Die Philosophen kommen - The Next Chapter - Marion Fugléwicz-Bren - E-Book

Die Philosophen kommen - The Next Chapter E-Book

Marion Fugléwicz-Bren

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Beschreibung

Philosophie ist hip. Festivals, Slams, Nächte der Philosophie in ganz Europa beweisen es. Wie denken zeitgenössische Philosophen? Welchen Praxisbezug, welche Möglichkeiten hat Philosophie heute, im Zeitalter digitaler Medien? In einer Welt, in der alles im Umbruch ist? Sind Werte Luxus? Was ist gutes Leben? Die Philosophie öffnet sich und findet zunehmend den Weg aus den Elfenbeintürmen auf den Marktplatz, wo sie in der Antike entstanden ist. Die Menschen wollen es wissen, denn die Fragen betreffen uns alle. Die immer aktuellen Sinnfragen ebenso wie die neuen Aspekte und Zugänge, die sich immer wieder auftun - sei es bei populärwissenschaftlichen Festivals, in zahllosen Gesprächen - oder im neuen Buch "The Next Chapter" aus der Reihe: "Die Philosophen kommen". In Anlehnung an Band eins kommen auch hier in essayistischen Interviews Denker, Intellektuelle und Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Medien zu Wort, die mit ihren jeweiligen interdisziplinären Ansätzen oder Festivalprogrammen dazu beitragen, dass philosophische Denkansätze und Lebensentwürfe einen größeren Stellenwert in unserer Gesellschaft erlangen. Autorin Marion Fugléwicz-Bren: "Das Nachfolgebuch "Die Philosophen kommen - The Next Chapter" - ist inhaltlich weiter gefasst und umfasst etwa auch das "Neue Denken", dem man heute bei charismatischen Menschen oft begegnet. Stichwort "Ideas worth spreading" der kalifornischen Konferenzen TED.com und TEDx. Aber auch philosophische Festivals wie "philcologne" oder "How The Light Gets In" schärfen den Geist: "To be here is like spending a day with good friends". Mehr und Neues im Blog: die-philosophen-kommen.at/blog

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www.tredition.de

Meinen Eltern gewidmet.

Im Gedenken an meine Mutter, die knapp vor Erscheinen dieses Buches ihre Augen für immer schloss.

Die Philosophen kommen

The Next Chapter

Essayistische Interviews

von Marion Fugléwicz-Bren

www.tredition.de

© 2014 Marion Fugléwicz-Bren

Erste Auflage

Umschlaggestaltung, Illustration: Alfred Schuh

Übersetzung und englischsprachige Interviews: Marion Fugléwicz-Bren

Projekt- und Produktionsassistenz, Erstlektorat: Mag. Marie-Christine Kremser, Eva Csitkovics

Endlektorat: Raphael Gall

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN: 978-3-8495-9778-8 (e-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Zur Autorin

“Die Glücklichen sind neugierig”. Friedrich Nietzsche

Marion Fugléwicz-Bren (MFB) lebt als freie Autorin, Journalistin und Communications Consultant in Wien und hat sich den Philosophen verschrieben, die sie in unzähligen Gesprächen interviewt und zu Rate gezogen hat. Zur heutigen Situation der Philosophie, zu ihrer gegenwärtigen und zukünftigen Bedeutung im Lichte der derzeitigen Veränderungen unserer Welt.

Schon während des Studiums der Philosophie, Psychologie und Werbung vor über 25 Jahren begann sie als Journalistin zu arbeiten und zwar “… an der spannenden Schnittstelle der damals neu entstehenden so genannten “Neuen Medien”, den daraus resultierenden Trends und Veränderungen in der Wirtschaft und den Cognitive Sciences. Immer hat mich die Philosophie dabei begleitet, was mir erst heute so richtig bewusst wird”.

Fugléwicz-Bren schrieb (und schreibt) unter anderem für Die Presse, Standard, Trend, Computerwelt, Horizont, Bestseller, APA und mehr. Als Publizistin und kurzfristige Leiterin eines PR-Lehrgangs liegen ihre Schwerpunkte in der Aufbereitung und Kommunikation komplexer Inhalte. Mehrere Publikationen (Sachbuch, Lyrik) sind bereits im Laufe ihrer Karriere entstanden. Daneben war die PR-Arbeit für Programme der Europäischen Kommission, für wissenschaftliche Konferenzen und Plattformen (Deutsch, Englisch) immer “eineprickelnde Herausforderung”. Auch Media-Workshops (APA, Uni Wien) folgten. Parallel dazu ist die Autorin seit Jahren mit der Arbeit in Konzernen und EU-Projekten vertraut, berät Companies, StartUps und Konferenzveranstalter wie TEDx.

Zuletzt: Die Philosophen kommen, 2013, Verlag tredition, Das ZukunftsWebBuch, Mithg. Marion Fugléwicz-Bren (2010), Verlag monochrom, Zwischen den Zeilen – ein Essayband (2009). Als Pionierwerk gilt das internet lesebuch, Hg. Marion Fugléwicz im Buchkultur Verlag Wien 1996.

MFB: „Neue Impulse zum Themenumfeld „Ideas worth spreading“ gaben und geben mir immer wieder die Gute-Laune-Konferenzen aus dem TEDx-Umfeld, heuer etwa auch Medienarbeit und Media-Partnership Management bei der diesjährigen TEDxKlagenfurt mit dem Motto Ethicpreneurs ahead! – sowie weitere Konferenzen, bei denen ich stets gern mitarbeite – TEDxVienna, Enable (Lift Vienna), SmartWebVienna, Zukunftsweb, Open Government Data und jahrelange Experten-Interviews aus dem wissenschaftlichen, künstlerischen und Zukunfts-Web-Bereich“.

