Die Propeller-Insel - Jules Verne - E-Book

Die Propeller-Insel E-Book

Jules Verne.

0,0

Beschreibung

Mit 79 Zeichnungen Verne entführt uns auf eine wahnwitzige Reise in die Südsee auf der schwimmenden Insel für Milliardäre, auf der es alles gibt: Städte mit elektrifizierten Straßen, Wälder und Flüsse. Die Insel ist so groß, dass sie von den Helden dieser Geschichte, den vier Mitgliedern eines Musikerensembles, zu Begin fälschlicherweise für Festland gehalten wird. Die Musiker heuern nur zu gerne an, um den reichen Müßiggängern die Zeit bei ihrer Fahrt über die Weltmeere zu zerstreuen. Aber die Ruhe ist trügerisch. Denn die Insel ist politisch geteilt, zwischen zwei Familien, die in einem erbitterten Zwist miteinander liegen, was Grundlage für manches durch Missverständnisse ausgelöste Abenteuer ist. Als sich schließlich auch noch die vermeintlich aus Seenot geretteten Männer um den zwielichtigen Kapitän Sarol als kapernde Piraten entpuppen, müssen sich die Feinde zusammenschließen, um das drohende Schicksal der Insel abzuwenden. Eine der visionärsten Arbeiten Vernes: Hier finden sich die ersten Smart-Watches, Fax-Geräte und sogar Videotelefone, ganz zu schweigen vom Hauptmotiv des Romans: dem Herumschippern von Luxustouristen auf autarken und mit allen Annehmlichkeiten ausgestatteten Riesenschiffen, Pardon, -inseln. Die Orthografie wurde der heutigen Schreibweise behutsam angeglichen. Null Papier Verlag

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 562

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Jules Verne

Die Propeller-Insel

Vollständige Übersetzung beider Bände

Jules Verne

Die Propeller-Insel

Vollständige Übersetzung beider Bände

(L’Île à hélice)Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2020Übersetzung: Unbekannt, Jürgen SchulzeIllustrationen: Léon Benett 1. Auflage, ISBN 978-3-962817-84-8

null-papier.de/697

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Ju­les Ver­ne – Le­ben und Werk

Band 1

Ers­tes Ka­pi­tel – Das Quar­tett

Zwei­tes Ka­pi­tel – Die Wir­kung ei­ner ka­ko­pho­ni­schen So­na­te

Drit­tes Ka­pi­tel – Ein red­se­li­ger Ci­ce­ro­ne

Vier­tes Ka­pi­tel – Das ver­blüff­te Kon­zert-Quar­tett

Fünf­tes Ka­pi­tel – Stan­dard Is­land und Mil­li­ard City

Sechs­tes Ka­pi­tel – Ein­ge­la­de­ne … In­vi­ti

Sieb­tes Ka­pi­tel – Hin­aus nach Wes­ten

Ach­tes Ka­pi­tel – Un­ter­wegs

Neun­tes Ka­pi­tel – Die Grup­pe der Sand­wich-In­seln

Zehn­tes Ka­pi­tel – Die Pas­sa­ge der Li­nie

Elf­tes Ka­pi­tel – Die Mar­qui­sen-In­seln

Zwölf­tes Ka­pi­tel – Drei Wo­chen auf Po­mo­tou

Drei­zehn­tes Ka­pi­tel – Auf Ta­hi­ti

Vier­zehn­tes Ka­pi­tel – Von ei­nem Fest zum an­de­ren

Band 2

Ers­tes Ka­pi­tel – Auf den Cooks In­seln

Zwei­tes Ka­pi­tel – Von In­sel zu In­sel

Drit­tes Ka­pi­tel – Ein Hof­kon­zert

Vier­tes Ka­pi­tel – Ein bri­ti­sches Ul­ti­ma­tum

Fünf­tes Ka­pi­tel – Das Tabu von Ton­ga-Tabu

Sechs­tes Ka­pi­tel – Eine Samm­lung von Raub­tie­ren

Sieb­tes Ka­pi­tel – Treib­jag­den

Ach­tes Ka­pi­tel – Fid­schi und sei­ne Be­woh­ner

Neun­tes Ka­pi­tel – Ein Ca­sus Bel­li

Zehn­tes Ka­pi­tel – Wech­sel der Be­sit­zer

Elf­tes Ka­pi­tel – An­griff und Ab­wehr

Zwölf­tes Ka­pi­tel – Steu­er­bord ge­gen Back­bord

Drei­zehn­tes Ka­pi­tel – Ein Schlag­wort Pin­chi­nats

Vier­zehn­tes Ka­pi­tel – Der schließ­li­che Aus­gang

Ein Nach­wort

Dan­ke

Dan­ke, dass Sie die­ses E-Book aus mei­nem Ver­lag er­wor­ben ha­ben.

Ju­les Ver­ne ge­hört zu den Au­to­ren, die je­der schon ein­mal ge­le­sen hat. Eine Be­haup­tung, die man nicht über vie­le Schrift­stel­ler auf­stel­len kann. Die Ge­schich­ten von Ver­ne sind un­ter­hal­tend, lehr­reich und im­mer sehr at­mo­sphä­risch.

In un­re­gel­mä­ßi­ger Fol­ge wird mein Ver­lag die Wer­ke von Ver­ne ver­öf­fent­li­chen – die be­kann­ten wie die un­be­kann­ten. Im­mer in der über­ar­bei­te­ten Er­st­über­set­zung, um den (sprach­li­chen) Ch­ar­me der Zeit bei­zu­be­hal­ten.

Kor­ri­giert und kom­men­tiert wer­den Orts- und Per­so­nen­na­men oder of­fen­sicht­lich falsche An­ga­ben. Sie fin­den die Er­läu­te­run­gen in Fuß­no­ten.

Ich habe es mir auch nicht neh­men las­sen, die ur­sprüng­li­chen Na­men zu ver­wen­den: Aus dem Jo­hann wird so wie­der der ur­sprüng­li­che Jean, aus Lud­wig wie­der Louis und aus Ma­ri­an­ne wie­der Ma­rie. Ich den­ke, das tut den Ge­schich­ten nur gut.

Soll­ten Sie Hil­fe be­nö­ti­gen oder eine Fra­ge ha­ben, schrei­ben Sie mir.

Ihr Jür­gen Schul­ze

Ju­les Ver­ne bei Null Pa­pier

Rei­se um die Erde in 80 Ta­gen

Mi­cha­el Strogoff - Der Ku­ri­er des Za­ren

Zwan­zig­tau­send Mei­len un­ter dem Meer

Eine Idee des Dok­tor Ox

Eine Über­win­te­rung im Eis

Schwarz-In­di­en – Oder: Die Stadt un­ter der Erde

Fünf Wo­chen im Bal­lon

Ro­bur der Ero­be­rer

Der Herr der Welt

Von der Erde zum Mond

Rei­se um den Mond

Die fünf­hun­dert Mil­lio­nen der Be­gum

Der Süd­stern

Das Kar­pa­ten­schloss

Die Aben­teu­er des Ka­pi­tän Hat­teras

Der Archi­pel in Flam­men

Rei­se zum Mit­tel­punkt der Erde

Die Pro­pel­ler-In­sel

Ju­les Ver­ne – Le­ben und Werk

Bei­na­he wäre Klein-Ju­les als Schiffs­jun­ge nach In­di­en ge­fah­ren, hät­te eine Lauf­bahn als See­mann ein­ge­schla­gen und spä­ter un­ter­halt­sa­mes See­manns­garn ge­spon­nen, das ver­mut­lich nie die Drucker­pres­se er­reicht hät­te.

Ju­les Ver­ne

Ver­liebt in die aben­teu­er­li­che Li­te­ra­tur

Glück­li­cher­wei­se für uns Le­ser hin­dert man ihn dar­an: Der Elf­jäh­ri­ge wird von Bord ge­holt und ver­lebt wei­ter­hin eine be­hü­te­te Kind­heit vor bür­ger­li­chem Hin­ter­grund. Ge­bo­ren am 8. Fe­bru­ar 1828 in Nan­tes, wächst Ju­les-Ga­bri­el Ver­ne in gut si­tu­ier­ten Ver­hält­nis­sen auf. Als äl­tes­ter von fünf Spröss­lin­gen soll er die vä­ter­li­che An­walt­spra­xis über­neh­men, wes­halb er ab 1846 in Pa­ris Jura stu­diert.

Viel span­nen­der fin­det er schon zu die­ser Zeit al­ler­dings die Li­te­ra­tur. Ver­ne freun­det sich so­wohl mit Alex­and­re Du­mas als auch mit sei­nem gleich­na­mi­gen Sohn an. Ge­mein­sam mit Va­ter Du­mas ver­fasst er Opern­li­bret­ti und ers­te dra­ma­ti­sche Wer­ke. Nach dem Ab­schluss sei­nes Stu­di­ums be­schließt er, nicht nach Nan­tes zu­rück­zu­keh­ren, son­dern sich völ­lig der Dra­ma­tik zu wid­men.

Zwar schreibt er nicht ganz er­folg­los – drei sei­ner Er­zäh­lun­gen er­schei­nen in ei­ner li­te­ra­ri­schen Zeit­schrift. Doch zum Le­ben reicht es nicht, wes­halb der jun­ge Au­tor 1852 den Pos­ten ei­nes In­ten­danz-Se­kre­tärs am Théâtre ly­ri­que an­nimmt. Im­mer­hin wird die­se Ar­beit zu­ver­läs­sig ver­gü­tet und Ver­ne darf sich als Dra­ma­ti­ker be­tä­ti­gen. In sei­ner Frei­zeit ver­fasst er wei­ter­hin Er­zäh­lun­gen, wo­bei ihn aben­teu­er­li­che Rei­sen am meis­ten in­ter­es­sie­ren.

Als er 1857 eine Wit­we hei­ra­tet, die zwei Töch­ter in die Ehe mit­bringt, muss sich der Li­te­rat nach ei­ner bes­ser be­zahl­ten Ein­kom­mens­quel­le um­se­hen. Wäh­rend der nächs­ten zwei Jah­re schlägt er sich als Bör­sen­mak­ler durch, wo­bei er ge­nug Zeit fin­det, län­ge­re Schiffs­rei­sen zu un­ter­neh­men, be­vor 1861 sein Sohn Mi­chel ge­bo­ren wird.

Ver­liebt ins li­te­ra­ri­sche Aben­teu­er

Letzt­lich ist es ei­ner be­son­de­ren Be­geg­nung im Jahr 1862 ge­schul­det, dass al­les, was der Au­tor bis­her »geis­tig an­ge­sam­melt« hat, in sei­nen künf­ti­gen Ro­ma­nen kul­mi­nie­ren darf: Der Ju­gend­buch-Ver­le­ger Pier­re-Ju­les Het­zel ver­öf­fent­licht Ver­nes uto­pi­schen Rei­se­ro­man »Fünf Wo­chen im Bal­lon«. Die­ses von ihm oh­ne­hin be­vor­zug­te Su­jet wird den Schrift­stel­ler nie wie­der los­las­sen – die aben­teu­er­li­chen Rei­sen, auf wel­cher Rou­te auch im­mer sie ab­sol­viert wer­den. Het­zel ver­legt Ver­nes noch heu­te be­lieb­tes­te Schrif­ten: 1864 »Rei­se zum Mit­tel­punkt der Erde«, im fol­gen­den Jahr »Von der Erde zum Mond«, 1869 »Rei­se um den Mond« und »Zwan­zig­tau­send Mei­len un­ter dem Meer«. Mit »Rei­se um die Erde in 80 Ta­gen« er­scheint 1872 Ju­les Ver­nes er­folg­reichs­ter Ro­man über­haupt.

Die Zu­sam­men­ar­beit mit Het­zel, der gleich­zei­tig als sein Men­tor fun­giert, sorgt in den spä­ten 1860er Jah­ren da­für, dass der höchst pro­duk­ti­ve Schrift­stel­ler sei­ner Fa­mi­lie ei­ni­gen Wohl­stand bie­ten und sich selbst »ju­gend­traum­haf­te« Rei­se­wün­sche er­fül­len kann. Sein Ver­le­ger stellt ihn nam­haf­ten Wis­sen­schaft­lern vor – in Kom­bi­na­ti­on mit den er­wähn­ten Rei­sen ent­steht auf die­se Wei­se ein un­ge­heu­rer Fun­dus der In­spi­ra­ti­on: Ju­les Ver­nes Zet­tel­kas­ten ent­hält an­geb­lich 25.000 No­ti­zen!

Zwar ist er seit »Rei­se um den Mond« glei­cher­ma­ßen wohl­ha­bend und ge­ach­tet; er en­ga­giert sich seit den spä­ten 1880er Jah­ren so­gar als Stadt­rat in Amiens, wo­hin er 1871 mit sei­ner Fa­mi­lie über­ge­sie­delt war. Der »Rit­ter­schlag« aber bleibt aus: In der Aca­dé­mie françai­se möch­te man den Ju­gend­buch­au­tor nicht ha­ben, er gilt als nicht se­ri­ös ge­nug.

Den Ze­nit sei­nes Schaf­fens hat der Li­te­rat be­reits über­schrit­ten, als er 1888 blei­ben­de Ver­let­zun­gen durch den Schuss­waf­fen-An­griff ei­nes geis­tes­ge­stör­ten Ver­wand­ten da­von­trägt. Den­noch ar­bei­tet der Au­tor un­un­ter­bro­chen wei­ter. Als Ju­les Ver­ne im März 1905 stirbt, hin­ter­lässt er ein ge­wal­ti­ges Ge­samt­werk: 54 zu Leb­zei­ten er­schie­ne­ne Ro­ma­ne, wei­te­re elf Ma­nu­skrip­te be­ar­bei­tet sein Sohn Mi­chel nach dem Tod des Va­ters. Er­gänzt wird Ver­nes Œu­vre durch Er­zäh­lun­gen, Büh­nen­stücke und geo­gra­fi­sche Ver­öf­fent­li­chun­gen.

