Die Normalität ist anderswo - Thomas Neukum - E-Book

Die Normalität ist anderswo E-Book

Thomas Neukum

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Beschreibung

Bauchgefühl: Die hübsche Diätassistentin Vanessa lässt sich nach der gescheiterten Teilnahme an einer Castingshow gehen. In einem Strandcafé lernt sie einen berühmten ehemaligen Drummer und Schauspieler kennen, der nach einem angehängten Prozess seinen Glauben an die Menschheit verloren hat. Trotzdem verwehrt er der Verliebten nichts, die immer maßloser dem Lustprinzip verfällt. Bis er sie auf eine verrückte Reise mitschleppt, die ihr die Puste raubt. Vollgas, alter Saftsack: Der einsame Biker und Altrocker Hans Dieterle betrachtet sich als Totalversager. Das einzig Wundervolle, das er in seinem Leben hingekriegt hat, scheint seine clevere Tochter zu sein, die angeblich seit Jahren in Amsterdam wohnt. Also rumst er sich einfach auf seine Harley, um sie aufzusuchen. Dabei verwickelt er sich mit der modernen Gesellschaft in allerlei aberwitzige Zwischenfälle. Doch das Gewichste schlechthin steht ihm noch bevor ...

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In dieser kollektivistischen Zeit

so individualistisch wie möglich zu leben,

ist der einzige echte Luxus, den es noch gibt.

Orson Welles

Inhalt

Bauchgefühl: Vanessa, farciert

Vernaschungen in der Hansestadt

Weg des Sonnenscheins in der Nacht

Vollgas, alter Saftsack

Allgäu

Die Reise

Amsterdam

Bauchgefühl

Vanessa, farciert

Vernaschungen in der Hansestadt

Sie bestellte noch einen schaumig verlockenden Cappuccino nach dem knusprigen Lachsschinken-Baguette mit Salatgurke auf dünn geschnittenen Eiern, um das sie kaum hatte ihre Lippen schließen können, und blickte seufzend mit ihrer Sonnenbrille über das funkelnde Meer. Im vormittäglichen, leicht- und sattblau durchschnittenen Horizont erfühlte Vanessa sich selbst.

Ihr gestuftes Haar glänzte brünett, und sie hatte ein feminin geschnittenes Gesicht auf einem schlanken Hals. Wie ihre unterm Tisch gestreckten Beine wirkte dieser lang, gerade weil ihre Körpermitte eher kurz war, und zusammen mit den hübschen bequemen Absätzchen schienen dadurch ihre 1 Meter 61 gar nicht mal klein. Sie trug Jeansshorts und ein rosa-granitgraues T-Shirt, das locker über ihre Brüste fiel.

Wenn sie an den vergangenen Tagen von neun bis elf Uhr im Nordcafé saß, hatte sie ihre Augen unbedeckt gelassen, die teils blaugefächert, teils bräunlich glommen. Doch immer wieder hatte irgendein modischer Typ rübergespäht, der vielleicht nur auf der Promenade latschte, und sie angemacht: „Bist du nicht die schöne Vanessa, die in der Castingshow geträllert hat?“

Ja, die war sie, und sie hatte sich sogar von ihrem Freund getrennt. Er hatte ihr nämlich solange geschmeichelt, dass sie „wundervoll“ singe − statt angeblich „scheiße“ −, bis sie es selber glaubte und das Urteil der Jury sie wie ein Schlag in die Magengrube traf. Aber auch diejenigen flirtenden Männer, die sie nicht bei ihrer kurzlebigen Bühnenbloßstellung gesehen hatten, interessierten Vanessa nicht.

Der Kellner stellte inzwischen die große Tasse mit Cappuccino vor sie hin − den dritten schon, den sie sich gönnte −, und sie wandte den Blick mit einem „Danke“ wieder vom leicht windgekräuselten Meer ab. Schräg gegenüber, im schattigen Winkel der Terrasse, saß jeden Tag ein attraktiver und geheimnisvoll schweigender Kerl. Er hatte dunklere Haut als sie und zotteliges Haar. Sie hätte nicht entscheiden können, ob seine Schultern eher kantig oder rund waren, aber offensichtlich trug er gerne einfarbige Markenshirts. Manchmal schaute er müßigentspannt zu ihr herüber, und sein Blick wirkte gleichzeitig so tief, fast abgründig gesammelt, dass er in Vanessa eine schwummerige Reibung erzeugte. Ihn fand sie interessant; durch irgendwas an ihm fühlte sie sich verstanden.