Philosophische News, Essays und Neues aus Marions Salon regelmäßig im Web als Blog nachzulesen unter „Die Philosophen kommen“http://die-philosophen-kommen.at/blog

Weiteres zum Lesen und Hören gibt es im persönlichen Blog unter marions internet lesebuchwww.marions.at/wordpress.

Interviews und Gespräche

mit 22 namhaften Experten wie Österreichs Top-Philosophen Konrad Paul Liessmann, Peter Kampits und Gerhard Schwarz; mit dem TEDx-Konferenzkurator Marko Haschej, ebenso wie mit den Veranstaltern der Philosophie-Festivalsphilcolognein Köln,HowTheLightsGetInin England und der Nacht der Philosophie in Wien sowie mit weiteren anerkannten Kapazitäten aus dem Umfeld der Philosophie; ob aus der wissenschaftlich-akademischen Welt oder der „Angewandten Philosophie“ wie Katharina Lacina, Donata Romizi (beide Uni Wien), Leo Hemetsberger, Manfred Rühl (beide Gesellschaft für Angewandte Philosophie - www.gap.or.at) oder aus Medien und Wirtschaft – etwa Heimo Hammer (Agentur Kraftwerk und „Ethicpreneur“), Barbara Coudenhove-Kalergi und Gabriele Faber-Wiener (Center for Responsible Management) oder Doris Rasshofer (Manstein Verlag) zum Thema Wirtschaft, Verantwortung und Ethik in der Wirtschaft sowie TEDx-Konferenz-Speakern (um nur einige Namen zu nennen).

Inhaltsverzeichnis

Anstelle eines Vorworts

Über „Kooperations- versus Konkurrenzgene“, vernetzte Systeme und die Religion des Geldes

„Ohne ein Konzept von Freiheit und Verantwortung wären Moral und Ethik nicht denkbar”

„Sei frei von Angst und vertraue Deinem aufrechten Gang“ „Philosoph ist wer trotzdem denkt“

„Nacht der Philosophie – Philosophie der Nacht…“

„Die Philosophische Praxis als trait d’union zwischen akademischer Philosophie und Öffentlichkeit…“

„Das aktuelle Wirtschaftssystem und die Ethik würden einander auf der Straße nicht grüßen…“

„… denn Wissenschaft und Leben schließen einander weitgehend aus“

Man kann nicht nicht philosophieren

„Kinder erkennen Handlungsbedarf“ „Zeitgeist ist begrenzt – Ideologien verändern Zeitalter“

„Interkulturelle Philosophie – ist Ethik eine Frage der (Inter-)Kultur?“

„We are simply trying to understand what it means to be alive.“

„Rethinking, redoing, „reverse Engineering“: Die Philosophie muss sich öffnen…“

„Sich mit Werten auseinanderzusetzen ist eine Investition“

Cross Media – ein Schlüssel, der viele Türen öffnet Weiterentwicklung ist heute „zumeist nicht frei von medialem Einfluss“

„The Next Chapter – auch für Philosophen?“

Net on, tune in, feel good!

„Neue Welle der Aufklärung: Gesellschaft der Zukunft – welche Werte sind uns wichtig?“

Co-Creation als Gatekeeper zu mehr Ethik in der Wirtschaft? „Wir können unser Denken ändern“

Web, Macht, Ethik: Kann das Phänomen Data uns den freien Willen entreißen?

Alte und neue Inhalte – können wir das Web heute schon verstehen? Festhalten und Loslassen im Kontext des Digitalen

„Selbstverständlich? Kein Wort für Philosophen“

„Ich wünsche mir viele Vorbilder. Philosophen haben das Zeug dazu“ …. 194

Philcologne – Festival der Fragen in Köln

Links

Die Reihenfolge der Interviews spiegelt keine Wertung wider.

Anstelle eines Vorworts

Unsere Welt braucht dringend Veränderung – und das in unzähligen Bereichen. Die große Frage ist das Wie. Wer wäre berufener, Fragen des „Wie“ zu beantworten, als Menschen, die das Nachdenken zu ihrem Beruf gemacht haben? Aber nachdenken allein ist freilich zu wenig. Umsetzung tut Not. Dazu bedarf es differenzierter und fächerübergreifender Expertisen. Vielleicht aber auch etwas Sinn für das Künstlerische, eine gute Portion Kreativität und letztendlich Mut zum Zusammenspiel von Hirn und Herz.

Die Sehnsucht, Philosophie, Wissenschaft und alle Künste im Humboldt’schen Sinne zusammenzudenken muss mich wohl schon als Kind gepackt haben – als ich etwa versucht habe, Sinnsprüche und Gedichte zu riechen, zu singen oder in Bilderwelten einzubetten… Für mich persönlich hat Philosophie also keinerlei Aktualitätsbezug, weil sie immer in meinem Leben war, ist und bleiben wird. Durch meine beruflichen Tätigkeiten als Publizistin und PR-Managerin – ob im Auftrag diverser Medien- und Wirtschaftsunternehmen oder freiberuflich – hat sich meine Einstellung zur Philosophie selbst nicht verändert; wohl aber hat sich mein Blick auf ihre Rezeption durch die Gesellschaft geschärft. Auch mein Bedürfnis nach mehr Ethik wuchs im Laufe der Jahre an, was von manchen Zeitgenossen als infantiler Illusionismus angesehen wird. Dass es gar nicht wenige Anhänger diverser „romantischer Bewegungen“ gibt, die einen satirischen Kontrast zu den Sünden und Exzessen der „zivilisierten Gesellschaft“ bilden, ließ mich immer wieder gern schmunzeln, dürfte mich aber nicht maßgeblich beeinflusst haben. Viel mehr Anreiz entstand – abgesehen von der elterlichen Prägung – auch aus mancher persönlicher Erfahrung, dass ein gerüttelt Maß an Ethik im Leben nicht nur anderen, sondern auch einem selbst gut tun kann.

