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Beschreibung

Schuhe an und los: Es gibt gute Gründe dafür, warum Laufen Volkssport Nummer 1 geworden ist. Ob im Wald, im Park, auf der Straße, ob vor oder nach der Arbeit, im Sommer, im Winter und natürlich bei Wettkämpfen - laufen kann man überall und jederzeit, es ist vielseitig und für jeden einfach und günstig machbar. Aber es steckt noch mehr dahinter: Es schult unseren Charakter und verhilft uns letztlich zu größerer Freiheit, erweitert unseren Horizont und lehrt uns viel über uns selbst und die Welt um uns herum. Davon erzählen internationale Autoren aus verschiedenen Disziplinen - Philosophen, Journalisten, Sportler, Autoren - kenntnisreich in Die Philosophie des Laufens. Sie erklären uns, wieso Freundschaften unter Läufern auch für andere Bereiche des Lebens wichtig sind, berichten vom Laufen mit Apps und davon, welchen Unterschied es macht, auf einem Laufband oder im Freien zu laufen. Sie schildern uns die Parallele zwischen Schmerz und Freude beim Laufen und im Leben, erzählen, wie es sich anfühlt, zum ersten Mal einen Marathon zu laufen - und zeigen, warum ein kurzer Trainingslauf am Wochenende genauso glücklich machen kann. Mit einem Vorwort von Amby Burfoot.

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Seitenzahl: 267

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Inhaltsverzeichnis

Amby Burfoot - Vorwort

Michael W. Austin - Aufwährmphase - Einführung

Peter Reichenbach - Schuhe an und los! - Einführung zur Deutschen Ausgabe

Michael W. Austin - Das Glück gemeinsam jagen. Laufen und Aristoteles' Philosophie der Freundschaft

Robert Semmler - 42,195 Kilometer in eine andere Welt

Raymond Angelo Belliotti - Langstreckenlauf und der Wille zur Macht

Gregory Bassham - Erfolg beim Laufen. Sieben Voraussetzungen

Isabel Bogdan - Alsterlauf - Die ersten zehn

J. Jeremy Wisnewski - Wie man zum Läufer wird - phänomenologisch betrachtet

Jan Drees - Programm ist Programm - über das Laufen als Leistungssport

Raymond J. VanArragon - Zum Lobe des Joggers

Armin Chodzinski - Runner's Delight - Eine Predigt in vier Phasen

Chris Kelly - Der Schmerz des Läufers

Christopher Martin - John Dewey und die Schönheit des Laufens. Laufen als ästhetische Erfahrung

Florian Blaschke - Im Takt, aus dem Takt. Über das Trainieren mit Lauf-Apps

Heather L. Reid - Die Freiheit des Langstreckenläufers

Maximilian Probst - Der Marathon als Königsdisziplin der modernen Selbstoptimierung. Wie wir uns verlaufen

Aus der gleichen Reihe: Die Philosophie des Radfahrens

Aus der gleichen Reihe: Die Philosophie des Kletterns

Impressum

AMBY BURFOOT

VORWORT

Übersetzung: Peter Reichenbach

Die Verbindung zwischen Laufen und Philosophie war mir – als Student und Laufanfänger in den 1960er-Jahren – nicht bewusst. Genau genommen hielt ich die beiden sogar für gegensätzlich. Wenn ich es mir recht überlege, habe ich den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen. Das Laufen war für mich eine solche Leidenschaft, dass ich mich kaum um etwas anderes kümmerte.

Meine Hochschule versuchte mir anderes beizubringen. Ich war in der glücklichen Lage, an einer kleinen Universität im Nordosten der USA zu studieren, in der die großen Denker und die Klassiker noch etwas zählten. Als Studienanfänger musste man sie ganze zwei Semester lang studieren. Ich erinnere mich zumindest noch an die Autoren, die wir lesen mussten: Sokrates, Platon und Aristoteles im Wintersemester; und im Sommersemester Kant, Schopenhauer und Marx. Aber was wollte man mir damit sagen? Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, damals auch nur ein Wort verstanden zu haben.

Die Wahrheit ist, dass meine Freunde vom Crosslauf-Team und ich auf das ganze verwirrende Zeug schimpften. Alles nur Worte, Worte, Worte. Diese Typen litten unter mentaler Verstopfung, so nannten wir das damals. Sie waren in ihrem eigenen Kopf gefangen – der denkbar miserabelste Ort, um das Leben auszukosten. Wir dagegen gingen bis an unsere Grenzen. Hundert Kilometer in dieser Woche, hundertzehn in der nächsten. Und noch mehr, manchmal auch viel mehr, ganz besonders ich, denn ich war der Besessenste von uns allen. Mir war klar, dass die Menschheit vor schwerwiegenden Problemen stand. Da gab es den Kampf gegen Armut und den sich anbahnenden Konflikt in Vietnam. Wir sorgten uns auch damals schon um Umweltverschmutzung und fragten uns, welche Verantwortung die Menschen gegenüber der Welt hätten. Das weltweite Bevölkerungswachstum war in aller Munde. Aber ich kümmerte mich vorrangig um andere Dinge: Wie konnte ich noch mehr Kilometer innerhalb einer Woche laufen und meine Zeit beim Marathon verbessern?