Ge­liebt und miss­ach­tet

Je­nes zwie­späl­ti­ge Ver­hält­nis, das sich be­reits in der Ab­leh­nung der Aka­de­mie­mit­glie­der äu­ßert, kenn­zeich­net die aka­de­mi­sche Re­zep­ti­on bis heu­te: Ju­les Ver­ne ist eben »nur ein Ju­gend­buch­au­tor«. We­ni­ger be­fan­ge­ne Re­zi­pi­en­ten frei­lich schrei­ben ihm eine ganz an­de­re Be­deu­tung zu, die dem Vi­sio­när und lei­den­schaft­li­chen Er­zäh­ler bes­ser ge­recht wird.

Wenn­gleich der al­tern­de Li­te­rat zum Ende sei­nes Schaf­fens durch­aus nicht mehr in gläu­bi­ger Tech­nik­be­geis­te­rung auf­geht, blei­ben uns doch ge­nau jene Wer­ke in lie­be­vol­ler Erin­ne­rung, in de­nen tech­ni­sche und mensch­li­che Groß­ta­ten die Hand­lung be­stim­men: »Rei­se um die Erde in 80 Ta­gen« oder »Zwan­zig­tau­send Mei­len un­ter dem Meer« bei­spiels­wei­se. Wer als Kind von Nemo und sei­ner Nau­ti­lus liest, wird un­wei­ger­lich ge­fan­gen von die­sem tech­ni­schen Wun­der­werk und des­sen Ka­pi­tän. Ver­nes Ro­ma­ne ge­hö­ren zu je­nen Ju­gend­bü­chern, die man als Er­wach­se­ner ger­ne noch­mals zur Hand nimmt – und man staunt er­neut, er­in­nert sich, lässt sich wie­der­um ein­fan­gen und fragt sich, warum man ei­gent­lich so sel­ten Ver­ne liest…

So wie der Au­tor sich selbst durch Rei­sen und Wis­sen­schaft in­spi­rie­ren lässt, die­nen sei­ne Wer­ke seit je­her der In­spi­ra­ti­on sei­ner Le­ser­schaft. Wie prä­sent die­ser ex­zel­len­te Un­ter­hal­ter in den Köp­fen sei­ner Le­ser bleibt, be­le­gen Be­nen­nun­gen in See- und Raum­fahrt: Das ers­te Atom-U-Boot der Ge­schich­te ist die ame­ri­ka­ni­sche USS Nau­ti­lus. Ein Raum­trans­por­ter der Eu­ro­päi­schen Raum­fahr­t­agen­tur heißt »Ju­les Ver­ne«, ein As­te­ro­id und ein Mond­kra­ter tra­gen eben­falls den Na­men des Schrift­stel­lers. Die »Ju­les Ver­ne Tro­phy« wird seit 1990 für die schnells­te Wel­t­um­se­ge­lung ver­lie­hen, was dem be­geis­ter­ten Jacht­be­sit­zer Ver­ne ge­wiss ge­fal­len hät­te.

Der kom­mer­zi­el­le Li­te­ra­tur­be­trieb so­wie die Film­wirt­schaft be­trach­ten den fran­zö­si­schen Va­ter der Science-Fic­ti­on-Li­te­ra­tur eben­falls mit Wohl­wol­len: Un­zäh­li­ge Neu­auf­la­gen der Ro­man­klas­si­ker, Hör­bü­cher und Ver­fil­mun­gen der ra­san­ten, stets mit­rei­ßen­den Hand­lun­gen spre­chen Bän­de. Mitt­ler­wei­le gel­ten die äl­tes­ten Ver­fil­mun­gen selbst als kul­tu­rel­le Mei­len­stei­ne, die kei­nes­wegs nur ein jun­ges Pub­li­kum er­freu­en.

Ju­les Ver­nes Be­deu­tung für die Li­te­ra­tur

Der Ein­fluss Ver­nes auf nach­fol­gen­de Science-Fic­ti­on-Au­to­ren ist gar nicht hoch ge­nug ein­zu­schät­zen: Aus heu­ti­ger Sicht ist er ei­ner der Vor­rei­ter der uto­pi­schen Li­te­ra­tur Eu­ro­pas, der noch vor H. G. Wells (»Krieg der Wel­ten«) und Kurd Laß­witz (»Auf zwei Pla­ne­ten«) das neue Gen­re be­grün­det. Sein­er­zeit gibt es die­sen Be­griff noch nicht, wes­halb Het­zel die Ro­ma­ne sei­nes Er­folgs­schrift­stel­lers als »Au­ßer­ge­wöhn­li­che Rei­sen« ver­mark­tet

Der Fran­zo­se sieht, an­ders als Wells und ähn­lich wie Laß­witz, im tech­ni­schen Fort­schritt das künf­ti­ge Wohl der Mensch­heit be­grün­det. Trotz­dem ist Ju­les Ver­ne vor al­lem Er­zäh­ler: Er will we­der war­nen wie Wells noch be­leh­ren wie Laß­witz, son­dern in ers­ter Li­nie un­ter­hal­ten. Im Ver­gleich zum sprö­den Rea­lis­mus ei­nes Wells wir­ken sei­ne Ro­ma­ne für mo­der­ne Le­ser aus­ufernd, viel­leicht so­gar ge­schwät­zig. Den­noch sind sie leich­ter zu­gäng­lich als das sti­lis­tisch ähn­li­che Schaf­fen des Deut­schen Laß­witz, weil sie Uto­pie und Tech­nik­be­geis­te­rung nicht zum Zweck ih­res In­halts ma­chen, son­dern le­dig­lich zu des­sen Trä­ger: Schließ­lich ist es ein­fach auf­re­gend, in ei­nem Bal­lon eine Welt­rei­se an­zu­tre­ten oder Ka­pi­tän Nemo in sein ge­hei­mes Reich zu fol­gen.

Band 1

Erstes Kapitel – Das Quartett

Wenn eine Rei­se schlecht an­fängt, nimmt sie ge­wöhn­lich auch kein gu­tes Ende. Die­sen Glau­bens­satz hät­ten we­nigs­tens die vier Mu­si­ker un­ter­schrei­ben kön­nen, de­ren In­stru­men­te hier auf der Erde um­her­la­gen. Die Kut­sche, worin sie an der letz­ten Ei­sen­bahn­sta­ti­on hat­ten Platz neh­men müs­sen, war näm­lich so­eben ge­gen die Bö­schung des We­ges hier plötz­lich um­ge­stürzt.

»Es ist doch kei­ner ver­wun­det?« frag­te der ers­te, der sich schon, wenn auch müh­sam, wie­der auf­ge­rich­tet hat­te.

»Ich bin mit ei­nem Ritz in der Haut da­von­ge­kom­men«, ant­wor­te­te der zwei­te, in­dem er sich die durch eine ge­sprun­ge­ne Kut­schen­schei­be ver­letz­te Wan­ge ab­wisch­te.

»Und ich mit ei­ner Haut­ab­schür­fung!« er­wi­der­te der drit­te, von des­sen Wade ein Tröpf­chen Blut her­vor­quoll.

Nie­mand hat­te also ernst­lich Scha­den ge­nom­men.

»Doch mein Vio­lon­cell!« rief der vier­te. »Wenn nur mit mei­nem Vio­lon­cell nichts pas­siert ist.«

Zum Glück er­wei­sen sich die In­stru­men­ten­käs­ten alle un­ver­sehrt. We­der das Vio­lon­cell, noch die Brat­sche oder die bei­den Vio­li­nen hat­ten von dem Sto­ße ge­lit­ten, ja, es war so­gar kaum nö­tig, sie neu zu stim­men. Eine vor­treff­li­che Sor­te In­stru­men­te, nicht wahr?

»Ver­wünsch­te Ei­sen­bahn, die uns auf hal­b­em Wege sit­zen­lässt!« be­ginnt der eine wie­der.

»Ver­wünsch­te Kut­sche, die mit uns mit­ten in der Wild­nis um­wirft!« setzt der zwei­te hin­zu.

»Und ge­ra­de zur­zeit, wo es an­fängt, dun­kel zu wer­den!« jam­mer­te der drit­te.

»Zum Glück ist un­ser Kon­zert erst für über­mor­gen an­ge­zeigt!« be­merkt der vier­te.

Dann fol­gen ei­ni­ge drol­li­ge Wech­sel­re­den zwi­schen den Künst­lern, die ihr Miss­ge­schick von der lus­ti­gen Sei­te auf­ge­nom­men ha­ben. Der eine ent­lehnt sei­ne Kalau­er nach ein­ge­wur­zel­ter Ge­wohn­heit der mu­sik­tech­ni­schen Spra­che und sagt:

»Na, da wäre ja un­se­re Kut­sche glück­lich ›auf den Rücken ge­legt!‹«1

»Au, Pin­chi­nat!« ruft ei­ner sei­ner Ge­fähr­ten.

»Und ich mei­ne«, fährt Pin­chi­nat fort, »wir ha­ben um­ge­wor­fen, weil wir die Vor­zeich­nung (Schlüs­sel) der Stra­ße un­be­ach­tet lie­ßen.«

»Wirst du schwei­gen ler­nen?«

»Und wir wer­den gut tun, un­se­re Stücke in eine an­de­re Kut­sche zu trans­po­nie­ren!« wagt Pin­chi­nat noch hin­zu­zu­set­zen.

Ja, es han­del­te sich um einen tüch­ti­gen Un­fall und Um­fall, wie der Le­ser so­fort er­ken­nen wird.

Die an­ge­führ­ten Wor­te wur­den fran­zö­sisch ge­spro­chen; es hät­te dies aber auch eng­lisch er­fol­gen kön­nen, denn das Quar­tett be­herrsch­te die Spra­che Wal­ter Scotts und Coo­pers – dank viel­fa­cher Kun­st­rei­sen in Län­dern an­gel­säch­si­schen Ur­sprungs – eben­so wie die ei­ge­ne Mut­ter­spra­che. So ver­han­deln sie denn auch nur auf eng­lisch mit dem Füh­rer der Kut­sche.

Die­ser bra­ve Mann hat am schlimms­ten zu lei­den, da er, als die Vor­der­ach­se des Wa­gens brach, von sei­nem er­höh­ten Sitz her­un­ter­ge­schleu­dert wur­de. Zum Glück be­schränk­te sich das auf ver­schie­de­ne mehr schmerz­haf­te als erns­te Kon­tu­sio­nen.2 Im­mer­hin kann er in­fol­ge ei­ner Ver­stau­chung nicht auf­tre­ten und also nicht ge­hen, und dar­aus er­gibt sich die Not­wen­dig­keit, ein Hilfs­mit­tel zu fin­den, um den Mann we­nigs­tens bis ins nächs­te Dorf zu schaf­fen.

Es ist wirk­lich ein Wun­der zu nen­nen, dass bei dem Un­fall nie­mand das Le­ben ein­ge­büßt hat. Der Weg schlän­gelt sich näm­lich durch eine sehr ber­gi­ge Ge­gend, streift da und dort an schrof­fe Ab­grün­de oder wird von rau­schen­den Bergströ­men be­glei­tet und häu­fig durch kaum zu pas­sie­ren­de Fur­ten un­ter­bro­chen. Wäre der Bruch am Vor­der­teil des Wa­gens nur eine kur­ze Stre­cke wei­ter oben er­folgt, so wäre das Ge­fährt ohne Zwei­fel über das Fel­sen­ge­röll des Ab­hangs hin­un­ter­ge­stürzt und viel­leicht wäre bei die­ser Ka­ta­stro­phe kei­ner mit dem Le­ben da­von­ge­kom­men.

Je­den­falls war die Kut­sche jetzt aber nicht wei­ter zu be­nut­zen. Dazu liegt ei­nes der bei­den Pfer­de, das sich mit dem Kop­fe an einen spit­zen Stein ge­sto­ßen hat, rö­chelnd am Bo­den. Das an­de­re ist an der Han­ke ziem­lich schwer ver­letzt. Da fehl­te es nun an ei­nem Wa­gen eben­so wie an ei­nem Ge­spann da­für.

Die vier Künst­ler wa­ren auf dem Bo­den Nie­der-Ka­li­for­ni­ens über­haupt von ei­nem sel­te­nen Pech ver­folgt wor­den und hat­ten bin­nen vier­und­zwan­zig Stun­den nun zwei Un­fäl­le er­lit­ten. Wenn man da aber nicht ge­ra­de Phi­lo­soph ist …

Zu je­ner Zeit stand San Fran­zis­ko, die Haupt­stadt des Staa­tes, schon durch einen Schie­nen­strang in un­mit­tel­ba­rer Ver­bin­dung mit San Die­go, das fast an der Gren­ze der al­ten Pro­vinz Ka­li­for­ni­en liegt. Nach die­ser be­deu­ten­den Stadt be­ga­ben sich die vier Künst­ler, die dort am über­nächs­ten Tage ein viel­fach an­ge­zeig­tes und mit Span­nung er­war­te­tes Kon­zert ge­ben soll­ten. Am Tage vor­her von San Fran­zis­ko ab­ge­fah­ren, be­fand sich der Zug kaum noch fünf­zig (ame­ri­ka­ni­sche) Mei­len von San Die­go, als sich zu­erst ein »aus dem Tem­po kom­men« er­eig­ne­te.

Ja­wohl, ein aus dem Tem­po kom­men, wie der Lus­tigs­te der klei­nen Ge­sell­schaft sag­te, und die­sen Aus­druck wird man ei­nem al­ten Schü­ler des No­ten-ABC schon freund­lich nach­se­hen.

An der Sta­ti­on Pa­schal hat­te es einen un­frei­wil­li­gen Auf­ent­halt näm­lich des­halb ge­ge­ben, weil der Bahn­damm durch ein plötz­li­ches Hoch­was­ser auf eine Stre­cke von drei bis vier Mei­len zer­stört wor­den war. Erst zwei Mei­len wei­ter hin konn­te man die Ei­sen­bahn wie­der be­stei­gen, und eine Über­füh­rung der Rei­sen­den war auch noch nicht ein­ge­rich­tet, weil sich der Un­fall erst vor we­ni­gen Stun­den er­eig­net hat­te.

Nun gab es nur eine Wahl: ent­we­der zu war­ten, bis die Bahn wie­der fahr­bar war, oder in der nächs­ten Ort­schaft einen Wa­gen bis San Die­go zu mie­ten.