Warum dieses Buch?

Philosophie ist gefragt. Festivals, Nächte der Philosophie in ganz Europa beweisen es. Im Juni fand auch in Wien die zweite Nacht der Philosophie statt – mit 17 Philosophinnen und Philosophen, die in diversen Wiener Kaffeehäusern lasen und referierten; einige Interviews dazu lesen Sie in diesem Buch.

Wie denken zeitgenössische Philosophen? Welchen Praxisbezug, welche Möglichkeiten hat Philosophie heute, im Zeitalter digitaler Medien? In einer Welt, in der alles im Umbruch ist? Sind Werte Luxus? Was ist gutes Leben? Braucht die Philosophie neue Formate – wie Festivals, Themennächte und poetische Philosophie-Slams? Wie öffentlichkeitswirksam soll, darf und kann Philosophie sein? Wie viel Ethik verträgt die Wirtschaft? Ist die oftmals propagierte neue Haltung der „Generation Y“, die angeblich einhellig Glück gegen Geld eintauschen möchte, tatsächlich neu? „Es gibt eine Reihe von Themen, die uns jeden Tag existenziell angehen und mit denen wir auch ganz konkret umgehen müssen“, so etwa der Philosoph Wolfgang Eilenberger. Der Chefredakteur des Philosophie-Magazins gestaltet auch das Festival philcologne mit: Wir sind in einer Phase des Übergangs, meint er, „der in der Tat manchmal schwierig, aber oft auch sehr erhellend ist, zwischen Theorie und Praxis oder zwischen zwei Menschen“. „Der Dialog ist es, der vom Denken und Reden erst zum Handeln führt“, erklärt Eilenberger.

Und wer sagt eigentlich, was ethisch ist? „Ob Ökonomen, Philosophen oder Trainer – alle sind in Wertediskussionen involviert“, meint etwa der Philosoph Leo Hemetsberger. Und: „Moralische Normen brauchen die Menschen immer dann, wenn die von der Natur vorgesehenen Verhaltensweisen nicht mehr brauchbar sind“, erläutert Gerhard Schwarz, seines Zeichens Philosophieprofessor, Autor und Konfliktmanager. Und Konrad Paul Liessmann, den in Österreich fast jeder kennt, weiß: „Ohne ein Konzept von Freiheit und Verantwortung wären Moral und Ethik nicht denkbar“. „Philosoph ist, wer trotzdem denkt“, gibt Peter Kampits zu verstehen, der jahrzehntelang an der Philosophischen Fakultät in Wien lehrte, sich für ein würdevolles Sterben einsetzt und ab November 2014 den neuen Universitätslehrgang in Krems leitet: „Angewandte Ethik im Gesundheitswesen“.

Über die Philosophie der Nacht unterhielt ich mich mit dem Praktischen Philosophen Manfred Rühl und über die Angewandte Philosophie erzählten mir aus verschiedenen Blickwinkeln gleich mehrere Protagonisten und Lehrende eines neuen Philosophischen Universitätslehrgangs, den es ab Herbst 2014 erstmals in dieser Art an einer deutschsprachigen Universität geben wird, nämlich in Wien: Titel: „Philosophische Praxis“.

Die Philosophie öffnet sich zusehends und findet den Weg aus den Elfenbeintürmen auf den Marktplatz, wo sie in der Antike entstanden ist. Die Menschen wollen es wissen, denn die Fragen betreffen uns alle. Die ewigen Sinnfragen ebenso wie die neuen Aspekte und Zugänge, die sich täglich auftun – sei es bei populärwissenschaftlichen Festivals, in zahllosen Gesprächen – oder in diesem Buch.

Warum „The Next Chapter“? Wir gehen einen Schritt weiter. In Anlehnung an Band eins „Die Philosophen kommen“ kommen auch hier in essayistischen Interviews Denker, Intellektuelle und Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Medien zu Wort, die mit ihren jeweiligen interdisziplinären Ansätzen oder Festivalprogrammen dazu beitragen, dass philosophische Denkansätze und Lebensentwürfe einen größeren Stellenwert in unserer Gesellschaft erlangen.

Philosophie und Medien

Die Nachricht nimmt die gleiche marktbeherrschende Stellung in der modernen Gesellschaft ein, die einst die Religion innehatte, behauptet der Philosoph Alain de Botton und brachte im März ein Buch heraus: „The News – A User’s Manual”. Der Bestsellerautor stellt darin nicht nur die Behauptung auf, die Nachrichten seien überall, er meint gar, ohne die Nachrichten gäbe es die Welt nicht. De Botton stellt auch die überaus wichtige – und auch für mich immer wieder existentielle – Frage, warum wir nicht damit aufhören können, immer wieder News, Mails und alle möglichen anderen Arten von Informationen abzurufen – auf Smartphones, am Web, im Fernsehen und überall sonst – und er fragt weiter, was diese Tatsache mit unserer Seele macht.

Einerseits waren mir philosophische Themen immer nahe und ein Anliegen. Andererseits hat mich mein Beruf auch sensibel gemacht für „aktuelle und spannende Themen“, die „ziehen“. Das trifft sich gut, trägt aber auch den gefährlichen Keim in sich, zu sehr an der Oberfläche der Dinge zu bleiben, was freilich gänzlich unphilosophisch ist. Dass mir gerade die geschätzte Philosophin Katharina Lacina, die auch in diesem Buch mit einem Interview vertreten ist, attestiert hat, mit meinem Vorgänger-Buch nicht modisch zu sein, erfreute mich daher besonders: „…“Die Philosophen kommen“ ist ein kluges Buch geworden, weil es einen kritischen, aufklärerischen Ductus hat…

Es ging der Autorin nicht einfach darum, möglichst prominente Philosophietreibende abzufragen, sondern im Dialog jene Fragen zu besprechen, die zwar aktuell, aber nicht unbedingt modisch sind und dabei mit einem feinen Hämmerchen die Gesellschaft auf hohle Töne abzuklopfen”.