Über die Jahre hatte ich, glücklicherweise, einige sehr gute Trainer, die meinen Horizont erweiterten. Der wichtigste Trainer von allen war John J. Kelley, Gewinner des Boston-Marathons und mein erster Crosslauf-Trainer, der lange mein Mentor war. Kelley las David Thoreau und war begeistert von Bob Dylan, was keine schlechte Kombination war. Er war Biogärtner, bevor irgendwer sonst wusste, was das war, und lief zu Fuß oder fuhr mit dem Fahrrad zur Hochschule anstatt mit der teuflischen Verbrennungsmaschine. Er propagierte und lebte das einfache Leben, und seine immense Energie und sein Verstand beeindruckten mich.

Kurz nachdem ich angefangen hatte, für die Runner’s World zu schreiben, verbrachte ich einen Tag mit Jim Fixx, der durch sein Buch The Complete Book of Running völlig unerwartet zum Millionär geworden war. Es hatte ihn in keiner Weise verändert. Er führte ein ganz normales Leben und arbeitete ungeheuer viel, einstudierte Charakterzüge als Konsequenz einer Quäker-Erziehung. Für Fixx war der tägliche 15-Kilometer-Lauf entlang der Küstenstraßen von Greenwich, Connecticut der unanfechtbare Höhepunkt des Tages. Es war seine Belohnung, wie eine extragroße Kugel Eis. Aber er würde sich seine Belohnung keinesfalls vor dem Nachmittag gönnen, erst nach einem langen Tag voller Forschungs- und Schreibarbeit.

Dann gab es da noch George Sheehan, Doktor der Medizin, der für immer der beliebteste Autor der Runner’s World bleiben wird. Häufig schrieb Sheehan über die Wichtigkeit des Spielens, was viele Leser für ihn einnahm. Und noch mehr Leser konnte er durch eine andere seiner zentralen Aussagen begeistern, nämlich dass wir alle Helden unseres eigenen Lebens sind und dass wir gut daran tun, uns einen Weg mit vielen heldenwürdigen Herausforderungen zurechtzulegen.

Beim Lesen von Die Philosophie des Laufens, ein durchaus akademisches Buch, war ich überrascht, dass ich es eigentlich gar nicht so empfand. Ich hatte erwartet, dass es einschüchternd und abschreckend sei, so wie damals meine Philosophiesemester mit diesen rätselhaften Griechen und Deutschen. Stattdessen las es sich eher wie Kelley und Fixx und Sheehan. Und ich wage es kaum zu sagen: Es spiegelte jene Gedanken und Diskurse wider, mit denen ich mich während meiner 160.000 gelaufenen Kilometer auch schon beschäftigt hatte. In einem Kapitel gibt es jemanden, der nach einem Streit mit seiner Ehefrau eine Runde laufen gehen muss, um Dampf abzulassen. Ich kenne das und habe es schon (zu) oft genauso getan. Ein anderer versucht das Wesen des Glücks zu entziffern. Andere wiederum fragen: Kann man aus Schmerz lernen? Wie können wir der Gemeinschaft dienlich sein? Ist Laufen Kunst?

Meine Güte, ich habe mich beim Laufen mit all diesen Fragen herumgeschlagen, manchmal im Austausch mit Trainingspartnern, meistens mit mir selbst. Macht mich das zu einem Philosophen? Natürlich würde ich mich gerne so nennen. Aber darum geht es nicht.

Es geht vielmehr um Folgendes: Laufen schafft Raum und Zeit zum Nachdenken. Nicht-Läufer glauben, dass Laufen eine physisch anstrengende Aktivität für Herz und Beine sei. Aber wir Läufer wissen, dass es anders ist. Sobald wir in Form sind, spüren wir während des Laufens weder Beine noch Herz und sind ganz in unseren Gedanken versunken. Weit weg von unseren Schreibtischen, Bildschirmen, Computer-Tastaturen, Telefonen und Meetings schalten wir auf Autopilot, und dann ist da nichts anderes mehr zu tun als zu … denken!

Alan Turing erfand den Computer während des Laufens. Musiker komponieren. Autoren schreiben. Schauspieler proben. Und Philosophen stellen sich die ganz großen Fragen, die, die jeden von uns jeden Tag unseres Lebens betreffen.

Wir laufen, deshalb denken wir. So einfach kann man es sagen. Und die Schlussfolgerungen können überraschend tiefgründig sein.

AMBY BURFOOT

Amby Burfoot gewann 1968 den Boston-Marathon und war für 25 Jahre Chefredakteur der Zeitschrift Runner’s World.

MICHAEL W. AUSTIN

AUFWÄRMPHASE - EINFÜHRUNG

Übersetzung: Peter Reichenbach

Laufen und Philosophie haben, vielleicht für einige überraschend, eine Menge gemeinsam. Beide sind häufig fordernd und häufig bereichernd. Beide erfordern Ausdauer und Geduld. Läufer und Philosophen ernten oft verständnislose Blicke von Nicht-Läufern und Nicht-Philosophen. Warum steigt jemand an einem kalten, dunklen Wintermorgen aus dem Bett, nur um acht Kilometer zu laufen? Und was um alles in der Welt macht man mit einem Abschluss in Philosophie? Natürlich sind die meisten Läufer keine professionellen Läufer. Und genauso wenig sind die meisten Philosophen professionelle Philosophen. Wir sind alle Philosophen. Wir haben eine Vorstellung davon, was Wirklichkeit, was ein menschliches Wesen ausmacht, welches Leben das beste Leben ist und ob Gott existiert oder nicht, um nur ein paar unserer philosophischen Ideen zu nennen. Und meistens haben wir (hoffentlich gute) Gründe für unsere Überzeugungen.