Das Quar­tett hat­te den zwei­ten Aus­weg ge­wählt. In ei­nem be­nach­bar­ten Dor­fe ent­deck­ten sie glück­lich eine Art al­ten Lan­dau­ers mit ras­seln­dem Ei­sen­werk, des­sen In­ne­res von Mot­ten zer­fres­sen und al­les an­de­re als ein­la­dend war. Mit dem Be­sit­zer um den Fahr­preis ei­nig ge­wor­den, hat­ten sie den Kut­scher noch durch das Ver­spre­chen ei­nes reich­li­chen Trink­gel­des be­sto­chen und wa­ren nur mit den In­stru­men­ten, ohne das üb­ri­ge Rei­se­ge­päck, wohl­ge­mut da­von­ge­rollt. Das war ge­gen zwei Uhr nach­mit­tags, und bis sie­ben Uhr ging die Fahrt auch ohne große Schwie­rig­keit und An­stren­gung von­stat­ten. Dann soll­ten sie aber zum zwei­ten Male »aus dem Tem­po kom­men«, in­dem die alte Kut­sche um­stürz­te, und zwar so un­glück­lich, dass sich eine Weiter­be­nüt­zung der­sel­ben ganz von selbst ver­bot.

Jetzt be­fand sich das Quar­tett noch reich­lich zwan­zig Mei­len von San Die­go ent­fernt.

Ja, warum hat­ten sich denn die vier Mu­si­ker – von Na­ti­on Fran­zo­sen und, was noch mehr sa­gen will, von Ge­burt Pa­ri­ser – in die­se un­wirt­li­chen Ge­bie­te Nie­der-Ka­li­for­ni­ens ver­irrt?

Wa­rum?… Das wer­den wir so­fort kurz mit­tei­len und wer­den da­bei mit ei­ni­gen Zü­gen die vier Vir­tuo­sen ab­ma­len, die der Zu­fall, der fan­tas­ti­sche Rol­len­ver­tei­ler, den Per­sön­lich­kei­ten der nach­fol­gen­den merk­wür­di­gen Ge­schich­te zu­ge­sel­len soll­te.

Im Lau­fe des be­tref­fen­den Jah­res – wir kön­nen es nur auf etwa drei­ßig Jah­re ge­nau be­stim­men – hat­ten die Ve­rei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka die Zahl der Ster­ne in ih­rer Bun­des­flag­ge ver­dop­pelt. Sie ste­hen in der vol­len Ent­fal­tung ih­rer in­dus­tri­el­len und kom­mer­zi­el­len Macht, nach­dem sie das Do­mi­ni­um von Ka­na­da bis zur äu­ßers­ten Gren­ze am Po­lar­mee­re, doch auch die Ge­bie­te von Me­xi­ko, Gua­te­ma­la, Hon­du­ras, Ni­ca­ra­gua und Co­s­ta­ri­ca bis zum Pa­na­ma­ka­na­le ih­rem Bun­des­staa­te ein­ver­leibt hat­ten. Gleich­zei­tig hat­te sich bei den län­der­rau­ben­den Yan­kees die Nei­gung für die Kunst ent­wi­ckelt, und wenn auch ihr ei­ge­nes Schaf­fen im Ge­bie­te des Schö­nen noch recht be­schränkt blieb, wenn der Na­tio­nal­geist sich ge­gen die Ma­le­rei, die Bild­hau­er­kunst und die Mu­sik noch et­was wi­der­stre­bend er­wies, so hat­te sich der Ge­schmack an den Wer­ken der schö­nen Küns­te bei ih­nen doch all­ge­mein ver­brei­tet. Da­durch, dass sie die Ge­mäl­de al­ter und neu­er Meis­ter mit Gold auf­wo­gen, um pri­va­te oder öf­fent­li­che Samm­lun­gen zu fül­len, und dass sie be­rühm­te ly­ri­sche oder dra­ma­ti­sche Künst­ler, eben­so wie die bes­ten In­stru­men­ta­lis­ten oft für un­er­hör­te Prei­se her­an­zo­gen, hat­ten sie sich end­lich den ih­nen so lan­ge man­geln­den Sinn für schö­ne und edle Din­ge all­mäh­lich ein­ge­impft.

Was die Mu­sik be­trifft, be­geis­ter­ten sich die Di­let­tan­ten der Neu­en Welt an­fäng­lich an den Wer­ken ei­nes Meyer­beer, Halévy, Gou­nod, Ber­lioz, Wa­gner, Ver­di, Massé, Saint-Saëns, Rey­er, Mas­se­net und De­li­bes, der be­rühm­ten Ton­set­zer der zwei­ten Hälf­te des neun­zehn­ten Jahr­hun­derts. Dann ge­lang­ten sie nach und nach zum Ver­ständ­nis der tief­sin­ni­ge­ren Ar­bei­ten ei­nes Mo­zart, Beetho­ven und Haydn und streb­ten den Quel­len je­ner höchs­ten Kunst ent­ge­gen, die im Lau­fe des acht­zehn­ten Jahr­hun­derts so reich­lich flos­sen. Da folg­ten den Opern die ly­ri­schen Dra­men, den ly­ri­schen Dra­men die Sym­pho­ni­en, So­na­ten und die Or­che­s­ter­sui­ten. Zur­zeit, von der wir spre­chen, mach­ten ge­ra­de die So­na­ten in den ver­schie­de­nen Staa­ten der Uni­on ge­wal­ti­ges Auf­se­hen. Man be­zahl­te sie wil­lig Note für Note, die hal­be mit zwan­zig, die vier­tel mit zehn, die ach­tel Note mit fünf Dol­lar.

Von die­ser Mo­de­toll­heit un­ter­rich­tet, un­ter­nah­men es vier hoch­an­ge­se­he­ne In­stru­men­ta­lis­ten, sich in den Ve­rei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka Ruhm und Schät­ze zu er­rin­gen. Es wa­ren vier gute Ka­me­ra­den, frü­he­re Schü­ler des Pa­ri­ser Kon­ser­va­to­ri­ums, und in der fran­zö­si­schen Haupt­stadt sehr be­kann­te Leu­te, die vor­züg­lich von den Lieb­ha­bern der in Ame­ri­ka noch we­nig ver­brei­te­ten so­ge­nann­ten »Kam­mer­mu­sik« be­son­ders ge­schätzt wur­den. Mit welch sel­te­ner Vollen­dung, welch herr­li­chem Zu­sam­men­spiel und tie­fem Ver­ständ­nis brach­ten sie aber auch die Wer­ke ei­nes Mo­zart, Beetho­ven, Men­dels­sohn, Haydn und Cho­pin zu Ge­hör, die­se un­s­terb­li­chen Kom­po­si­tio­nen, die für vier Streich­in­stru­men­te, eine ers­te und eine zwei­te Gei­ge, eine Brat­sche und ein Vio­lon­cell ge­schrie­ben sind! Da gab es kei­nen Lärm, nichts Ge­schäfts­mä­ßi­ges, wohl aber eine ta­del­lo­se Aus­füh­rung, eine un­ver­gleich­li­che Vir­tuo­si­tät! Die Er­fol­ge des Quar­tetts er­schei­nen umso be­greif­li­cher, als man zu je­ner Zeit ge­ra­de an­fing, der un­ge­heu­ern har­mo­ni­schen und sym­pho­ni­schen Or­che­s­ter müde zu wer­den. Ist die Mu­sik auch im­mer eine aus kunst­voll kom­bi­nier­ten so­no­ren Wel­len er­zeug­te See­le­n­er­schüt­te­rung, so braucht man die­se Wel­len doch nicht zu be­täu­ben­den Sturm­flu­ten zu ent­fes­seln.

Kurz un­se­re vier Mu­si­ker be­schlos­sen, die Ame­ri­ka­ner in die sanf­ten und un­aus­sprech­li­chen Genüs­se der Kam­mer­mu­sik ein­zu­füh­ren. Sie reis­ten zu­sam­men nach der Neu­en Welt, und seit zwei Jah­ren spar­ten ih­nen ge­gen­über die Yan­kee-Di­let­tan­ten auch in kei­ner Wei­se, we­der mit Hur­ras, noch mit eben­so er­he­bend klin­gen­den Dol­lar. Ihre mu­si­ka­li­schen Ma­tinéen oder Soiréen wa­ren au­ßer­or­dent­lich be­gehrt. Das »Kon­zert-Quar­tett« – so lau­te­te die üb­li­che Be­zeich­nung – war kaum im­stan­de, den Ein­la­dun­gen der rei­chen Leu­te nach­zu­kom­men. Ohne je­nes gab es kein Fest, kei­ne Réu­ni­on, kei­nen Raout, kei­nen Five o’Clock Tea, ja kei­ne Gar­den­par­ties, die der öf­fent­li­chen Auf­merk­sam­keit emp­foh­len zu wer­den ver­dient hät­ten. Bei die­ser all­ge­mei­nen Be­geis­te­rung hat­te ge­nann­tes Quar­tett schon ganz ge­wal­ti­ge Sum­men ein­ge­heimst, die, wenn sie sich in den Pan­zer­schrän­ken der Bank von New York auf­ge­sam­melt hät­ten, schon ein recht hüb­sches Ka­pi­tal dar­ge­stellt ha­ben wür­den. Doch, warum soll­ten wir es ver­heim­li­chen? … Un­se­re ame­ri­ka­ni­schen Pa­ri­ser streu­ten das Geld auch mit vol­len Hän­den wie­der aus. Die Fürs­ten des Bo­gens, die Kö­ni­ge von vier Sai­ten, dach­ten gar nicht ans Auf­spei­chern von Schät­zen. Sie hat­ten an ih­rem et­was aben­teu­er­li­chen Le­ben Ge­schmack ge­fun­den in der Ge­wiss­heit, über­all gute Auf­nah­me und reich­li­chen Ver­dienst zu fin­den, und so flat­ter­ten sie von New York nach San Fran­zis­ko, von Que­bec nach Neu-Or­léans, von Neu-Schott­land nach Texas – viel­leicht et­was à la Bohè­me, aber in der Bohè­me der Ju­gend, die ja die äl­tes­te, lie­bens­wür­digs­te und be­nei­dens­wer­tes­te über­all auf Er­den ist.

Wenn wir uns nicht arg täu­schen, ist jetzt der Zeit­punkt ge­kom­men, die Leut­chen per­sön­lich und mit Na­men de­nen un­se­rer freund­li­chen Le­ser vor­zu­stel­len, die das Ver­gnü­gen, jene zu hö­ren, we­der ge­habt ha­ben, noch je ha­ben wer­den.

Y­ver­nes – die ers­te Vio­li­ne – zwei­und­drei­ßig Jah­re alt, von et­was über­mitt­ler­er Sta­tur, be­strebt ma­ger zu blei­ben, hat blon­des, un­ten et­was ge­lock­tes Haar, glat­tes Ge­sicht, große dunkle Au­gen, lan­ge Hän­de, die dazu ge­schaf­fen schei­nen, auf sei­ner Guar­ne­rio al­les mög­li­che zu grei­fen, zeigt ele­gan­tes Auf­tre­ten, liebt es, sich in einen dun­kel­far­bi­gen Man­tel zu hül­len, trägt gern einen hoch­köp­fi­gen Sei­den­hut, ist viel­leicht et­was schau­spie­le­ri­scher »Po­seur«, doch je­den­falls der Harm­lo­ses­te der Ge­sell­schaft, der sich um Geldan­ge­le­gen­hei­ten nicht küm­mert, son­dern vor al­lem an­de­ren Künst­ler, be­geis­ter­ter Be­wun­de­rer al­les Schö­nen und Vir­tuo­se von großem Ta­lent und glän­zen­der Zu­kunft ist.

Fras­co­lin – die zwei­te Vio­li­ne – drei­ßig Jah­re alt, klein, mit Nei­gung zu Fett­lei­big­keit, wor­über er oft in hel­le Wut ge­rät, braun von Bart- und Kopf­haar, mit star­kem Kopf, dun­keln Au­gen, lan­ger Nase mit sehr be­weg­li­chen Flü­geln und ge­röte­ten Fle­cken an den Stel­len, wo die Fe­dern sei­nes gold­ge­fass­ten Lor­gnons mit stark kon­ka­ven Glä­sern, das er lei­der nicht ent­beh­ren kann, auf­sit­zen; üb­ri­gens ein gut­mü­ti­ger, zu­vor­kom­men­der, dienst­wil­li­ger Mann, der sich je­der Mü­he­wal­tung un­ter­zieht, um sie sei­nen Kol­le­gen zu er­spa­ren, führt er die Kas­se für das Quar­tett und emp­fiehlt im­mer äu­ßers­te Spar­sam­keit, frei­lich ohne da­mit je Ge­hör zu fin­den. Ohne je­den Neid auf den Er­folg sei­nes Kol­le­gen Yver­nes und ohne den Ehr­geiz, das Pult der ers­ten Vio­li­ne je­mals für sich zu er­obern, ist er doch ein vor­treff­li­cher Künst­ler. Über dem Rei­se­an­zug trägt er stets einen wei­ten Staub­man­tel.

Pin­chi­nat – die Brat­sche – ge­wöhn­lich »Sei­ne Ho­heit«3 ge­nannt, sie­ben­und­zwan­zig Jah­re alt, der Jüngs­te der Trup­pe und auch der wit­zigs­te, lus­tigs­te Pa­tron der­sel­ben, ei­ner je­ner un­ver­bes­ser­li­chen Ty­pen, die ihr Le­ben lang über­mü­ti­ge Stra­ßen­jun­gen blei­ben, mit sei­nem Kopf, geist­vol­len, stets auf­merk­sa­men Au­gen, ins Röt­li­che spie­len­dem Haar und mit spitzaus­lau­fen­dem Schnurr­bart. Er schnalzt gern mit der Zun­ge an den wei­ßen, schar­fen Zäh­nen und ist ein­ge­fleisch­ter Lieb­ha­ber von Kalau­ern und Ca­lem­bours, eben­so be­reit zum An­griff wie zur Ab­wehr, das Ge­hirn vol­ler Schnur­ren – »eine voll­stän­di­ge Aus­stat­tung«, sagt er – von un­ver­wüst­li­chem Hu­mor, im­mer Pos­sen trei­bend und ohne sich des­halb, weil sie sei­ne Kol­le­gen zu­wei­len in Ver­le­gen­heit brin­gen, ein grau­es Haar wach­sen zu las­sen. Da­rum tref­fen ihn auch häu­fig die Vor­wür­fe und vä­ter­li­chen Straf­pre­dig­ten des Füh­rers und Ober­haup­tes des Quar­tetts.