Die meisten Menschen sind zu beschäftigt, um sich mit Philosophie zu beschäftigen. Was das Wesen des Menschen oder der heutigen Realität ist, wie Gesellschaften organisiert sein sollen, worin der Sinn des Lebens besteht und mehr, das beschäftigt Menschen heutzutage aber scheinbar immer öfter. Das spiegelt sich nicht zuletzt auch in diversen Medien, auf Konferenzen und Festivals wider.

Philosophen haben seit jeher gern provokante und unangenehme Fragen gestellt. Das haben sie mit Publizisten gemeinsam – ich denke dabei freilich nicht an Boulevard-, sondern an seriöse Qualitätsjournalisten. Das Erfrischende unserer Zeit besteht für mich darin, dass die „Elfenbeintürme“ der Wissenschaft nicht eingerissen werden, sondern die Praktiker gelassen daneben wirken und sich Academia, Forschung und Praxis gegenseitig befruchten. Daraus entstehen gemeinsame Räume, Projekte und Produkte – das gilt gleichermaßen für die Philosophie wie auch für die Medien und ihr Verhältnis zur Öffentlichkeit. Alle vereint die Neugier auf Weiter- und Neuentwicklungen in Forschung, Lehre und Allgemeinheit.

Ebenso wie in diversen philosophischen Strömungen entstehen auch im Medienbereich neue Darstellungsformen – als langjährige Publizistin interessiert mich dabei unter anderem der philosophische Hintergrund des „journalistischen Themas an sich“, das sich heute ganz anders vermitteln lässt als früher. Konkret freilich auch der Zusammenhang zwischen Philosophie und „neuen“ Medien; da ich glaube, dass sich mit der Veränderung unserer (medialen) Lebenswelt auch die Darstellbarkeit philosophischer Inhalte verändert. Wie könnte eine Philosophie der Zukunft – vor diesem Hintergrund – aussehen? Was wird wichtig und notwendig sein, um den Menschen die Philosophie näherzubringen? Nicht als trockenes Studienfach, sondern als spannende Disziplin? Auch dazu liest man hier einige interessante Meinungen – von Philosophen, Medienmachern und einschlägigen Experten.

„Ideas worth spreading“ und „Ethicpreneurs ahead!“

„Wir befinden uns wie 1914 in einer zunehmend gefährlichen, multipolaren Welt, gekennzeichnet durch regionale Krisen, in denen zum Teil Großmachtinteressen verstrickt sind“ – das sagte der Historiker Christopher Clark in seiner Rede zur diesjährigen Eröffnung der Salzburger Festspiele. Haben die Menschen nichts dazu gelernt? Und – kann Philosophie hier vielleicht im weitesten Sinne verändernd wirken? Vielmehr neue Denkweisen, Ideologien oder Analysen? Neugier ist jedenfalls der beste Weg, um zu lernen. Und: „…Vorbilder wecken Neugier. Daher wünsche ich mir viele Vorbilder – und Philosophen haben das Zeug dazu”, sagt etwa DDipl. Cornelia M. Scala-Hausmann in unserem Interview. Sie ist im Team des Instituts für Zukunftskompetenzen in Kärnten und arbeitet dort an diversen Veranstaltungen zu diesem Thema mit.

Philosophische Initiativen sprießen gerade heute wohl aus vielerlei Gründen aus den unterschiedlichsten Böden – Festivals wie die philcologne, Philosophie- und Science Slams, verschiedene Schulen und Initiativen wie etwa die Modern Life School von Alain De Botton und mehr. Braucht die Philosophie diese neuen Darstellungsformen?

Nun, in diesem Band habe ich – wenngleich nicht aus Gründen des Modischen, sondern vielmehr aus Gründen der Aktualität – auch das oft medial zitierte „neue Denken“ thematisiert, das man erquicklicherweise auch unter vielen jungen, aufgeschlossenen Denkern und Unternehmern entdecken kann. In solchen – meist poststudentischen, kreativen und webaffinen – Umgebungen habe ich mich immer gern umgetrieben und umgehört. Stichwort „Ideas worth spreading“ der kalifornischen Gute-Nachrichten-Konferenzen TED (Technology, Entertainment, Design). Heuer will man, nach 30 Jahren Erfahrungen aus dieser Veranstaltungsreihe, ein neues Kapitel aufschlagen, The Next Chapter. International bekannt wurde TED vor allem wegen der Reden oft prominenter Persönlichkeiten, die im Anschluss an die Konferenz auf der TED-Internetseite kostenlos verfügbar sind. Hier kommen, so der TEDxKlagenfurt-Kurator, nicht nur die smartesten und kreativsten, sondern auch „…die freundlichsten Menschen unseres Planeten“ zusammen. Slogan der heurigen Veranstaltung: Ethicpreneurs ahead! Ein Thema, das mich freilich nicht kalt lassen kann. Das Interview in diesem Buch erzählt mehr darüber.

TEDx, aber auch philosophische Festivals wie die oben genannten oder auch „How The Light Gets In“ in England erfreuen Herz und Seele und schärfen den Geist: „To be here is like spending a day with good friends“. Auch zur philcologne und der angeblich weltgrößten philosophischen Konferenz in England habe ich hier einige fesselnde Meinungen gesammelt.