Läufer und Philosophen haben etwas gemeinsam. Beide wollen etwas erreichen. Das Oxford Dictionary of Philosophy schreibt, dass der Begriff Diskurs von dem lateinischen diskursis abstammt und Laufen von einem Ort zum anderen bedeutet.1

Im Zuge der Beantwortung der großen Fragen des Lebens bewegen sich Philosophen von den großen Fragen – Was können wir wissen? Was ist real? Existiert Gott? Wie soll ich leben? Was ist wahres Glück? – hin zu möglichen Antworten auf diese Fragen. Professionelle Philosophen entwerfen und analysieren Diskurse, um schlussendlich zur Wahrheit zu gelangen. Manchmal kommen wir zu keinem Ergebnis, aber wir sind grundsätzlich glücklich, uns von dem einen zum anderen Ort zu bewegen, wenn wir uns so der Wahrheit annähern können.

Auch Läufer wollen ein Ziel erreichen. Einige wollen manchmal einfach nur das Ende der Trainingsrunde erreichen. Bei einem Wettkampf hingegen wollen manche Läufer das Ziel als Erste erreichen, am besten in Rekordzeit, während andere einfach nur froh sind, überhaupt anzukommen. Aber die meisten Läufer sind auf der Suche nach mehr als nur der Ziellinie oder dem Ende der Trainingsrunde. Für viele ist Laufen auch ein Weg, um Wahrheiten zu finden, über sich selbst und die Dinge in ihrem Leben, die ihnen etwas bedeuten. Für viele von uns ist Laufen ein Weg, sich selbst kennenzulernen, ein Teil unseres Weges zum Glücklichsein. Das Laufen schafft uns Freiräume, in denen wir uns über unser Leben und seine großen Fragen Gedanken machen können. Und an ebenjenem Punkt überschneiden sich die Ziele des Läufers und die des Philosophen. Sowohl das Laufen als auch das Philosophieren können uns in ihren besten Momenten helfen, etwas über uns selbst zu erfahren und darüber, was wichtig ist; vielleicht sogar etwas über Wirklichkeit an sich. Schon immer hat sich die Menschheit mit Fragen dieser Art befasst und auch hier soll es um sie gehen. Dieses Buch wird diese Fragen kaum alle beantworten können, wie ja auch ein einzelner Trainingslauf nicht ausreicht, um die persönliche Bestzeit beim Marathon zu verbessern. Aber ein gutes Training kann einen ein Stück näher an die persönliche Bestzeit bringen, und genauso kann das Lesen dieses Buches helfen, der Beantwortung einiger großen Fragen des Lebens näher zu kommen.

Und es gibt noch eine Sache, die das Laufen und das Lesen dieses Buches gemeinsam haben. Umso weiter man kommt, umso härter wird es. Einige Kapitel dieses Buches sind etwas komplexer, so wie die letzten Meilen eines Marathons. Aber so wie der Zieleinlauf beim Marathon ist das Nachdenken über die anspruchsvolleren Fragestellungen in diesen Kapiteln den Extraaufwand definitiv wert.

Lesen Sie also ein Kapitel, bevor Sie das nächste Mal laufen gehen. Und auch wenn Sie dann nicht eines der großen philosophischen Mysterien der menschlichen Existenz lösen können, so haben Sie wenigstens etwas, über das Sie nachdenken können und das Sie von den Schmerzen in den Oberschenkeln ablenkt.

MICHAEL W. AUSTIN

Michael W. Austin ist Dozent für Philosophie an der Eastern Kentucky University und beschäftigt sich dort vor allem mit Fragen der Ethik. Er veröffentlicht regelmäßig Artikel in diversen Zeitschriften, außerdem hat er eine ganze Reihe Bücher veröffentlicht, die sich vor allem damit befassen, wie sich philosophische Fragen auf das alltägliche Leben anwenden lassen. Unter anderem sind von ihm erschienen: Conceptions of Parenthood: Ethics and the Family (2007), Football and Philosophy: Going Deep (2008) und Cycling – Philosophy for Everyone: A Philosophical Tour de Force (2010), das 2013 unter dem Titel Die Philosophie des Radfahrens ebenfalls im mairisch Verlag erschienen ist.

Michael W. Austin dankt allen Autoren für ihren Einsatz und ihre exzellente Zusammenarbeit. Sie alle trugen dazu bei, dass die Arbeit am Buch eine äußerst angenehme war. Er dankt außerdem Jeff Dean, Danielle Descoteaux und Anna Oxbury von Blackwell für ihren Enthusiasmus, ihre Ratschläge und ihre Unterstützung. Bill Irwin verdient besonderen Dank für seine kontinuierliche Hilfe beim Lektorat. Zuletzt danke an Dawn für ihre Geduld, Ermutigung und Liebe.

FUSSNOTEN

1 Simon Blackburn, (Hg.), »The Oxford Dictionary of Philosophy«, Oxford University Press, New York 1996, S. 107. Danke an Charles Taliaferro für den Hinweis.

PETER REICHENBACH

SCHUHE AN UND LOS! - EINFÜHRUNG ZUR DEUTSCHEN AUSGABE

Kein Sport ist so einfach wie das Laufen: Schuhe an und los! Mehr braucht es nicht.

