Die Philosophen kommen - Marion Fugléwicz-Bren - E-Book

Die Philosophen kommen E-Book

Marion Fugléwicz-Bren

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Beschreibung

Ob TV-Talkshow, Wirtschaftsforum oder Printmagazin - immer häufiger sind es Denker aus verschiedenen Disziplinen, die zu sämtlichen Themen unseres komplexen Lebens befragt werden: Die Philosophen kommen. Und vielleicht sind gerade sie die neuen Vorbilder, die unsere aufgeklärte Welt heute braucht; sind sie es doch, die sich aufs Denken verstehen - aufs Nach-, Quer- und vielleicht auch Umdenken. Im Stillen und in der Öffentlichkeit.Marion Fugléwicz-Bren, Journalistin und Autorin, trat in Dialog mit 22 Philosophen und interdisziplinären Experten, die aus ihren höchst unterschiedlichen Perspektiven die Gegenwart und Zukunft unserer Gesellschaft beleuchten. Gert Scobel, Konrad Paul Liessmann oder Robert Pfaller - eines eint sie alle: Die Vielfalt der sehr verschiedenen Ansätze, die allesamt das Ziel verfolgen, uns auf lustvolle Weise zu neuen Erkenntnissen zu führen. Ein Privileg, das wir uns vielleicht öfter leisten sollten: Nachfragen, Differenzieren, Zuhören. Oder Lesen...

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www.tredition.de

Zeit und Geist

Die Philosophen kommen

Essayistische Interviews

von Marion Fugléwicz-Bren

Ein Zyniker ist einer, der von allem den Preis, aber nicht den Wert kennt.

Oscar Wilde

www.tredition.de

© 2013 Marion Fugléwicz-Bren

Erste Auflage

Umschlaggestaltung, Illustration: Erich Reichl nach einer Idee von Marion Fugléwicz-Bren

Lektorat, Korrektorat: Mag. Cornelia Klammer

Übersetzung und englischsprachige Interviews: Marion Fugléwicz-Bren

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN: 978-3-8495-4971-8

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Zur Autorin

Marion Fugléwicz-Bren lebt als freie Autorin, Journalistin und Communications Consultant in Wien. Nach Philosophie- und Psychologiestudium sowie diversen Lehrgängen und Zusatzausbildungen arbeitet sie seit über 20 Jahren journalistisch an der Schnittstelle Wissenschaft/(New) Media-Future-Trends/Wirtschaft/Gesellschaft u.a. für Mediaplanet, Presse, Trend, Computerwelt, Horizont, Bestseller, Standard, APA…

Als Publizistin und kurzfristige Leiterin eines PR-Lehrgangs liegen ihre Schwerpunkte in der Aufbereitung und Kommunikation komplexer Inhalte. PR- und Pressearbeit für EU, Konzerne, KMUs, wissenschaftliche Konferenzen und Plattformen sowie Media-Workshops (APA, Uni Wien) boten tiefe Einblicke in kontroversielle Standpunkte.

Publikationen: Sachbuch, Lyrik, Essays, zahlreiche Buchbeiträge.

Zuletzt: Das Zukunfts Web Buch, Mithg. Marion Fugléwicz-Bren (2010),

Zwischen den Zeilen – ein Essayband (2009). Als Pionierwerk gilt das internet lesebuch, Hg. Marion Fugléwicz im Buchkultur Verlag Wien 1996.

MFB: „Neue Impulse zum Themenumfeld „Zurück in die Zukunft“ gaben mir etwa auch die Pressearbeit für Konferenzen wie TEDxVienna, Enable (Lift Vienna), Smart Web Vienna, Zukunftsweb, Open Government Data sowie fünf Jahre Experten-Interviews, Press&Communications für die Software experten Semantic Web Company, Wien“.

News und Veröffentlichungen regelmäßig im Blog marions internet lesebuchwww.marions.at/wordpress sowie ab sofort

„Die Philosophen kommen“ als Blog. Philosophische News, Essays und Neues aus Marions Salon. Hier nachzulesen:

http://die-philosophen-kommen.at.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Zu diesem Buch: Es kann aber auch alles ganz anders sein

„… denn die Frage, wie mit Informationen umzugehen sei gehört zu den ursprünglichsten Aufgaben der Philosophie.…“. Ein Interview mit Konrad Paul Liessmann

„Wir sind nie nur wir selbst, wir spielen immer eine Rolle…”. Eine kurze Begegnung mit Slavoj Žižek

„…das Komplexe, Schwierige auflösen – ohne die falsche Illusion, dass alles im Grunde doch einfach wäre…“. Ein Interview mit Gert Scobel

„Offensichtlich ändert sich mit den Medien auch das Denken… “. Ein Interview mit Frank Hartmann

„Nur wenn man eine Weile bei einer Sache bleibt, kann Begehren entstehen…“. Ein Interview mit Robert Pfaller

