfelbasilisk

 

Fotoquelle: Palandurwen https://www.instagram.com/palandurwen

Widmung

 

Für meinen Mann. Ja, auch in Band 2 bekommst du die Widmung, denn ohne dich und das Anfeuern in den vergangenen Monaten würde es ihn nicht geben. Danke für die viele Unterstützung und die Motivation, die du mir schenkst.

Vorwort

 

Die Arbeit an Band 2 ist emotional viel aufreibender gewesen als die Arbeit an Band 1. Das schreibe ich gerade, während ich das erste Lektorat einarbeite. Nachdem die Erstauflage, die bei mir lag, direkt ausverkauft war und die Rückmeldungen von euch so überwältigend waren, habe ich mir ziemlich Druck gemacht. Denn mein Anspruch ist, dass ich besser werde. Ich hoffe sehr, dass mir das gelungen ist.

 

Der vorliegende Band ist von den Themen und der Umsetzung erwachsener, aber nach wie vor gilt die Altersempfehlung ab 16 Jahren. Es gibt eine spicy Szene, und auch die Gewalt ist etwas expliziter geworden als in Band 1. Schaut gern an das Ende des Buches, dort findet ihr detaillierte Content Notes.

 

Es gibt aber keine Inhaltswarnung für queere Inhalte! Habt ihr ein Problem mit Themen, die die LGBTQIA+ Community betreffen, würde es mich freuen, wenn ihr das Buch dennoch lest, vielleicht kann ich euch neue Einblicke und andere Eindrücke vermitteln.

Prolog

 

Das Sein beobachtete das Geschehen. Etwas war falsch. Ein Unheil drohte. Aber das Sein war gespalten, zerfasert in den unzähligen Eindrücken des Myzels. Ein Funke flog violett schimmernd herbei, ein Wesen, ein Er? Er verschmolz mit dem Sein. Das Sein war ein Er … War er Er? Und wenn ja, wer war er dann? Die Gedanken, die Welten, all das prasselte auf ihn ein, riss ihn auseinander über die Jahre, gezogen von Bildern und Einsichten. Ja, das Sein war einmal jemand gewesen, nur wer?

Es spürte im unendlichen Strudel, dass Teile fehlten, Wissen fehlte, Bewusstsein fehlte. Was auch immer Er, Es … Sie waren, es musste sich zusammenfinden. Etwas geschah.

Das Sein reiste, weit, weit hinunter, vorbei an wartenden Wesen, tiefer in diese Welt. Zyamel, schwemmte ein alter Gedanke an sein Sein, flüsterte von früheren Leben. Ja, Zyamel hieß diese Welt, und er befand sich auf dem Weg nach Ygg. Dort war ein Teil. Eine Erinnerung, ein Stück des Seins, des Selbst.

Fluchlinge, Elfen und andere standen an den Toren zur Unterwelt an und warteten darauf, eingelassen zu werden. Gleichwohl glitt sein weniges Sein mühelos durch das Myzel, weiter auf diesen leuchtenden Knotenpunkt zu. Es spürte Wissen, unbekannte Erkenntnisse, die ihn lockten, an ihm rissen. Doch nein, das durfte nicht sein, sein Sein musste zusammenfinden. Inmitten des Geflechts leuchtete violett ein Fragment des Seins … ein Name.

Zomis. Das Sein war ein Er, und er war Zomis.

Zahlreiche Dinge geschahen gleichzeitig. Das Sein, nein, Zomis spürte, wie unendlich viele Teile seines Selbst, gerissen vom Strom seines Namens, seines Bewusstseins, den Weg zurück zu seinem Selbst fanden.

Er schrie.

Perqua

Neues aus dem Myzel

Zusammenfassung einer Legende aus dem Myzel Yggdrasils, gefunden an der Tafel einer Sporlingsstation in Quelldorf. Nach dem Wandel.

 

Die Nord mit ihren Geistern glaubten seit Anbeginn der Zeit an die große Göttin, welche außerhalb Zyamels über sie wachte. Sie war eine strenge Göttin, die jegliche Unreinheit ablehnte. Alles Hässliche musste von ihrer Schöpfung getilgt werden. Die Nord waren dazu auserkoren, ihr Werk zu erfüllen. Sie hassten mit Leib und Seele, was immer sie als besudelt ansahen. So auch die Fluchlinge.

Eine Legende besagte, dass es einst eine wunderschöne Matriarchin gab, die gut und gnädig war. Kurz nach der Geburt der Fluchlinge begrüßte sie das junge Volk offenherzig. Eine Zeit lang ging alles gut, bis ein Fluchling ihre Hand berührte. Von Tag zu Tag verging ihre Schönheit, und sie zog sich aus der Öffentlichkeit zurück. Die ihren vermissten sie, und ein besonders neugieriger Junge drang in ihre Gemächer ein. Schreiend rannte er heraus und verkündete, sie sei ein Monster und würde Leid über alle bringen, die sie ansahen. Auch der Junge veränderte sich und alle, die den Jungen an dem Tag sahen. Und wiederum alle, die jene sahen, die den Jungen gesehen hatten. Wie eine Krankheit verbreitete sich der Fluch unter den Nord – so glaubten sie zumindest. Sie schlachteten die verbliebenen Fluchlinge der Gemeinschaft ab, versperrten die Heime der Verfluchten und verbrannten sie samt ihren Häusern.

Seit diesem Tage sahen die Nord die Fluchlinge als unreine Rasse an und jagten sie aus ihren Dörfern – oder Schlimmeres.

...

Fast schwarz schälte sich das Gebäude aus dem weitläufigen Weiß. Die Feste Perqua lag einsam im hohen Norden, die vier Türme samt Mauer und Baracken hielten den Naturgewalten schon viele Jahrhunderte stand. Der Wind peitschte eisigen Schnee gegen seinen Körper. Bis auf den ledernen Lendenschurz war er komplett nackt. Er konnte sich die Schwäche, Kleidung zu tragen, nicht leisten, obwohl er Patriarch war. Zum Glück wärmte ihn sein Geist ein wenig und sandte Magie durch die schwarzen Tätowierungen, die seinen Körper zierten. Das sahen seine Stammeskameraden aber nicht.

Patriarch Geron inspizierte seine Truppen. Sie hatten vor Monaten die Feste Perqua eingenommen und die herrschende Matriarchin umgebracht. Bis auf die Fluchlinge, die sie für das Ritual benötigten, nahmen sie keine Gefangenen. Er sah angewidert auf die zitternde, eingepferchte Herde herab und spie aus. Sie gehörten nicht nach Zyamel, sondern an den Galgen und ausgerottet bis auf den letzten Wurm. Nachdem vor zehn Jahren der Wandel hereingebrochen war, hatten immer mehr Nord das Patriarchat ausgerufen. Die Frauen hatten viel zu lange Macht über sie gehabt. Geron hatte sich gegen alle Anwärter durchgesetzt und sie getötet. Nun stand er da, als erster Patriarch, mit knapp tausend Nord, die er in ein neues Zeitalter führen würde. Er sah vom Wehrgang in die Gesichter robuster Männer. Nur zwei Frauen hatten sich ihnen angeschlossen, die anderen waren im Kampf gestorben. Er nickte der Menge zu, und sie gingen an ihre Aufgaben. Alle in dieser Feste wussten, was sie zu tun hatten. So auch er.

Er kämpfte sich durch das Schneetreiben zurück in die Festung, die eher einer befestigten Baracke ähnelte denn einer wirklichen Unterkunft. Wände und Decke waren zwar aus Stein, aber der Platz war rar und die Einrichtung schäbig. In diesem Raum konnte er sich wenigstens zurückziehen und musste nicht neben den seinen im Feldlager schlafen. Auf seinem Schreibtisch lag nur ein einziges Buch. Er wälzte durch die Seiten und stoppte bei einer Zeichnung eines Tores zu einer anderen Welt. Er blätterte weiter. Etwas in ihm frohlockte. War das sein Geist? Das Bild zeigte einen Ort, den er nur als Paradies beschreiben konnte, und in diesem schwebte eine Kugel. Die Quelle der Magie.

Zehn Jahre

Neues aus dem Myzel

Zusammenfassung einer Legende aus dem Myzel Yggdrasils, gefunden an der Tafel einer Sporlingsstation in Ygg. Nach dem Wandel.

 

Die Fluchlinge lebten in Armut, Gefangenschaft und der ständigen Angst, wegen eines Vergehens getötet zu werden. Eine Legende besagte, dass in der Stunde der größten Not ihre Gesellschaft von all dem Leid, das sie ertragen mussten, befreit würde. Viele von ihnen hatten im Laufe der Jahre den Glauben an diese Mär verloren, und so bildete sich in den Schatten der Kult des Schädels. Dieser strebte danach, die Fluchlinge von ihrem Joch zu befreien. Es war die Sprache von Blutopfern und böser Blutmagie, welche die Anhänger verübten. Auch war es zu Übergriffen gegenüber anderen Völkern gekommen. Einige hielten diese Sekte für einen Mythos, andere beteten den Schädelgott als Erlöser an. Selbst nach dem Wandel, der vieles für die Fluchlinge zum Besseren verändert hatte, gab es noch Einzelne, die diesen Gott verehrten und sich einen weiteren Wandel wünschten. Das Ziel dieses Kultes und seiner Anhänger war es, ihn nach Zyamel zu holen.