Dass es dann doch nicht ganz so einfach ist, merkt man meistens bereits nach dem ersten Kilometer. Es fängt nämlich schon mit den Schuhen an. Wer sportlich laufen will, braucht richtige Laufschuhe, in der richtigen Größe und mit der entsprechenden Dämpfung. An kälteren Tagen ist auch die Bekleidung nicht ganz unwichtig, die alte Jogginghose und den alten Kapuzenpullover traut man sich meistens nur die ersten Male noch zu tragen, dann aber kommen schnell die T-Shirts, Hosen und Socken bekannter Markenhersteller dazu, man will schließlich gewappnet sein gegen Wind, Kälte, Dunkelheit, und auch modisch möchte man mit den anderen Läufern mithalten können. Und wenn die Ausrüstung steht, wird es noch mal komplizierter, denn dann kommen die Trainings- und Ernährungspläne und Lauf-Apps dazu, vielleicht sogar Trainer und Laufpartner. Irgendwann wird dann aus dem Training für die Grundfitness vielleicht ein Training für den Wettkampf, für einen Marathon … Das bringt meistens weitere Probleme mit sich: Wie integriere ich meine Trainingseinheiten in meinen Alltag und wie rechtfertige ich sie gegenüber meiner Familie, meiner Arbeit? Wie gehe ich damit um, wenn ich meine sportlich gesteckten Ziele einmal nicht erreiche und Erfolge ausbleiben? Wie gehe ich mit Verletzungen um? Kurz, es wird komplizierter, als es ganz am Anfang ausgesehen hat. Und damit haben wir die ideale Ausgangslage, uns etwas tiefgründiger, etwas philosophischer mit dem Laufen zu befassen.

Die Autoren dieses Buches verfügen über die unterschiedlichsten Erfahrungen mit dem Laufen. J. Jeremy Wisnewski etwa war gar kein Läufer, bevor er die erste Zeile seines Beitrags geschrieben hatte. Für ihn war Laufen einfach ein philosophisches Experiment: Was passiert mit mir, meinem Geist, meinem Körper, wenn ich anfange zu laufen, fragte er sich und ist dann einfach losgelaufen. Seine Erfolge, seine Rückschläge und seine Erkenntnisse hat er dabei akkurat festgehalten.

Isabel Bodgan ist da schon etwas weiter, sie hat trainiert und sich dann dazu hinreißen lassen, sich bei einem Wettkampf über zehn Kilometer anzumelden. Der Wettkampftermin ist aber schneller da als gedacht ... Sie berichtet davon, wie nah Schmerzen, Verzweiflung und Glück beieinanderliegen können und dass es für einen Erkenntnisgewinn nicht immer gleich ein Marathon sein muss.

Eng beieinander liegen in jedem Fall auch Training und Erfolg. Dieses Verhältnis spielt in einer Reihe von Texten eine zentrale Rolle. Da ist etwa Jan Drees, der 1996 Junioren-Europacupsieger in Ljubljana wurde und davon erzählt, welche Entbehrungen man als Leistungssportler auf sich nehmen muss. Er zeigt dies anhand seines Trainingsplans und eines Mottos seines damaligen Trainers: Programm ist Programm.

Auch im Essay von Raymond J. VanArragon stehen Training und Erfolg im Vordergrund. Er fragt sich, ob man überhaupt laufen sollte, um Erfolg zu haben, um Wettkämpfe zu gewinnen, oder ob es nicht vielleicht viel erstrebenswerter wäre, ein Jogger zu werden, der nur läuft, weil er am Laufen selbst seinen Spaß hat und fit bleiben möchte. Aber reicht das als Motivation?

Florian Blaschke findet für sich jedenfalls eine ganz andere Motivation, jenseits von Fitness und Erfolg: Er hat Lauf-Apps und Wearables (Pulsuhren, GPS-Geräte, Fitness-Tracker) für sich entdeckt und schreibt in seinem aufschlussreichen Beitrag nicht nur über ihre Vorteile, sondern auch über ihre negativen Seiten. Was bedeutet es, gegen sich selbst zu laufen und dabei die Veränderung des eigenen Körpers live mitverfolgen zu können?

Läufer sind Kritik und Unverständnis gewohnt. Warum quälen sie sich stundenlang auf öden Wegen oder am Rand von stark befahrenen Straßen, wenn sie stattdessen ihre Zeit genauso gut mit Mannschaftssportarten, im Idealfall sogar in einer wettergeschützten Sporthalle verbringen könnten? Was ist es, das den Mehrwert des Laufens ausmacht – und ist dieser vielleicht sogar ästhetischer Natur? Christopher Martin stellt sich dieser Frage und zeigt, dass sich beim Laufen das Verhältnis zwischen Körper und Welt verändern kann, weil die Trennung von Subjekt und Umwelt überwunden wird und Laufen so zu einer ästhetischen Erfahrung werden kann.

Wie bei jeder Sportart ist jene Phase besonders spannend, nachdem die ersten Erfolge verzeichnet werden konnten, man eine gute Grundfitness erreicht hat und sich selbst als Sportler, als Läufer begreift. Doch wie geht es jetzt weiter? Man möchte noch längere Distanzen noch schneller laufen. Hierfür muss man die richtige Einstellung zum eigenen Körper finden und stößt bei diesem Unterfangen zwangsläufig auf das paradoxe Verhältnis von Schmerz und Wohlbefinden. Denn die Schmerzen und Anstrengungen, die man beim Laufen erfährt, führen doch schließlich dazu, dass man sich im Ganzen besser fühlt, oder nicht? Was also genau sind Schmerzen? Chris Kelly hat sich diese nicht nur für Läufer entscheidenden Fragen gestellt.