Sie hielt ihn für einen Urlauber. Betont streifte sie die Sonnenbrille ab und nahm einen nervösen Schluck. Wenn sie ihn nicht endlich ansprechen würde − vielleicht war er morgen für immer hinter blauem Horizont verschwunden?

Vanessa stand mit ihrem Täschchen in der einen, dem Cappuccino in der anderen Hand auf und suchte sich eine Floskel auf die Zunge zu legen, beziehungsweise etwas Besseres. Hoffentlich sprach er Deutsch oder wenigstens Englisch, was sie auch noch hinkriegen würde. Nach wie vor schritt sie, als könnte die Kamera sie kritisieren. Er schaute ihr zurückgelehnt und zuversichtlich entgegen.

„Hallo, an dem Tischchen wird man immerhin nicht von jedem begafft. Darf ich bei dir weiterschlürfen?“

„Gerne.“

Sie hing ihre Handtasche über die Stuhllehne und setzte sich. In seinem Glas leuchteten nicht mehr viele Schlucke, als er fragte: „Bist du nur noch diese Woche hier?“

„Ich? Ich wohne hier. Du etwa auch?“

„Ich auch, ja. In dem Fall hängst du hier nur für ein paar Tage Heimaturlaub ab?“, hob er sein Glas.

„Abhängen“, leckte sie ihren Mundwinkel, nachdem sie ebenfalls getrunken hatte, „sieht man mir das an?“ Er schüttelte lächelnd den Kopf: „Natürlich siehst du flott aus.“

„Danke.“ Sein Kompliment hatte auf sie dieselbe Wirkung wie das süßlich rinnende Kaffeegetränk. „Ich bin Vanessa“, reichte sie ihm die Hand.

„Rob“, ergriff er sie erstaunlich zart, „eigentlich Robert. Hast du Lust, heute im Sardanapal mit mir zu Mittag zu essen?“

„Und ob ich Lust habe. So in zwei Stunden? Ich hab lästigerweise noch was mit 'ner Freundin ausgemacht.“

„Gut“, antwortete er, „dann schauen wir uns dort in die Seelen.“

Das Sardanapal war ein iranisches Restaurant, dessen Besucherzahl aufgrund diffuser politischer Ängste zurückging, obwohl das traditionell gekleidete Personal selbst unansehnliche oder aufgetakelte Frauen respektvoll wie kleine Sultaninnen behandelte und Extrawünsche mit einer Geduld entgegennahm, von der sich die meisten Deutschen ein zehnfaches Augenrollen entfernt sehen. Vanessa und Rob saßen drinnen, wo rotbräunliche Töne mit Weiß kontrastierten.

Sie hatten eine Platte koriandergewürzten Reis mit Hammelstückchen und gedämpftem Blattgemüse an Joghurt für zwei Personen bestellt, die sich der Koch von den Mengen her anscheinend wie dicke Großwesire vorstellte. Statt beispielsweise einen Happen Fleisch aufzuspießen, schob Vanessa stets ein bisschen von allem auf die Gabel, um die volle Geschmacksdröhnung zu erzielen. Rob schmunzelte: „Du scheinst immer einen gesegneten Appetit zu haben.“

„Ja. Weißt du, ich hab nicht danach gefragt, in diese Welt als irgendjemand hineingeboren zu werden, aber wenn ich schon hier bin, dann will ich nicht mit leerem Magen wie der Fakir auf dem Nagelbett liegen. Tatsächlich litt ich eine Zeitlang unter verflucht schlechtem Appetit. Ich hab an 'nem Fernsehcasting teilgenommen, der Lebenstraum ist geplatzt und durch den ganzen Stress mein Gewicht nach unten gepurzelt. Mein Stoffwechsel ist schnell“, zupfte sie luftig an ihrem Oberteil, „und Kleidergröße 34 will ich mir nicht kaufen. Ich bin nämlich Diätassistentin von Beruf und muss leider morgen nach einer Auszeit wieder arbeiten.“ Sie mampfte frustriert. „Und du?“

Er grub seine Gabel in den Reis, trank und beugte sich vor. „Ich war Drummer in einer Band, den Rocking Blizzards, bevor ich mit zwei Filmen vor allem in England berühmt wurde.“ Innehaltend starrte sie ihn bei seinen Worten an wie eine Erscheinung. Er breitete die Handflächen aus: „Die Leute bejubelten mich, ich verdiente Geld wie ein Pharisäer − aber das alles war nur ein großer Scheißdreck.“