...

Er schwebte im Myzel dahin, er wusste wieder, wer er war. Zehn Jahre waren vergangen. Sein Abenteuer mit Salrius, Kairon und Waithe eine ferne Erinnerung. Er trieb auf dem Rücken liegend durch das Gewebe. Seit dem Tag, an dem er sich zusammengefunden hatte, war so vieles passiert und er hatte so manches erfahren. Es war schwer, den Geist zusammenzuhalten, und er drohte, sich erneut in den Eindrücken zu verlieren. Der Strom an alten und neuen Geschichten war wunderschön. Für ihn war es wie das Leuchten der Sterne über Zyamel. Er sah alles, was vom Pilz durchzogen war, er wusste alles, was der Pilz zersetzt hatte. Er durfte nicht eingreifen, er durfte nur beobachten. Aber das, was er jetzt wahrnahm, war so groß. Er musste es jemandem zeigen. Yoanoh hatte ihn gelehrt, dass sie nur in Ausnahmefällen warnen durften. Zyamel würde untergehen, wenn eintrat, was er sah.

...

Die dunkle Zeltplane wogte sanft im Wind, und die kleinen Flammengeister spendeten seichtes Licht. Der schwere Rauch von Traumkraut brannte in ihren Lungen, aber sie liebte den Geruch. Sie musste die Vision der letzten Nacht überprüfen und legte die erste Karte.

Die Vorhersehung.

Die zweite … Das Ziel.

Die dritte … Göttliche Fügung.

Ihre Augen weiteten sich, als sie die letzte Karte zog.

Das Ende.

Freiheit, schoss es ihr durch den Kopf. Das Ziel war nahe, und mit jedem Schritt über die vergangenen Jahre war sie diesem Ziel näher gekommen. Bald würde sie ernten, was sie vor so langer Zeit gesät hatte, und die Fluchlinge wären endlich wirklich frei.

...

Die Karawane würde hier auf ihre Rückkehr warten. Am Abend zuvor hatten sie den Fuß der Immerberge erreicht und ihre Zelte aufgeschlagen, denn fortan wäre der Weg nicht mehr so einfach und sie konnten nur noch mit leichtem Gepäck reisen.

Kairons warmer Körper bewegte sich neben ihm. Salrius lächelte.

In den vergangenen Jahren hatte sich viel verändert. Sie beide lehrten an der Universität in Quelldorf, und Kairon hatte vor Wochen einen Hinweis gefunden. Den ersten, der nicht auf einer Legende basierte. Endlich ein weiterer Baustein, der ihnen vielleicht verraten konnte, warum die Fluchlinge Teufelsmagie nur für andere einsetzen konnten.

Salrius drehte sich im Bett um und umschlang den nackten Körper seines Partners, sie mussten bald aufstehen, aber noch blieb etwas Zeit.

...

Matt bernsteinfarben leuchtete der Bau der Teufel über Jinnathon und bildete einen starken Kontrast zu dem schwarzen Äther. Der Stoff dieser Welt war von mystisch leuchtenden Winden durchzogen, die als transluzente Bänder die schwere Luft durchbrachen. Pulsierend glühende Luftfische schwammen in dem ätherischen Gewebe und vollführten mit diesem einen schimmernden Tanz.

Das Leuchten des Kokons nahm zu, und Dalgreth wand sich in Albträumen. Teufel stürmten mit erhobenen Waffen auf einen Weltenriss zu, daraus strömten Wesen, die er nie zuvor gesehen hatte, bis an die Zähne bewaffnet, und schlachteten die Teufel ab. In der Menge stand ein einzelnes Wesen und sah ihn direkt an. Es war kein Teufel, aber er sah aus wie einer. Sie waren sich ähnlich.

Er wurde sich des Traums gewahr und spürte seinen Körper schweißnass auf dem Bett liegen. Dann bemerkte er ihre Anwesenheit.

»Wappne dich, mein Heros, es wird nicht mehr lange dauern.« Die Stimme seiner Göttin dröhnte in seinem Kopf wie ein Paukenschlag, und er erwachte endgültig.

Sein Schlafkokon wackelte, als Leander auf diesem landete. Der Teufel sah neugierig hinein, bemerkte die blutigen Tränen, die aus den Augen seines Partners liefen.

»Hat sie dich wieder besucht?«

»Ist das nicht offensichtlich«, antwortete Dalgreth hart. Er stand auf, zog seinen schwarzen Wickelrock an und begann, sich den Goldschmuck anzulegen, der seine Stellung in der Gesellschaft symbolisierte. Leander half ihm, die Goldspitzen an Krallen, Hörnern, Flügeln und Schwanz anzubringen. Das letzte Stück erst vor Kurzem gefertigt, lag schwer auf seinen Schultern.

Dalgreth führte diesen Kokon, und seine Göttin hatte ihm deutlich gezeigt, dass sie sich vorbereiten mussten. Als Letztes setzte er die goldene Halbmaske auf, welche mit einem einzelnen Bernsteinkristall verziert war. Er spürte, wie sich die Magie in seinem ganzen Körper ausbreitete, mit dem Schmuck verband und einen harten Schild um ihn bildete. Er war bereit.

Leander ging vor ihm in die Knie und entblößte seine Halsbeuge. Dalgreth grinste, beugte sich hinab und biss zu. Sein Partner stöhnte vor Genuss auf. Nur die Magie, die Dalgreth durch das Blut anderer bekam, konnte er in sich halten, die seiner Göttin musste er sofort nutzen, sonst verging sie. Der einzige Weg, frei Zauber zu wirken. Sie alle taten es, um sich das Leben ein wenig zu erleichtern. Er hielt sich an die Prinzipien seiner Göttin, aber bei Leander machte er eine Ausnahme. Hätte sie gewollt, dass sie dauerhaft Zugriff auf Magie hatten, besäßen sie immer welche. Dalgreth leckte sanft über die Wunde, und sie schloss sich.

Leander griff nach seinem Körper.

Lachend nahm er seine Hand und küsste seine Finger. »Nicht jetzt, mein Herz, wir haben zu tun.«

Gemeinsam verließen sie Dalgreths Wohnkokon. Er breitete seine dunkelblauen Schwingen aus, ließ sich langsam hinabgleiten und landete auf dem Hautsteg vor dem Bogengang zum Zentralplatz in der Mitte des Kristalls. Der Steg pulsierte warm unter seinen Füßen, immer im Einklang mit dem Leuchten des Kristalls. Viele andere Teufel waren schon aus ihren Schlafstätten gekrochen, die sich spiralförmig an der Innenseite der Außenhaut ihres Baus in die Höhe und Tiefe wanden. Die Ruhe, die alles hier ausstrahlte, verdeutlichte ihm, wie sehr die Göttin um ihr Wohlbefinden bemüht war, indem sie ihnen innerhalb des Kristalls vielerlei Annehmlichkeiten bot. Die Stimmung der Anwesenden war gelassen … noch. Er sah sich um, begrüßte seine Geschwister und trat ein.

 

Die Haupthalle im Kristall diente als Versammlungs- und Trainingsplatz zugleich. Einige der seinen verneigten sich vor Dalgreth und entblößten ihre Hälse. Er ignorierte sie und trat besonders vorwitzige, die es wagten, sich ihm in den Weg zu stellen, hinfort. Aus den Augenwinkeln sah er, wie sein Partner lächelte. Sein Volk lebte nicht monogam, und auch Dalgreth konnte sich theoretisch nehmen, wen er wollte, wann er wollte. Doch er wollte nicht. Er begehrte nur einen, und der Zwang, den frühere Generationen ausgeübt hatten, war unter ihm abgeschafft worden. Teufel, die das taten, wurden bestraft.

Der letzte hatte weder Schwanz, Flügel noch Krallen. Er war einer der untersten. Dalgreth würde es nicht wundern, wenn seine Wohnung in den Tiefen des Kokons versteckt war, aber auch solche waren wichtig. Er besann sich, half dem unteren Teufel wieder auf und ging weiter. Er wollte nicht der grausame Anführer sein, den sein Lehrmeister aus ihm hatte machen wollen. Doch jetzt musste er hart sein, für seinen Kokon, für sein Volk, für die Zukunft. Der Bernsteinteufel, das Mahnmal für sie alle in dieser Halle. Er hatte die Gesetze der Göttin über seine eigenen zu stellen.

Er steuerte einen runden Platz an, der ihm vorbehalten war. Seine Peitsche lag auf einem Tisch. Er betrat mit ihr die Arena, legte sie auf den harten Boden und ging auf alle viere.

Leander pfiff anzüglich.

Dalgreth grinste, konzentrierte sich und zog an der Magie im Bernsteinkristall. Seine Göttin gestattete es, er spürte die wohlig warme Lebenskraft in ihn fließen, nur um ihn sofort wieder zu verlassen und ein Abbild der Feinde, die er im Traum gesehen hatte, zu erschaffen. Es waren hünenhafte Geschöpfe, kleine Wesen schwebten über ihren Schulten. Diese waren unterschiedlicher Gestalt, den Elementen nachempfunden und dennoch geisterhaft. Sie mussten die Invasoren töten, dies war heiliges Land, seine Göttin forderte, dass es nicht von Fremden beschmutzt wurde, und Dalgreth würde alles daransetzen, ihrem Wunsch zu entsprechen. Er zog erneut an der Magie, und im ganzen Raum, in jedem einzelnen Ring, erschienen solche Wesen. Die versammelten Teufel und Teufelinnen blickten zu Dalgreth.