Auch Armin Chodzinski hat sich in seinem Essay mit dem vermeintlichen Gegensatz von Körper und Geist auseinandergesetzt und fragt, ob man eigentlich mit oder gegen den Körper läuft und seit wann diese Frage historisch gesehen relevant geworden ist. Denn dass wir das Laufen als Ausgleich zu unseren bewegungsarmen Bürojobs entdeckt haben, ist doch ein relativ neues Phänomen und zeugt auch von einem gesellschaftlichen Wandel.

Wer sich jedenfalls für das Laufen entschieden hat und regelmäßig trainiert, vielleicht sogar auf eine längere Distanz wie den Marathon, der findet auch bei den Philosophen gute Hinweise darauf, wie man ein erfolgreicher Läufer werden kann. Gregory Bassham hat sieben ganz unterschiedliche Gründe ausmachen können, die motivieren und zum Erfolg führen, gut erklärt anhand lebhafter Beispiele.

Überhaupt, der Marathon mit seinen 42,195 Kilometern, die Königsdisziplin der Laufdistanzen – auch wenn es immer noch weiter und schneller geht – taucht im Buch natürlich immer wieder auf. Am deutlichsten sicherlich im Beitrag von Robert Semmler, der davon berichtet, wie er die Marathondistanz im griechischen Marathon selbst gelaufen ist und wie das Laufen ihn zu einem bewussteren Leben geführt hat – und das nicht nur trotz, sondern auch wegen der notwendigen Überwindung verschiedenster Grenzen, die das Laufen in vielen unterschiedlichen Situationen vom Läufer einfordert.

Auch bei Raymond Angelo Belliotti steht das Überwinden der Strapazen im Vordergrund. Er selbst berichtet von seiner Teilnahme am New-York-Marathon bei 24 Grad Celsius und 96 Prozent Luftfeuchtigkeit – keine einfachen Bedingungen für einen Langstreckenlauf. Er versucht, sich auf Nietzsche zu besinnen und mithilfe dessen Philosophie seinen Willen zu aktivieren und sich seiner inneren Stimme zu stellen, die ihn eigentlich zum Aufgeben überreden will.

Auch bei Heather L. Reid geht es um den Langstreckenlauf. Für sie eröffnet das Laufen jedem Einzelnen die Möglichkeit, dem alltäglichen Trott zu entkommen, »der Herde zu entfliehen«, eine andere Sicht auf die Welt zu erlangen und schließlich die Chance, das eigentliche Leben zu erkennen. Ihre Thesen veranschaulicht sie durch ihre existenzialistische Lesart des Klassikers von Alan Sillitoe, Die Einsamkeit des Langstreckenläufers.

Eine ganz andere Perspektive auf den Marathon nimmt Maximilian Probst ein. Er fragt sich, ob die verbissene Selbstüberwindung und der Kampf des Läufers nicht eigentlich ein Auswuchs der gesellschaftlich geforderten Selbstoptimierung sind. Ist Laufen deswegen so populär, weil in unseren Berufen und Karrieren von uns die gleichen Tugenden gefordert werden? Wäre es nicht schöner, wenn wir in unserer Freizeit die Freude am Spiel in den Vordergund rückten und alle miteinander Tennis spielten?

Dagegen hätte zumindest Michael W. Austin etwas einzuwenden, der in seinem Essay mit Aristoteles begründet, warum Laufen ihn glücklich macht. Ganz wichtig ist dabei für ihn der Begriff der Freundschaft, weshalb sein Beitrag als Plädoyer für das gemeinsame Laufen verstanden werden kann.

Und ist es nicht so, dass man das Laufen alleine beginnt und sich mit genannten Schwierigkeiten auseinandersetzt, vielleicht durch Krisen geht und Widerstände überwindet, zuletzt aber Freunde findet, mit denen man gemeinsam läuft und glücklich wird? Um das herauszufinden, bleibt uns letztlich nur eines: Einfach loslaufen.

PETER REICHENBACH

Peter Reichenbach ist Mitbegründer des mairisch Verlags. Seine wichtigste Lauferfahrung war die Teilnahme am 24-Stunden-Lauf in Rodgau (Hessen), die zugegebenermaßen schon einige Jahre zurückliegt. Man tritt dort als Team von zehn Leuten an, ein Läufer je Team muss dabei immer auf der Bahn des Stadions sein. Die Zuschauer spenden pro gelaufener Runde für einen gemeinnützigen Zweck. Es gewinnt das Team, das die meisten Runden gelaufen ist, wobei das Gewinnen zweitrangig ist. Eine erneute Teilnahme ist von Peter Reichenbach fest anvisiert.