Es gibt hier na­tür­lich auch einen Füh­rer, den Vio­lon­cel­lis­ten Sé­bas­ti­en Zorn, ein Ober­haupt eben­so durch sein Ta­lent wie durch sein Al­ter – er zählt be­reits zwei­und­fünf­zig Som­mer – die­ser ist klein, dick und fett, blond, mit reich­li­chem, den Schlä­fen mit Her­zens­häk­chen an­lie­gen­dem Haar und star­rem Schnurr­bart, der sich im Ge­wirr des spitzaus­lau­fen­den Ba­cken­bar­tes ver­liert. Sein Teint spielt ins Back­stein­far­bi­ge und sei­ne Au­gen glän­zen durch die Glä­ser der Bril­le, die er beim Le­sen u. dgl. noch durch eine Lor­gnet­te ver­schärft. Da­bei hat er flei­schi­ge, run­de Hän­de, von de­nen die rech­te, der man die Ge­wohn­heit an die wie­gen­den Bo­gen­be­we­gun­gen an­merkt, am Gold- und am klei­nen Fin­ger mit großen Rin­gen ge­schmückt ist.

Die­se flüch­ti­ge Skiz­ze ge­nügt wohl, den Mann und den Künst­ler zu kenn­zeich­nen. Man hält aber nicht un­ge­straft vier­zig Jah­re hin­durch einen klin­gen­den Kas­ten zwi­schen den Kni­en. Das be­ein­flusst das gan­ze Le­ben und mo­delt den Cha­rak­ter. Die al­ler­meis­ten Vio­lon­cell­spie­ler sind red­se­lig und auf­fah­rend, ha­ben gern das große Wort und re­den über al­ler­lei – üb­ri­gens nicht ohne Geist. Ein sol­ches Exem­plar ist auch Sé­bas­ti­en Zorn, dem Yver­nes, Fras­co­lin und Pin­chi­nat die Lei­tung ih­rer mu­si­ka­li­schen Streif­zü­ge wil­lig über­las­sen ha­ben. Sie las­sen ihn re­den und nach Gut­dün­ken han­deln, denn er ver­steht sich aufs Ge­schäft. An sein et­was be­feh­le­ri­sches We­sen ge­wöhnt, la­chen sie dar­über nur, wenn er ein­mal »über den Steg hin­aus­greift«, was für einen Streich­in­stru­men­ten­spie­ler, wie Pin­chi­nat re­spekt­los be­merk­te, sehr be­dau­er­lich ist. Die Zu­sam­men­stel­lung der Pro­gram­me, die Lei­tung der Rei­sen, die schrift­li­chen Ver­hand­lun­gen mit den Im­presa­ri­os … alle die­se viel­fa­chen Ar­bei­ten la­gen auf sei­nen Schul­tern und ga­ben ihm vollauf Ge­le­gen­heit, sein ag­gres­si­ves Tem­pe­ra­ment zu be­tä­ti­gen. Nur um die Ein­nah­men be­küm­mer­te er sich nicht, eben­so­we­nig wie um die Ver­wal­tung der ge­mein­schaft­li­chen Kas­se, die der Ob­hut des zwei­ten Vio­li­nis­ten und in ers­ter Li­nie haft­ba­ren, des sorg­sa­men und pein­lich or­dent­li­chen Fras­co­lin an­ver­traut war.

Das Quar­tett wäre nun vor­ge­stellt, als stän­de es am Ran­de ei­nes Po­di­ums vor un­se­ren Au­gen. Der Le­ser kennt die ein­zel­nen, die zwar nicht sehr ori­gi­nel­le, doch min­des­tens scharf von­ein­an­der ge­trenn­te Ty­pen bil­den, und er ge­stat­te freund­lichst, die­se Er­zäh­lung sich ab­spie­len zu las­sen, wo­bei er se­hen wird, wel­che Rol­le dar­in zu spie­len die vier Pa­ri­ser Kin­der be­ru­fen sind, sie, die nach so reich­lich in den Staa­ten des ame­ri­ka­ni­schen Bun­des ge­ern­te­tem Bei­fall jetzt auf dem Wege wa­ren nach … Doch grei­fen wir nicht vor­aus, »über­stür­zen wir den Takt nicht!«, wür­de Sei­ne Ho­heit ru­fen, und fas­sen wir uns in Ge­duld.

Die vier Pa­ri­ser be­fan­den sich also ge­gen acht Uhr des Abends auf ei­ner ver­las­se­nen Stra­ße – wenn man dem Weg so schmei­cheln darf – Nie­der-Ka­li­for­ni­ens ne­ben den Trüm­mern ih­res »um­ge­stürz­ten Wa­gens« … Mu­sik von Boïel­dieu, hat Pin­chi­nat ge­sagt. Wenn Fras­co­lin, Yver­nes und er das klei­ne Aben­teu­er mit phi­lo­so­phi­schem Gleich­mut hin­ge­nom­men hat­ten und sich so­gar mit ei­ni­gen Scherz­re­den dar­über weg­zu­hel­fen such­ten, so liegt es doch auf der Hand, dass we­nigs­tens der An­füh­rer des Quar­tetts Ur­sa­che ge­nug hat­te, in hel­len »Zorn« zu ge­ra­ten. Wir wis­sen ja, der Vio­lon­cel­list hat eine leicht ko­chen­de Gal­le und, wie man zu sa­gen pflegt, Blut un­ter den Nä­geln. Yver­nes be­haup­tet von ihm auch steif und fest, dass er aus der Fa­mi­lie ei­nes Ajax oder Achil­les ab­stam­me, die auch nicht ge­ra­de sanft­mü­ti­ger Na­tur wa­ren.

Um nichts zu ver­ges­sen, fü­gen wir je­doch hin­zu, dass, wenn Sé­bas­ti­en Zorn cho­le­risch, Yver­nes phleg­ma­tisch, Fras­co­lin fried­lich und Pin­chi­nat von über­spru­deln­der Lus­tig­keit war, doch alle gute Ka­me­rad­schaft hiel­ten und für­ein­an­der eine wahr­haft brü­der­li­che Freund­schaft heg­ten. Sie fühl­ten sich ver­ei­nigt durch ein Band, das kei­ne Mei­nungs­ver­schie­den­heit, kei­ne Ei­gen­lie­be zu zer­rei­ßen ver­moch­te, durch eine Über­ein­stim­mung der Nei­gun­gen und des Ge­schmacks, die ein und der­sel­ben Quel­le ent­stamm­te. Ihre Her­zen be­wahr­ten wie gute In­stru­men­te stets eine un­ge­stör­te Har­mo­nie.

Wäh­rend Sé­bas­ti­en Zorn dar­auf los­wet­tert, in­dem er sei­nen Vio­lon­cell­kas­ten be­tas­tet, um sich zu ver­si­chern, dass er noch heil und ganz ist, tritt Fras­co­lin an den Wa­gen­füh­rer her­an.

»Nun, lie­ber Freund«, fragt er, »was meint Ihr denn, was wir jetzt be­gin­nen?«

»Be­gin­nen?« ant­wor­tet der Mann. »Wenn man we­der Pfer­de noch Wa­gen mehr hat … da war­tet man eben …«

»War­ten, bis zu­fäl­lig ei­ner kommt!« ruft Pin­chi­nat. »Und wenn nun kei­ner käme …«

»Da sucht man nach ei­nem«, be­merkt Fras­co­lin, den sein prak­ti­scher Sinn nie­mals ver­lässt.

»Doch wo?« pol­tert Zorn her­vor, der wü­tend auf der Stra­ße hin- und her­läuft.

»Doch wo?«

»Wo?… Ei da, wo sich ei­ner be­fin­det«, er­wi­dert der Ros­se­len­ker.

»Sap­per­ment, Sie Kut­schen­bock­be­woh­ner«, fährt der Vio­lon­cel­list mit ei­ner Stim­me auf, die schon all­mäh­lich in die höchs­ten Re­gis­ter über­geht, »soll das etwa eine Ant­wort sein? So ein un­ge­schick­ter Mensch, der uns um­wirft, sei­nen Wa­gen zer­trüm­mert und die Pfer­de zu Krüp­peln macht, und der be­gnügt sich zu er­klä­ren: ›Zie­hen Sie sich aus der Klem­me, so gut und so schlecht es eben an­geht!‹«

Von sei­ner an­ge­bo­re­nen Zun­gen­fer­tig­keit fort­ge­ris­sen, ver­irrt sich Sé­bas­ti­en Zorn in eine end­lo­se Rei­he min­des­tens nutz­lo­ser Ver­wün­schun­gen, bis Fras­co­lin ihn un­ter­bricht mit den Wor­ten:

»Na, über­lass das nur mir, al­ter Freund!«

Dann wen­det er sich noch­mals an den Wa­gen­füh­rer.

»Wo be­fin­den wir uns denn jetzt, gu­ter Mann?«

»Fünf (ame­ri­ka­ni­sche) Mei­len von Fre­schal.«

»Ist das etwa Ei­sen­bahn­sta­ti­on?«

»Nein … ein Dorf in der Nähe der Küs­te.«

»Wür­den wir dort einen Wa­gen fin­den?«

»Ei­nen Wa­gen wohl nicht, viel­leicht aber einen Kar­ren …«

»Ei­nen Och­sen­kar­ren, wie zur­zeit der Mero­win­ger!« ruft Pin­chi­nat.

»Das kann uns auch gleich­gül­tig sein«, meint Fras­co­lin.

»Fra­ge lie­ber«, nimmt Sé­bas­ti­en Zorn wie­der das Wort, »ob sich in dem Nes­te, dem Fre­schal, ein Gast­haus vor­fin­det.«

»Ja­wohl, das gib­t’s; dort hät­ten wir einen kur­z­en Halt ge­macht.«

»Und um nach die­sem Dor­fe zu ge­lan­gen, brau­chen wir nur der Land­stra­ße zu fol­gen?«

»Ganz gra­de­aus.«

»Dann also marsch!« be­fiehlt der Vio­lon­cel­list.

»Es wäre doch grau­sam, den wa­cke­ren Mann hier in sei­ner Not lie­gen zu las­sen«, be­merkt Pin­chi­nat. »He, gu­ter Freund, wenn wir Sie nun un­ter­stüt­zen, könn­ten Sie dann nicht …«

»Ganz un­mög­lich!« ant­wor­tet der Kut­scher. »Üb­ri­gens zie­he ich es vor, hier, bei mei­nem Wa­gen zu blei­ben. Wenn’s erst wie­der Tag wird, werd’ ich schon se­hen, wie ich fort­kom­me.«

»Wenn wir in Fre­schal sind«, be­merkt Fras­co­lin, »könn­ten wir Ih­nen ja Hil­fe schi­cken.«

»Ja, der dor­ti­ge Gast­wirt kennt mich und wird mich nicht in der Not sit­zen­las­sen.«

»Geht’s nun fort?« mahnt der Vio­lon­cel­list, der sei­nen In­stru­men­ten­kas­ten schon auf­ge­rich­tet hat.

»So­fort«, er­wi­dert Pin­chi­nat. »Vor­her wol­len wir un­se­ren Kut­scher nur dort an die Erd­wand hin­über­schaf­fen.«

Na­tür­lich war es ein­fa­che Men­schen­pflicht, den Mann von der Land­stra­ße weg­zu­brin­gen, und da er sich sei­ner schwer­ver­letz­ten Bei­ne nicht be­die­nen konn­te, ho­ben Pin­chi­nat und Fras­co­lin ihn auf, tru­gen ihn nach der Sei­te des We­ges und la­ger­ten ihn zwi­schen die ober­ir­di­schen Wur­zeln ei­nes di­cken Bau­mes, des­sen her­ab­hän­gen­de, un­ters­te Zwei­ge fast eine Blät­ter­lau­be bil­de­ten.

»Na, wird’s nun end­lich?« drängt Sé­bas­ti­en Zorn zum drit­ten Male, nach­dem er sich den Vio­lon­cell­kas­ten schon mit­tels meh­re­rer Rie­men so gut wie mög­lich auf den Rücken ge­schnallt hat­te.

»So, das wäre ge­sche­hen«, sag­te Fras­co­lin ge­las­sen.

Dann wen­det er sich noch mal an den Wa­gen­füh­rer.

»Es bleibt also da­bei; der Gast­wirt von Fre­schal sen­det Ih­nen Hil­fe. Ha­ben Sie bis da­hin noch ein be­son­de­res Be­dürf­nis, gu­ter Freund?«

»Ach ja«, ant­wor­tet der Mann, »nach ei­nem tüch­ti­gen Schluck Gin, wenn in Ihren Korb­fla­schen da­von noch et­was üb­rig ist.«

Pin­chi­nats Fla­sche ist noch ganz voll, und Sei­ne Ho­heit bringt wil­lig das klei­ne Op­fer.

»Nun, Männ­chen«, sagt er lä­chelnd, »da­mit wer­den Sie die Nacht über we­nigs­tens in­ner­lich nicht frie­ren!«

Eine letz­te dring­li­che Mah­nung des Vio­lon­cel­lis­ten be­stimmt sei­ne Ge­fähr­ten end­lich, sich in Be­we­gung zu set­zen. Es ist ein Glück, dass de­ren sons­ti­ges Ge­päck im Gü­ter­wa­gen des Zugs ge­blie­ben ist, statt dass sie es mit auf die Kut­sche ver­la­den hät­ten. Trifft das­sel­be in San Die­go auch mit ei­ni­ger Ver­spä­tung ein, so bleibt un­se­ren Mu­si­kern doch die Be­schwer­de er­spart, es jetzt nach dem Dor­fe Fre­schal zu be­för­dern. Es ist schon ge­nug an den Vio­li­nen­käs­ten, und an dem Vio­lon­cell­kas­ten mehr als ge­nug. Ein sei­nes Na­mens wür­di­ger In­stru­men­ta­list trennt sich frei­lich nie­mals von sei­nem In­stru­men­te – so we­nig, wie ein Sol­dat von sei­nen Waf­fen oder eine Schne­cke von ih­rem Hau­se.