Der unsichtbare Dritte. Ist das kollektive Facebook-Leben ein delegiertes Leben? Marion Fugléwicz-Bren

„Sich denkend in die Struktur der Widersprüche vertiefen…“. Ein Interview mit Wolfram Eilenberger

„Ernsthaftigkeit ist eine teure Tugend“. Ein Interview mit Wolfram Eilenberger

Ist moralischer Fortschritt ohne Katastrophen nicht möglich? Ein Interview mit John Casti

„Wir benötigen Zeit, Geduld und den Willen einander zuzuhören“. Ein Interview mit Markus Peschl

Wie wissen wir was wir wissen? Kognitionswissenschaft — neues Wissen durch verschiedene Ansätze. Marion Fugléwicz-Bren

„Die Wirtschaft kann sich Ethik nicht nur leisten — sie muss es auch“. Ein Interview mit Thomas Vašek

„Ohne Philosophie geht gar nichts — sie trägt uns durchs Leben“. Ein Interview mit Irmgard Klammer

„Das Glas ist halb voll…“. Ein Interview mit Christian Klezl

„Wirtschaft und Philosophie sind ganz eng aufeinander bezogen…“. Ein Interview mit Leo Hemetsberger

Wahnsinn Geschwindigkeit — Segen oder Fluch? Manche Konferenzen können Welten verbinden. Ein Interview mit Vlad Gozman

Apropos kulturelles Gedächtnis: „…deshalb sammelt und sichert die Österreichische Nationalbibliothek Wissen, ohne die Inhalte zu bewerten…“. Ein Interview mit Johanna Rachinger

„Medien sterben aus“: Was bedeuten Zukunft und Erinnerung noch? Ein Interview mit Johannes Grenzfurthner und Günther Friesinger (monochrom)

„Die Philosophie war ursprünglich eine populäre Angelegenheit im besten Sinne“. Ein Interview mit Simone S. Klein

Allons enfants d'information - junge Bohemiens in der Gestalt digitaler Hobby-Götter… Ein Interview mit Florian Kondert

„Philosophie spielt sich letztlich im Gespräch ab…“. Ein Interview mit Markus Riedenauer

„Philosophie legt die Steine in den Weg, die es interessant machen, den Weg zu gehen“. Ein Interview mit Florian Brody

„Ob es für den Einzelnen nützlich ist, obliegt der subjektiven Beurteilung“. Ein Interview mit Heinz Palasser und Bernd Waß

Zitate

Links

Die Reihenfolge der Interviews spiegelt keine Wertung wider.

Zeit und Geist

Die Philosophen kommen

Vorwort

Es begann mit einigen Interviews, Blogbeiträgen und Artikeln. Auf Konferenzen. In der Pause. Zwischendurch. In Gesprächen. In der U-Bahn. Am Telefon. Im Internet. Mit einem Mal bestand Klarheit darüber: Die Philosophen kommen.

Erschrecken Sie nicht über diese Vorstellung, aber das Buch, das Sie hier in Händen halten, lebt. Es ist wie ein pulsierendes Herz, das regelmäßig schlägt und das niemals „ausgewachsen“ sein wird.

Die Geister, die ich rief… aus der Idee zu einem Buch entstand schließlich ein Projekt, dessen Ausmaß täglich größer zu werden scheint. Das Buch endet nicht mit der letzten Seite. Weil es nie fertig geschrieben sein wird. Es bekommt immer mehr Umfang und Inhalt. Einzig meiner Ungeduld ist es geschuldet, dass das Buch schon jetzt in Ihren Händen liegt. Gleichwohl bin ich glücklich über die unglaubliche Qualität und Fülle der Antworten, die ich in diesem Band veröffentlichen darf. Auch wenn es einige Denker gibt, die hier noch genannt werden müssten – dass sie noch fehlen, liegt einfach daran, dass ich noch keine Zeit hatte, sie zu kontaktieren oder sie noch keine Zeit hatten, mir ihre Antworten zurück zu schicken.

Aber um die Zeit einzufangen muss man auf der Höhe der Zeit sein… und dank neuer Technologien kann dieses Buch sich immer wieder erneuern. Man kann es bestellen – in der von mir nach wie vor präferierten Form, als Buch. Oder als E-Book. Und man kann auf der Webseite verfolgen, ob neue, weitere Interviews dazugekommen sind. Und das Buch dann — idealerweise in regelmäßigen Erscheinungsabständen – neu bestellen. Aktualisiert.

Soweit zur Metaebene, die in weitestem Sinne auch schon zum Thema passt. Zum Thema Wissen, in schriftlicher oder anderer Form.

Immer häufiger sind es Philosophen, die befragt werden – von Politikern, Wirtschaftsbossen, Unternehmern und von Menschen, die sich in Zeiten von Finanz-, Pensions- und Klimakrisen zusehends wieder auf die ursprünglichen Werte ihres Lebens besinnen. Auch in Medien und auf Bestsellerlisten rangieren immer häufiger Titel philosophischen Inhalts.