MICHAEL W. AUSTIN

DAS GLÜCK GEMEINSAM JAGEN. LAUFEN UND ARISTOTELES‘ PHILOSOPHIE DER FREUNDSCHAFT

Übersetzung: Hannah Zirkler

Warum? An diese Frage haben sich Philosophiestudenten und Läufer gewöhnt. »Warum sollte man Philosophie studieren – was kann man damit machen?« »Warum zur Hölle sollte man vor dem Frühstück acht Kilometer laufen?« Philosophen, denen es nur selten an Worten fehlt, wenn ihnen diese Frage gestellt wird, gäben dem Fragestellenden eine ausführlichere Antwort, als dieser erwarten würde. Auch Läufer haben oft Antworten für diejenigen, die sich über die zum Teil seltsamen Auswüchse ihres Sportes wundern:

»Viele laufen ein Rennen, um zu sehen, wer der Schnellste ist. Ich laufe, um zu sehen, wer der Mutigste ist.« Steve Prefontaine

»Ich habe Laufen immer geliebt ... es ist etwas, das man alleine und aus eigener Kraft tun kann. Man kann jede Richtung einschlagen, so schnell oder langsam man möchte, gegen den Wind ankämpfen, wenn einem danach ist, und neue Orte mit der Kraft seiner Füße und dem Mut seiner Lunge erkunden.« Jesse Owens

»Das letzte Rennen meines Lebens werde ich gewinnen, und wenn ich dafür bei einem Schulwettkampf mitlaufen muss.« Johnny Gray

»Es gibt so viele Gründe zu laufen, wie es Tage im Jahr, wie es Jahre in meinem Leben gibt. Aber meistens laufe ich, weil ich ein Tier bin und ein Kind, ein Künstler und ein Heiliger. Und das bist auch du. Finde dein eigenes Stück, deinen eigenen Drang, dich selbst zu erfinden, und du wirst der Mensch werden, der du zu sein bestimmt bist.« George Sheehan

Steve Prefontaine lief, um zu sehen, wer der Mutigste ist. Jesse Owens lief, um Freiheit zu erleben. Johnny Gray lief, um zu gewinnen. Und George Sheehan fordert uns auf, zu laufen, um unser wahres Selbst finden und sein zu können. Millionen anderer laufen aus vielerlei Gründen, für die körperliche und physische Gesundheit natürlich, aber auch, um sich einer Herausforderung zu stellen und diese zu bestehen, oder aus reinem Vergnügen am Laufen. Was viele Olympioniken und Durchschnittsläufer gemeinsam haben ist, dass Laufen für sie ein entscheidender Teil des guten Lebens ist. Laufen trägt dazu bei, sie glücklich zu machen.

Aber was hat all das mit Philosophie zu tun? Die Frage nach der Beschaffenheit der Glückseligkeit und wie man sie erlangen kann, war für Philosophen schon immer eine wichtige Frage. In der aristotelischen Ethik beispielsweise spielt der Begriff der Glückseligkeit eine zentrale Rolle. Wie es Aristoteles (384–322 v. Chr.) formuliert, ist Glückseligkeit die »mit Vernunft verbundene Tätigkeit der Seele«1.

Glückseligkeit bedeutet nicht nur, sich gut zu fühlen. Es ist nicht nur ein Gefühl, sondern etwas Tieferes. Wenn ich glücklich bin, bedeutet das, so Aristoteles, dass es mir insgesamt gut geht. Einer glücklichen Person geht es gut, und sie ist zutiefst davon erfüllt, wer sie ist und wie sie lebt. Nach Aristoteles müssen wir tugendhaft sein, um wirklich glücklich sein zu können. Wir müssen mutig, ehrlich, freundlich, direkt und (unter anderem) gute kritische Denker sein, um glücklich zu sein. Wir wissen, dass Laufen uns zu einem gesunden Körper verhelfen kann. Und Aristoteles ist der Ansicht, dass der Besitz und die Ausübung von Tugenden zu einer gesunden Seele führt und diese auch erhält.

Wenn Tugendhaftigkeit die Voraussetzung dafür ist, wirklich glücklich zu sein, dann stellt sich natürlich die Frage, wie wir tugendhaft sein können? Es gibt viel über Aristoteles’ Antwort auf diese Fragen zu sagen, aber hier möchte ich mich auf einen Aspekt seiner Antwort konzentrieren. Aristoteles sagt, dass wir Freundschaften in unserem Leben brauchen, um tugendhaft zu sein. Aber nicht jede Art von Freundschaft reicht dazu aus. Wir müssen in einer bestimmten Art von Freundschaft involviert sein, nämlich in einer, die auf Tugenden basiert. Freundschaften unter Läufern veranschaulichen oft diese höchste Form der Freundschaft, wie Aristoteles sie versteht, aber sie sind zuweilen auch Beispiele für Freundschaft in ihrer schwächeren Form. Aber wir werden sehen, dass Laufen gut geeignet ist, um jene Art von Freundschaft zu pflegen, die Aristoteles für ein vollendetes Glücklichsein für notwendig hält.

Aristoteles sagt in seiner Nikomachischen Ethik, dass »alles Wissen und Wollen nach einem Guten ziele«2. All unsere Bemühungen zielen auf etwas Gutes, welches gleichzeitig als deren Ziel dient. So sagt Aristoteles beispielsweise, »das Ziel der Heilkunst ist die Gesundheit, das der Schiffsbaukunst das Schiff [...], das der Wirtschaftskunst der Reichtum.«3 Aber in einem anständig gelebten Menschenleben gibt es ein höchstes Gut, ein endgültiges Ziel, auf das all unsere Bestrebungen letztendlich gerichtet sind. Laut Aristoteles ist dieses höchste Gut, nach dem alles menschliche Handeln strebt, die Glückseligkeit. Alles, was wir tun, soll letztendlich zur Glückseligkeit führen. Wir sollten uns aber daran erinnern, dass Aristoteles unter Glückseligkeit etwas Tieferes versteht, als nur das zu bekommen, was wir wollen, oder mit unseren Lebensumständen zufrieden zu sein. Glückseligkeit bezieht sich auf das Wohlbefinden, auf einen vollständig funktionierenden Körper, Erfüllung und inneren Frieden. Nach dem aristotelischen Verständnis eines guten Lebens wünschen wir uns körperliche Gesundheit und materiellen Wohlstand, da diese uns beim Erreichen unseres höchsten Zieles – der Glückseligkeit – helfen. Denn nicht sie selbst machen uns glücklich. Dies gilt auch für alles andere, was wir tun. Egal, ob wir Wissen, eine Karriere, eine Beziehung oder sogar eine neue persönliche Bestzeit beim Marathon anstreben, verfolgen wir letztendlich die Glückseligkeit. Glückseligkeit ist sozusagen unser endgültiges Ziel, unsere Endhaltestelle. Wir tun, was wir tun, weil wir glauben, dass es uns dabei hilft, glücklich zu werden.

