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Die Ereignisse um den Hexenprozess der Emerenzia Pichler und ihrer Kinder zählen zu den dunkelsten Kapiteln der Tiroler Geschichte. Mit genauer Kenntnis der Prozessakten hat Fanny Wibmer-Pedit (1890-1967) diesen spannenden Roman in den 1930er Jahren geschrieben. Er handelt von Irrtum und Aberglauben, aber auch von Angst und Vorurteilen gegenüber einer klugen, selbständigen Frau, die vielen Menschen ihrer Zeit unheimlich ist. Die fromme Emerenzia Pichler lebte in den düsteren Zeiten des Dreißigjährigen Krieges in Tirol. Wie ihre Mutter wird sie Pfaffin (Pfarrhäuserin). Als sie einen jungen ungestümen Soldaten kennenlernt, folgt sie ihm als seine Frau. Doch er verlässt sie, unwissend, dass sie schwanger ist Damit beginnt der lange Leidensweg der jungen Frau. Der Buhlschaft mit dem Teufel und der Hexerei angeklagt, findet sie ein tragisches Ende. Sprachlich virtuos und historisch genau zeichnet Wibmer-Pedit das Zeit- und Lebensbild einer wissbegierigen, gläubigen und beherzten Frau, die unbewusst Konventionen und gesellschaftliche Grenzen sprengt. Ohne Zweifel kann „Die Pfaffin“ als der bedeutendste Roman der österreichischen Schriftstellerin Wibmer-Pedit gelten.
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Seitenzahl: 465
Veröffentlichungsjahr: 2014
Fanny Wibmer-Pedit
Die Pfaffin
Roman
www.ennsthaler.at
1. Auflage 2014
ISBN 978-3-7095-0030-9 EPUB
Fanny Wibmer-Pedit · Die PfaffinAlle Rechte vorbehaltenCopyright © 2013 by Ennsthaler Verlag, SteyrEnnsthaler Gesellschaft m.b.H. & Co KG, 4400 Steyr, ÖsterreichSatz & Umschlag: Thomas Traxl, SteyrUmschlagfoto: Andrey Kiselev – fotolia.de
Durch den Niesenwald herauf stapft ein buckliges Männlein; verwachsen und knorrig ist seine Gestalt wie verkrüppeltes Niederholz. Wie filziger Baumbart, grau und grün, wuchert auf seinem Gesicht die abgestandene Haarzier, aus der ein fürwitziges Näslein lugt und - ganz wunderlicher Weise - zwei große, blitzblaue, unschuldsvolle Kinderaugen. Über die Baumwipfel streift die hohe Mittagssonne, sie goldet durch das ganze Defreggental hinaus, funkelt auf dem St. Veiter Kirchturmspitz wie ein Festglanz, ist aber nur mehr ein warmer Hauch da im kühlen Tal, dieweilen sie draußen auf den weiten Lüentzerboden niedersengt wie lebendiges Fegefeuer.
Und darum stapft das Davidle den dunklen Niesenwald so zufrieden herauf. Im Winter geht er der Wärme, im Sommer der Kühle nach. Das ist seines Lebens einfältige und vielkluge Weisheit.
Weit draußen unter dem Kiehnburgerschloß ist dem Davidle einer begegnet, an den muß er allweil denken. Eija, das war ein Lotter, der ist schon der Hitzen und dem Regen gleicherweise zugerennt, das hat man ihm von aller Weite angesehn. Groß und stark, helläugig und rotbärtig, ein gar trutziges Gesicht, das einen übermütigen Frohmut trug und dennoch auch ein kleines bedrückt schien. Schwer und fest der breite Fußtritt, der an der Erden haftet nach Bauernart und dennoch wieder mit aller Macht in die Weite strebt wie ein begieriger Vagant. Einen Plenglsack hat der Mensch Gottes über der Schulter getragen, wie ein Riese sein Haus trägt - und dennoch, ist dem Davidle vorgekommen, ist der Wegläufer so voller Eiligkeit und Fahrenheit dahin, als wär’ er ein Räuber und der viele Plunder im Sack bloß Diebsgut. Es möchte niemand dafürhalten, wie das einfältige Davidle über einen nachdenkt, dem er in aller Morgenfrühe begegnet, und was er an ihm noch alles ersieht. Ja, wenn einer so niemanden mehr zu eigen hat, nit Vater und Mutter, nit Bruder und Freund kennt, der hat gelernt, im Antlitz dessen zu schauen, der ihm auch nur als Allerweltsbruder über den Weg läuft. Was für einem Leid ist der Elendsmensch wohl etwan entronnen? Und was für einer Freud’ rennt er wohl zu? Und wie wird sich’s einmal weisen, wieviel er gewonnen und wieviel er verloren und das, worum er auszieht, sinnt das Davidle und freut sich der paradiesischen Kühle an diesem heißlebigen Sommertag.