Vanessa wusste noch immer nicht, ob sie weiterkauen sollte. Schließlich rollte sie den ganzen Bissen an ihrem aufmüpfenden Kehlkopf vorbei. „Und warum war das alles“, sank sie leicht zu ihm über den kleinen Tisch, „ein großer Scheißdreck?“

„Wegen der ganzen falsch blinkernden Massenindustrie, insbesondere jedoch wegen einem Fall“, wühlte er seine Gabel beladen aus dem Reis. Beim Betreten des Restaurants hatte er Vanessa, deren Auto hinter einer Ecke geparkt war, nach ihrem Alter gefragt. Mit 25 war sie ungefähr zehn Jahre jünger als Rob, und die Ereignisse von damals hatte sie zwar am Rande mitgekriegt, aber wieder vergessen. Er begann:

„Du weißt, was Groupies sind, weißt, wie schnell Frauen und Mädchen mit einem Mann nur wegen seines Namens ins Bett schwirren, der meist auch noch erfunden ist. Macht ist eine halluzinogene Droge. Nun, eine junge Engländerin − im Nachgeschmack herb wie rotblond gepanschter Apfelwein − wollte als Reaktion auf einen meiner Filme unbedingt mit mir Sex. Für mich sah sie wie 20 aus. In Wirklichkeit war's eine Nacht vor ihrem 18. Geburtstag, und ich saß fünf Jahre wegen Vergewaltigung im Gefängnis.“

„Was? Wie, warum?“

„Sie konnte vor ihrer Familie oder ihrem eifersüchtigen Freund nicht zu der Tat stehen“, stach er in das sickernde Gemüsenest. Vanessa steckte alles wie Popcorn in sich, während sie weiter lauschte. „Allein der Prozess hat Monate gedauert. Ich besorgte mir dafür einen dieser Staranwälte. Aber dieses kleine Luder hatte sich geschickt blaue Flecken zugefügt, und Zeugen wollten gehört haben, wie sie nein sagte, als ich sie von dieser Party − einer dröhnenden Party − mit auf mein Hotelzimmer nahm. Der Prozess hat Millionen und wie ein Drache meinen Glauben an die Menschheit verschlungen.“

Vanessa war betroffen. Sie glaubte ihm und empfand eine begierige Zärtlichkeit, es wiedergutzumachen. In ihr erstand der Wunsch zu zeigen, dass es durchaus hingebungsvolle Frauen gab, die durch dick und dünn gehen. „Und was machst du jetzt?“

„Ich trage Zeitungen aus.“

„Einfach nur Zeitungen? Davon kann man leben?“

Er zuckte die Achseln. „Die Medien haben mich damals gehörig verhetzt. Es ist ein Versuch, mich mit ihnen wieder zu versöhnen und Frieden zu finden.“

Der orientalische Kellner sah nach ihrem Wohl, und Vanessa bestellte noch zweimal Zitronentee. Trotz allem war sie stolz auf ihr Rendezvous mit Rob, vielleicht sogar umso stolzer, weil ihn dieses vorläufige Ende in ihren Augen nur außergewöhnlicher machte. Ihre Brust hob sich, und sie atmete warm aus. „Mann, ich bin ganz schön satt.“

Nachdem er darauf bestanden hatte, die Rechnung zu begleichen, zeigte ihnen die Sonne draußen bereits den Nachmittag an. Vanessa zog im saumseligen Gehen ein purpurrotes Notizblöckchen aus ihrer Tasche, in das sie Zahlen untereinander schrieb.

„Was machst du?“, schaute Rob hin.

„Oh, ich überschlage die Kalorien. Würdest du nach einem ausgiebigen Bummelspaziergang auch noch mit mir zu Abend essen?“

„Etwas Besseres könnte ich nicht vorhaben, klar.“

Lächelnd steckte sie den kleinen Notizblock zurück und holte stattdessen ein Päckchen Mentholzigaretten hervor. „Kränkt es dein ästhetisches oder moralisches Empfinden, wenn ich rauche?“ Mit ironischem Wohlwollen erwiderte er ihr Lächeln: „Ich fühle mich geschmeichelt, wenn du deine Laster vor mir so rückhaltlos preisgibst.“

Auf ihr gegenseitiges Nachfragen hin erzählte erst Vanessa, dass sie einer Patchworkfamilie entstamme, die auf eine fast absurde Weise modern und altbacken zugleich sei. Sie hatte einen Bruder, einen Stiefbruder, eine Halbschwester, einen Stiefvater, einen Vater und natürlich auch eine Mutter.