Die falsche Ausrüstung

Ein Vorteil beim Laufen ist, dass man für diesen Sport nicht viel Ausrüstung braucht. Angemessene Kleidung, ein anständiges Paar Schuhe und schon kann es losgehen. Die Folgen falscher Ausrüstung bekommt man hingegen schnell zu spüren. Vor einigen Jahren bekam ich Schmerzen in den Schienbeinen. Mein letztes Training lag schon eine Weile zurück und ich fing gerade erst wieder an, doch der Schmerz war mir vertraut. Ich hatte eine Entzündung der Schienbeinmuskulatur. Ich trainierte auf betonierten Gehwegen, in Schuhen, die eher für Wettkämpfe oder für sehr effiziente Läufer gedacht waren, und nichts davon traf auf mich zu. Ich verwendete die falsche Ausrüstung. Nachdem ich auf ein geeignetes Paar gefederter Trainingsschuhe umgestiegen war, verschwand die Entzündung.

Wie passt Freundschaft zu all dem? Wir wissen, dass es schwer ist, tugendhaft zu sein. Es gibt viele Hindernisse, die einem mutigen, einfachen, maßvollen und ehrlichen Leben im Wege stehen. Aristoteles war sich dessen bewusst und liefert uns ein paar praktische Ratschläge für unser Streben nach einem guten Leben. Er sagt uns, dass »[...] es unmöglich oder schwer ist, das Gute und Schöne ohne Hilfsmittel zur Ausführung zu bringen«4. Wir benötigen die richtigen Hilfsmittel, die richtige Ausrüstung, um die Schwierigkeiten zu überwinden, die entstehen, wenn wir versuchen, ein gutes Leben zu führen. An diesem Punkt kommt nun die Freundschaft ins Spiel. Aristoteles ist der Meinung, dass Freundschaft eines jener Hilfsmittel ist, die wir brauchen, um ein tugendhaftes Leben zu führen und um wahrhaftig glücklich zu sein. So wie ein Läufer eine geeignete Ausrüstung braucht, um sich in diesem Sport hervorzutun, braucht jeder von uns die passenden Hilfsmittel, um ein erfolgreiches Leben zu führen. Wenn jemand glücklich sein will, braucht er Freunde. Es gibt jedoch Arten von Freundschaft, die dazu ungeeignet sind. Aristoteles beschreibt zwei Arten von Freundschaft, die uns nicht bei unserer Suche nach Tugendhaftigkeit und Glückseligkeit helfen:

»Die sich also des Nutzens wegen lieben, lieben nicht einer den anderen an sich, sondern insofern, als ihnen voneinander Gutes widerfährt, und ebenso ist es mit denen, die sich der Lust wegen lieben: man hat den umgänglichen Mann gern, nicht wegen seiner persönlichen Eigenschaften, sondern weil er einem Vergnügen gewährt. Wo demnach die Liebe auf dem Nutzen beruht, da wird sie durch den Nutzen des Liebenden, und wo sie auf der Lust beruht, durch die Lust des Liebenden bestimmt, und sie gilt dem Geliebten, nicht insofern er der Geliebte ist, sondern insofern er Nutzen oder Lust gewährt. [...] Diese Freundschaften sind [...] leicht lösbar, wenn die Personen sich nicht gleich bleiben: sind sie nicht mehr angenehm oder nützlich, so hört man auf, sie zu lieben.«5

Die erste Art von Freundschaft, auf die sich Aristoteles hier bezieht, ist eine auf Nutzen basierende Freundschaft. Bei dieser Art der Freundschaft sind die Beteiligten nur deshalb Freunde, weil der andere etwas für sie tun kann. Ich hatte solche Freundschaften mit anderen Läufern. Während meiner Zeit als Querfeldeinläufer in der High School basierten einige meiner freundschaftlichen Beziehungen zu Teammitgliedern ausschließlich auf der Fähigkeit, uns gegenseitig zu besseren Läufern zu machen. (Ich muss zugeben, dass ich davon für gewöhnlich am meisten profitierte, da ich in der Regel mehr Raum für Verbesserungen hatte.) Diese Beziehungen beruhten auf Nutzen – dem gegenseitigen Vorteil, den wir uns erbrachten –, denn wir halfen uns lediglich nur gegenseitig, härter zu trainieren und schneller zu laufen, um am Tag des Rennens besser abzuschneiden. Aristoteles hält diese Form von Freundschaft für unzureichend, um Tugendhaftigkeit zu erwerben und Glückseligkeit zu erreichen.