Wie die ersten Weiler aus dem Wald tauchen, weicht er ab vom Weg. Er kennt dort, wie im Dorf, die Laben und Stuben und wird nit immer um Gottes willen willkommen geheißen. Drum will er lieber einmal außer dem Ort Atzung und Herberg’ suchen, denn im Defreggental sind die Nächte auch im Heuet noch kalt und scharf ihr Tau und geben keinen linden Schlaf in der Weite.
Da schlenkelt er seitab, dem Mullitzgraben zu und will das Dorf einmal von oben her begehn. Kühl wie ein Lüentzer Weinkeller ist der Mullitzgraben, und das Gewässer sprüht ihm nebelfein ins Gesicht, wird ihm zum Labsal im währenden Wandern. Eija, der Lotter, daß er allweil wieder an den denken muß!
So ein Gestäng’ möcht’ er haben wie der, so ein kräftiges, junges da wär’ ihm Stock und Stein am Weg auch nichts, kostet’ ihn keine Müh und kein Geschnauf. So aber keucht und schwitzt er vom letzten Saft, von letzter Kraft, ein ausgehungertes Elendslötterle, wie er schon einmal ist. Um die Starritzenhöfe macht er wieder einen Bogen, denn höher droben dunkelt ein braunes Gehöft mit geringem Wiesland aus dem grünen Wald heraus, dort ist er noch nie gewesen. Dort wird ihm etwa kein überdrüssiger Gruß entgegenmaulen. Man muß sich viel Bänk’ aufsuchen in der Welt, wenn man keine eigene hat, wo man zu liegen und zu ruhen ein Recht ansprechen kann. Unter ihm breitet sich jetzt das Dörflein St. Veit; Häuslein und Turmspitze glosen in der Sonne, schwanken wie trunken hin und her in der zittrigen Luft des heißen Mittags.
Auf einmal hört das Davidle eine grelle Stimm’, horcht und sinnt, ob sich sein Ohr nit bloß täuschen mag. Und wiederum, wie ein gemarterter Schrei. Ist einem was ... geschieht einem was? Ja Narre! Rufet da ein Weib nach den herumstranzenden Kindern, nach dem säumenden Mann? Ja, rufet das Weib in Zornwut so schreckbarlich? Rufet es nit in lauter Jammer und Schmerz?
Das Davidle zappelt in Eile vorwärts, will Hilfe sein in der Not, an Neugier denkt er nicht. Die Schreie kommen vom Holzer her, der ist der höchste Hauser im Tal. Arm und notig sein die Leut’, so hat das D So ein wunderliches Wesen hat die Emerenzia
avidle reden gehört drunten im Dorf. Ein Steinwurf vom Haus steht eine magere Lärche. Und bei der Lärche steht eine Weibin, schreit und ruft in die Weite: »Veit! Veit!«
Bald ist ihr Schreien ein Jammern, das einem ans Herz greift, bald ein Sehnsuchtsruf, lind und lockend, bald ein Zornwüten, das erschreckt. Jetzt sieht das Davidle, wie es die Weibin am Stamm niederreißt, wie sie die Hände krampfig um die rindige Lärche schlingt, den Stamm umfaßt und sich mühsam daran wieder aufrichtet. Was rauft sie denn so mit der leblosen Lärche?
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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