Im Ori­gi­nal »mi sur le do«, ein deutsch nicht wie­der­zu­ge­ben­des Wort­spiel, da mi und do die No­ten C und E be­deu­ten, ohne Rück­sicht auf Recht­schrei­bung aber auch als »ge­legt« und »Rücken« ver­stan­den wer­den kön­nen. (Anm. d. Über­set­zers.)  <<<

Quet­schung  <<<

Fran­zö­sisch »Son Al­tes­se«, hier als un­über­trag­ba­res Wort­spiel von »alto« (Brat­sche) ab­ge­lei­tet. (Anm. d. Über­set­zers.)  <<<

Zweites Kapitel – Die Wirkung einer kakophonischen Sonate

Im Fins­tern und zu Fuß auf un­be­kann­ter Stra­ße hin­zu­zie­hen, oben­drein in­mit­ten ei­ner fast öden Ge­gend, wo Übel­tä­ter im All­ge­mei­nen we­ni­ger sel­ten sind als Rei­sen­de, hat im­mer et­was Beun­ru­hi­gen­des an sich. In die­ser Lage be­fand sich nun un­ser Quar­tett. Fran­zo­sen sind ja am Ende mu­tig, und die hier sind es in be­son­de­rem Maße. Doch zwi­schen dem Mute und der Furcht­sam­keit ver­läuft noch eine Schei­de­li­nie, die von der ge­sun­den Ver­nunft nicht über­se­hen wer­den darf. Wäre die Ei­sen­bahn nicht durch eine von plötz­li­chem Hoch­was­ser über­flu­te­te Ge­gend ver­lau­fen und wäre die Kut­sche fünf Mei­len vor Fre­schal nicht um­ge­stürzt, so hät­te sich un­se­re klei­ne Künst­ler­schar nicht in die Zwangs­la­ge ver­setzt ge­se­hen, des Nachts auf die­ser ver­däch­ti­gen Stra­ße hin­zu­wan­dern. Hof­fen wir in­des, dass ih­nen da­bei kein Un­heil zu­stößt.

Es ist etwa um acht Uhr, als Sé­bas­ti­en Zorn und sei­ne Ka­me­ra­den, den Wei­sun­gen des Wa­gen­füh­rers ent­spre­chend, die Rich­tung nach der Küs­te zu ein­schla­gen. Da die Vio­li­nen nur in leich­ten, we­nig um­fäng­li­chen Le­de­re­tu­is ste­cken, ha­ben die Gei­ger kei­ne be­son­de­re Ur­sa­che, sich zu be­kla­gen. Sie tun das auch nicht, we­der der wei­se Fras­co­lin, noch der lus­ti­ge Pin­chi­nat oder der idea­lis­tisch an­ge­hauch­te Yver­nes. Der Vio­lon­cel­list aber mit sei­nem um­fäng­li­chen In­stru­men­ten­kas­ten, der hat et­was wie einen Schrank auf dem Rücken. Bei sei­nem uns be­kann­ten Cha­rak­ter ist es nicht zu ver­wun­dern, dass er dar­über weid­lich wet­tert und schimpft. Da­ne­ben ächzt und stöhnt der Mann, was sich un­ter der ono­ma­to­poe­ti­schen Form von Ahs! Ohs! und Uffs! hör­bar macht.

Schon herrscht eine tie­fe Fins­ter­nis. Di­cke Wol­ken ja­gen über das Him­mels­ge­wöl­be, die manch­mal da und dort et­was zer­rei­ßen und dann eine spöt­ti­sche Mond­si­chel kaum im ers­ten Vier­tel hin­durch­schei­nen las­sen. Man weiß nicht, warum – wenn nicht des­we­gen, weil er ein­mal in bis­si­ger, reiz­ba­rer Stim­mung ist – die blon­de Phö­be nicht das Glück hat, un­se­rem Sé­bas­ti­en Zorn zu ge­fal­len. Er streckt ihr aber die ge­ball­te Faust ent­ge­gen und ruft:

»Na, was hast denn du mit dei­nem ein­fäl­ti­gen Ge­sich­te vor?… Nein, wirk­lich, ich ken­ne nichts Al­ber­ne­res, als die­se Schnit­te ei­ner un­rei­fen Me­lo­ne, die da oben hin­spa­ziert!«

»Es wäre frei­lich bes­ser, wenn der Mond uns das vol­le Ge­sicht zu­kehr­te«, mein­te Fras­co­lin.

»Und warum das?« frag­te Pin­chi­nat.

»Weil wir da bes­ser se­hen könn­ten.«

»O, du keu­sche Dia­na, du fried­li­che Nacht­wand­le­rin, du blei­cher Sa­tel­lit der Erde, o du an­ge­be­te­tes Ide­al des an­be­tungs­wür­di­gen En­dy­mi­on1 …«

»Bist du fer­tig mit dei­ner Ver­him­me­lung?« ruft der Vio­lon­cel­list. »Wenn die­se ers­ten Gei­gen erst an­fan­gen, weit auf der Quin­te her­un­ter­zu­rut­schen …«

»Et­was schnel­ler vor­wärts«, fiel Fras­co­lin ein, »sonst ha­ben wir das Ver­gnü­gen, noch un­ter frei­em Him­mel zu über­nach­ten …«

»Wenn frei­er Him­mel wäre … und dazu noch un­ser Kon­zert in San Die­go zu ver­säu­men!« be­merkt Pin­chi­nat.

»Wahr­haf­tig, ein hüb­scher Ge­dan­ke!« ruft Sé­bas­ti­en Zorn, der sei­nen Kas­ten schüt­telt, dass er einen kläg­li­chen Ton von sich gibt.

»Doch die­ser Ge­dan­ke, mein al­ter Ka­me­rad«, sagt Pin­chi­nat, »rührt ur­sprüng­lich von dir her …«

»Von mir …?«

»Ge­wiss! Wa­rum sind wir nicht in San Fran­zis­ko ge­blie­ben, wo wir Ge­le­gen­heit hat­ten, eine gan­ze Samm­lung ka­li­for­ni­scher Ohren zu er­göt­zen!«

»Nun«, fragt der Vio­lon­cel­list, »warum sind wir dann fort­ge­gan­gen?«

»Weil du es so woll­test.«

»Dann muss ich ge­ste­hen, eine be­kla­gens­wer­te Ein­ge­bung ge­habt zu ha­ben, und wenn …«

»Ah, seht ein­mal da!« fällt Yver­nes ein, der mit der Hand nach ei­nem be­stimm­ten Punk­te des Him­mels weist, wo ein dün­ner Mond­strahl die Rän­der ei­ner Wol­ke mit weiß­li­cher Ein­fas­sung säumt.

»Was gibt es denn, Yver­nes?«

»Zeigt jene Wol­ke nicht ganz die Ge­stalt ei­nes Dra­chens mit aus­ge­brei­te­ten Flü­geln und ei­nem Pfau­en­schwan­ze mit hun­dert Ar­gus­au­gen dar­auf?«

Je­den­falls ist Sé­bas­ti­en Zorn nicht mit der Fä­hig­keit, hun­dert­fäl­tig zu se­hen, aus­ge­rüs­tet, die den Hü­ter der Toch­ter des Inachos aus­zeich­ne­te, denn er be­merkt nicht ein tief aus­ge­fah­re­nes Glei­se, worin er un­glück­li­cher­wei­se mit dem Fuße hän­gen­bleibt. Da­durch fällt er platt auf den Leib, so­dass er mit sei­nem Kas­ten auf dem Rücken ei­ner großen Co­leo­pte­re gleicht, die auf der Erde hin­krö­che.

Na­tür­lich kommt der In­stru­men­ta­list wie­der in Wut – er hat ja auch alle Ur­sa­che dazu – und schimpft auf die ers­te Vio­li­ne we­gen de­ren Be­wun­de­rung ih­res in der Luft schwe­ben­den Un­ge­heu­ers.

»Da ist nur der Yver­nes dran schuld!« fährt Sé­bas­ti­en Zorn auf. »Hät­te ich nicht nach sei­nem ver­wünsch­ten Dra­chen ge­se­hen …«

»Es ist gar kein Dra­che mehr, lie­be Freun­de, son­dern jetzt nur noch eine Am­pho­ra! Mit ei­ni­ger­ma­ßen ent­wi­ckel­ter Fan­ta­sie be­merkt man sie in der Hand der Nek­tar ein­schen­ken­den Hebe …«

»Doch den­ken wir dar­an, dass in je­nem Nek­tar ver­teu­felt viel Was­ser ist«, ruft Pin­chi­nat, »und hü­ten wir uns, dass dei­ne rei­zen­de Göt­tin der Ju­gend nicht ein Sturz­bad über uns aus­gießt!«

Das hät­te die Lage der Wan­de­rer frei­lich noch ver­schlim­mert, und tat­säch­lich fängt das Wet­ter an, mit Re­gen zu dro­hen. Die Vor­sicht treibt also zur Eile, um in Fre­schal recht­zei­tig Schutz zu fin­den.

Man hebt den zorn­schnau­ben­den Vio­lon­cel­lis­ten auf und stellt den Brumm­bär wie­der auf die Füße. Der freund­li­che Fras­co­lin er­bie­tet sich, ihm sei­nen Kas­ten ab­zu­neh­men. Sé­bas­ti­en Zorn will das zu­erst nicht zu­ge­ben … er, sich von sei­nem In­stru­men­te tren­nen … ei­nem Vio­lon­cell von Gaud und Ber­nar­del … das heißt ja, von ei­ner Hälf­te sei­nes Selbst … Er muss sich aber fü­gen, und so­mit geht die­se kost­ba­re Hälf­te auf den Rücken des dienst­wil­li­gen Fras­co­lin über, der da­für sein leich­tes Etui ge­nann­tem Zorn an­ver­traut. Nun geht es wei­ter und ra­schen Schrit­tes zwei Mei­len vor­wärts, ohne dass sich et­was Be­son­de­res er­eig­net. Die mit Re­gen dro­hen­de Nacht wird im­mer fins­te­rer. Schon fal­len ei­ni­ge große Trop­fen, der Be­weis, dass sie aus hoch­zie­hen­den, ge­wit­ter­haf­ten Wol­ken stam­men. Die Am­pho­ra der hüb­schen Hebe un­se­res Yver­nes ent­leert sich je­doch nicht wei­ter, und die vier Nacht­wand­ler dür­fen hof­fen, Fre­schal im Zu­stan­de voll­stän­di­ger Tro­cken­heit zu er­rei­chen.

Im­mer­hin be­darf es noch pein­lichs­ter Auf­merk­sam­keit, um auf die­ser fins­te­ren Stra­ße nicht zu Fall zu kom­men, denn ab­ge­se­hen von den tie­fen Wa­gen­spu­ren ver­läuft sie oft in schar­fen Krüm­mun­gen um vor­sprin­gen­de Fels­mas­sen oder führt ne­ben düs­te­ren Schluch­ten hin, aus de­nen der Trom­pe­ten­ton der Berg­ge­wäs­ser her­auf­schallt. Wenn Yver­nes das bei sei­ner Sin­nes­ver­an­la­gung poe­tisch fin­det, so nennt es Fras­co­lin bei der sei­ni­gen min­des­tens be­un­ru­hi­gend.

Da­ne­ben wa­ren noch un­lieb­sa­me Be­geg­nun­gen zu fürch­ten, die die Si­cher­heit al­ler Rei­sen­den auf den Land­stra­ßen Nie­der­ka­li­for­ni­ens sehr zwei­fel­haft ma­chen. Das Quar­tett be­saß an Waf­fen aber nur die drei Vio­lin- und den einen Vio­lon­cell­bo­gen, die in ei­nem Lan­de, wo der Col­t’­sche Re­vol­ver er­fun­den und da­mals noch er­heb­lich ver­bes­sert wor­den war, doch als et­was un­zu­rei­chend er­schei­nen dürf­ten. Wä­ren Sé­bas­ti­en Zorn und sei­ne Ka­me­ra­den Ame­ri­ka­ner ge­we­sen, so wür­den sie sich je­den­falls mit die­ser hand­li­chen Schutz­waf­fe ver­se­hen ha­ben, die man dort­zu­lan­de im­mer in ei­ner be­son­de­ren klei­nen Ho­sen­ta­sche bei sich trägt. Um auch nur auf der Bahn von San Fran­zis­ko nach San Die­go zu fah­ren, wür­de sich kein wasch­ech­ter Yan­kee ohne die­sen sechs­schüs­si­gen Beglei­ter auf die Rei­se be­ge­ben ha­ben. Un­se­re Fran­zo­sen hat­ten das frei­lich nicht für nö­tig er­ach­tet. Fü­gen wir hin­zu, dass sie dar­an gar nicht ge­dacht und es doch viel­leicht zu be­reu­en ha­ben dürf­ten.