„Wo gehen wir hin? Immer nach Hause. “Novalis

Philosophie und oder in Zukunft

Die Wissenschaft, mit der wir uns im weiteren Zusammenhang rund um den Themenbereich Zukunft oder Zukunftsforschung auseinandersetzen, besteht aus vielen Teildisziplinen – Evolutionsbiologie, Revolutionstheorie, Systemtheorie, Netzwerktheorie – spannende Entwicklungen übrigens entlang des Internets. Aber wo und wie entsteht die Zukunft? Es gibt dazu eine Menge Theorien: Sei es, die Zukunft entstehe in einer Art Schleife, also nicht geradlinig. Abgesehen davon, dass das nicht - Lineare nicht vorhersehbar ist, könnte man radikaler sagen, dass die Zukunft uns eigentlich umgibt. Oder sitzt sie vielmehr in der Mitte einer Spirale? Zukunftsforscher wie etwa Matthias Horx beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit dem Morgen. Das Thema hat Menschen naturgemäß schon immer interessiert. Sicher ist dabei wohl nur, dass wir über die Zukunft nichts aussagen können, da sie ungewiss ist. Aber vielleicht hilft es auch hier, wie in jeglichem Zeitalter, mehr und intensiver nachzudenken. Auch zur Zukunft stellte ich so manche Frage und erhielt einige Antworten von Experten. Könnte es vielleicht hilfreich sein, etwas „experimenteller“ zu denken als wir das heute tun? Also anstelle von Utopien und Erlöserphantasien eher auf technische Machbarkeit zu fokussieren? Oder wäre das auch nicht mehr als eine bloße Utopie? Wenn es etwa möglich wäre, die Menschheit in irgendeiner Form unsterblich zu machen – die technischen Möglichkeiten dafür könnten möglicherweise in hunderttausend Jahren sogar existieren, wäre es dann vorstellbar, dass die Menschen gleichzeitig die Entscheidung dagegen treffen? Denn Unsterblichkeit hieße wohl ein Ende der Evolution. Oder nicht? Philosophische Gedanken, Schlussfolgerungen und Abhandlungen dazu sind endlos.

Eine Sache kann man hingegen – wenngleich nicht festhalten, so doch wenigstens genießen: Die Schönheit eines Augenblicks. Vielleicht sogar beim Lesen dieses Buches.

Marion Fugléwicz-Bren, August 2014

Dank.

Mein herzlicher Dank gebührt allen Philosophen und Experten, die sich – oft sogar mehrfach – meinen vielen Fragen gestellt haben. Unternehmerseitig gebührt mein tiefer Dank besonders Mag. Heimo Hammer, einem der kaum auffindbaren Menschen aus der Wirtschaftswelt, die das Thema Ethik ernst nehmen (ich habe um die 150 so genannte „CSR-Akteure“ angesprochen oder angeschrieben, die sich Corporate Social Responsibility als bloßes Lippenbekenntnis an die Fahnen heften); ebenso danke ich dem TEDx-Team, ganz besonders dem Kulturwissenschaftler Raphael Gall, der sich spontan für ein Endlektorat bereiterklärte. Von inhaltlicher Seite danke ich meinen Eltern für meine philosophische und ethische Prägung sowie einigen meiner Uni-Professoren (zwei sind im Buch vertreten); leider nicht mehr vertreten – außer in meinen Gedanken – ist hier der Philosoph Dr. Kurt Rudolf Fischer, der in diesem Jahr in den USA verstarb und an dessen Seminarinhalte ich mich bis heute immer wieder gern erinnere. Mein innigster Dank gilt meinem Ehemann, der immer mein bester Freund, Berater und persönlicher „Feuerwehrmann“ in allen Belangen ist. Herzliches Dankeschön an meinen Freund und Grafiker Alfred Schuh für das liebevoll gestaltete Cover. Und natürlich Dank an meine beiden Praktikantinnen, Mag. Marie-Christine Kremser und Eva Csitkovics, die mir während der ganzen Buchproduktion immer hilfreich zur Seite standen.

Kleine Beiträge zu aktuellen philosophischen Themen wie auch zukünftig Geplantes, lässt sich regelmäßig am Blog zu diesem Buch, das à la longue zu einer Reihe anwachsen soll, nachverfolgen – unter die-philosophen-kommen.at/blog.

Marion Fugléwicz-Bren in Marions Fragebogen

(angelehnt an das Fragebogen-Muster von Marcel Proust)

Welche Rolle spielt die Philosophie in der heutigen Zeit?

Leider eine zu geringe.

Was ist für Sie das größte Unglück?

Die Endlichkeit geliebter Menschen.

Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück?

Der perfekte Augenblick. Der Blick aufs Meer, ein Knistern im offenen Kamin, eine Buchzeile, eine Liebeserklärung…

Was bedeutet Philosophie für Sie persönlich?

Lebenselixier, Zaubertrank, Trost.

Welche Fehler entschuldigen Sie am ehesten?

Fehler, die „im guten Glauben“ passieren.

Welche Philosophen oder philosophische Strömungen haben Sie persönlich am meisten beeindruckt/beeinflusst?

Nietzsche, Wittgenstein, Kants kategorischer Imperativ, Feyerabends „Anything goes“, Bergsons Intuitionismus…

Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einem Mann am meisten?

Intelligenz, Integrität-Redlichkeit, Höflichkeit-Respekt.

Und welche Eigenschaften schätzen Sie bei einer Frau am meisten?

Warmherzigkeit, Intelligenz, Ehrlichkeit.

Ihre Lieblingsbeschäftigung?

Schreiben, Musik (hören und machen), Philosophieren.

Was schätzen Sie bei ihren Freunden am meisten?

Loyalität und Toleranz.

Mit welchem toten oder lebenden Philosophen (Philosophin) würden Sie gern einen Abend verbringen?

Mindestens wöchentlich mit einem anderen – lebendig oder in Buchform ☺.

Ihr Lieblingsbuch?