Brandeins, eines der erfolgreichsten, außerdem schönsten und klügsten Wirtschaftsmagazine im deutschsprachigen Raum titelt mit Headlines wie „Das gute Leben“, „Nichtstun – und was sich daraus machen lässt“ oder „Entscheiden, was wichtig ist“. Zwei sehr junge Magazine in Deutschland widmen sich ausschließlich der Philosophie. Auch Giovanni di Lorenzo, Journalist und Philosoph, titelt mit philosophischen Themen. Und er hat die zeitlose Wochenzeitung Die Zeit profitabel gemacht. Online und als Printmedium. In einem Fluidum, das – nicht nur aus journalistischer Sicht – alles andere als rosig ist.

Sind Philosophen die neuen Vorbilder, die unsere aufgeklärte Welt braucht? Die Schöngeister, kunstsinnigen Denker und interdisziplinären Intellektuellen? Möglicherweise ja. Und möglicherweise deshalb, weil sie wissen, wie man mit Abstraktem umgeht und wie man es konkretisieren kann.

Unsere Welt entwickelt sich weiter. In einer Geschwindigkeit, die scheinbar stetig zunimmt und deren Auswirkungen einerseits eine Reihe von Krisen mit verursachen, die andererseits aber auch große neue Potenziale erschließen. Diese Potenziale zu nutzen obliegt nicht nur Meinungsmachern und steuernden Mächten, es liegt zu einem Gutteil auch an jedem Einzelnen. Aber woran sich orientieren? Die Welt braucht neue Vorbilder.

Anjezë Gonxhe Bojaxhiu aka Mutter Theresa soll einmal gesagt haben: „Du kannst Dinge tun, die ich nicht tun kann. Ich kann Dinge tun, die du nicht tun kannst. Zusammen können wir große Dinge tun“. Im Zeitalter kollektiver Ressourcen, Schwarmintelligenzen und Wissens-Managements wäre es angebracht, voneinander zu lernen, einander zu ergänzen.

Von Verantwortungseliten ist oft die Rede, von der Souveränität des Einzelnen, der Notwendigkeit eines sozialen Gefüges. Und wenn kürzlich ein Soziologe wie Richard Sennett zur Schlüsselfrage ein Buch schreibt, wie Menschen zusammenleben und zusammenarbeiten können, die sich sozial, ethnisch oder in ihrer Weltanschauung unterscheiden, dann ist es logisch, dass er zu Buchmessen eingeladen und in den Medien gefeiert wird. Denn genau diese Überlegungen brauchen wir heute. Und viele mehr. Dankenswerterweise haben mir in diesem Buch renommierte Philosophen und Intellektuelle eine Reihe von Antworten gegeben – großartige, oft erstaunlich einfache und manchmal auch verblüffende.

Mein Dank bei diesem Projekt gebührt jedem einzelnen meiner Interviewpartner – die mir gern ihre Zeit gewidmet haben, um meine endlosen Fragen zu beantworten. Erwin Werdenigg, der mir eine wunderschöne Webseite gebaut hat, die das Buch zum Weiterleben nach dem Erscheinen erweckt: www.die-philosophen-kommen.at; Michael Bren, meinem Lebenspartner, der nie müde wird, nächtelang mit mir das Thema aus seiner Sicht zu diskutieren und dabei meine Informationstechnologie-Infrastruktur so ajour hält, dass ich auf neuestem Stand arbeiten kann; auch wenn mitten in der Buchproduktion mein Computer den Geist aufgibt. Meinen Eltern, die mir die Philosophie bereits in früher Kindheit erschlossen haben und die nur ein bisschen verzweifelten, als ich mich schon in der Pubertät zu diesem Studium entschloss – aber auch mein Großvater war Philosoph und hinterließ mir wohl ein einschlägiges geistiges Erbe.

Dank auch an meine lieben Praktikanten, die Germanistin Cornelia Klammer und den Studenten Erich Reichl, die mir bei Lektorat, Buchproduktion, Layout, Cover und mancher Recherche unschätzbar wertvolle Hilfe geleistet und bei der Übersetzung des John Casti-Interviews mitgearbeitet haben.

MFB

Zu diesem Buch

Es kann aber auch alles ganz anders sein

Können die von uns erschaffenen Ideologien, Theorien und Methoden uns „an der Hand nehmen“? Können sie uns leiten? Oder uns ermutigen, uns selbst — dem heutigen Glücksdiktat entsprechend – zu „optimieren“?