Die Halbschwester hieß ebenfalls Vanessa, weil ihr Vater ihre Mutter in deren Schwangerschaft verlassen und eine andere Frau geschwängert hatte, die zufällig denselben Namenswunsch für ihr Kind hegte. Sie wohne in Straßburg oder Genf. „Ich habe keinen Kontakt zu ihr, aber sie soll Frauen und Männer gleichermaßen anziehend finden. Angeblich leistet sie sich einen schweren Exzess nach dem anderen. Als Ergebnis hiervon hat ein kluger Arzt eine bipolare Störung diagnostiziert, sprich sie sei manisch-depressiv.“ Rob hörte zu, ohne zu lachen.

Ihr Stiefvater jedoch arbeitete bei der Caritas. „Er ist der lebensfrohe, sinnerfüllte Typ. Mit lieber Geduld hat er mich stets wie sein eigenes Kind behandelt. Aber ich mogelte beim Spielen oft und wollte den anderen nichts von meiner Schokolade abgeben. Bis in mein Erwachsenenalter hinein hat er mir erklärt, wie wichtig Mitgefühl auch für einen selber sei, wie sehr Egoismus nichts als Unfriede stifte. ‚Daran ist nichts Hochphilosophisches, liebe Vanessa, dass wir als soziale Wesen nur durch die Sozialität wirklich glücklich werden. Hilf anderen‘, lautet ewig sein Rat.“ Sie schlenderte in sich versunken mit Rob zwischen den Leuten hindurch. „Ich habe es versucht, ich bin Diätassistentin geworden. Aber naja“, zog sie an der Zigarette und genoss die Wirkung des ungesunden Nikotins in ihrem Körper.

Im Gegensatz zu ihr war Rob ein Einzelkind. Die durchaus liebevolle Mutter hatte als Tanz- und Musiklehrerin gearbeitet, bevor sie allerdings im Zuge seiner Volljährigkeit panisch einen zweiten weiblichen Sommer erleben wollte und mit einer Gruppe von Chaoten durchbrannte. Sein Vater war Mexikaner. Jedes Jahr kam er einmal zu Besuch und klopfte seinem Sohn mit schwerer rauer Hand auf die Schulter, lachend: „Jchrunge, wie groß du geworden bist! Bald kannst du einen Mezcal trinken“, dann ging er wieder. Hard Rock, aber auch Segeln und Klettern boten für Rob damals ganz private Möglichkeiten, damit fertig zu werden.

Fürs Abendessen wählten sie das Restaurant eines mittelklassigen Wellness-Hotels, das sich nun im Juni langsam zu füllen begann. Vanessa hatte Lust auf gefüllte Pfannkuchen mit Pilz-Rahm-Geschnetzeltem und knackigem Gemüse. Rob aß Backkartoffeln mit Steak. Auf unbestimmte Weise hatte die Genussfreudige das Gefühl, als würde sie ihn schon eine Woche statt nur einen Tag kennen.

„Damals, als du unschuldig im Gefängnis warst“, hob sie an und pausierte nochmals, weil sie den Mund zu voll mit cremigem Teig hatte, „wie hast du denn die ganze Enthaltsamkeit da verwunden?“

Sein weißer Teller wurde rosiger, als er abermals vom Steak abschnitt. „Nicht übermäßig gut. Die ersten ein oder zwei Jahre sind mir nicht mal so schwer gefallen, gerade wegen meiner bitteren Frustration gegenüber dem weiblichen Geschlecht: So ein düsterer Zorn flackert immer wieder in mir auf … Aber, verflucht sei's, im tiefsten Grunde bin ich ein Romantiker.“

Obwohl Vanessa seinen Worten reges Interesse entgegenbrachte, musste sie mit einem flüchtigen Blick nach unten einen der zwei Knöpfe an ihrer Jeansshorts öffnen, weil einfach ihr voller Bauch nach außen drängte. Sie überdeckte den freigewordenen Spitzenbesatz ihres türkisbläulichen Höschens mit dem Shirt und entschied sich für eine Nachspeise.

„Zuletzt“, gestand Rob, „habe ich mich allerdings nur noch danach gesehnt, mein Gesicht am duftenden Bauch einer Frau zu bergen, einer offenen, nicht so hart kalkulierenden und süßlichen Frau.“

Warm erschauernd, schob Vanessa ihr Himbeerdessert mit der Zimtstange in sich.