Mit 17 Jahren Nietzsches „Zarathustra“ und Manns „Tonio Kröger“, später Watzlawicks „Anleitung zum Unglücklichsein“, heute meine Bibliothek, die ich mit jeder Übersiedlung tränenreich um mehrere Regale verkleinere…

Ihr Lieblingskomponist?

Oscar Peterson? Stevie Wonder? J.S. Bach? Miles Davis? Hängt von der Stimmung ab…

Was verabscheuen Sie am meisten?

Alle Formen der Unehrlichkeit.

Welche natürliche Gabe würden Sie gerne besitzen?

Die Gabe Glück zu verbreiten.

Und Ihr Lebensmotto? Gibt es eines?

Es kann aber auch alles ganz anders sein.

Lassen wir nun die Vielfalt sprechen.

Philosophen und interdisziplinäre Intellektuelle, die sich mit philosophischen Fragen auseinandersetzen.1

1 Anm.: Sämtliche Personenbezeichnungen in diesem Buch sind geschlechtsneutral gemeint: Sie gelten sowohl für männliche als auch für weibliche Personen.

Ein Interview mit dem Philosophen, Autor, Konfliktmanager und Berater Dr. Gerhard Schwarz

Über „Kooperations- versus Konkurrenzgene“, vernetzte Systeme und die Religion des Geldes

„Sind Werte käuflich? Schafft die Generation Y eine Umwertung aller Werte? Was bedeutet überhaupt Moral? „Moralische Normen brauchen die Menschen immer dann, wenn die von der Natur vorgesehenen Verhaltensweisen nicht mehr brauchbar sind“, meint Gerhard Schwarz, seines Zeichens Philosoph, Autor und Konfliktmanager. Er promovierte mit einer Arbeit über „Humor und Liebe“ und habilitierte sich für die Fächer Philosophie und Gruppendynamik, was – zumindest hierzulande – Ende der 70-er Jahre noch recht ungewöhnlich war; lehrte an der Uni Wien und Klagenfurt und seit 1970 als Privatdozent. Schwarz schrieb zahlreiche Bücher und ist im praktischen Konfliktmanagement für seine humorvollen Interventionen bekannt. Ich „entdeckte“ Schwarz wieder, als er in einer ORF-Doku über Die Macht des Geldes sprach: „Politik und Gesellschaft haben die Kontrolle über die Macht des Geldes verloren - sie zurückzugewinnen ist die zentrale Zukunftsfrage nicht nur für die EU, sondern die gesamte Weltwirtschaft.“

Als ich – als junge Studentin – bei Schwarz eine schriftliche Klausur machte, durfte ich die von mir gewünschte Note nicht nur nennen, sondern sie auch argumentieren. Mich faszinierte damals nicht nur, dass ich das gewünschte „Sehr gut“ tatsächlich bekam, sondern vor allem die Tatsache, dass ich ein Mitbestimmungsrecht erhalten hatte (was zu dieser Zeit alles andere als üblich war. Außer in meinem Elternhaus, in dem immer jede Frage beantwortet wurde.)

Marion Fugléwicz-Bren: Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht die Philosophie in unserer Zeit? Und, um einen Bereich aus der Philosophie herauszupicken: Das Thema „Werte“ ist derzeit in vieler Munde – wenngleich mit verschiedenen Konnotationen. Es gibt dazu viele Ansätze, auch zur Frage, ob Werte käuflich sind. Sie sagen: „Moralische Normen brauchen die Menschen immer dann, wenn die von der Natur vorgesehenen Verhaltensweisen nicht mehr brauchbar sind.“ Wie geht es (mit unserer Welt) weiter? Und – wie ist es um die Authentizität von Managern und Unternehmen bestellt, die sich CSR (Corporate Social Responsibility) an die Firmenfahnen heften, während zugleich gewinnorientierte Unternehmensziele erreicht werden müssen? Sprich: Wo und wie können naheliegende Dilemmata und Interessenskonflikte behoben werden?

Gerhard Schwarz: Die moralischen Normen sind vermutlich entstanden, als die Menschen Habitatsveränderungen überleben mussten. Die meisten Tiere sterben aus, wenn sich ihre Umwelt ändert und sie mit den bisherigen Verhaltensweisen – die instinktgeregelt sind – keine Überlebenschancen haben. Mithilfe der Reflexion auf Situationen und der Sprache, die durch den großen Neocortex für den Menschen möglich wurden, konnte der Mensch Regeln festlegen, die ein von den Instinktregulierungen unabhängiges Verhalten möglich machten.

So verlangt etwa ein kooperatives Verhalten, dass man einander unterstützt. Dies widerspricht aber der Instinktregulierung, dass man etwa dem anderen das Essen wegnimmt. Diebstahl als Form der Ressourcenoptimierung ist zwar bis heute nicht ausgestorben, trotzdem aber lassen die Menschen den Schwächeren nicht verhungern, weil sie damit arbeitsteiliges Verhalten unmöglich machen würden. Im Gegenteil: Man ist heute sogar der Meinung, dass kooperatives Verhalten den Aufstieg der Menschheit erst ermöglichte. Damit ist nicht nur gemeint, dass die Menschen innerhalb einer Gruppe zusammenhalten, sondern dass sie auch gruppenübergreifende Kooperationsformen gefunden haben.

Dies widerspricht natürlich krass der Instinktregulierung, wonach die Gruppe eine andere Gruppe – außerhalb oder auch innerhalb des Territoriums - als Nahrungskonkurrenz empfindet und diese daher bekämpfen muss. Bis heute erleben wir das Muster der Feindattrappe. Viele Gruppierungen sind sehr unglücklich, wenn ihnen die Feinde - etwa durch neue Kooperationssysteme - abhandenkommen. In unserer immer komplexer werdenden Umwelt bekommen ökonomische Kategorien eine immer größere Bedeutung. Wir leben in einer Phase des Kapitalismus, in der versucht wird, alle Kommunikationssysteme über Geld laufen zu lassen. Dabei kommen wir natürlich in vielen Bereichen in Widersprüche. So legen unsere „Kooperationsgene“ nahe, einem anderen - zum Beispiel einem Geschäftspartner - zu helfen. Andererseits ist man aber mit dem Geschäftspartner unter Umständen in Konkurrenz.