Als junge Philosophiestudentin faszinierte mich unter anderem die Idee von Intuition und Kreativität als Voraussetzung des Erkenntnisgewinns und Erkenntnisfortschritts. Henri Bergsons Lebensphilosophie gefiel mir und ein Buch Paul Feyerabends namens „Wider den Methodenzwang“ mit der – zumindest von mir interpretierten – wunderbaren Schlussfolgerung „Es kann aber auch alles ganz anders sein“. Aus einer Metaebene betrachtet könnte man sagen, dass mich dieser Satz seither begleitet hat. So interessant es auch sein möge — ich will hier nicht näher auf Feyerabend und seinen erkenntnistheoretischen Anarchismus eingehen; freilich aber jenen Lesern, die in meinem Buch nach Strukturen oder sonstigen Regeln suchen oder überlegen, wie es am besten zu lesen sei (chronologisch oder intuitiv), das Feyerabend’sche Diktum zur Betrachtung quasi in den Raum stellen und unkommentiert stehen lassen:

„…der einzige Grundsatz, der den Fortschritt nicht behindert, lautet: Anything goes.“

Vor allem ist es mir ein Anliegen, einige der aus meiner Sicht zahllosen offenen Fragen aufzuwerfen, die derzeit immer mehr Menschen zu beschäftigen scheinen – und Antworten verschiedener Denker und Intellektueller zu präsentieren: Positionen vorzustellen und zu versuchen, geneigte Leser auf erfreuliche und manchmal vielleicht spielerische Weise zu inspirieren.

Das vorliegende Werk ist weder ein wissenschaftliches noch philosophisches Lehrbuch, vielmehr ein Lesebuch, das essayistische Interviews enthält, die in ganz beliebiger Reihenfolge und je nach Interessenslage gelesen werden können.

Auch Richard David Precht, den Bestsellerautor von „Wer bin ich und wenn ja, wie viele?“, wollte ich natürlich zu einem Interview einladen, das in diesem Buch erscheinen hätte sollen, doch eine Verlagssprecherin hat mir mitgeteilt, er sei über Monate hinaus mit zahlreichen Terminen ausgebucht und könne derzeit leider keine neuen Interviews geben. Irgendetwas hat dieser Mann wohl richtig gemacht, obwohl es natürlich schade ist, dass er (noch) nicht hier vertreten ist. Hier bedeutet in dem Fall in diesem Buch. Was die Webseite zu dem Buch betrifft, so sieht die Sache natürlich anders aus, was dort passieren wird, kann sich – in bestem Feyertag’schem Sinne immer wieder ändern.

Wohin und zurück – Wirtschaft trifft auf Philosophie

Spätestens seit besagter und vielfach als „Philosophie-Star-Phänomen“ titulierter Precht vor fünf Jahren mit seinem attraktiven Titel eine breitere Öffentlichkeit erreichte, erhielt die Einsicht, Philosophen müssten sich – endlich wieder – einmischen, eine reelle Chance in der Gesellschaft. Philosophische Ratgeber boomen; sei es in Buchform oder als Talk-Show-Format, die Sendungen „Philosophie“ auf arte.tv oder „scobel“ seien als wunderbare Beispiele genannt. Neue attraktive Hochglanzmagazine wie „philosophie“ in Berlin oder „Hohe Luft“ in Hamburg wurden gegründet und kaum eine Podiumsdiskussion oder Konferenz in der Wirtschafts- oder Medienbranche kommt heute ohne Philosophen aus: Ob Symposion oder Festival – der schillernde Paradedenker ziert heute jede renommierte Veranstaltung. Kein Zweifel, hier passiert ein dringend benötigtes Umdenken. Galten Philosophen während der letzten Jahrzehnte „quasi augenzwinkernd als zuständig für das Unpraktische und Unnütze“, wie ein Blogger das einmal in einem „wirtschaftsphilosophischen Blog“ formulierte, so häufen sich neuerdings die Anzeichen, dass der Stellenwert der Philosophie in unserer Gesellschaft wieder massiv zunimmt: Wie immer in Krisenzeiten suchen Menschen vermehrt nach Orientierung.

Das von Kant geforderte „Sapere aude!“ – habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! – ist die Aufforderung, die Vernunft zu wagen. Tun wir das? Und wenn nein, warum nicht? Warum war die Philosophie so lange unterrepräsentiert? Oder war sie das gar nicht? In welchen Bereichen lässt sie sich ins „wirkliche Leben“ integrieren und wie kann sie Suchenden die „richtige Richtung“ weisen? (Wie) kann sie unsere Welt retten?

Im Zeitalter des Internet wird nicht nur die Welt kleiner, auch das Spiel mit Wahrheit oder Täuschung ist zum Massenphänomen geworden, weiß ebenso Gert Scobel und fragt etwa: Ist die gegenwärtige Popularität von Verschwörungstheorien ein Symptom der Vertrauenskrisen unserer Gesellschaft? Was sind Fakten, was ist Fiktion – und wann ist kritisches Denken erforderlich?

In Österreich gibt es mehrere philosophisch orientierte Initiativen – eine Gesellschaft für Angewandte Philosophie, ein Institut für Wertewirtschaft, die Forschungsplattform „Cognitive Science“. Das Buch „Vom Systemtrottel zum Wutbürger“ (Schulak/Taghizadegan) löste 2011 erstaunlich viele Reaktionen im Internet aus und ließ schließlich ein Nachfolgebuch entstehen.