Aber ist das wirklich der Fall? Jemand mag vielleicht einwenden (wie wir Philosophen das gerne tun), dass Laufen dabei hilft, Disziplin und Selbstkontrolle zu entwickeln, welches beide wertvolle Charaktereigenschaften sind, die für das Erreichen von Glückseligkeit förderlich sind. Es ist also plausibel, anzunehmen, dass diese Freundschaften, die ich mit einigen Laufkollegen in der High School hatte, mir im Streben nach Glückseligkeit halfen, obwohl sie auf Nutzen basierten. Auf eine gewisse Weise ist dies sicherlich richtig. Aber welchen moralischen Nutzen ich auch immer erhielt, er kam nicht von meinen Freunden, sondern von der Tätigkeit des Laufens selbst. Wichtiger noch, wenn ich meine Teamkollegen nur wertschätzte, weil sie mir dabei behilflich waren, meine Laufziele zu erreichen, und nicht wegen ihres Charakters, dann fehlt etwas in meinem Streben nach Tugendhaftigkeit und Glückseligkeit. Für eine Freundschaft der höchsten Güte, also jener Art, die uns zur Glückseligkeit verhilft, ist etwas mehr vonnöten.

Aber zunächst müssen wir uns mit der zweiten Art von Freundschaft beschäftigen, die unzureichend ist, um ein wahrhaft glückliches Leben zu führen. Diese Freundschaft basiert auf Vergnügen, bei der ich meinen Freund nur dann wertschätze, wenn er mir Vergnügen bereitet. Vielleicht ist er lustig und ich genieße daher seine Gesellschaft. Aber wenn ich meinen Freund nur wertschätze, weil er lustig ist, oder aus irgendeinem anderen Grund, der mir Vergnügen bereitet, dann wird mir diese Art von Freundschaft nicht bei meinem Streben nach Glückseligkeit behilflich sein.

Es geht nicht darum, dass alle auf Nutzen oder Vergnügen basierenden Freundschaften moralisch problematisch sind, obwohl das viele sind, sondern vielmehr darum, dass diese Freundschaften uns nicht dabei helfen, tugendhaft zu werden und glücklich zu sein.

Die richtige Ausrüstung

Was wir stattdessen brauchen, ist eine Freundschaft, die auf Tugendhaftigkeit basiert. Ebenso wie ich ein Paar gefederte Trainingsschuhe brauchte, um meine Schienbeine gesund werden zu lassen, brauchen wir Freundschaften, die auf Tugendhaftigkeit basieren, um uns dabei zu helfen, tugendhaft zu werden und glücklich zu sein. In dieser Art der Freundschaft, die Aristoteles als wahre Freundschaft bezeichnet, sind beide Freunde tugendhaft. Sie besitzen und üben die Tugenden aus, und helfen sich gegenseitig dabei, gut zu sein und ein gutes Leben zu führen. Diese gegenseitige Unterstützung darin, ein tugendhaftes Leben zu führen, indem man sich auf das Gute im Anderen konzentriert, macht wahre Freundschaft aus. Sie basiert nicht auf Nutzen oder Vergnügen, dennoch ist sie auf die richtige Weise nützlich und angenehm. Sie beruht auf Tugendhaftigkeit und auf selbstloser Rücksichtnahme gegenüber dem Freund. Aristoteles behauptet, dass diese Art der Freundschaft Bestand hat, im Gegensatz zu Freundschaften anderer Arten, bei denen die Beziehung endet, wenn der Freund nicht mehr nützlich oder angenehm ist. Auf Tugendhaftigkeit basierende Freundschaft hat Bestand, denn auch wahre Güte hat Bestand. Und Beständigkeit ist eine gute Sache, auf der Straße wie auch in unseren engsten Beziehungen. Aristoteles sagt uns, dass wahre Freundschaft vieles erfordert, »Vertrauen und stete Enthaltung von Kränkungen«6 miteingeschlossen. Die Freunde müssen gut zueinander sein und sich gegenseitig tiefes Vertrauen schenken. Wahre Freundschaft braucht Zeit, Vertrautheit, gegenseitiges Wohlwollen und gegenseitige Opferbereitschaft. Jeder Freund trägt echte Sorge um das Wohlbefinden des anderen und schätzt den anderen aufgrund seines Charakters. Jeder unterstützt den anderen darin, ein gutes Leben zu führen, ein tugendhaftes und glückliches Leben. Da wir oft zu Selbstbetrug neigen, oder zumindest dazu, den eigenen Charakter falsch einzuschätzen, brauchen wir gute Freunde, die uns helfen, uns so zu sehen, wie wir wirklich sind – und uns dann auch darin unterstützen, tugendhaft und glücklich zu werden.

Freundschaften unter Läufern: Bessere Laufzeiten und ein besseres Leben

Lauffreundschaften sind ein gutes Mittel, um die persönliche Bestzeit für eine bestimmte Strecke zu verbessern, die Qualität des Trainings zu steigern und mehr Freude ins Laufen zu bringen. Es verbinden sich darin beide Arten von Freundschaften – jene, die auf Nutzen und jene, die auf Vergnügen basieren. Laufbücher und -zeitschriften raten deshalb oft dazu, Gruppenläufe und Läufe mit Freunden in den Trainingsplan einzubauen. Ein weiterer Grund dafür ist aber eben auch, dass Laufen eine geeignete Grundlage für die Entwicklung wahrer Freundschaft bereitet.