Er breitete seine Schwingen aus, stieß sich vom Boden der Halle ab und rief:

»Wappnet euch! Neue Invasoren wurden uns prophezeit.« In einer fließenden Bewegung legte er die Flügel an und stürzte herab, schnappte sich seine Peitsche und schlug sie brennend dem Feind entgegen.

...

Salrius lächelte, als Kara sich aus dem Myzel erhob und sie aus müden Augenlöchern ansah. Bei ihr konnte er sehr viel deutlicher Gefühle und Regungen am Gesicht ablesen als bei Zomis damals. »Hast du etwas sehen können?«

Sie waren nun schon einige Wochen in den Immerbergen unterwegs und hatten immer noch keinen Hinweis auf die Festung des ersten Tiermenschen.

Kara schüttelte die Kappe, aus ihren Lamellen traten bernsteinfarbene Sporen, die Salrius sehr an Zomis erinnerten. Wenn er doch nur hier wäre.

»Vermutlich müssen wir noch höher«, sagte Kara, »in die Kälte, aber lasst uns dem Pfad folgen. Ich habe einen See gesehen, vielleicht können wir da Pause machen.«

 

Kairon und Salrius gingen voran, Anlara, die Arachnidenfrau, hob Kara auf ihren Hinterleib und folgte. Der Weg, den sie einschlugen, führte an einem Abhang entlang, über ihnen graue Felswände. Weit unten floss Wasser, den Berg hinab in Richtung Kaltfall. Salrius wandte sich um und blickte auf ein Wolkenmeer. Die Wolkengrenze hatten sie vor einigen Tagen durchbrochen. Ob jemals zuvor ein Wesen Zyamels seit den Zeiten des ersten Tiermenschen so hoch gewandert war?

Kairon knuffte Salrius in die Seite. »Du siehst müde aus, alles gut bei dir?«

Salrius sah seinen Partner verschmitzt an, gab ihm einen flüchtigen Kuss und ging wortlos weiter.

»Hey, kannst du auch mit mir sprechen?«

Salrius nahm seine Hand. »Mir geht es gut, mach dir keine Sorgen!«

Stumm gingen sie weiter und lauschten dem aufbrandenden Gemurmel eines großen Gewässers. Nach einer Biegung brach der Weg vor einem Wasserfall ab, der sich aus den Felswänden über ihren Abhang ergoss. Anlara kletterte voraus, spann einen dicken Spinnenfaden und zog die anderen daran hinauf. Auf dem weitläufigen Plateau hatten sich vereinzelt Bergkräuter durch den harten Stein gekämpft, karge Wiesen erstreckten sich bis zu einem im Sonnenlicht glitzernden Bergsee, der in einiger Entfernung lag. Sie suchten einen Lagerplatz an seinem Ufer. Anlara setzte Kara von ihrem Rücken ab und begann die Zelte aufzubauen. Sie war geschickt in solcherlei Dingen, und so ging ihr die Arbeit schnell von der Hand. Anschließend schnappte sie sich ihren Bogen und verschwand. Sie sprach nicht viel, wie die Tiermenschen der Arachniden im Allgemeinen. Sie lebten zurückgezogen in geheimen Höhlen oder tiefen Wäldern. Kara suchte sich eine kleine Ecke mit Erde und versank schon im Myzel. Seit Salrius mit der jungen Sporlingsdame reiste, hatte sie gelernt, Frieden im Myzel zu finden. Sie verband sich von Monat zu Monat immer schneller mit den Pilzen vor Ort, denn es gab sie überall.

Kairon gab ihm das dicke Notizbuch, aus dem Blätter herausragten.

»Hier. Setz dich ans Wasser und schreibe auf, was du beobachtet hast. Ich sehe doch, dass es dir unter den Nägeln brennt. Derweil werde ich ein Feuer entzünden und das Lager befestigen.«

Salrius setzte sich auf einen Stein ans Wasser und schrieb die Gedanken der letzten Tage nieder. Er arbeitete schon länger an seinem zweiten Band über die Völker und Orte in Zyamel und hoffte, ihn bald herausbringen zu können. Er würde dafür die Buchdruckerei der Universität nutzen. Sein erstes Werk war ein Unikat und erst später vervielfältigt worden, das Original lag nun im Myzel. Die Druckerei wurde von Kristallen der Riesen angetrieben, und die Maschine selbst war von Zwergen erschaffen worden. Sie mussten noch viel händisch lösen, etwa die kleinen kupfernen Buchstaben in den Rahmen setzen, aber mit ein wenig Aufwand konnten sie so ganze Bücher vervielfältigen. Nur Zeichnungen waren aufwendig, doch er war bereit, die zusätzliche Arbeit, einen Stich anfertigen zu lassen, auf sich zu nehmen. Die Ereignisse vor zehn Jahren hatten so viel Gutes in der Welt bewirkt, und das Buch hatte geholfen, Vorurteile abzubauen. Nur die Nord waren noch skeptisch, doch die große Warla tat ihr Bestes, um sie zu überzeugen. In ganz Zyamel war die Rede von Unruhen im hohen Norden und von Splittergruppen, die das Matriarchat abschaffen wollten.

Ein Platschen im Wasser ließ ihn aufschrecken. Er blickte verzückt auf das Farbenspiel der untergehenden Sonne, die die Szene in ein sanftes Rot kleidete, und zeichnete die Szenerie. Ein Vogel tauchte durch die Wolkendecke, flog zu einem Felsvorsprung und ließ sich dort nieder. Seine Federn glitzerten grün-golden in der Sonne, die Augen eisblau, stechend. Salrius bildete ihn so detailreich wie nur möglich ab. Der Vogel bewegte seinen Kopf nur noch langsam, sein Schnabel war auf die steinerne Fläche vor ihm gerichtet. Dann erhob er sich wieder in die Lüfte, sauste auf etwas Kleines, Flauschiges nieder, jagte erneut hoch, mit einem zappelnden Tier in den Krallen, um schlussendlich elegant im Wolkenmeer einzutauchen und zu verschwinden.

Zum wiederholten Male platschte etwas, und erst jetzt fiel sein Blick auf seinen Partner, der nackt durch das Wasser schwamm. Er schmunzelte. Er liebte ihn so sehr. Kairon hatte ihm inzwischen mehr als einmal das Leben gerettet. Als er den Blick auf seinen Körper bemerkte, lächelte er zurück. Er war der erste Fluchling, den Salrius kennengelernt hatte, der öffentlich seine Magie ausübte, obwohl vor dem Wandel vielerorts die Todesstrafe darauf gestanden hatte.

»Willst du nicht so langsam herauskommen? Das Wasser ist doch bestimmt eiskalt.«

Kleine Dampfschwaden stiegen vom Körper seines Partners auf.

»Du bist ein guter Beobachter, aber dass du immer noch nicht siehst, wenn ich Elfenmagie wirke, wundert mich schon sehr.«

Der Fluchling schwamm gemächlich ans Ufer und stieg heraus. Einzelne Wasserperlen verfingen sich in schwarzem Brusthaar und brachen sich im Licht. Kairon errötete. »Ich hoffe, du hast mich gezeichnet? Falls ja musst du mir ein Exemplar reservieren.«

»Ich … Nein, ich habe einen Vogel gezeichnet.«

Kairon grinste. »Ein Vogel ist mir nicht aufgefallen. Willst du nicht auch einen Moment ins Wasser? Es ist herrlich.«

»Hältst du mich im Wasser warm?«, versuchte Salrius seiner Begierde Ausdruck zu verleihen.

»Das würde ich gern.«

Salrius stand auf und wollte sich gerade das Hemd über den Kopf ziehen, als sich Kairons Blick verklärte und er enttäuscht sprach: »Behalte es an. Anlara ist gleich wieder da!« Er schnappte sich seine Hose und zog sie sich über.

»Schade, dann wohl eher nicht. Ich bin im Warmhalten nicht so geübt wie du!« Salrius umarmte ihn genoss einen Moment die Wärme, die sein Partner ausstrahlte, und flüsterte nervös: »Wenn wir wieder zurück sind, möchte ich, dass Helena uns segnet.«

Sie sahen einander tief in die vier Augen. »Willst du das wirklich? Du weißt, dass du dann für immer an mich Chaoten gebunden bist!«

Salrius küsste ihn und lächelte. »Ich habe damit kein Problem. Die Frage ist eher: Willst du mit mir grüblerischem Fluchling verbunden sein?«

Kairon erwiderte den Kuss und hauchte ein sanftes »Ja«.

Anlara klackerte mit ihren acht Beinen an den beiden vorbei und ignorierte die ausgetauschten Zärtlichkeiten gekonnt. Kara hingegen machte Würgegeräusche, als würde ihr gleich das Essen hochkommen, und schrie dann: »Jungs, das ist ja widerlich, könnt ihr nicht wenigstens warten, bis ihr allein in eurem Zelt seid?«

...

Kara sah entsetzt zu, wie Kairon zwei von Anlara gefangene Berghasen zubereitete. Sie konnte sich einfach nicht daran gewöhnen, dass andere Wesen Tiere aßen. Zomis hatte damit nie ein Problem gehabt, soweit sie wusste. Sie aß ein paar Kräuter, die sie gesammelt hatte, das reichte ihr. Nachdem alle gegessen hatten, zogen sie sich zurück.

In unruhigen Myzelträumen versunken, war die Sporlingsdame einige Male aufgewacht. Der Himmel über ihr war sternenklar. Ein Meer aus Lichtpunkten. Wie es wohl dort oben war? Außerhalb von Zyamel? Andere Welten sehen, das wäre etwas, was Zomis auch fasziniert hätte. Mit diesem Gedanken riss das Myzel sie mit sich. Zeigte ihr Orte in Zyamel, die sie bislang nicht gekannt hatte. Eine riesige Wüstenlandschaft, kleine Wesen – waren das Sporlinge? Sie rollten die Dünen herunter. Ihre Außenseite war sandbraun. Unten angelangt, entfalteten sie sich und offenbarten eine weiße Innenseite, die von ockerfarbenen Mustern durchzogen war.

Andere Wahrnehmungen des Myzels drängten sich ihr auf. Kara versuchte ihnen nicht nachzugeben, sie wollte diese Sporlinge noch ein wenig länger beobachten, doch etwas rief sie und zog sie zu sich. Aus völliger Schwärze trat Zomis hervor.

»Kara … Es tut mir leid, dass ich dir das antun muss.« Eisblaue Sporen stoben aus seinen Lamellen.

Sie wollte ihn umarmen, fiel aber durch ihn hindurch.

»Wo du meinen Körper findest, weißt du doch.«

»Warum jetzt, warum nicht in all den Jahren?«, brachte sie unter einem Schluchzen hervor.

»Ich wollte den Abschied nicht noch schwerer gestalten. Außerdem ist es nicht gut, wenn ein Wesen wie ich sich in die Geschicke der Sterblichen einmischt.«

»Warum dann heute?«

»Ihr seid in Gefahr, ganz Zyamel wird bedroht. Die Nord haben einen Weg entdeckt, das Portal zur anderen Seite zu öffnen, und sie sind nahe.«

»Die Nord? Aber die große Warla würde einen solchen Wahnsinn nie zulassen. Woher wissen sie überhaupt davon?«

»Es ist eine Splittergruppe von Nordmännern. Jetzt sind sie wie ihr auf dem Weg zur Feste des ersten Tiermenschen. Geht drei Tage gen Norden und ihr werdet sie erreichen. Ihr müsst verhindern, dass sie das Artefakt finden!«

Sie wischte ihre Tränen fort. »Bist du nur gekommen, um mir das zu sagen?«

»Ich vermisse dich auch, aber ich kann mich nicht öfter offenbaren. Das wäre nicht gut, und es kostet mich viel Kraft. Bitte versteh das.« Sein Arm gewann an Festigkeit, und er ergriff ihr Handgelenk wie damals auf dem Feld. Für wenige Augenlochblicke besaß er eine feste Form, bevor er verschwand und sie aus der Legende erwachte.

Sie weckte die anderen. So wütend sie auf Zomis war, so wichtig waren seine Worte, und sie mussten sich beeilen.

Die Festung

Neues aus dem Myzel

Zusammenfassung einer Legende aus dem Myzel Yggdrasils, gefunden an der Tafel einer Sporlingsstation in Quelldorf. Nach dem Wandel.

 

Der erste Tiermensch, der es nach Zyamel geschafft hatte, war ein Adler. Er lebte abgeschirmt in den Immerbergen, wo er den kleinen bernsteinfarbenen Kristall hütete. Dieses Artefakt sollte der letzte verbliebene Hinweis auf die Welt der Teufel sein.

Er baute sich eine Festung, aber jeder, der Schutz in der Abgeschiedenheit suchte, war herzlich willkommen. So lebten dort nach kurzer Zeit viele Seelen in absoluter Einöde und bemerkten nicht, wie Zyamel sich veränderte. Kriege kamen und vergingen. Die Feste bestand weiterhin, vielleicht sogar bis heute. Aber niemand stieg seit diesen Tagen hinauf.

...

Geron stand mit seinen Männern am Fuße der Festung. Sie waren bereits mehrere Wochen unterwegs, sie benötigten dringend das Artefakt, sie mussten die Quelle der Magie finden. Der Himmel über ihnen war in ein bedrohliches Rot getränkt. Das Gemäuer gäbe einen guten Stützpunkt für seine Männer ab, wenn es nicht so abgeschieden läge. Was sollte er mit einer Basis, von der aus er mehrere Wochen zum nächsten Anlegepunkt benötigte? Sein gieriger Blick verlief über die äußeren Wehrgänge.

»Brauchst du etwas, Vater?«

Er drehte sich wutschnaubend herum. »Patriarch Geron! Auch wenn du mein Sohn bist, vergiss nicht deinen Stand. Vergiss nicht, wie du mich im Gefecht gegen deine Mutter enttäuscht hast.« Er wandte sich zu den Männern und blökte belustigt. »Wie ein kleines Baby hat er gegreint, dass ich das doch nicht tun könne, als mein Schwert ihr Haar durchtrennt hat.« Er sah, dass dem Jungen schon wieder Tränen in den Augen standen. Wie konnte er sich so in sein eigen Fleisch und Blut täuschen, bei Yotril hatte der Kleine doch gute Arbeit geleistet. Warum hatte er den Nichtsnutz überhaupt mit sich genommen? Wütend versetzte er seinem Sohn einen Tritt, und dieser fiel vor einem Mann in den Dreck, der ihn amüsiert ansah und lachte.

»Übe mit ihm, bis er zusammenbricht! Ihm gehört eine Lektion erteilt.«

...

Wie Zomis es prophezeit hatte, waren sie nach drei Tagen am Ziel. Kara hatte Regenfarn gegessen, damit sich die vier vor unliebsamen Blicken verstecken konnten. Eng aneinandergedrängt umrundeten sie die Festung.

Salrius wunderte sich, wie unterschiedlich ausgeprägt die Fähigkeiten der Sporlinge waren. Karas Sporen reichten nur, um sich in einem kleinen Umkreis zu verbergen. Zomis’ hingegen hatten viel weiter gereicht und waren auf Wesen übergesprungen, die er berührte.

Am Morgen überschritten sie die Bergkuppe und entdeckten die grobschlächtige Gruppe Nord, welche schon am Fuße der Festung stand. Sie schlichen sich auf die entgegenliegende Seite des Plateaus, auf der sich die freistehende Wehranlage befand, und Anlara kletterte hinauf, spann einen Faden und zog die anderen daran hoch. Obwohl der erste Tiermensch Flügel besaß, war die Architektur nicht nur für flugfähige Wesen gedacht.

Die beiden Fluchlinge entzündeten ein magisches Licht, schlossen die Augen, konzentrierten sich, hoben die Magiesicht und ließen sich von Anlara und Kara durch die Festung führen. Dieser Zauber funktionierte auch mit geöffneten Augen, doch mit geschlossenen mussten sie nicht die herkömmliche Wahrnehmung ausblenden. Salrius und Kairon hatten sich während Ilisatras magischer Ausbildung auf das Aufspüren von Magie spezialisiert. Die telepathischen Fähigkeiten beider deuteten auf einen Weg, da einige energiereiche Artefakte rudimentäre Gedanken des erschaffenden Wesens ausstrahlten, und so war es auch hier.

Er nahm sie als leises Summen wahr, und dann zuckte vor seinem inneren Auge das Bild eines Wesens mit breiten Schwingen, Hörnern und einem Schwanz auf, das vor einem seltsamen bernsteinfarbenen Mond schwebte. Das musste ein Teufel sein. Er öffnete die Augen und deutete auf einen in den Fels geschlagenen Gang.

»Da entlang.«

Die Stille war erschreckend. Hier lebte niemand mehr.

...

Nach dem Morgen der Weissagung machte sich die Weise Helena unverzüglich auf zur Stadt Ygg, sie musste das Myzel befragen. Ihr Weg kreuzte das Sporlingsdorf Zomis; der große Pilz mit lila Kappe stand anmutig in der Mitte, der Schleier schillerte in den schönsten Färbungen. Seine Sporlinge hatten in den vergangenen Jahren gelernt, wie sie mit seinen Farben ihren Lebensrhythmus den anderen Wesen anpassen konnten. Der Markt, der um den Ritualplatz herum aufgebaut war, verkaufte Spielzeuge der Zwerge aus Ygg, aber auch Zwerge und einige Riesen waren hier, um Dinge einzukaufen, die es unten nicht gab. Die meisten vermieden es nach wie vor, die Unterwelt zu verlassen, doch Dorf Zomis galt in ihrer Vorstellung ein Stück weit zur Unterwelt. Ang’rius, der Legendensammler dieser Sippe, saß mit frisch entwachsenen Sporlingen an der Höhle seines Wirkens und erzählte ihnen von den Abenteuern des Dorfpilzes. So viel hatte sich verändert, und so einiges mehr musste sich noch ändern.

Sie grüßte ihn freundlich nickend und schritt am Markt vorbei auf Ygg zu. Die Riesen hatten hier eines ihrer Obsidiangebilde errichtet. Es war ein viel kleinerer Spiegel des Tores, das aus den Immerbergen herausführte. Sie lief an einigen Elfenpilgern vorbei, die von der Wache aus Saporsporlingen nicht eingelassen wurden. Diese Sporlinge hatten wohl eine der größten Änderungen in ihrer Lebensweise erfahren. Einst nur in ihrem Baum lebend, hatten sich Individuen ihrer Art in anderen Wesen eingenistet. Soweit Helena wusste, waren sie aufgrund ihrer Telepathie weiterhin mit Ygg und Sapor verbunden, doch sie mied den Kontakt.

Einige der Pilger diskutierten wütend mit den Wachleuten und wollten ihre Waffen nicht ablegen.

Helena ging auf eine Wächterin zu, die in einer Tiermenschenfrau steckte und gelangweilt an den Elfen vorbei sah.

»Seid gegrüßt, Kinder Sapors.«

Die Wächterin wandte sich ihr widerwillig zu. Die Augen des Doppelwesens taxierten sie, und ihre Haltung wurde offener. »Seid willkommen, Weise Helena. Wollt ihr wieder das Myzel befragen?«

Helena nickte bedächtig.

Die graugrünen Augen der Wächterin deuteten in Richtung einer Kapsel, die sich prompt öffnete.

»Hey, warum muss die Verfluchte ihre Waffen nicht ablegen?«, sagte einer der Elfen.

Helena drehte sich wutschnaubend um, erhob drohend den Finger und eilte auf den Elfen zu.

»Erstens, Sie kurzgewachsener Ast von einem Baum, besitze ich keine Waffen, das habe ich nicht nötig. Zweitens«, sie hielt ihm den Finger ins Gesicht, »habe ich mich selbst verpflichtet, diesen wunderbaren Ring zu tragen, der jegliche magischen Fähigkeiten unterbindet. Ich nehme ihn aber gern ab, um Ihnen eigenhändig den Hintern zu versohlen. Keinen Respekt vor anderen Lebewesen, diese Elfen. Eine gute Kinderstube haben Sie sicherlich nicht genossen. Also, wenn Sie da reinwollen, sind Sie nicht mehr auf Ihrem Land, sondern auf den Ländereien Yggs und haben sich an ihre Gesetze zu halten. Legen Sie einen Ring an und Ihre Waffen ab, dann wird Sie die Wächterin hier durchlassen. Auch wenn ich es bei dem Verhalten, das Sie an den Tag legen, nicht gut fände.«

Der Elf bekam einen hochroten Kopf und zuckte mit dem Finger, da spürte Helena bereits die Macht der Saporsporlinge wie eine Welle über sich laufen und in den Elfen eindringen. Sein Blick verklärte sich und er wurde ruhig.

Die Wächterin sah den Elfen unmissverständlich an. »Wenn Ihr Glaube Sie gewalttätig werden lässt, dann kann ich ihn Ihnen nehmen. Wir Saporsporlinge dulden keine handgreiflichen Konflikte auf unseren Ländereien. Sie können sich jetzt entscheiden: Entschuldigen Sie sich bei der Weisen, legen den Ring an und die Waffen ab oder verschwinden Sie auf ewig?«

Die Augen des Elfen weiteten sich, doch er schluckte offensichtlich seinen Stolz herunter, nickte und fügte sich. Waffen waren in der Unterwelt nicht notwendig. Alle Wege wurden schwer bewacht, und es gab bis auf wilde Tiere keine Bedrohungen. Es war der sicherste Ort in ganz Zyamel. Die Saporsporlinge waren zudem mächtige Telepathen, die Gedanken löschen, Gefühle beeinflussen und zur Not auch durch Zwang die Körper anderer übernehmen konnten. Den Elfen gefiel das nicht, aber sie mussten sich fügen, wenn ihre Gläubigen den heiligen Baum Yggdrasil besuchen wollten.

Helena besann sich, ging zur zugewiesenen Kapsel und stieg ein. Dieser Luxus wurde nicht jedem Wesen gewährt. Die zwergischen Errungenschaften, die durch die Kristalle der Riesen angetrieben wurden, waren eine Erleichterung. Inzwischen gab es auch Kapseln auf der Brücke, welche die beiden Teile des Zentralkontinents verband – anstatt eineinhalb Tage dauerte die Querung nur noch wenige Stunden. Und wer sich mit den drei Kapselzwergen, die die Gefährte überwachten, gut verstand, bekam sogar eine besondere Kapsel, in der das ein oder andere unbemerkt auf die andere Seite geschafft werden konnte. Helena setzte sich, der Kristall in der Mitte des kugeligen Gefährts leuchtete auf, und als wäre es alltäglich, nannte sie einfach ihr Ziel. Es war spannend, wie schnell sie, aber auch die vielen anderen Wesen, sich an den neuen Komfort gewöhnt hatten. Die Außenhülle wurde transparent. Die magischen Lichter in den Wänden dieses Ganges zogen erst langsam und dann immer schneller an ihr vorüber, sodass sie eine gleichmäßige Linie aus Licht bildeten.

...

Salrius und Kairon führten die Gruppe bereits eine Weile durch die Gänge der Festung. Kairon spürte, dass auch die Nord das Gemäuer betraten. Sie waren noch weit hinter ihnen, doch der Rückweg war abgeschnitten.

»Das bringt so nichts«, motzte Kara leise und blieb stehen. »Wir irren durch endlose Gänge und kommen dem Ziel nicht näher, irgendwas ist doch faul.«

Anlara hing kopfüber an der Decke und klackerte prüfend einige Steine ab. »Der erste Tiermensch hatte, bis auf dass er ein Mischwesen war, keine magische Begabung. Zumindest habe ich nicht eine Legende gehört, die darauf schließen lässt. Vielleicht gehen wir die Sache wirklich falsch an.« Es war das Erste, das die Spinnenfrau an diesem Tag überhaupt sagte. »Ich vermute, er hat das Artefakt auf eine Art versteckt, die nicht magisch ist. Wir achten nur auf die Magiesignatur und nicht auf unsere Umgebung. Untersucht die Wände!«

Salrius und Kairon tasteten sie ab.

Kara spürte dem Myzel nach und erschrak. »Hier gibt es keine lebenden Pilze! Ich finde alte Spuren, sie wurden aber alle zerstört. Jeder Pilz, der hier einstmals wuchs, ist tot! Wie geht so was? Der Ort steht so lange leer, wie kann er pilzfrei sein? Zumindest Schimmel an den Wänden oder Pilzsporen in der Luft, abgesehen von meinen, müsste es doch geben, aber nichts.«

»Liegt vielleicht daran, dass wir so hoch sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand sich die Mühe macht, einen Ort so rein zu halten«, sagte Kairon.

»Möglicherweise wusste er von den Sporlingen«, dachte Salrius laut, »und wollte nicht, dass sein Wissen in fremde Hände fällt. Du weißt doch, wie schwer es war, einen belastbaren Hinweis auf die Festung zu finden. Außerdem gibt es Myzel, es ist nur tot.« Er sah zu Anlara und musste seinen Kopf in den Nacken legen, da sie gerade über ihm entlangkrabbelte. »Euer Volk stellt doch auch ein Gift her, um Pilzbefall zu verhindern und Lebensmittel haltbar zu machen.«

»Ja, aber in der Regel behandeln wir damit keine Gebäude.«

»Rein theoretisch wäre es möglich?«

»Wenn es stark genug ist oder regelmäßig aufgetragen wird, dürfte es funktionieren. Hatten sie damals schon unsere Mittel?«

»Das weiß ich nicht, aber es ist denkbar.«

Anlara stoppte, als ein Stein nachgab. »Leuchtet bitte mal hier!«

Kairon ließ das magische Licht zu ihr schweben. Die Arachnide untersuchte den Stein und presste ihn in die Decke. Ein Grollen erklang, Staub rieselte wie ein Schleier herab, Risse bildeten sich und alle wichen im Gang zurück. Hatte die Arachnide eine Falle ausgelöst? Dann schob sich die Wand nach hinten und öffnete damit einen kleinen Seitengang.

»Wow«, entfuhr es Kara.

»Das ist kein Zwergenmechanismus, den hätten wir gesehen.«

Anlara lächelte wissend. »Es muss eine andere Spinne auf dieser Festung gelebt haben. So halten wir unsere Höhlen versteckt.«

Salrius griff nach seinem Rucksack und zog sein Notizbuch heraus, doch Kairon legte die Hand auf seine Schulter. »Nicht jetzt. Wir haben Wichtigeres zu tun.«

Gemeinsam traten sie ins Dunkel. Anlara presste auf der Innenseite einen anderen Stein in die Decke, und die Wand schob sich wieder krachend in den Durchgang.

»Wir wollen es unseren Verfolgern ja nicht zu leicht machen!«

 

Der Gang mündete in einer Treppe, die im Kreis um den eigentlichen Weg zu führen schien, dann aber ins Innere abbog. Die Stille hier war noch intensiver. Nach endlosen Schritten, die kaum von den Wänden widerhallten, gelangten sie in eine Halle, in deren Mitte ein steinerner Sarg stand.

»Still«, hielt Kairon sie zurück.

Vom Aufgang her grollte etwas herab. Die Nord hatten den Eingang gefunden.

Anlara sprang an die Decke und begann ein Netz zu spinnen.

Kairon und Salrius öffneten den Sarg, in dem das Skelett des ersten Tiermenschen und auf seiner Brust der bernsteinfarbene Kristall aus der Legende lagen. Kairon griff zu.

Schritte drangen zu ihnen.

Anlara zog Kara auf das Netz. Ein geschickter Fadenwurf sorgte dafür, dass auch Kairon und Salrius im letzten Moment hochgezogen wurden. Sie drängten sich eng aneinander und verschwanden in Karas Sporen.

...

Geron trat mit dem menschlichen Seher in die Halle. Sein Geist war unruhig, aufgebracht. Etwas stimmte nicht.

»Jemand war vor uns hier!«, murmelte der Seher aus dem Wolfsfell heraus, das er tief ins Gesicht gezogen hatte. Aus seinen Händen strömte fahlgrüne Magie, die sich wie ein seichter Nebel über den Boden verbreitete und sich an einigen Stellen zusammenzog. Fußspuren wurden sichtbar.

Geron trat an den offenen Sarg und verzog das Gesicht.

»Eure Künste sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren.«

Wütend schlug er auf den Stein. Sein Geist sandte braun schimmernde Magie in seine Faust, ein breiter Riss zog sich durch den Sarg und er zerbarst in zwei Hälften.

Der Seher legte ihm die Hand auf die Schulter. »Patriarch, die Eindringlinge müssen noch hier sein. Wir sind nicht allein.«

»Kommt raus!«, schrie Geron. »Wenn ihr uns gebt, weswegen wir gekommen sind, dann lassen wir euch mit eurem erbärmlichen Leben davonkommen.«

Der Seher schloss die Augen, und seine Hände begannen erneut fahlgrün zu leuchten. Diesmal stiegen die Schwaden in die Luft und deuteten in eine Richtung. »Dort! Wilde Magie … Unreine Lebenskraft. Mindestens ein Fluchling, vielleicht auch zwei.«

...

Verschiedenste Wesen boten ihre Waren an kleinen Ständen feil und erfreuten Helenas Herz. Ygg war zu einem Moloch der Kulturen geworden. Zwerge, Riesen und Sporlinge rannten zwischen Elfen, Tiermenschen und Orks umher. Nur eine Stadt war ebenso durchmischt wie Ygg – Ingrem, das sich in den Herbstlanden an die schroffen Felsen des Berges Algrep schmiegte. Viele Wesen waren nach Ygg gezogen, weil sie hier ein ruhigeres Leben führen konnten. Niemand verstieß hier jemanden aufgrund seiner Andersartigkeit. Man erhielt Wohnraum und es gab keine Konflikte um Nahrung. Strebte ein Wesen nach mehr, musste es dafür arbeiten, aber die Grundversorgung war gesichert. Vorausgesetzt es befolgte die Regeln: weder Waffen noch Gewalt. Verstöße wurden streng geahndet.

Helena bestieg eine Kapsel und fuhr an pilgernden Elfen verschiedenster Regionen und Geschlechter vorbei, welche sich den Gesetzen unterworfen hatten, aber auch an gelehrten Wesen, die zum Sterben hierhergereist waren oder um ihre neuesten Schriften dem Myzel zu übergeben. Alles, was im Gewebe zersetzt wurde, konnte nicht vergessen werden. Die Sporlinge waren mit ihrer Fähigkeit, Wissen aus dem Myzel zu ziehen, zu Hütern desselbigen geworden. Und genau zu diesen wollte sie jetzt.

Ein in die Jahre gekommener Elf, der gebeugt an einem Stock lief, wurde im Trubel umgestoßen. Helena ließ die Kugel stoppen, stieg aus und half dem Alten auf.

»Mein Herr, geht es Ihnen gut?«

Er klopfte sich den Schmutz der Straße von den Hosen und sah auf. »Herzlichen Dank, meine Liebe, doch ich bin ohnehin zum Sterben hergekommen.«

»Ich habe eine Kapsel und mein Ziel ist das Ihre, auch wenn ich den Ort wieder verlassen werde.«

Der Mann lächelte breit, sodass seine Faltenschluchten tiefer wurden, und ließ sich in die Kapsel begleiten. Er lachte wie ein Kind, als sich die Kugel in Bewegung setzte.

»Dass ich auf meine Tage so etwas noch einmal erleben darf. Ihr seid ein gutes Wesen, es ist eine Schande, was eurem Volk angetan worden ist. Zum Glück neigen sich diese dunklen Zeiten ihrem Ende zu.«

»Wohl wahr, sie neigen sich dem Ende zu«, sprach Helena und sah auf den immer schneller näher rückenden Baum.

Die Kapsel kam zum Stehen, sie stieg aus und half dem Elfen, das Gefährt zu verlassen.

»Ich danke recht herzlich.« Der Mann schüttelte ihre Hände und bedachte sie mit so einem warmen Blick, dass es sie fast zu Tränen rührte.

Ein Kind Amanitas mit roter Kappe reichte ihm die Hand.

»Es ist gut, dass Ihr hier seid.« Es wandte sich an Helena. »Danke, dass Ihr geholfen habt, Herrn Davgil zu uns zu bringen. Sein Werk ist bisher unvollendet und so gehen die letzten Verse seiner Dichtkunst nicht verloren. Gedacht ist schneller als geschrieben.«

»Davon ist mein Werk noch nicht ausformuliert! Aber vielleicht vermögt Ihr mit meinen Gedanken, was mir zu Lebzeiten nicht gelungen ist.« Ein Husten schüttelte den schmalen Körper, und zwei weitere Kinder Amanitas traten herbei.

Hinter Helena erhob sich eine tiefe Stimme.

»Verehrte Weise, Ihre Ankunft in unserem Reich wurde mir angekündigt. Ich bin heute Ihr Führer durch das Myzel.«

Sie drehte sich um und blickte den Ausporling mit der schwarzen Kappe fragend an.

»Verzeiht, ich habe mich nicht vorgestellt. Mein Name ist Noah, und ich bin keinem Geschlecht zugeordnet, bitte nennen Sie mich einfach nur Noah.«

»Noah, es ist mir eine Ehre.«

Helena ergriff Noahs Arm und ließ sich in die Myzelkammern führen. Die Gewölbe unterhalb des Baumes wurden von Jahr zu Jahr größer, die Zwerge und Riesen arbeiteten unermüdlich an den Erweiterungen. Inzwischen war es hier unten ähnlich idyllisch wie in Ygg selbst. Die Pflanzenvielfalt, die vielen Tiere, so stellte sich Helena einen perfekten, friedlichen Ort vor. Wenn sie nicht Wichtigeres vorhätte, so würde sie hier am liebsten für immer bleiben, aber das war nicht ihr Ziel.

Ein durch Kristalle betriebener Aufzug fuhr Noah und die Weise hinab. Eine ätherische Stille hüllte sie ein. Im Gegensatz zu den Kapseln verursachten diese Apparate keine Geräusche. Das phosphoreszierende Leuchten des Myzels empfing sie. Um sie herum wanden sich dünne Fäden an Wänden, Böden und der Decke verteilt. Sie liebte diesen Ort, all die Geschichten, die sich in den zehn Jahren hier angesammelt hatten, hatten etwas Magisches. Manchmal wünschte sie sich, sie wäre als Sporling und nicht als Fluchling geboren worden.

In einer Kammer übergab eine Gelehrte ihr Buch zeremoniell dem Gewebe. Die Fäden begannen es langsam zu verschlingen. In einer anderen legte sich Lord Davgil gerade in das Myzel. Er fand ihren Blick und nickte ihr lächelnd zu, dann schloss er die Augen und hauchte seinen letzten Atemzug in dem Wissen aus, dass seine Erlebnisse und Gedanken nie vergessen werden würden.

Noah führte sie in eine der größeren Kammern und setzte sich in die Mitte des Raumes. Ein weiterer Sporling trat hinzu und überreichte Noah eine kleine Schale mit Kornblumen und Hanfblüten. Helena legte sich mit dem Kopf zu Noahs Stümpfen.

»Was ist es, Weise, das ich Ihnen zeigen soll?«, sprach Noah und begann zu summen.

»Es gibt eine Legende über die Befreiung der Fluchlinge. Ich selbst habe solche Visionen gehabt. Ich möchte wissen, was im Myzel darüber zu erfahren ist.«

Noah stieß gelb schillernde Sporen der Freude aus.

»Diese Legende wollen viele Fluchlinge hören, sie ist leicht zu finden.«

Noah nahm die Blüten aus der Schale, steckte sie sich in den Mund, zerkaute sie und schluckte. Bronzefarben glitzernde Sporen traten aus den Lamellen des Sporlings, und Helena atmete tief ein. Die Sporen sorgten dafür, dass sie sah, was Noah sah. Sie schloss die Augen, und Noah verband sich mit dem Myzel. Das Summen wurde lauter. Die Eindrücke zuckten wie ein Strom verworrener Bilder durch ihrer beider Geist. Noah spann sie wie feinen Zwirn und ließ unpassende ziehen. Ein Buch tauchte auf, doch bevor Noah es öffnete, erschien das Abbild von Zomis im Raum.

»Ihr seid in Gefahr! Warne alle, dir werden sie zuhören. Salrius habe ich in den Immerbergen schon Bescheid gegeben, aber sie kommen zu spät. Die Nord wollen das Tor zur Welt der Teufel öffnen.«

...

Anlara durchschnitt den Faden, bevor die Axt sie treffen konnte, und sie fielen durch den Durchgang, rappelten sich auf und rannten die Treppe hinauf.

Salrius warf einen Feuerball zurück in die Richtung des Durchgangs, fahlgrüner Nebel leckte an den unteren Treppenstufen und suchte sein Ziel, wurde aber vom Feuer zurückgestoßen. Er rannte weiter.

Der Nord schrie auf, doch war vermutlich nicht getroffen worden, denn nur einen Atemzug später gesellten sich zu seinem wütenden Brüllen feste Schritte. Anlara orientierte sich an dem geheimen Durchgang und scheuchte sie voran. Ein Zauber glitt rasch über die Treppen hinauf, waberte um ihre Spinnenbeine. »Festhalten!«, schrie Anlara und schwang sich mit einem Faden wieder an die Decke. Von oben sahen sie, wie das Grün fest wurde.

Die Fluchlinge sprangen über den Zauber, und Kairon warf zwei weitere Feuerbälle nach hinten, bevor sie endlich ins Freie stürmten.

Der Nord donnerte schon heran und schwang seine Axt.

Anlara eilte zum naheliegenden Wehrgang. Er sah auf den ersten Blick verlassen aus, als sie jedoch durch eine morsche Tür rannte, schreckte sie einen Nord auf, den sie kurzerhand aus dem Fenster stieß. Sie wollte einen Faden an der zerfurchten alten Wand befestigen, doch ihr Verfolger spaltete schon die Tür, die von den Fluchlingen verbarrikadiert worden war. Sie eilten weiter, einen engen Treppenaufgang hinauf auf einen äußeren Wehrgang mit verwitterten Zinnen. Über den Wind, der ihnen entgegenpeitschte, hörte Anlara die anderen keuchen. Sie waren solche Anstrengungen nicht gewohnt. Der Nord war der Gruppe weiterhin auf der Spur.

Es half nichts, sie mussten hier weg. Anlara spann während des Laufens ein Seil und schleuderte es über eine Zinne, die ihr stabil erschien. Durch die raschen Bewegungen verlor der Sporenschleier an Kraft und legte Salrius und Kairon frei. Der Nord war bei ihnen angelangt, schrie und zeigte auf die beiden, doch zu spät. Anlara kletterte über die Zinnen und die Außenmauer hinab, die Fluchlinge folgten.

Ein Ruck ging durch die Spinnenseide, und Anlara klebte sich instinktiv an die Wand. Kairon und Salrius fielen an ihr vorbei, doch hielten sich am Faden fest. Ihr Gewicht zog ihr durch alle Glieder, aber sie konnte sich und die beiden halten. Sie atmete durch, der Sturm nahm zu, vorsichtig spann sie einen neuen Faden, kappte den alten, verklebte sie miteinander und ließ die Fluchlinge herunter, bevor sie selbst mit Kara auf dem Rücken folgte.

...

Helena hatte erfahren, was sie wissen musste, und noch mehr. Zyamel würde einen neuen Krieg erleben, wenn die Teufel in diese Welt strömten. Von Zomis wusste sie, dass Kairon und Salrius dem Artefakt ein Stück näher gekommen waren, was wären also ihre nächsten Schritte? Sie saß in ihrer Kammer in der Universität der Magie von Quelldorf und verfasste Briefe an Herrin Ilisatra und Großmatriarchin Warla. Vielleicht sollte sie auch an Batul von Ingrem schreiben. Der alte Ork wusste bestimmt einen Rat, und wenn die vier von den Nord verfolgt wurden, wäre seine Festung ein sicherer Ort.

Mit geschlossenen Augen dachte Helena an die Gruppe auf den Immerbergen. Sie musste ihnen eine Nachricht schicken, nur wie?

Vorbereitungen

Neues aus dem Myzel

Zusammenfassung einer Legende aus dem Myzel Yggdrasils, gefunden an der Tafel einer Sporlingsstation in Quelldorf. Nach dem Fall.

 

Einstmals herrschte Frieden zwischen Zyamel und Jinnathon. Die Göttin ruhte unbehelligt in ihrem Kokon, es war das Paradies auf Erden. Die Engel bewachten diesen Garten.

Eines Tages formte die Göttin die ersten Menschen aus den Tieren. Sie wollte aber mehr und schuf Elfen, Zwerge, Riesen, Orks und alles Leben, das auf Zyamel wandelt. Sie überließ Zyamel den Völkern und zog sich mit ihren Engeln nach Jinnathon zurück, und alles war friedlich.

...

Dalgreth stand in der Trainingshalle der Teufel. Sie stählten sich jetzt schon seit mehreren Monaten für den Kampf gegen diese fremden Wesen. Ihr Kampfeswille war ähnlich ausgeprägt wie ihr eigener, zudem hatten sie diese Geister, welche auf ihren Schultern schwebten und Magie in ihre Waffen sandten, wann immer notwendig. Dalgreth sah diese Viecher als Schatten, sie waren zu undeutlich, um genau zu erkennen, was sie waren. Er dachte an seinen Traum zurück und sah wieder den jungen Mann, der wie ein Teufel aussah, in der Menge stehen. Dieses Wesen besaß Hörner wie seine Art, aber weder Hautfarbe, die bei dem Wesen bordeauxrot war, noch die zwei zusätzlichen Augenpaare passten zu ihnen. Wann immer er die Invasoren in dem Kreis beschworen hatte, war dieses Wesen nie aufgetaucht. Hieß das, er war kein Feind? Er musste den Altmeister befragen, vielleicht wusste er die Vorsehung zu deuten.

Sein Blick schweifte über die Wesen im Raum, und Dalgreth sah gerade noch, wie der Altmeister im Durchgang zur Nahrungshalle verschwand. Er folgte ihm.

Die Göttin hatte diese und auch alle anderen Hallen innerhalb des Bernsteinkristalls geschaffen. Von Bädern über Küchen, Trainings- und Versammlungsräumen gab es die verschiedensten Einrichtungen. Einige davon veränderten sich je nach Bedarf der Bewohner des Kokons. Ihre Göttin sorgte für sie und schuf alles entsprechend den Wünschen der Teufel. Das Essen jedoch mussten sie entweder jagen, anbauen oder ihre durch Blut gewonnene Magie dafür einsetzen. Das Holz für warme Bäder fällten sie auf den schwebenden Landmassen. Wenigstens musste Svavespoba nicht das Wasser herbeischaffen, sie hatten eine eigene magische Quelle im Badebereich. Das Privileg des Kokons des Heros der Göttin. Eigentlich sollten alle ihre Bauten derart ausgestattet sein, so blieb mehr Zeit zum Trainieren, und müde Muskeln regenerierten sich in warmen Bädern besser.

Der Altmeister war flink auf den Beinen. Er hatte die Teufel im letzten Konflikt, der nur wenige Stunden angedauert hatte, und in allen zuvor angeführt.

Er fand ihn in einer Kochnische. Tiefe Narben durchzogen seine schwarzgraue Haut. Der Altmeister hielt seine Hände über die Feuerschale und Obst, Flugrochenfleisch und Gemüse erschien und begann sich selbst zu kochen. Der himmlische Duft des Currys, das der Altmeister so sehr liebte, entfaltete sein würziges Aroma.

Er brummte: »Möchtest du mitessen?«

»Du weißt, wie wichtig mir die Gesetze meiner Göttin sind. Ich verzichte.«

Der Alte schüttelte den Kopf. »Wenn sie nicht gewollt hätte, dass wir die Blutmagie nutzen, dann hätte sie sie uns nicht gegeben.«

»Wenn sie gewollt hätte, dass wir dauerhaft Zugriff auf Magie haben, würde sie sie uns zur Verfügung stellen.«

Der Altmeister füllte zwei Kristallschalen mit dem Curry und setzte sich. Dalgreth nahm ihm gegenüber an dem Tisch Platz. Heute Abend schillerte dieser leicht violett. Er war den magischen Bändern, die durch ihren Äther flogen, nachempfunden.

»Du wirst aber einem starrsinnigen Teufel nicht abschlagen, ihm beim Essen Gesellschaft zu leisten. Und der Anstand gebietet, dass du mitisst.«

Dalgreth wollte noch etwas nachsetzen, da sagte der Alte scharf: »Du bist zwar der neue Anführer dieses Kokons, solltest mir aber trotzdem den nötigen Respekt zollen. Ich habe bei Weitem nicht mehr so viele Angebote wie du, also vergeude diese Magie nicht, oder soll ich dir Jungspund den Hintern versohlen. Ich bin immer noch stark genug, um dir eine Lektion zu erteilen.«

Dalgreth nahm sich die Schale. Mit dem ersten Bissen verteilte sich das herrliche Aroma in seinem Mund. Der Alte hatte schon immer ein Gespür für gutes Essen gehabt. Er schmeckte die Aromen der verschiedenen Gewürze, die die Zutaten aber nicht übertünchten, sondern ergänzten. Die leichte Schärfe verlieh diesem Gericht einen besonderen Reiz. Dann biss er auf ein Gemüse, das sich vollgesogen hatte. Sauce explodierte zusammen mit einer Süße in seinem Mund, die er nicht erwartet hatte.

»Ich hatte die Vision nahender Invasoren. Ein Wesen, das uns ähnelt, ist bisher nicht im Kreis erschienen. Heißt das, dass es kein Feind ist?«

»Jeder, der unsere Welt betritt, ist als Aggressor anzusehen – nicht umsonst ist sie so zerrissen. Anfangs, bis zum Bruch – das war vor meiner Zeit – waren wir wohl freundlicher, aber seitdem …« Der Blick des Alten schien in die Ferne zu schweifen. »Vielleicht …?«

»Was vielleicht?«

»Die Welt hinter dem Riss, Zyamel, hat sich möglicherweise verändert. Bei der letzten Öffnung sind einige von uns auf der anderen Seite geblieben. Es ist denkbar, dass sie überlebt haben und nun heimkehren.«

»Du meinst, es wäre an der Zeit, wieder Gefangene zu nehmen?«

Der Alte lächelte. »Ich weiß schon, warum sie dich als ihren Heros erwählt hat. Du bist scharfsinnig, stark und ihr treu ergeben.«

»Du denn nicht mehr?«

»Meine Zeit ist vorüber. Ich werde dir beistehen, aber ich denke nicht, dass die Göttin weiterhin über mich wacht. Beim letzten Riss hat sie mir meine Partnerin genommen.« Der Alte stand auf und legte die Hand auf Dalgreths Schulter. »Schütze, was du liebst.«

Die Worte des Altmeisters hatten einen Klang angenommen, den Dalgreth noch nie zuvor bei ihm gehört hatte. Flehend, eindringlich. Er sollte sie nie mehr vergessen.

...

Ihre Häscher kamen immer näher, sie waren von der Flucht erschöpft. Anlara entdeckte eine Höhle und baute einen Seilzug, der den Eingang mit einem Stein versperrte. Kara ging ins Myzel und überwachte die Umgebung. Wie Zomis. Salrius hatte schon vor längerer Zeit bemerkt, dass seine Gedanken immer wieder zurückreisten, und nun hatte er sich auch noch Kara gezeigt, nach so vielen Jahren. Es hatte etwas Beruhigendes, zu wissen, dass er über sie alle wachte.

Salrius schloss die Augen und breitete seinen Geist aus, wie er es von einem Elfen gelernt hatte. Seine Theorie war, dass die Fluchlinge, weil sie ja zum Teil von Elfen abstammten, denselben Wachtraum-Zustand erreichen konnten, wie die Elfen ihn selbst zum Schlafen nutzten. Er begann zu summen und suchte Ruhe.

Kairon tat es ihm gleich. Nur Anlara hing schon an der Decke und atmete, als schliefe sie, da Kara sie warnen würde.

Salrius wollte diese Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen. Er übte selten genug, also konzentrierte er sich auf seinen Atem.

Ein und aus.

Sein Geist beruhigte sich. Wie der Elf es ihn gelehrt hatte, ließ er die Gedanken kommen und ziehen. Er baute seinen inneren Ort aus und begann mit dem weißen Raum.

Komplett weiß. Kein Ende zu sehen. Warmes Glühen, das seinen Geist wärmte. Kleine Lichter erschienen in seiner Umgebung. Wesen, die hier lebten, von der wuseligen Ameise bis zur Spinne, die sich unter einem Stein verkrochen hatte. Dann tauchten auch die größeren wie Anlara und Kara auf, und zuletzt hörte er Kairons leise Summen und ihr Summen verband sich zu einem gemeinsamen. Daraufhin sah er ihn vor sich. Nicht wie die anderen als Licht, sondern in Form und Farbe. Er nickte ihm zu.

Kairon lächelte, trat zu ihm und küsste ihn. Es war, als würde er ihn wirklich küssen. Dann schreckte er auf und sah seinen Partner irritiert an.

»Hast du das auch gesehen?«

Der öffnete eins seiner vier Augen und grinste breit, sodass einer seiner spitzen Zähne zu sehen war. Salrius schloss die Augen wieder und fuhr mit der Übung fort. Nur Augenblicke später stand sein Partner erneut vor ihm und sah ihn traurig an. »Wir sind schon mitten in einem neuen Abenteuer.«

Er trat einen Schritt auf ihn zu und nahm ihn in den Arm.

»Versprich mir, dass du mich dieses Mal nicht allein lässt«, sagte Kairon ernst. »Das letzte Mal hat es mich fast zerrissen!«

»Ich würde dich freiwillig nicht mehr gehen lassen.«

»Versprichst du es mir?«

Salrius sah ihm tief in die Augen. »Ich verspreche dir, dass ich dich nicht allein lassen werde.«

Sie schwiegen eine Weile in inniger Umarmung.

»Wo sollen wir hin?«, nahm Salrius das Gespräch wieder auf. »Die Nord werden uns jagen, wir stehen zwischen ihnen und ihrem Ziel. Du weißt, wie sie sind, doch dieser Anführer … Ich habe ein böses Gefühl.«

Kairon schüttelte den Kopf. »Sie werden uns überall hin folgen. Wir könnten nach Ygg, aber wenn die Nord wollen, finden sie einen Weg, und bis dahin werden sie Zomis’ Dorf malträtieren und andere leiden wegen uns.«

Ein warmes Licht erschien in einiger Entfernung, eine Farbe der Verbindung. Salrius sah hinüber, Gebirge und Gewässer waren in diesem Zustand kein Hindernis für seinen Geist. »Ich spüre ein vertrautes Wesen dort draußen.« Es kribbelte stärker, je näher es kam. Sein Partner drehte sich zum Licht und verschwand. Salrius öffnete die Augen.

Kairon zog am Seil, das den Stein an Ort und Stelle hielt, und ein schmaler Lichtstreif leuchtete in das Zwielicht.

»Es ist Helenas Adler!«

Er ging hinaus, kam mit dem Tier auf dem Arm zurück und wickelte eine Nachricht von seiner Hinterkralle.

 

»Kairon, wenn stimmt, was Zomis sagt, sind wir alle in größter Gefahr. Aber es ist ein Lichtstrahl am Horizont. Macht euch auf in die Herbstlande. Ihr werdet Hilfe am Fuße der Immerberge finden. Batul von Ingrem schuldet mir etwas, er wird euch Schutz vor den Nord bieten. Eilt euch.«

 

»Die Herbstlande?«, fragte Kara entsetzt. »Wir können doch nicht durch die Höhlen. Wie sollen wir dorthin finden, das ist nicht auf unserem Kontinent?«

»Wir werden einen Weg finden«, beruhigte Anlara sie. »Helena hat recht, Ingrem ist uneinnehmbar.«

Kairon verfasste eine kurze Antwort und schickte den Adler zurück.

Sie wiederholten die Übung und fanden etwas Ruhe.

Kara weckte sie gegen Mittag. Die Nord gingen in einiger Entfernung den Berg hinab, und ein paar von ihnen kamen ihnen bedrohlich nahe, aber anscheinend hatte der Seher die Fährte verloren. Was würden sie als Nächstes tun? Dummerweise hatten sie nun auch noch denselben Weg wie ihre Verfolger.

...

Dalgreth stand an der zerklüfteten Weite Jinnathons. Die Flugrochen glitten hoch oben über ihren Kokon hinweg, und das gleichmäßige Rauschen der magischen Winde streichelte seine Haut. Der Himmel kleidete sich in Olivgrün bis Dunkelblau, die Landmassen schwebten zerrissen und versetzt durch den Äther. Nur die Göttin wusste, wohin. Dalgreth umschlang seinen Körper mit den Armen. Eine feine Gänsehaut breitete sich auf Brust und Armen aus. Viele der Teufel hatten im Training gute Ergebnisse erzielt, aber bei Weitem nicht alle.

»Schütze, was du liebst.«

Unruhig schwang er sich in die Höhe. In der Ferne schwelte das Leuchten ihres Kokons, umwoben von einem gelben Wind, der sich herabsenkte.

Eine silbern schillernde Bewegung am Rande seiner Wahrnehmung. Reflexartig griff er zu und verstaute den zappelnden Fisch im Beutel an seinem Wickelrock. Gelegenheiten mussten jederzeit ergriffen werden. Er wendete und machte sich auf den Weg zum Riss– er wollte wissen, wann die Invasoren kamen.

Während des Flugs suchte er die Landmassen ab. Einige niedere Teufel setzten eine alte Brücke instand, welche zwei der größten Massen verband. So würden sie endlich wieder leichter an die Holzvorkommen gelangen. Sie mussten das Seil auf die andere Seite werfen, um mit dem Bau fortzufahren.