Zweifellos besteht – abgesehen von einem vielleicht wacher werdenden Bewusstsein für Missstände – auch ein erhöhter Bedarf an Orientierung in einer immer komplexeren Welt. Unser Zeitalter ist nicht nur extrem stark von Veränderung geprägt, unser gesamtes Umfeld wird permanent differenzierter und nuancierter: Braucht es nicht – als Gegengewicht zur scheinbar zunehmenden (Un-)Berechenbarkeit – deutlich mehr philosophisches Bewusstsein? Habe ich Lösungen, wenn ich Formeln und Kennzahlen habe? Stichwort: Der „vernetzte Nomade“ gilt als Leitfigur in unserer digitalen Welt, sagen Zukunftsforscher. Welche Stabilität gibt es heute noch, welche Vertrauenswürdigkeit? Was heute Vormittag gilt, kann heute Abend schon wieder hinfällig sein – sei es in der Ökonomie, Ökologie oder in den Wissenschaften. Wo kann der Mensch in einer derartigen Welt Orientierung finden? Wird die wachsende Komplexität in unserem Alltag reduziert auf Algorithmen – auf Handlungsvorschriften und Datenstrukturen?

Nehmen wir das Beispiel „Siri“: Die Firma Apple brachte unter diesem Namen [Siri steht für Speech Interpretation and Recognition Interface, Anm.] Ende des Jahres 2011 die Software einer persönlichen Assistentin für Smartphones auf den Markt, die auf Fragen des Nutzers passende Antworten liefert und diverse kleine Kommandos ausführt. Die Software ist mittlerweile sehr populär. Delegieren wir unsere Informationskompetenz zunehmend an Maschinen oder Softwareprogramme? Weil die Systeme so komplex werden, dass wir sie nicht mehr verstehen können? Wem schenken wir unser Vertrauen in einem Zeitalter, in dem sich das Verhältnis von Wissen und Information – vor allem auch in den elektronischen Räumen – radikal verändert hat? Was gewinnen oder verlieren wir dabei?

Unzeitgemäße und zeitgeistige Betrachtungen

„The Truth is: Philosophy works.“: In New Yorker U-Bahn-Stationen wirbt eine Schule für Praktische Philosophie mit diesem Slogan um Kunden. Lässt sich daraus ein Trend für einen neuen Bedarf in unserer Gesellschaft ableiten? Wie „werblich“ darf Philosophie sein? Wie sehr darf oder soll sie zum „Markt“ werden? Inwieweit unterschiedet sich Europa hier von Amerika? Welche Rolle fällt der akademischen Philosophie zu, wenn solche Mechanismen zu greifen beginnen? Wo könnte hier der eventuelle Nutzen für beide Daseinsformen liegen?

„Philosophie steht seit der Antike im Spannungsfeld von Wissenschaft und Öffentlichkeit, von Markt (Sokrates) und Akademie (Platon)“, so der österreichische Philosoph Konrad Paul Liessmann: „Populäre Philosophie ohne wissenschaftlichen Hintergrund bleibt allerdings meist flach, akademische Philosophie ohne aufklärerischen Anspruch wird oft inzestuös“.

Aber was macht Philosophie aus? Und was tun eigentlich Philosophen den ganzen Tag?

Kein Mensch bewegt sich außerhalb der Philosophie. Sie wird auch als Erste Wissenschaft bezeichnet, da sie die Wissenschaft von der Wissenschaft ist. Doch selbst an Universitäten ist die Philosophie nicht zu Hause – dort wird ihre Geschichte gelehrt, nicht sie selbst.

Philosophie benötige aber „…keine Universitäten, sondern Menschen, die sich ernsthaft um das Denken bemühen. Nur wenige wagen diesen Schritt, denn die Resultate sind nicht immer erbaulich“, schreibt ein Leser an das Zeit Online-Magazin.

Dass Philosophie nichts Aktuelles ist, beschrieb schon Nietzsche in seinen „Unzeitgemäßen Betrachtungen“ (ein sehr nettes YouTube-Video1 dazu macht das Thema dann doch wieder zeitgemäß). Zugeordnet wird die Philosophie den Geistes- und Kulturwissenschaften (Sinn und Zweck solcher Begrifflichkeiten sind ein eigenes Thema, das wohl auch an anderer, verwandter Stelle Wert wäre, näher erörtert zu werden). Oft spricht man auch von Deutungswissenschaften und Forscher dieser Disziplinen versuchen herauszufinden, was den Menschen ausmacht. Im angelsächsischen Sprachraum vermag der Begriff „Humanities“ diese Tätigkeit sehr schön zu umschreiben.

Welches Bild haben wir von uns? Was ist Person, was Persona? [„Persona“ bezeichnete ursprünglich eine im antiken griechischen Theater von den Schauspielern verwendete Maske, welche die Rolle des Schauspielers typisierte. Heute versteht man darunter auch die soziale Rolle in der Psychoanalyse und Psychologie sowie einen Prototyp für eine Gruppe von Nutzern in der Mensch-Computer-Interaktion, Anm.] Was bedeutet es, Mensch zu sein? In welchen Varianten kann sich Menschsein realisieren und artikulieren? Welche Vorstellungen davon, was es heißt, als Mensch menschlich zu leben hat es gegeben und kann es noch geben? Liegt nicht genau darin die Faszination aller „Human-Wissenschaften“? Zu erforschen, welche Lebens,- Kultur- und Denkformen es denn gibt? Welche Formen der Artikulation und der Kommunikation?

Ein Beispiel: Spricht man mit Experten aus verschiedenen Disziplinen, hört man die unterschiedlichsten Aussagen, die inhaltlich vielleicht gar nicht weit voneinander entfernt sein mögen, denen aber verschiedene Ansätze und Konzepte zugrunde liegen, die dann vor allem in ganz verschiedene Sprachen, Branchenterminologien – neudeutsch auch „Wording“ genannt – gekleidet werden.

Es sind immer Vorstellungen und Geisteshaltungen, die in Worte eingebettet sind. Und diese lösen Emotionen aus. Die Wortverkleidungen – mitunter auch leere Hülsen – führen im schlimmsten Fall zur völligen Unverständlichkeit oder zum Missverständnis. Ein Beispiel dazu?

Haben Sie je „wichtige Menschen“ interviewt? Ist Ihnen das alte perfide Spiel aufgefallen? Manipulierende oder einfach nur pseudohippe Metaphern wie „zeitnah“, „in trockenen Tüchern“, „am Ende des Tages“? Nicht nur Marketing-Fachleute und Lobbyisten lieben die immer neuen Variationen neuer Begriffe, die vom wahren Kern des Problems ablenken sollen. Abgesehen von der bewussten Absicht hat die Taktik leider nur allzu oft zur Folge, dass manche Menschen sich, von Verschleierungstaktiken überrollt, den jeweiligen Inhalten gar nicht mehr widmen.

Aber das ist eine ganz andere Geschichte.

Sie ahnen schon, wie unendlich die Assoziationsketten sind, die sich an Gedankengänge knüpfen können und wie ungemein spannend und vielfältig das „Nachdenken über das Nachdenken“ sich gestalten kann. Es ist niemals gleich. Weil auch die Menschen und deren Gedankengänge nicht gleich sind. Nicht einmal innerhalb ein- und derselben Disziplin, geschweige denn fakultätsübergreifend. Haben Sie je einen Geisteswissenschaftler gefragt, wie er „Neoliberalismus“ definiert? Wie viele Antworten haben Sie bekommen?

Philosophie ist reine Faszination für jeden, der sie entdeckt. Sie ist eine wunderbare und niemals enden wollende Entdeckungsreise. Und Philosophen sind zumindest so vielfältig und unterschiedlich wie die Wissenschaft, die sie erforschen. Das spiegelt sich auch in den Gedankengängen und Antworten auf meine Fragen wider – lassen wir nun diese Vielfalt sprechen: Die Philosophen kommen.

Postscriptum:

Ach, hier noch ein kleines persönliches Postscriptum zum Thema Wortverkleidung oder kulturelle Codierung. Wunsch- und Trugbilder zu sezieren kann amüsant sein. Illusionen, Glücksversprechen, Image oder Sex Appeal – auch wenn Faktoren wie diese bei philosophischen Themen prima vista nicht so evident sind, so wirken sie sich doch auf deren Magie und Strahlkraft aus.

Ein beliebtes Gesellschaftsspiel der Pariser Salons etwa war lange Jahre fester Bestandteil des einen oder anderen Print-Magazins – der legendäre Fragebogen in Anlehnung an Marcel Proust. Dieser hat ihn aber nicht entworfen, sondern ihn nur ausgefüllt, das heißt, genau genommen sogar zwei Mal. Um die vorletzte Jahrhundertwende war es nämlich sehr beliebt, Gäste an einer gehobenen Party einen persönlichen „Questionnaire“ ausfüllen zu lassen. So auch den 13-jährigen Proust an einer Geburtstagsparty von Antoinette Faure, Tochter des späteren französischen Präsidenten Félix Faure. Im Alter von etwa 20 Jahren hatte Proust einen ähnlichen Fragebogen ausgefüllt, dem er selber den Titel „Marcel Proust par lui-même“, „Marcel Proust über sich selbst“, gab. Berühmt gemacht wurden die Fragen durch bekannte Publikationen. Ebenso wie die renommierte FAZ (Frankfurter Allgemeine Zeitung) legte das amerikanische Gesellschafts-Magazin Vanity Fair Prominenten die Fragen von damals vor.

Ich empfand dieses Salon-Spiel als durchaus zeitgemäß und versuchte mit meinem Fragebogen zum einen die Tradition des Salon-Gesprächs – zumindest virtuell – wieder aufleben zu lassen und zum anderen einen Stimmungsindex aus Sicht der befragten Philosophen zu erstellen. Möge der geneigte Leser, die geneigte Leserin amüsiert sein.

Marion Fugléwicz-Bren in Marions Fragebogen

(angelehnt an das Fragebogen-Muster von Marcel Proust)

Welche Rolle spielt die Philosophie in der heutigen Zeit?

Leider eine zu geringe.

Was ist für Sie das größte Unglück?

Die Endlichkeit geliebter Menschen.

Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück?

Der perfekte Augenblick. Der Blick aufs Meer, ein Knistern im offenen Kamin, eine Buchzeile, eine Liebeserklärung…

Was bedeutet Philosophie für Sie persönlich?

Lebenselixier, Zaubertrank, Trost.

Welche Fehler entschuldigen Sie am ehesten?

Fehler, die „im guten Glauben“ passieren.

Welche Philosophen oder philosophische Strömungen haben Sie persönlich am meisten beeindruckt/beeinflusst?

Nietzsche, Wittgenstein, Kants kategorischer Imperativ, Feyerabends „Anything goes“, Bergsons Intuitionismus…

Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einem Mann am meisten?

Intelligenz, Integrität-Redlichkeit, Höflichkeit-Respekt.

Und welche Eigenschaften schätzen Sie bei einer Frau am meisten?

Warmherzigkeit, Intelligenz, Ehrlichkeit.

Ihre Lieblingsbeschäftigung?

Schreiben, Musik (hören und machen), Philosophieren.

Was schätzen Sie bei ihren Freunden am meisten?

Loyalität und Toleranz.

Mit welchem toten oder lebenden Philosophen (Philosophin) würden Sie gern einen Abend verbringen?

Mindestens wöchentlich mit einem anderen – lebendig oder in Buchform ☺.

Ihr Lieblingsbuch?

Mit 17 Jahren Nietzsches „Zarathustra“ und Manns „Tonio Kröger“, später Watzlawicks „Anleitung zum Unglücklichsein“, heute meine Bibliothek, die ich mit jeder Übersiedlung tränenreich um mehrere Regale verkleinere…

Ihr Lieblingskomponist?

Oscar Peterson? Stevie Wonder? J.S. Bach? Miles Davis? Hängt von der Stimmung ab…

Was verabscheuen Sie am meisten?

Alle Formen der Unehrlichkeit.

Welche natürliche Gabe würden Sie gerne besitzen?

Die Gabe Glück zu verbreiten.

Und Ihr Lebensmotto? Gibt es eines?

Es kann aber auch alles ganz anders sein.

Lassen wir nun die Vielfalt sprechen.

Philosophen und interdisziplinäre Intellektuelle, die sich mit philosophischen Fragen auseinandersetzen.2

1http://www.youtube.com/watch?v=SiYjchp_NsM. (Stand: 18. Februar 2013).

2 Anm.: Sämtliche Personenbezeichnungen in diesem Buch sind geschlechtsneutral gemeint: Sie gelten sowohl für männliche als auch für weibliche Personen.

Ein Interview mit dem Philosophen Konrad Paul Liessmann

„…denn die Frage, wie mit Informationen umzugehen sei, gehört zu den ursprünglichsten Aufgaben der Philosophie…“

„Ohne Philosophie gibt es kein Glück auf dieser Erde. Alles andere ergibt sich daraus“. So schloss Konrad Paul Liessmann seine Rede „Die Jagd nach dem Glück“, die er zur Eröffnung des 15. Philosophicum Lech im Jahr 2011 hielt. Das Glück liegt nicht im Handeln, so der Philosoph und zitiert damit „… die bis heute provozierende These des Aristoteles: ‚Wer aber ein aktives Leben des Geistes führt und den Geist pflegt, von dem darf man sagen, sein Leben sei aufs Beste geordnet und er werde von den Göttern am meisten geliebt. Dass dies aber im höchsten Grade bei dem Philosophen zu finden ist, darüber besteht kein Zweifel. Und so wird der Philosoph von den Göttern am meisten geliebt. Als Liebling der Götter aber genießt er auch das höchste Glück.‘ Das ist eine konsequente Folgerung und die große Antwort auf die Frage nach dem Glück als dem höchsten Gut“, so Liessmann weiter. Aristoteles erklärt den Philosophen also zum Glücklichen. Liessmann: „Das klingt für heutige Ohren ja fast schon wieder böse. Aber wenn man die geistige Schau als Inbegriff der Erfüllung menschlicher Freiheit sieht und das wiederum nicht als Vorbedingung, sondern als Realisation von Glück, dann wird deutlich, dass die kontemplative Lebensform des Philosophen, dass das Leben in der Theorie, in der Erkenntnis, im höchsten Maße glücklich macht“.

Der Universitätsprofessor Liessmann ist auch Essayist, Literaturkritiker und Kulturpublizist. Außerdem wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech und Herausgeber der gleichnamigen Buchreihe.