Pin­chi­nat mar­schiert an der Spit­ze und be­hält die Bö­schun­gen der Stra­ße scharf im Auge. Wo die­se von rechts und links her sehr ein­ge­engt er­scheint, ist ein un­er­war­te­ter Über­fall we­ni­ger zu fürch­ten. Als Bru­der Lus­tig wan­delt ihn im­mer ein­mal das Ver­lan­gen an, sei­nen Ka­me­ra­den »einen ge­lin­den Schre­cken ein­zu­ja­gen«, z.B. da­durch, dass er plötz­lich ste­hen­bleibt und mit vor Schreck be­ben­der Stim­me mur­melt:

»Halt! … Da un­ten … was seh ich da?… Hal­ten wir uns fer­tig, Feu­er zu ge­ben!«

Wenn der Weg sich aber durch einen dich­ten Wald hin­zieht, in­mit­ten der Mam­mut­bäu­me, der hun­dert­fünf­zig Fuß ho­hen Se­quo­i­as, je­ner Pflan­zen­rie­sen des ka­li­for­ni­schen Lan­des … dann ver­geht ihm selbst die Lust zum Scher­zen. Hin­ter je­dem die­ser un­ge­heu­ren Stäm­me kön­nen sich be­quem zehn Mann ver­ber­gen. Soll­ten sie hier nicht das Auf­blit­zen ei­nes hel­len Schei­nes, dem ein trock­ner Knall folgt, zu se­hen, nicht das schnel­le Pfei­fen ei­ner Ku­gel zu hö­ren be­kom­men? An sol­chen, für einen nächt­li­chen Über­fall wie ge­schaf­fe­nen Stel­len heißt es die Au­gen of­fen hal­ten. Und wenn man zum Glück nicht mit Ban­di­ten zu­sam­men­stößt, so rührt das da­her, dass die­se ehr­sa­me Zunft aus dem Wes­ten Ame­ri­kas ganz ver­schwun­den ist oder sich jetzt nur noch Finan­z­ope­ra­tio­nen an den Märk­ten der Al­ten und der Neu­en Welt wid­met. Wel­ches Ende für die Nach­kom­men ei­nes Karl Moor,2 ei­nes Jo­hann Sbo­gar! Und wem soll­ten der­lei Ge­dan­ken kom­men, wenn nicht un­se­rem Yver­nes? Ent­schie­den – meint er – ist das Stück der De­ko­ra­ti­on nicht wert!

Plötz­lich bleibt Pin­chi­nat wie an­ge­wur­zelt ste­hen.

Fras­co­lin tut des­glei­chen.

Sé­bas­ti­en Zorn und Yver­nes ge­sel­len sich so­fort zu bei­den.

»Was gibt es?« fragt die zwei­te Vio­li­ne.

»Ich glaub­te, et­was zu se­hen …«, ant­wor­te­te die Brat­sche.

Dies­mal han­delt es sich nicht um einen Scherz sei­ner­seits. Of­fen­bar be­wegt sich eine Ge­stalt zwi­schen den Bäu­men hin.

»Eine mensch­li­che oder tie­ri­sche?« er­kun­digt sich Fras­co­lin.

»Das weiß ich selbst nicht.«

Was jetzt am bes­ten zu tun sei, das un­ter­fing sich nie­mand zu sa­gen. Dicht an­ein­an­der­ge­drängt star­ren alle laut- und be­we­gungs­los vor sich hin.

Dicht aneinandergedrängt

Durch einen Wol­ken­spalt flie­ßen die Strah­len des Mon­des auf den Dom des dun­keln Wal­des her­ab, drin­gen durch die Äste der Se­quo­i­as und er­rei­chen noch den Erd­bo­den. Im Um­kreis von hun­dert Schrit­ten ist die­ser et­was sicht­bar.

Pin­chi­nat hat sich nicht ge­täuscht. Zu groß für einen Men­schen, kann die­se Mas­se nur ei­nem ge­wal­ti­gen Vier­füß­ler an­ge­hö­ren. Doch wel­chem Vier­füß­ler?… Ei­nem Raub­tie­re?… Je­den­falls ei­nem sol­chen … doch wel­chem Raub­tie­re?

»Ein Plan­ti­gra­de!«3 sagt Yver­nes.

»Zum Teu­fel mit dem Vieh«, mur­melt Sé­bas­ti­en Zorn mit ver­hal­te­ner, aber grim­mi­ger Stim­me, »und mit dem Vieh mei­ne ich mehr dich, Yver­nes! … Kannst du nicht wie an­de­re ver­nünf­ti­ge Men­schen re­den! Was ist denn das, ein Plan­ti­gra­de?«

»Ein Tier, das auf vier Tat­zen, und zwar auf den gan­zen Soh­len läuft«, er­klärt Pin­chi­nat.

»Ein Bär!« setzt Fras­co­lin hin­zu.

Es war in der Tat ein Bär, und zwar ein ganz mäch­ti­ges Exem­plar. Lö­wen, Ti­gern oder Pan­thern be­geg­net man in den Wäl­dern Nie­der-Ka­li­for­ni­ens nicht. De­ren ge­wöhn­li­che Be­woh­ner sind nur die Bä­ren, mit de­nen, wie man zu sa­gen pflegt, nicht gut Kir­schen es­sen ist.

Man wird sich nicht ver­wun­dern, dass un­se­re Pa­ri­ser in vol­ler Über­ein­stim­mung den Ge­dan­ken hat­ten, die­sem Plan­ti­gra­den den Platz zu über­las­sen, der ja ei­gent­lich »bei sich zu Hau­se« war. So drängt sich un­se­re Grup­pe denn noch dich­ter zu­sam­men und mar­schiert lang­sam, doch in stram­mer Hal­tung und das Aus­se­hen von Flie­hen­den ver­mei­dend, mit dem Ge­sicht nach dem Raub­tie­re ge­wen­det rück­wärts.

Der Bär trot­tet kur­z­en Schrit­tes den Män­nern nach, wo­bei er die Vor­der­tat­zen gleich Te­le­gra­fen­ar­men be­wegt und in den Pran­ken schwer­fäl­lig hin- und her­schwankt. All­mäh­lich kommt er nä­her her­an und sein Ver­hal­ten wird et­was feind­se­li­ger … sein hei­se­res Brum­men und das Klap­pen der Kinn­la­den sind ziem­lich be­un­ru­hi­gend.

»Wenn wir nun alle nach ver­schie­de­nen Sei­ten Fer­sen­geld gä­ben?« schlägt Sei­ne Ho­heit vor.

»Nein, das las­sen wir blei­ben«, ant­wor­tet Fras­co­lin. »Ei­ner von uns wür­de doch von dem Bur­schen ge­hascht und müss­te al­lein für die an­de­ren zah­len.«

Die­se Unklug­heit wur­de nicht be­gan­gen, und es liegt auch auf der Hand, dass sie hät­te schlim­me Fol­gen ha­ben kön­nen.

Das Quar­tett ge­langt so als »Bün­del« an die Gren­ze ei­ner min­der dun­keln Wald­par­zel­le. Der Bär hat sich jetzt bis auf zehn Schrit­te ge­nä­hert. Soll­te er den Ort für güns­tig zu ei­nem An­griff hal­ten?… Fast scheint es so, denn er ver­dop­pelt sein Brum­men und be­schleu­nigt sei­nen Schritt noch mehr.

Die klei­ne Grup­pe weicht des­halb noch schnel­ler zu­rück, und die zwei­te Vio­li­ne mahnt drin­gend:

»Kal­tes Blut!… Den Kopf nicht ver­lie­ren!«

Die Lich­tung ist über­schrit­ten und der Schutz der Bäu­me wie­der er­reicht. Ver­min­dert ist die Ge­fahr hier­durch doch ei­gent­lich nicht. Von ei­nem Stam­me zum an­de­ren schlei­chend, kann das Tier die Ver­folg­ten plötz­lich an­sprin­gen, ohne dass die­se sei­nem An­grif­fe zu­vor­zu­kom­men ver­mö­gen, und das moch­te der Bär wohl auch vor­ha­ben, als er sein Brum­men ein­stell­te und sich et­was zu­sam­menkrüm­mend fast still hielt …

Da er­tönt eine lau­te Mu­sik in der di­cken Fins­ter­nis, ein aus­drucks­vol­les Lar­go, in dem die gan­ze See­le des Künst­lers auf­zu­ge­hen scheint.

Yver­nes ist es, der die Vio­li­ne aus dem Etui ge­zo­gen hat und sie un­ter mäch­ti­gem Bo­gen­stri­che er­klin­gen lässt. Wahr­lich, ein Ge­nie­streich! Wa­rum soll­ten auch Mu­si­ker ihr Heil nicht bei der Mu­sik ge­sucht ha­ben? Sam­mel­ten sich die von den Ak­kor­den Am­phi­ons be­weg­ten Stei­ne nicht frei­wil­lig um The­ben an? Leg­ten sich nicht die mit ly­ri­schem Sin­ne be­gab­ten wil­den Tie­re be­sänf­tigt zu Or­pheus Fü­ßen nie­der? Nun, hier kam man zu dem Glau­ben, dass die­ser ka­li­for­ni­sche Bär un­ter ata­vis­ti­scher Be­ein­flus­sung eben­so künst­le­risch ver­an­lagt ge­we­sen sei, wie sei­ne Ka­me­ra­den aus der Sage, denn sei­ne Wild­heit er­lischt un­ter der her­vor­tre­ten­den Nei­gung für Me­lo­di­en, und ganz ent­spre­chend dem Zu­rück­wei­chen des Quar­tetts folgt er die­sem in glei­chem Tem­po nach und lässt wie­der­holt ein lei­ses Zei­chen di­let­tan­ti­scher Be­frie­di­gung hö­ren. Es fehl­te gar nicht viel, dass er »Bra­vo!« ge­ru­fen hät­te.

Eine Vier­tel­stun­de spä­ter be­fin­det sich Sé­bas­ti­en Zorn mit sei­nen Ge­fähr­ten am Sau­me der Wal­dung. Sie über­schrei­ten ihn, wäh­rend Yver­nes im­mer flott drauf­los­geigt.

Das Tier hat halt­ge­macht. Es scheint kei­ne Lust zu ha­ben, noch wei­ter mit­zu­trot­ten; da­ge­gen schlägt es die plum­pen Vor­der­tat­zen an­ein­an­der.

Da er­greift auch Pin­chi­nat sein In­stru­ment und ruft:

»Den Bä­ren­tanz! Und in flot­tem Tem­po!«

Wäh­rend nun die ers­te Vio­li­ne die weit­be­kann­te Me­lo­die in Dur mit vol­len Bo­gen­stri­chen her­un­ter­geigt, be­glei­tet sie die Brat­sche scharf und falsch in Moll …

Da fängt das Tier zu tan­zen an, hebt ein­mal die rech­te, ein­mal die lin­ke Tat­ze hoch auf, dreht und schwenkt sich hin und her und lässt die klei­ne Ge­sell­schaft un­be­hel­ligt sich wei­ter auf der Stra­ße ent­fer­nen.

»Bah!« stößt Pin­chi­nat her­vor, »das war nur ein Zir­kus­bär!«

»Tut nichts«, ant­wor­tet Fras­co­lin, »der Teu­fels­kerl, der Yver­nes, hat doch eine fa­mo­se Idee ge­habt.«

»Nun trabt aber da­von … al­le­gret­to«, mahnt der Vio­lon­cel­list, »und ohne euch um­zu­se­hen.«

Es ist ge­gen neun Uhr abends, als die vier Jün­ger Apolls heil und ge­sund in Fre­schal ein­tref­fen. Sie ha­ben die letz­te Weg­stre­cke in stark be­schleu­nig­tem Schrit­te zu­rück­ge­legt, ob­gleich der Bär ih­nen nicht mehr folg­te.

Etwa vier­zig Häu­schen oder rich­ti­ger Hüt­ten aus Holz rund um einen mit Bu­chen be­stan­de­nem Platz … das ist Fre­schal, ein ver­ein­sam­tes Dorf, das ge­gen zwei Mei­len von der Küs­te liegt.

Un­se­re Künst­ler schlüp­fen zwi­schen zwei von großen Bäu­men be­schat­te­ten Wohn­stät­ten hin­durch, ge­lan­gen da­mit nach ei­nem frei­en Plat­ze, in des­sen Hin­ter­grun­de sich der be­schei­de­ne Glock­en­turm ei­nes Kirch­leins er­hebt, sie tre­ten zu­sam­men, als woll­ten sie ein Mu­sik­stück aus dem Steg­reif vor­tra­gen, und blei­ben an der Stel­le ste­hen, um zu be­rat­schla­gen.

»Das … das soll ein Dorf sein?« frag­te Pin­chi­nat.

»Na, du hast doch nicht er­war­tet, hier eine Stadt von der Art New Yorks oder Phil­adel­phi­as zu fin­den!« er­wi­dert Fras­co­lin.

»Un­ser Dorf liegt aber be­reits im Bett!« be­merkt Sé­bas­ti­en Zorn weg­wer­fend.

»O, wir wol­len ein schlum­mern­des Dorf ja nicht er­we­cken!« seufzt Yver­nes me­lo­disch.

»Im Ge­gen­teil, lasst es uns mun­ter ma­chen!« ruft Pin­chi­nat.

Frei­lich, wenn sie die Nacht nicht un­ter frei­em Him­mel zu­brin­gen woll­ten, blieb ih­nen am Ende nichts an­de­res üb­rig.

Im Üb­ri­gen ist der Ort völ­lig ver­las­sen und to­ten­still – kein La­den ge­öff­net, kein Licht hin­ter ei­nem Fens­ter. Für das Schloss Dorn­rös­chens wä­ren hier alle Vor­be­din­gun­gen un­ge­stör­tes­ter Ruhe ge­ge­ben ge­we­sen.

»Wo ist denn nun das Gast­haus?« fragt Fras­co­lin.

Ja, das Gast­haus, von dem der Kut­scher sprach, wo sei­ne ver­un­glück­ten Fahr­gäs­te freund­li­che Auf­nah­me und gu­tes Nacht­la­ger fin­den soll­ten?…

Und der Gast­wirt, der sich be­ei­len wür­de, dem noch schlim­mer ver­un­glück­ten Kut­scher Hil­fe zu sen­den?… Soll­te der arme Kerl das al­les nur ge­träumt ha­ben?… Oder – eine an­de­re Hy­po­the­se – soll­ten sich Sé­bas­ti­en Zorn und sei­ne Ge­sell­schaft ver­irrt ha­ben?… Wäre das gar nicht die Dorf­schaft Fre­schal?…

Die­se ver­schie­de­nen Fra­gen ver­lan­gen schleu­ni­ge Beant­wor­tung. Es er­gibt sich also die Not­wen­dig­keit, einen der Lan­des­be­woh­ner zu be­fra­gen und, um das zu kön­nen, an die Tür ei­nes der klei­nen Häu­ser zu klop­fen … wo­mög­lich an die des Gast­hofs, wenn ein glück­li­cher Zu­fall die­sen ent­de­cken lässt.

Die vier Mu­si­ker be­gin­nen also eine Un­ter­su­chung der fins­tern Ort­schaft und strei­fen an den Häu­ser­fron­ten hin, um viel­leicht ir­gend­wo ein her­aus­hän­gen­des Schank­zei­chen zu er­spä­hen. Von ei­nem Gast­ho­fe fin­det sich aber kei­ne Spur.

Gibt es auch kei­ne Her­ber­ge, so ist doch gar nicht an­zu­neh­men, dass sich nicht we­nigs­tens eine gast­freund­li­che Hüt­te fän­de, und da man hier nicht in Schott­land ist, kann man auf ame­ri­ka­ni­sche Wei­se vor­ge­hen. Wel­cher Ein­ge­bo­re­ne von Fre­schal wür­de es wohl ab­schla­gen, ein oder auch zwei Dol­lar für die Per­son für ein Abendes­sen und ein Nacht­la­ger an­zu­neh­men?

»Also vor­wärts, wir klop­fen«, sag­te Fras­co­lin.

»Doch im Tak­te«, setz­te Pin­chi­nat hin­zu, »und zwar im Sechs­ach­tel­tak­te!«

Hät­ten sie auch im Drei- oder Vier­vier­tel­tak­te ge­pocht, der Er­folg wäre doch der­sel­be ge­we­sen. Kei­ne Tür, kein Fens­ter öff­net sich, und das Kon­zert-Quar­tett hat­te schon ein Dut­zend Häu­ser in glei­cher Wei­se um Ant­wort er­sucht.

»Wir ha­ben uns ge­täuscht«, er­klärt Yver­nes. »Das ist gar kein Dorf, son­dern ein Fried­hof, und was man hier schläft, ist der ewi­ge Schlaf … Vox cla­man­tis in de­ser­to.«4

»Amen!« ant­wor­te­te Sei­ne Ho­heit mit der tie­fen Stim­me ei­nes Kir­chen­kan­tors.

Was war nun zu tun, da die­ses Gra­bes­schwei­gen be­harr­lich fort­dau­ert? Etwa nach San Die­go zu wei­terzu­mar­schie­ren? Die Mu­si­ker kom­men vor Hun­ger und Er­schöp­fung bald um. Und dann, wel­chen Weg soll­ten sie, ohne Füh­rer und in stock­fin­st­rer Nacht, ein­schla­gen?… Soll­ten sie viel­leicht ver­su­chen, ein an­de­res Dorf zu er­rei­chen?… Ja, wel­ches denn? Nach Aus­sa­ge des Kut­schers lag kein wei­te­res an der Küs­te. Voraus­sicht­lich ver­irr­ten sie sich da­bei nur noch mehr. Am rat­sams­ten er­schi­en es, den Tag ab­zu­war­ten. Und doch, ein hal­b­es Dut­zend Stun­den ohne Ob­dach hin­zu­brin­gen, un­ter ei­nem Him­mel, der sich mit di­cken Wol­ken über­zieht, die frü­her oder spä­ter mit ei­ner Sünd­flut dro­hen, das kann man doch nie­man­dem, auch nicht Künst­lern, zu­mu­ten.

Da kam Pin­chi­nat auf einen Ge­dan­ken. Sei­ne Ge­dan­ken sind zwar nicht im­mer die bes­ten, spru­deln aber mas­sen­haft in sei­nem Ge­hirn auf. Der jet­zi­ge hat­te sich üb­ri­gens der Zu­stim­mung des wei­sen Fras­co­lin zu er­freu­en.

»Ka­me­ra­den«, sag­te er, »warum soll­te das Mit­tel, das ge­gen einen wil­den Bä­ren von Er­folg war, nicht auch ge­gen­über ei­nem ka­li­for­ni­schen Dor­fe er­folg­reich sein? Wir ha­ben je­nen Plan­ti­gra­den durch ein biss­chen Mu­sik ge­zähmt … er­we­cken wir nun das Land­volk hier durch ein lär­men­des Kon­zert, wo­bei wir’s an ei­nem For­te und ei­nem Al­le­gro nicht feh­len las­sen …«

»Das wäre des Ver­suchs wert«, mein­te Fras­co­lin.

Sé­bas­ti­en Zorn hat Pin­chi­nat nicht ein­mal sei­ne Wor­te vollen­den las­sen, son­dern be­reits das Vio­lon­cell aus dem Kas­ten ge­holt, es auf der ei­ser­nen Spit­ze auf­ge­rich­tet vor sich hin­ge­stellt, und steht, da er kei­nen Sitz zur Ver­fü­gung hat, mit dem Bo­gen in der Hand schon be­reit, des­sen klin­gen­dem Bau­che alle dar­in auf­ge­spei­cher­ten Töne zu ent­lo­cken.

Fast gleich­zei­tig sind sei­ne Ka­me­ra­den fer­tig, sei­nem Bei­spie­le, wo­hin es sei, zu fol­gen.

»Das H-moll-Quar­tett von Onslow«, ruft er. »An­fan­gen! Ein paar Tak­te um­sonst!«

Die­ses Quar­tett von Onslow kann­ten sie aus­wen­dig, und ge­üb­te Streich­mu­si­kan­ten brauch­ten ge­wiss auch kei­ne Be­leuch­tung dazu, ihre ge­schick­ten Fin­ger über das Griff­brett ei­nes Vio­lon­cells, zwei­er Vio­li­nen und ei­ner Brat­sche glei­ten zu las­sen.

So fol­gen sie denn alle ih­rer künst­le­ri­schen Ein­ge­bung. Noch nie ha­ben sie wohl in den Ka­si­nos oder auf den Büh­nen des ame­ri­ka­ni­schen Bun­des­staa­tes mit mehr Ta­lent und In­nig­keit ge­spielt. Da er­tönt eine wahr­haft himm­li­sche Har­mo­nie, der mensch­li­che We­sen, wenn sie nicht ge­ra­de mit Taub­heit ge­schla­gen sind, un­mög­lich wi­der­ste­hen kön­nen. Ja, be­fan­den sie sich auch, wie Yver­nes ver­mu­te­te, auf ei­nem Kirch­hof, so hät­ten sich die Grä­ber öff­nen, die To­ten auf­rich­ten müs­sen, und die Ske­let­te hät­ten ge­wiss die Hän­de zu­sam­men­ge­schla­gen …

Und den­noch blei­ben die Häu­ser ge­schlos­sen, die Schlä­fer er­wa­chen auch jetzt nicht. Das Mu­sik­stück en­digt mit den Pracht­sät­zen sei­nes mäch­ti­gen Fina­le, ohne dass Fre­schal ein Le­bens­zei­chen von sich gibt.

»Da sitzt doch der Teu­fel drin!« pol­ter­te Sé­bas­ti­en Zorn auf dem Gip­fel der Wut her­vor. »Be­darf es denn für die Ohren die­ser Wil­den ei­nes Cha­ri­va­ri, wie für den Bä­ren?… Auch gut, wir fan­gen noch ein­mal von vor­ne an, doch du, Yver­nes spielst in D-, du, Fras­co­lin in E- und Pin­chi­nat in G-dur. Ich selbst blei­be in H-moll, und nun aus Lei­bes­kräf­ten los!«

Das gab aber einen Miss­klang zum Trom­mel­fell­zer­spren­gen! Es er­in­ner­te an das im­pro­vi­sier­te Or­che­s­ter, das der Prinz von Join­ville der­einst in ei­nem un­be­kann­ten Dor­fe des bra­si­lia­ni­schen Ge­bie­tes di­ri­gier­te. Es klang, als ob man auf »Es­sig­kan­nen« eine ent­setz­li­che Sym­pho­nie mit ver­kehr­tem Bo­gen­strich exe­ku­tiert hät­te.

Pin­chi­nats Ge­dan­ke er­wies sich üb­ri­gens als vor­treff­lich. Was ein ganz aus­ge­zeich­ne­ter mu­si­ka­li­scher Vor­trag nicht er­ziel­te, das er­zielt die­ses gräu­li­che Durchein­an­der. Fre­schal fängt an auf­zu­wa­chen. Da und dort er­hel­len sich die Fens­ter. Die Be­woh­ner des Dor­fes sind also nicht tot, da sie jetzt Le­bens­zei­chen ver­ra­ten. Sie sind auch nicht taub, da sie hö­ren und lau­schen.

»Die Leu­te wer­den uns mit Äp­feln bom­bar­die­ren«, sagt Pin­chi­nat wäh­rend ei­ner Pau­se, denn trotz man­geln­dem Ein­klang des Ton­stücks ist des­sen Takt doch ein­ge­hal­ten wor­den.

»O, de­sto bes­ser; dann es­sen wir sie«, ant­wor­tet der prak­ti­sche Fras­co­lin.

Und auf Kom­man­do Sé­bas­ti­en Zorns be­ginnt das ka­ko­pho­ni­sche Kon­zert von Neu­em. Nach Been­di­gung des­sel­ben mit ei­nem mäch­ten »Dis«-Ak­kord in vier ver­schie­de­nen Ton­la­gen hal­ten die Mu­si­ker ein.

Das kakophonische Konzert

Nein, mit Äp­feln wirft hier kei­ner aus den zwan­zig oder drei­ßig ge­öff­ne­ten Fens­tern, son­dern lau­te Bei­falls­be­zeu­gun­gen, kräf­ti­ge Hur­ras und scharf­tö­nen­de Hips schal­len dar­aus her­vor. Die fre­scha­li­schen Ohren ha­ben sich je­den­falls noch nie­mals ei­nes sol­chen mu­si­ka­li­schen Hoch­ge­nus­ses er­freut, und es un­ter­liegt kei­nem Zwei­fel, dass jetzt je­des Haus wil­lig ist, so un­ver­gleich­li­che Vir­tuo­sen gast­lich auf­zu­neh­men.

Doch wäh­rend die­se sich ih­rer mu­si­ka­li­schen Ver­zückung völ­lig hin­ga­ben, ist ein Zuschau­er und Zu­hö­rer, ohne dass sie sei­ne An­nä­he­rung be­merk­ten, bis auf we­ni­ge Schrit­te her­an­ge­tre­ten. Die­se aus ei­ner Art elek­tri­schen Krem­sers aus­ge­stie­ge­ne Per­sön­lich­keit war­tet an ei­ner Ecke des Plat­zes. Es ist ein hoch­ge­wach­se­ner wohl­be­leib­ter Mann, so­weit das bei der Dun­kel­heit zu er­ken­nen war.

Wäh­rend sich dann un­se­re Pa­ri­ser Kin­der noch fra­gen, ob sich nach den Fens­tern auch die Tü­ren der Häu­ser öff­nen wer­den, um sie auf­zu­neh­men – was min­des­tens noch un­ge­wiss ist –, nä­hert sich der neue An­kömm­ling noch wei­ter und spricht in lie­bens­wür­digs­tem Tone und im reins­ten Fran­zö­sisch:

»Ich bin Kunst­lieb­ha­ber, mei­ne Her­ren, und eben jetzt so glück­lich ge­we­sen, Ih­nen Bei­fall zol­len zu dür­fen.«

»Wäh­rend un­se­res letz­ten Mu­sik­stücks?« er­wi­dert Pin­chi­nat iro­nisch.

»Nein, mei­ne Her­ren, wäh­rend des ers­ten; ich habe das Quar­tett von Onslow sel­ten in so vollen­de­ter Wei­se spie­len hö­ren.«

Der Mann ist of­fen­bar ein Ken­ner.

»Mein Herr«, ant­wor­tet ihm Pin­chi­nat im Na­men sei­ner Ge­fähr­ten, »wir sind Ih­nen für Ihre Aner­ken­nung sehr ver­bun­den. Hat un­se­re zwei­te Num­mer Ihre Ohren zer­ris­sen, so kommt das da­her …«

»Mein Herr«, fällt ihm der Un­be­kann­te ins Wort und schnei­det da­mit einen Satz ab, der je­den­falls sehr lang ge­wor­den wäre, »ich habe nie­mals mit glei­cher Vollen­dung so falsch spie­len hö­ren. Ich durch­schaue es aber, wes­halb Sie zu die­sem Aus­we­ge grif­fen: Sie woll­ten die wa­cke­ren Be­woh­ner von Fre­schal, die schon im tiefs­ten Schla­fe lie­gen, auf­we­cken. Nun, mei­ne Her­ren, ge­stat­ten Sie mir, Ih­nen das an­zu­bie­ten, was Sie mit je­nem selt­sa­men Mit­tel er­streb­ten …«

»Gast­li­che Auf­nah­me?« fragt Fras­co­lin.

»Ge­wiss, eine ul­tra­schot­ti­sche Gast­freund­schaft. Irre ich mich nicht, so steht vor mir das Kon­zert-Quar­tett, das in un­se­rem herr­li­chen Ame­ri­ka über­all be­rühmt ist, und ge­gen das letz­te­res mit sei­nem En­thu­si­as­mus nicht ge­geizt hat …«

»Ver­ehr­ter Herr«, glaubt Fras­co­lin hier ein­flech­ten zu müs­sen, »wir füh­len uns aufs höchs­te ge­schmei­chelt. Doch … die gast­li­che Auf­nah­me … wo könn­ten wir die durch Ihre Güte fin­den?«

»Zwei Mei­len von hier.«

»In ei­nem an­de­ren Dor­fe?«

»Nein … Nein, in ei­ner Stadt.«

»Ei­ner be­deu­ten­de­ren Stadt?…«

»Ge­wiss.«

»Er­lau­ben Sie, man hat uns ge­sagt, dass hier und vor San Die­go kei­ne Stadt lie­ge …«

»Ein Irr­tum … wirk­lich ein Irr­tum, den ich nicht zu er­klä­ren ver­mag.«

»Ein Irr­tum?…« wie­der­holt Fras­co­lin.

»Ja, mei­ne Her­ren, und wenn Sie mir nur fol­gen wol­len, ver­spre­che ich Ih­nen einen Empfang, wie er sich für solch her­vor­ra­gen­de Künst­ler ge­bührt.«

»Ich den­ke, das er­schie­ne an­nehm­bar«, ließ sich Yver­nes ver­neh­men.

»Ganz mei­ne An­sicht«, be­stä­tigt Pin­chi­nat.

»Halt, halt … noch einen Au­gen­blick«, ruft Pin­chi­nat; »nie­mals schnel­ler als der Lei­ter des Or­che­s­ters.«

»Das be­deu­tet?«… fragt der Ame­ri­ka­ner.

»Dass wir in San Die­go er­war­tet wer­den«, ant­wor­tet Fras­co­lin.

»In San Die­go«, fügt der Vio­lon­cel­list hin­zu, »wo die Stadt uns zu ei­ner Rei­he von mu­si­ka­li­schen Ma­tinées en­ga­giert hat, de­ren ers­te be­reits über­mor­gen Sonn­tag statt­fin­den soll.«

»Ah so!« ver­setzt der Frem­de mit dem Aus­druck der Ent­täu­schung.

Gleich dar­auf er­greift er je­doch wie­der das Wort:

»Nun, das tut nichts, mei­ne Her­ren«, setzt er hin­zu. »Bin­nen ei­nes Ta­ges wer­den Sie Zeit ge­nug ha­ben, eine Stadt zu se­hen, die des Be­su­ches wert ist, und ich ver­pflich­te mich, Sie bis zur nächs­ten Sta­ti­on zu­rück­zu­be­för­dern, so­dass Sie am Sonn­tag in San Die­go sein kön­nen.«

In der Tat, das Aner­bie­ten ist eben­so ver­füh­re­risch, wie un­ter den ge­ge­be­nen Um­stän­den will­kom­men. Das Quar­tett kann si­cher sein, in ei­nem gu­ten Ho­tel ein treff­li­ches Zim­mer zu fin­den, ohne von den wei­te­ren Vor­tei­len zu re­den, die sie von und durch die­sen zu­vor­kom­men­den Herrn er­war­ten dür­fen.

»Neh­men Sie mei­nen Vor­schlag an, mei­ne Her­ren?«

»Mit Ver­gnü­gen«, ver­si­chert jetzt Sé­bas­ti­en Zorn, den der Hun­ger und die Er­mü­dung be­stim­men, eine der­ar­ti­ge Ein­la­dung nicht ab­zu­wei­sen.

»Also ab­ge­macht!« er­wi­dert der Ame­ri­ka­ner. »Wir bre­chen so­fort auf, sind bin­nen zwan­zig Mi­nu­ten am Zie­le, und ich weiß, dass Sie mir da­für Dank wis­sen wer­den.«

Selbst­ver­ständ­lich hat­ten sich nach den Hur­ras, die der exe­ku­tier­ten Kat­zen­mu­sik folg­ten, die Fens­ter der Häu­ser so­gleich wie­der ge­schlos­sen. Die Lich­ter er­lo­schen und Fre­schal ver­fiel aufs neue in tie­fen Schlaf.

Von dem Ame­ri­ka­ner ge­führt, be­ge­ben sich die Mu­si­ker nach dem Krem­ser, brin­gen dar­auf ihre In­stru­men­te un­ter und neh­men im hin­te­ren Tei­le des Ge­fähr­tes Platz, wäh­rend sich ihr freund­li­che Füh­rer ganz vorn­hin ne­ben den Mecha­ni­ker setzt. Dann wird ein He­bel um­ge­legt, die elek­tri­schen Ak­ku­mu­la­to­ren tre­ten in Wir­kung, der Wa­gen rückt von der Stel­le und kommt sehr bald in ra­sche Be­we­gung nach Wes­ten hin­aus.

Nach ei­ner Vier­tel­stun­de leuch­tet ein aus­ge­brei­te­ter weiß­li­cher Schein auf, ein die Au­gen blen­den­des Durchein­an­der von leuch­ten­den Strah­len. Da liegt also eine Stadt, von de­ren Vor­han­den­sein un­se­re Pa­ri­ser gar kei­ne Ah­nung hat­ten.

Der Krem­ser hält an und Fras­co­lin sagt:

»Aha, da wä­ren wir ja an der Küs­te.«

»An der Küs­te … nein«, ent­geg­net der Ame­ri­ka­ner. »Das ist ein Strom, den wir zu über­schrei­ten ha­ben.«

»Doch auf wel­che Wei­se?« fragt Pin­chi­nat.

»Mit­tels der Fäh­re hier, die gleich un­se­ren Wa­gen auf­nimmt.«

In der Tat liegt vor ih­nen ei­nes der in den Ve­rei­nig­ten Staa­ten so häu­fi­gen Fer­ry-boats, auf das der Wa­gen samt In­sas­sen hin­über­rollt. Ohne Zwei­fel wird die­ses Fer­ry-boat durch Elek­tri­zi­tät an­ge­trie­ben, denn es stößt kei­nen Dampf aus, und schon zwei Mi­nu­ten spä­ter legt es nach Über­schrei­tung des Was­sers an der Kai­mau­er ei­nes Bass­ins im Hin­ter­grun­de ei­nes Ha­fens an.

Der Krem­ser rollt nun durch über Land füh­ren­de Al­leen wei­ter und dringt in eine Park­an­la­ge ein, über die hoch oben an­ge­brach­te elek­tri­sche Lam­pen hel­les Licht aus­gie­ßen.

Am Git­ter die­ses Parks öff­net sich ein Tor, der Zu­gang zu ei­ner brei­ten und lan­gen, mit tö­nen­den Plat­ten be­leg­ten Stra­ße. Fünf Mi­nu­ten spä­ter stei­gen un­se­re Künst­ler am Vor­bau ei­nes ele­gan­ten Ho­tels aus, wo sie auf ein Wort des Ame­ri­ka­ners hin mit viel­ver­spre­chen­der Zu­vor­kom­men­heit emp­fan­gen wer­den. Man ge­lei­tet sie so­fort nach ei­ner lu­xu­ri­ös aus­ge­stat­te­ten Ta­fel, und sie neh­men – wie sich wohl vor­aus­set­zen lässt, mit bes­tem Ap­pe­tit – ein reich­li­ches Abendes­sen ein.

Nach Been­di­gung des­sel­ben führt sie der Ober­kell­ner nach ei­nem sehr ge­räu­mi­gen Zim­mer mit meh­re­ren Glühlam­pen, die durch nie­der­zu­las­sen­de Schir­me in mild leuch­ten­de Nacht­lam­pen ver­wan­delt wer­den kön­nen. Die Er­klä­rung al­ler die­ser Wun­der von dem kom­men­den Mor­gen er­war­tend, schlum­mern sie end­lich in den die vier Zim­me­r­e­cken ein­neh­men­den be­que­men Bet­ten ein und schnar­chen mit der au­ßer­ge­wöhn­li­chen Über­ein­stim­mung, der das Kon­zert-Quar­tett sei­nen künst­le­ri­schen Ruhm ver­dankt.

Fi­gur in der grie­chi­schen My­tho­lo­gie, der schö­ne und ewig ju­gend­li­che Lieb­ha­ber der Mond­göt­tin Se­le­ne  <<<

Ge­stalt aus Schil­lers „Räu­bern“  <<<

Soh­len­gän­ger, Land­wir­bel­tie­re, die bei der Fort­be­we­gung die ge­sam­te Fuß­soh­le auf­set­zen, Bsp: Bä­ren oder Men­schen­af­fen  <<<

Das Mot­to des Dart­mouth Col­le­ge ist „Vox Cla­man­tis in De­ser­to" („Ei­ne Stim­me ruft in der Wüs­te") Sinn­ge­mäß: Ein (ein­sa­mer) Ru­fer in der Wüs­te.  <<<

Drittes Kapitel – Ein redseliger Cicerone

Am frü­hen Mor­gen, ge­gen sie­ben Uhr, er­schal­len nach täu­schen­der Nach­ah­mung des To­nes ei­ner Trom­pe­te – gleich dem ers­ten Si­gnal bei der Re­veil­le ei­nes Re­gi­ments – im ge­mein­schaft­li­chen Zim­mer fol­gen­de Wor­te oder rich­ti­ger Rufe:

»Al­lons! … Hopp! … Auf die Füße … und in zwei Tem­pos!« … wo­mit Pin­chi­nat den jun­gen Tag ein­lei­tet.

Yver­nes, das be­quems­te Mit­glied des Quar­tetts, hät­te ge­wiss drei, oder noch lie­ber vier, Tem­pos vor­ge­zo­gen, um sich aus den mol­li­gen Hül­len des Bet­tes zu schä­len. Doch auch er muss dem Bei­spie­le sei­ner Ka­me­ra­den fol­gen und die ho­ri­zon­ta­le Lage ge­gen die ver­ti­ka­le Hal­tung ver­tau­schen.

»Wir ha­ben kei­ne ein­zi­ge Mi­nu­te zu ver­lie­ren!« be­merkt Sei­ne Ho­heit.

»Frei­lich«, schließt Sé­bas­ti­en Zorn sich ihm an, »denn mor­gen müs­sen wir un­be­dingt in San Die­go sein.«

»Schon recht«, er­wi­dert Yver­nes, »ein hal­ber Tag wird ja aus­rei­chen, die Stadt un­se­res lie­bens­wür­di­gen Ame­ri­ka­ners zu be­su­chen.«

»Was mich ver­wun­dert«, lässt sich Fras­co­lin ver­neh­men, »ist, dass über­haupt eine so be­deu­ten­de Stadt in der Nähe von Fre­schal liegt! … Wie moch­te es nur kom­men, dass un­ser Kut­scher da­von kein Ster­bens­wört­chen ge­sagt hat?«

»Die Haupt­sa­che bleibt doch, dass wir hier sind, al­ter G-Schlüs­sel«, be­merkt Pin­chi­nat.

Durch zwei große Fens­ter dringt reich­li­ches Licht ins Zim­mer, das auf etwa eine Mei­le Län­ge Aus­sicht nach ei­ner schö­nen, mit dop­pel­ter Baum­rei­he ge­schmück­ten Stra­ße bie­tet.

Die vier Freun­de be­gin­nen nun in ei­nem be­hag­li­chen Ne­ben­rau­me ihre Toi­let­te, üb­ri­gens eine kur­ze und leich­te Ar­beit, denn al­les ist hier nach den neues­ten Ver­bes­se­run­gen ein­ge­rich­tet: Dreh­häh­ne für war­mes und kal­tes Was­ser zur be­lie­bi­gen Mi­schung, Wasch­ge­schir­re, die sich durch Ach­sen­dre­hung selbst­tä­tig ent­lee­ren, Fuß- und Hand­wär­mer, Zer­stäu­ber mit wohl­rie­chen­den Flüs­sig­kei­ten, die nach Be­lie­ben in Funk­ti­on tre­ten, durch den elek­tri­schen Strom be­weg­te Ven­ti­la­to­ren, me­cha­nisch be­weg­te Bürs­ten, so­dass man an die einen nur den Kopf, an die an­de­ren die Klei­dung oder die Stie­fel zu hal­ten braucht, um ers­te­re ge­rei­nigt, letz­te­re blank­ge­wischt zu be­kom­men.

Des wei­te­ren, ohne die elek­tri­sche Uhr und die elek­tri­schen Öl­fläsch­chen, die sich durch einen Fin­ger­druck nach Be­darf er­gie­ßen, zu rech­nen, set­zen Klin­gel­tas­ten oder Te­le­fo­ne die ver­schie­de­nen Tei­le der gan­zen An­la­ge mit dem Zim­mer in so­for­ti­ge Ver­bin­dung.

Und Sé­bas­ti­en Zorn nebst sei­nen Ka­me­ra­den kann von hier aus nicht al­lein mit dem Ho­tel spre­chen, son­dern auch mit den ver­schie­de­nen Tei­len der Stadt, ja viel­leicht gar – das ist we­nigs­tens Pin­chi­nats An­sicht – mit je­der be­lie­bi­gen Stadt der Ve­rei­nig­ten Staa­ten.

»Wenn nicht der bei­den Wel­ten«, setzt Yver­nes hin­zu.

In der Er­war­tung, sich hier­von noch spä­ter zu über­zeu­gen, lässt sich zwei Mi­nu­ten nach drei Vier­tel acht Uhr in eng­li­scher Spra­che fol­gen­de te­le­fo­ni­sche Mit­tei­lung ver­neh­men:

»Ca­lis­tus Mun­bar ent­bie­tet sei­nen Gu­ten Mor­gen al­len ver­ehr­li­chen Mit­glie­dern des Kon­zert-Quar­tetts und er­sucht sie, so­bald sie dazu fer­tig sind, her­un­ter zu kom­men, um im Di­ning-room des Ex­zel­si­or-Ho­tels das ers­te Früh­stück ein­zu­neh­men.«

»Ex­zel­si­or-Ho­tel!« rief Yver­nes. »Der Name die­ser Ka­ra­wan­se­rei1 klingt viel­ver­spre­chend!«

»Ca­lis­tus Mun­bar, das ist un­ser so un­ge­mein zu­vor­kom­men­der Ame­ri­ka­ner«, be­merkt Pin­chi­nat, »und der Name ist groß­ar­tig!«

»Lie­be Freun­de«, ruft der Vio­lon­cel­list, des­sen Ma­gen eben­so selbst­wil­lig ist wie sein Ei­gen­tü­mer, »da der Mor­ge­nim­biss auf­ge­tra­gen ist, wol­len wir früh­stücken, und nach­her …«

»Nach­her … spa­zie­ren wir durch die Stadt«, fällt Fras­co­lin ein. »Doch wel­che Stdt in al­ler Welt kann das sein?«

Nach­dem un­se­re Pa­ri­ser ihre Mor­gen­toi­let­te so ziem­lich vollen­det ha­ben, ant­wor­tet Pin­chi­nat te­le­fo­nisch, dass sie sich bin­nen fünf Mi­nu­ten die Ehre ge­ben wer­den, Herrn Ca­lis­tus Mun­bars Ein­la­dung nach­zu­kom­men.

Bald dar­auf be­ge­ben sie sich nach dem Per­so­nen­auf­zug, der sich so­fort in Be­we­gung setzt und sie in die mo­nu­men­ta­le Vor­hal­le des Ho­tels hin­un­ter­be­för­dert. An der Rück­sei­te des Flurs liegt die Tür nach dem Di­nin­groom, ei­nem großen, in rei­chem Gold­schmuck er­glän­zen­den Saa­le.

»Ganz zu Ihren Diens­ten, mei­ne Her­ren, ganz zu Ihrem Be­fehl!«