„Konkurrenzgene“ bedeuten aber, dass man versuchen muss, besser als der andere zu sein, um nicht auf der Strecke zu bleiben. Man schwankt daher zwischen kooperativem und konkurrenzmäßigem Verhalten hin und her. Schon Nestroy hat diese Situation beschrieben: Wer ist stärker: Ich oder ich? Wenn man diese Situation philosophisch verallgemeinert, dann muss man wohl zur Kenntnis nehmen, dass wir heute immer mehr in widersprüchlichen Situationen handeln müssen. Für widersprüchliche Situationen ist aber ein Normensystem nicht geeignet, da es die Handlungen unter einen allgemeinen Begriff zu subsumieren trachtet. Dies folgt dem System der Logik. Mit diesem System der Logik, das aus der neolithischen Revolution stammt und etwa vorsieht, dass von zwei einander widersprechenden Aussagen mindestens eine falsch sein muss, kommen wir aber heute nicht mehr durch. Hier sind die Philosophen aufgerufen, eine neue – zum Beispiel eine Widersprüche beinhaltende – Logik zu entwickeln.

MFB: Dazu schreiben Sie ja auch in Ihrem Buch „Die Religion des Geldes“. Bevor ich aber darauf zu sprechen komme, habe ich noch eine andere Frage: Als Medienmensch fand ich – unter anderem – ein Zitat auf Ihrer Website spannend: „Die Massenmedien zu allen Zeiten (von den Priester-Versammlungen im Tempel über den trommelnden Herold des Königs, die Inschriftentafel des Hammurabi, die Versammlungen in Kirchen, bis zum TV) hatten die Aufgabe, das – natürlich immer komplexer werdende – Normensystem den Menschen zu übermitteln und die Sanktionen für die Nichteinhaltung bekannt zu geben.“ Funktionieren derlei Ansätze in unserer Zeit (überhaupt noch), in der sowohl die Wirtschaft als auch die Medienlandschaft in einem tiefgreifenden und strukturellen Wandel stecken? Anders gefragt: Sind Normen überlebensfähig? Was haben sie mit Ethik zu tun? Und welche Rolle haben die Medien dabei?

G. S.: Natürlich sind nicht alle Normen überlebensfähig. So ist etwa in Österreich das Gesetz über die Majestätsbeleidigung immer noch in Kraft, obwohl es keine Majestäten mehr gibt. Auch der Titel Hofrat wird noch vergeben, obwohl es keinen Hof mehr gibt, der sich beraten lässt. Wirklich skurril wurde es dann, als der Hinweis auf den mangelnden Hof, der beraten werden könnte, dazu führte, dass man den Titel „wirklicher Hofrat“ einführte. Das bedeutet, dass man natürlich das Normensystem ständig ändern muss und damit sind ja auch viele Ausschüsse im Parlament beschäftigt.

Große Schwierigkeiten haben sehr unflexible Institutionen, wie etwa die katholische Kirche mit der Anpassung ihres Normensystems an die heutige Realität. Die Medien haben dabei die Aufgabe, Sinn und Unsinn dieser Normensysteme zu reflektieren und darzustellen. So gibt es etwa Reportagen über Aufstände in der katholischen Kirche, die von den Priestern gegen ihre bischöflichen Obrigkeiten gestartet wurden. Hier hat man zum Beispiel das Wort „Ungehorsam“ in den Mund genommen. Im Prinzip ist diese Stufe von den Philosophen schon in der sogenannten Achsenzeit im vierten vorchristlichen Jahrhundert angesprochen worden. In China, Indien und Griechenland traten Personen auf, die vorschlugen, Gut und Böse nicht dadurch zu definieren, indem man Handlungen nach einem Normensystem ausrichtet, sondern eher dadurch, dass der Mensch - der natürlich mündig sein musste - selbst entscheidet, welche Handlungsweise für ihn und die anderen im Augenblick richtig ist. Im Christentum hatte man später von dem individuellen Gewissen gesprochen. Aber auch „Der-zu-sich-selbst-Erwachte“ ist im Indischen der „Buddha“. „Der den Sinn in sich hat“ ist im Chinesischen „Taoist“.

Im Griechischen sagt Sokrates: „Ich habe das daimonion in mir“ - oder wie Jesus von Nazareth als Christus sagt, „Ich und Gott sind eins“. Damit wurden die ethischen Normen natürlich wesentlich flexibler und konnten leichter an eine konkrete Situation angepasst werden.

MFB: Apropos Religion – nun zu Ihrem Buch „Die Religion des Geldes“. Der Untertitel lautet: Wege aus der Krise des Kapitalismus. Ein Zukunftsszenario. Das klingt freilich überaus spannend, aber auch fast zu hoffnungsvoll – können Sie kurz die Hauptthese des Buches skizzieren und Wege aufzeigen, die uns aus der Krise führen können?

G. S.: Im Anschluss an die drei Gerechtigkeiten des Aristoteles glaube ich, dass auch das Geld drei einander widersprechende Dimensionen in sich hat. Aristoteles unterscheidet zunächst die Bedürfnisgerechtigkeit. Damit meint er, dass jemand, der mehr braucht, auch mehr bekommen muss. Ein kleines Kind benötigt zum Beispiel mehr Zuwendung als ein größeres Kind.