Sie wohnte zwei Stadtteile vom erdunkelt schimmernden Wasser entfernt, wohin sie jetzt mit ihrem schnittigen Auto fuhren. Rob besaß nur ein Mountainbike und benutzte zuweilen die S-Bahn. Eine malerische Erregung durchfloss und -sprudelte Vanessa bei dem Gedanken, wie sie den Mund ihres Beifahrers noch vor einem Kuss zu Hause sanft in ihre Scheide drücken würde. Er durfte, er musste ihr trauen. Warum sollte sich nicht wenigstens dieser ichsüchtige Traum verwirklichen, ja war er überhaupt ichsüchtig?

Gleichzeitig unterdrückte sie beim Fahren ein starkes Bedürfnis, aufzustoßen. Denn Rülpsen stellte nach Vanessas Meinung nun wirklich eine Grenze dar, durch deren Überschreiten eine Frau ihre erotische Wirkung zerstörte.

Auf einem großen Parkplatz vor mehreren Wohnhäusern zog sie schließlich aus Gewohnheit zerrend die Handbremse halb fest und fischte nach ihrem Täschchen auf der Rückbank. „In dieser Gegend schicken die Eltern ihre Kinder und Sonstiges rechtzeitig zu Bett“, war sie leicht unsicher auf Lockerheit aus.

Er öffnete die Wagentür. Das Treppensteigen in den vierten Stock ließ Vanessa heute etwas keuchen.

Ihre Zweizimmerwohnung wirkte schick, aber keinesfalls abgehoben oder unübersichtlich. Karamellwarme Töne fanden sich ebenso wie weiße Flächen und ein paar schwarze Möbel. „Mach dir's doch auf der Couch bequem. Möchtest du auch 'nen Cappuccino?“

„Nein, oder doch, damit es dir durch die Geselligkeit besser schmeckt“, setzte er sich vielleicht mit Absicht so nachlässig und unangestrengt hin, als begänne ein dreistündiger Spielfilm.

„Das ist aber ein überzeugend netter Grund“, stand Vanessa mit ausgezogenen Schuhen an der blubbernden Cappuccino-Maschine in ihrer Küche. Sie platzierte anschließend die zwei Tassen auf dem Couchtisch und brachte hervor: „Ich muss nur kurz ins Bad.“

Nachdem sie dort mit zartgeröteten Wangen vorm Spiegel ihr T-Shirt über den Kopf gezogen hatte, kämmte sie nochmals ihr Haar. Sie war schrecklich erregt. Austestend zog sie für einen Moment ihren Bauch ein, was ihr allerdings nur unter leichten Schmerzen gelang, und drückte dann sachte mit ihren Fingerspitzen dagegen: Er gab so wenig nach, als hätte sie rundweg eine Honigmelone drinnen. Vanessa konnte regelrecht spüren, wie sich schmilziger Kristallzucker mit ihrem Blut vermählte und durch ihre Adern pulsierte. Sollte sie sich so vor Rob nicht schämen? Im Gegenteil, ermutigte sie sich selbst, genau das war der pikante Beweis von unverstellter Intimität, den sie beide brauchten.

Sie öffnete nun auch den anderen Knopf an ihren Jeansshorts, wodurch diese nur noch fragil auf ihren Hüften hielt. Mit einem Finger fuhr sie in ihr Spitzenhöschen hinein: Wie sie befürchtet hatte − schon glitschrig. Immerhin roch sie nicht unfrisch (geduscht hatte sie vor zwölf Stunden), aber auch nicht rein. Sie roch im Grunde so, wie sie selber und hoffentlich auch er es mochte, nämlich einfach nach sich. Oder sollte sie noch einmal schnell sich waschen und gar die Unterwäsche wechseln? Dann wäre der Zauber weg. Sie tupfte lediglich aus einem Flakon aphrodisierendes Parfum auf ihren Schamhügel. Schon lange feucht vor Lust zu sein, war am überzeugendsten und unwiderstehlich in Ordnung.

Mit erdbeersamtigem Büstenhalter schritt Vanessa zurück ins Wohnzimmer. Rob hing noch immer wie vorher in der Couch, setzte sich bei ihrem Anblick aber aufrechter hin. Ihr Schenkel berührte die dünne Tischplatte, und ihr Arm streckte sich hinunter zum Tassenrand: „Für das eine oder andere findet sich in mir noch Platz.“

Langsam hob sie den Cappuccino zu ihren Lippen, während sie sich ganz zwischen den Couchtisch und Rob stellte. Er kostete ebenfalls einen Schluck, wonach er aber die Trinkende von unten mit seinem Blick fixierte. Sein Gesicht befand sich nur Millimeter von ihren