Ich befragte ihn zu seinem neuen Buch, zur gegenwärtigen Stellung der Philosophie und zu einigem mehr. Aus der Philosophie könnte man etwa lernen, „…dass Daten nicht schon Informationen sind, dass Information – ihre Archivierung und der Zugang zu ihr – noch nichts mit Wissen zu tun hat, und dass Weisheit sich nicht im Austausch von Informationen erschöpft“, so eine der Antworten.

Marion Fugléwicz-Bren: Lieber Herr Doktor Liessmann, beim letzten Philosophicum in Lech (2012) wurde die Frage nach dem Verhältnis von Mensch und Tier diskutiert. Ergebnisse aus der Biologie zeigen häufig, dass Tiere dem Menschen ähnlicher sind als oftmals angenommen. Brauchen wir, wie das etwa der Philosoph und Theologe Eugen Drewermann einfordert, eine neue Ethik im Umgang mit der Natur, im Umgang mit Tieren – und in letzter Konsequenz im Umgang mit Menschen? Inwiefern steht der Mensch außerhalb der Natur und darf sie verändern oder auch zerstören? Wie ist Ihre persönliche Ansicht dazu?

Konrad Paul Liessmann: Ich gehe davon aus, dass der Mensch einerseits natürlich Teil der Natur ist: Wir sind ein Produkt der biologischen Evolution, wir haben einen Körper mit natürlichen Bedürfnissen, wir haben Verhaltensweisen, deren Wurzeln weit zurückreichen, wir sind auf eine natürliche Umwelt angewiesen, in der es zumindest atembare Luft und trinkbares Wasser geben muss; andererseits ist der Mensch, soweit ich sehe, das einzige Wesen, dass sich durch Bewusstsein und Selbstbewusstsein, durch Technik und Kultur tendenziell von der Natur emanzipiert und diese im großen Stil bearbeitet und umgestaltet. Das heißt, der Mensch kann gar nicht anders, als die ihn umgebende, aber auch seine eigene Natur zu verändern. Allerdings gibt es hier Grenzen: die liegen einerseits in dem, was dem Menschen und seiner Entwicklung zuträglich ist – die Umweltbewegungen entstanden ja in erster Linie nicht aus Sorge um die Natur, sondern aus der Einsicht, dass ein radikaler Raubbau an der Natur die Lebensgrundlagen des Menschen gefährdet – von der Luftverschmutzung bis zur Klimaänderung; und andererseits liegen diese Grenzen darin, dass der Mensch als gestaltendes Wesen der Natur gegenüber eine Verantwortung hat – weil wir wissen, wie einzigartig, vielfältig und schön diese Natur ist, sollten wir sie auch bewahren und den anderen Lebensformen ein ähnliches Recht zu leben zugestehen, wie wir es für uns selbstverständlich beanspruchen. Auch hier gilt eine alte philosophische Weisheit: Es kommt auf das rechte Maß an!

MFB: „Die Philosophen kommen“: Wirtschaft trifft auf Philosophie. Neue Formate, Magazine und Talkshows zeugen davon. In letzter Zeit häufen sich die Anzeichen, dass der Stellenwert der Philosophie in unserer Gesellschaft wieder zunimmt: Millionen Menschen suchen nach Orientierung. Warum war die Philosophie so lange unterrepräsentiert in unserer Gesellschaft?

K. P. L.: Sie war nicht unterrepräsentiert, aber die Fragen, die wir heute wieder als philosophisch wahrnehmen, glaubte man lange durch andere Instanzen besser lösen zu können: Von der Politik (denken Sie an den Marxismus, der bis in die 80er Jahre in intellektuellen Kreisen dominant war), von der Psychologie, die versprach, die Probleme der Menschen durch Therapien aller Art zu lösen, von der Technik, die uns ins Paradies führen sollte, von der Ökonomie: Geld als Allheilmittel. Die Renaissance der Philosophie hat auch viel damit zu tun, dass diese und andere Strategien gescheitert und die damit verbundenen Hoffnungen enttäuscht worden sind. Nun müssen wir erkennen, was die Philosophie immer schon wusste: dass es Fragen und Probleme gibt, die nur durch Nachdenken gelöst werden oder zumindest bearbeitet werden können.

MFB: Wie populär darf oder soll die Philosophie sein? In manchen akademischen Milieus steht man einer Art „philosophischer Öffentlichkeitsarbeit“, wie manche Bestsellerautoren, Magazine oder Formate sie betreiben, eher misstrauisch gegenüber. Auch werben – etwa in New Yorker U-Bahnstationen – philosophische Schulen recht banal um Kunden: (Plakat: „The Truth is: Philosophy Works.“) Wo kann man hier die Balance finden, die beiden Ansätzen gerecht wird?

K. P. L.: Philosophie steht seit der Antike im Spannungsfeld von Wissenschaft und Öffentlichkeit, von Markt (Sokrates) und Akademie