Dazu steht aber im Widerspruch die Leistungsgerechtigkeit. Hier soll derjenige mehr bekommen, der mehr leistet. Unsere Welt ist durch ein ausgewogenes Verhältnis von Bedürfnis- und Leistungsgerechtigkeit organisiert. Nur Bedürfnisgerechtigkeit allein funktioniert genauso wenig, wie nur Leistungsgerechtigkeit. Weil aber die Ausbalancierung in der Gruppe und der Gesellschaft nicht so einfach ist, muss diese überwacht werden. Dazu gibt es nach Aristoteles die sogenannte Gesetzesgerechtigkeit. Diese drei Dimensionen sind auch in Geld enthalten. Die Gesetzesgerechtigkeit bedeutet, dass das Geld von einer staatlichen Autorität als Maßstab etwa für den Tausch festgelegt wird. Nur mithilfe dieses Maßstabes kann man zwei Dinge, die getauscht werden sollen, miteinander in ihrem Wert vergleichen. Geld muss aber dann auch selbst eine Ware sein, indem nämlich Zinsen festgelegt werden, die den Preis der Ware Geld bilden. Diese Dimension steht aber im Gegensatz zum Maßstab. Denn ein Maßstab ist Voraussetzung dafür, dass man Waren vergleichen kann. Wenn aber Geld Maßstab ist, dann kann es nicht gleichzeitig eine Ware sein. Wenn es aber Ware ist, kann es nicht auch als Maßstab dienen. Man kann aber weder mit dem Geld als Maßstab noch mit dem Geld als Ware etwas kaufen. Dazu muss man es besitzen. Geld ist also drittens auch Eigentum. Die drei Dimensionen des Geldes stehen zueinander in Widerspruch und eine vernünftige Geldverwendung muss jeweils die drei Dimensionen ausbalancieren. Ein out-of-balance führt meiner Meinung nach zum Crash.

MFB: Haben Sie dazu ein Beispiel?

G. S.: Ja, ich erläutere dies gern ganz praktisch - etwa anhand des Beispiels einer Urlaubsplanung. Sie müssen die Bedürfnisse zum Beispiel einer Familie abfragen und ganz selten wird eine Urlaubsplanung akzeptiert, die sich gegen die Bedürfnisse der Familienmitglieder richtet. Zweitens müssen Sie aber auch überlegen, ob man sich diese Art Urlaub leisten kann. Selten werden Sie in Urlaub fahren können, wenn Sie das Geld dafür nicht aufbringen können. Drittens aber muss der Urlaub auch möglich sein im Sinne der „Gesetzesgerechtigkeit“:

Es muss eine Straße, eine Bahn, ein Flugzeug dorthin geben, es muss auch erlaubt sein, dort Urlaub zu machen etc. Wenn eine der drei Dimensionen vernachlässigt wird, können Sie die Planung vergessen. Ich habe in meinem Buch gezeigt, wie die drei Dimensionen des Geldes, die zueinander in Widerspruch stehen, jeweils durch einen Konsensfindungsprozess ausbalanciert werden müssen. Ich nenne dieses System die Trialektik des Geldes. Ich glaube daher, dass das hierarchische System, in dem jeweils die Obertanen

Ein Interview mit dem Philosophen und Wissenschaftler Professor Konrad Paul Liessmann

„Ohne ein Konzept von Freiheit und Verantwortung wären Moral und Ethik nicht denkbar”

„Der Mensch ist ein freies Wesen“, stellt Liessmann fest, der wissenschaftliche Leiter des Philosophicum in Lech: „Er ist Urheber seiner Handlungen und deshalb für diese auch verantwortlich. Als mündiges Subjekt ist er schuldfähig: Er muss einstehen für das, was er getan hat. Diese verbreitete Ansicht ist seit geraumer Zeit ins Wanken geraten. Je mehr die moderne Wissenschaft den Menschen als ein durch Gene, Umwelt, das Unbewusste und Hirnfunktionen bedingtes und bestimmtes Wesen erkennt, desto fragwürdiger wird die These, dass der Mensch für all sein Tun verantwortlich sei. Und auch wenn wir bereit sind, Verantwortung zu tragen oder zu übernehmen, fragt es sich in einer komplexen Gesellschaft, in der fast niemand mehr die Folgen seines Tuns überblickt, wer letztlich für von Menschen gemachte Ereignisse und Katastrophen, die viele betreffen, die Verantwortung trägt: Von Reaktorunfällen über Finanz- und Wirtschaftskrisen bis zum Klimakollaps zeichnen sich Szenarien ab, in denen die Zuschreibung von eindeutiger Verantwortung kaum mehr möglich erscheint. Gleichzeitig, und dies ist paradox, wird der Ruf lauter, dass der Einzelne mehr Verantwortung übernehmen müsse: Für sich und seine Gesundheit, für seine Bildung und die seiner Kinder, für sein Alter und sein Sterben.

Wie steht es unter diesen Bedingungen um die Freiheit des Menschen, seine Verantwortung für andere und seine Selbstverantwortung, und was bedeutet es, angesichts einer zunehmenden Verantwortungslosigkeit, noch nach Schuld und nach Sühne zu fragen?“

Marion Fugléwicz-Bren: Das heurige Philosophicum in Lech trägt den Titel Schuld und Sühne – Nach dem Ende der Verantwortung. Wie darf man sich das vorstellen? Ist der Mensch kein freies Wesen mehr (sofern er das je gewesen sein sollte)? Kann oder darf man den Menschen von der Verantwortung über sein Tun freisprechen? Und was würde das in einer Gesellschaft (Wirtschaft, Politik) bedeuten, in der Ethik und Verantwortung offensichtlich keine Rolle zu spielen scheinen – man denke an Umwelt-, Wirtschafts- und andere Krisen?

Konrad Paul Liessmann: