Die Raben – Boten des Unheils - Scarlet Wilson - E-Book

Die Raben – Boten des Unheils E-Book

Scarlet Wilson

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Beschreibung

Es ist der ganz besondere Liebesroman, der unter die Haut geht. Alles ist zugleich so unheimlich und so romantisch wie nirgendwo sonst. Werwölfe, Geisterladies, Spukschlösser, Hexen, Vampire und andere unfassbare Gestalten und Erscheinungen ziehen uns wie magisch in ihren Bann. Moonlight Romance bietet wohlige Schaudergefühle mit Gänsehauteffekt, geeignet, begeisternd für alle, deren Herz für Spannung, Spuk und Liebe schlägt. Immer wieder stellt sich die bange Frage: Gibt es für diese Phänomene eine natürliche Erklärung? Oder haben wir es wirklich mit Geistern und Gespenstern zu tun? Die Antworten darauf sind von Roman zu Roman unterschiedlich, manchmal auch mehrdeutig. Eben das macht die Lektüre so fantastisch... Irgendwann in der Nacht schreckte Rose aus ihrem festen Tablettenschlaf auf. Sie hörte, wie eine Frauenstimme laut nach Max rief. Immer wieder und voller Inbrunst und Sehnsucht. Dann erkannte sie die Stimme – es war ihre Mutter, die nach dem geliebten Gatten rief. Aber sie war doch tot – kam der Schrei etwa aus dem Jenseits? Rose erschrak. Sie öffnete ihren Mund. Kein Laut entwich ihm. Sie versuchte aufzustehen, doch die Glieder waren bleischwer und gehorchten ihr nicht. Da war sie wieder, diese sehnsuchtsvolle Stimme: »Max, Max, mein Liebling! Ich vermisse dich!« Rose lauschte stumm in die Dunkelheit hinein. Die Schreie wiederholten sich. Sie wurden immer eindringlicher und kamen näher. Ein Zittern hatte ihren ganzen Körper erfasst. Ihre Mutter war tot, also konnte es nur ein Geist sein. Wie sah sie wohl aus? Die düsteren Gewitterwolken kamen langsam näher und näher und begannen, die sommerliche Landschaft Cornwalls um die beiden jungen Menschen herum immer stärker einzutrüben. Von weitem war bereits ein kräftiges Donnergrollen zu hören. Grelle Blitze zuckten sekundenlang am fernen Horizont auf, verschwanden, kamen aber genauso schnell wieder, wie sie enteilt waren.

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Moonlight Romance – 27 –

Die Raben – Boten des Unheils

Die schöne Rose zweifelt an ihrem Verstand

Scarlet Wilson

Irgendwann in der Nacht schreckte Rose aus ihrem festen Tablettenschlaf auf. Sie hörte, wie eine Frauenstimme laut nach Max rief. Immer wieder und voller Inbrunst und Sehnsucht. Dann erkannte sie die Stimme – es war ihre Mutter, die nach dem geliebten Gatten rief. Aber sie war doch tot – kam der Schrei etwa aus dem Jenseits? Rose erschrak. Sie öffnete ihren Mund. Kein Laut entwich ihm. Sie versuchte aufzustehen, doch die Glieder waren bleischwer und gehorchten ihr nicht. Da war sie wieder, diese sehnsuchtsvolle Stimme: »Max, Max, mein Liebling! Ich vermisse dich!« Rose lauschte stumm in die Dunkelheit hinein. Die Schreie wiederholten sich. Sie wurden immer eindringlicher und kamen näher. Ein Zittern hatte ihren ganzen Körper erfasst. Ihre Mutter war tot, also konnte es nur ein Geist sein. Wie sah sie wohl aus? Lichtdurchflutet oder …

Die düsteren Gewitterwolken kamen langsam näher und näher und begannen, die sommerliche Landschaft Cornwalls um die beiden jungen Menschen herum immer stärker einzutrüben. Von weitem war bereits ein kräftiges Donnergrollen zu hören. Grelle Blitze zuckten sekundenlang am fernen Horizont auf, verschwanden, kamen aber genauso schnell wieder, wie sie enteilt waren. Plötzlich ließ sich ein Rabe laut krächzend auf einem der Äste des alten Baumes nieder, unter dem die beiden Verliebten gerade standen, um sich das Spektakel aus der Ferne anzusehen. Seine dunklen Schwingen hätten dabei fast ihre Köpfe gestreift.

Rose Summer war erschrocken zusammengezuckt und klammerte sich ängstlich an ihren Verlobten Tom Welling. Dieser legte beschützend seinen linken Arm um ihre schmalen Schultern.

»Keine Angst, Liebling, ich bin doch bei dir«, sagte er und strich ihr die blonden Locken aus dem Gesicht zurück. Dann küsste er sie sanft auf die Wange, die von einem Augenblick zum anderen kreidebleich und kalt war.

»Tom, der Volksmund sagt zwar Raben sollen kluge Vögel sein, aber auch, dass sie ein drohendes Unheil ankündigen.« In Roses großen, violetten Augen standen plötzlich Tränen, als würde sie eher an die zweite Version glauben.

»Aber Rose, du gibst doch nichts auf so ein dummes Gerede!« Tom Welling, ein erfolgreicher Jurist mit eigener Kanzlei in London lachte. Ihm war jede Form von Aberglauben fremd. Für ihn zählten allein Fakten und Beweise und die gab es in diesem Fall nicht.

»Und wenn es nun doch stimmt«, erwiderte Rose kleinlaut.

»Nein!« Ihr Verlobter schüttelte vehement den Kopf und klatschte in die Hände. Der Rabe flog davon.

»Siehst du, ich habe den Spuk vertrieben«, sagte er lachend. Doch Rose schien sich noch immer nicht beruhigt zu sein.

»Als Kind habe ich mich vor jedem Gewitter gefürchtet, auch wenn es noch so weit entfernt war. Am liebsten habe ich mich dann in einen abgedunkelten Raum verkrochen und dort das Unwetter abgewartet. Und zugegeben, schon damals hatte ich ebenfalls Angst vor großen schwarzen Vögeln. Ach ja und die Stunde um Mitternacht, wenn böse Geister und Dämonen ihr Spiel mit den Menschen treiben«, fuhr die Frau mit tot ernster Miene fort.

»Und heute, mein Liebling?«, erkundigte sich Tom und konnte ein leicht überlegenes Lächeln kaum noch unterdrücken.

»Heute bin ich erwachsen und mutig fügte sie hinzu:»An Geister und Vampire glaube ich natürlich schon lange nicht mehr. Aber die Furcht vor Blitz und Donner sind geblieben, und vor großen schwarzen Vögeln ebenfalls. So sehr ich mich auch dagegen wehre, es hilft nichts! Wir sollten wirklich schnell umkehren und uns vor dem herannahenden Gewitter ins Haus flüchten. Außerdem wird sich meine Mutter und Max bestimmt Sorgen machen, wenn wir nicht pünktlich zu Tisch erscheinen.« Sie sah ängstlich auf die goldene Uhr mit den Diamanten an ihrem Handgelenk. Ein kostbares Geschenk ihres verstorbenen Vaters zum letzten Geburtstag, den sie gemeinsam gefeiert hatten.

Tom nahm ihr Gesicht zärtlich in beide Hände und lächelte: »Rose, du siehst bezaubernd aus, wenn du dich wie gerade jetzt so sehr ereiferst, sich deine Wangen rot färben und deine Augen glänzen«, sagte der junge Anwalt und nahm seine Verlobte zärtlich in die Arme. Doch Rose befreite sich mit sanfter Gewalt daraus.

»Du nimmst mich wohl gar nicht ernst, Tom Welling, nur weil du acht Jahre älter bist als ich, einen Doktortitel erworben hast und im Beruf wesentlich erfolgreicher bist als ich«, protestierte sie.

»Das stimmt doch gar nicht! Soll ich all die Dinge aufzählen, die du mir voraus hast? Zum Beispiel bist du viel schöner und reicher als ich, kleidest dich geschmackvoller ...«

»Aufhören, aufhören, unterbrach Rose den Mann an ihrer Seite lächelnd. »Das stimmt doch alles gar nicht!«

»Doch, jedes Wort entspricht der Wahrheit. Zum Beispiel das schichte weiße Kleid, das du gerade trägst, es sieht so elegant an dir aus, schicker als mein bester Anzug. Du könntest damit zum Ball gehen und alle Männer würden dich anstarren.«

»Unsinn!«, widersprach Rose ihrem Verlobten, fühlte sich aber trotzdem geschmeichelt.

»Ich denke, das Gewitter wird weiterziehen, ohne uns ernstlich zu behelligen. Dein Rabe hat auch schon vor uns Reißaus genommen, weil er Angst vor uns hatte. – Liebling, du zitterst ja! Komm, so beruhige dich doch! Wenn ich an deiner Seite bin, brauchst du vor niemandem Angst zu haben. Wir kehren wir jetzt auf der Stelle um.« Zärtlich zog er ihre schmale Gestalt an sich und küsste sie auf die Wange. Und dann hatte Rose große Mühe, mit ihm Schritt zu halten.

»Weißt du eigentlich, dass ich mich bei unserem Kennenlernen zuerst in deine violetten Veilchenaugen verliebt habe?«, fragte er nach einer Weile und seine Stimme klang einschmeichelnd und sanft.

Rose sah ihn überrascht an.

»Dann hättest du mich aber damals auf dem Tennisplatz wenigstens einmal gewinnen lassen können. Stattdessen hast du jede meiner Schwächen gnadenlos ausgenutzt und eiskalt gegen mich mit deiner starken Vorhand gepunktet!«, erwiderte Rose energisch.

»Wie hätte ich dir denn sonst imponieren sollen, ich meine nachhaltig? Ich bin weder von Adel, noch ein Schönling und so vermögend wie deine Eltern bin ich auch nicht. Ein Wunder, dass du dich überhaupt in mich verliebt hast.«

Die Frau blieb stehen und sah ihn einen Augenblick lang fast triumphierend an. »Tja, zuweilen frage ich mich auch, ob ich mich da nicht geirrt habe könnte«, scherzte sie und gab ihm einen Kuss auf die Nasenspitze.

»Aha, deshalb hast du mich vorhin auch so zweifelnd angesehen«, sagte der Mann und unterdrückte noch in letzter Minute ein Grinsen.

»Nein, das du das bemerkt hast! Du bist ja ein richtiger Frauenversteher”, erwiderte Rose schmunzelnd und fuhr fort:

»Helden haben zwar etwas Faszinierendes an sich, aber Verlierer können so anrührend hilflos sein, dass man sie einfach trösten muss.«

»Aha, dann warst du wohl deshalb damals in diesen unsportlichen jungen Mann von Adel verliebt?«, erkundigte sich der Mann mit hochgezogenen Stirnfalten.

»Ich war nicht in ihn verliebt, er hat mir einfach nur leidgetan, weil er ein hoffnungsloser Verlierer war und nie gegen dich und deinen Freund Gorden gewinnen konnte«, widersprach Rose ihrem Verlobten energisch. »Und außerdem ist dieser David der Bruder meiner besten Freundin Judith und unserer nächster Nachbar.«

»Dann hast du also nur deshalb mit ihm so oft im Clubhaus zusammengesessen?«, erkundigte sich Tom, dem dieser junge Mann noch gut in Erinnerung war.

»Zugegeben ja! Aber es hatte noch einen anderen Grund, ich wollte dich einfach ein bisschen eifersüchtig machen.« Rose kicherte belustigt wie ein Schulmädchen.

»Das ist dir damals hervorragend gelungen!« Tom beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie. Ihre Lippen waren weich und voll und ließen ihn etwas von ihrer Sinnlichkeit spüren, die ihn vom ersten Kuss an berauscht und süchtig nach mehr gemacht hatte.

»Außerdem gibt es da, außer dass du brillant Tennis und Polo spielen kannst, noch ein paar weitere Pluspunkte«, flüsterte Rose, als sie wieder Luft bekommen konnte.

»Da bin ich aber gespannt!«

»Du bist zum Beispiel der verlässlichste und intelligenteste Jurist, den ich kenne. Das hat auch mein verstorbener Vater damals zu mir gesagt, als ich mich bei ihm nach dir erkundigte, nachdem ich entdeckt hatte, dass du in seiner Kanzlei arbeitest.Das war damals ein sehr großes Lob aus berufenem Mund«, fügte sie hinzu. Dann hielt sie einen Moment lang inne. »Außerdem bist du der zärtlichste und einfühlsamste Geliebte, den sich eine Frau vorstellen kann und ich bin unendlich glücklich mit dir. Tom, ich möchte, dass wir so schnell wie möglich heiraten. Am liebsten noch in diesem Jahr. Was meinst du dazu?«

»Rose, das ist ja wunderbar! Das wünsche ich mir auch, sehr sogar. Lass uns heute das Datum unserer Hochzeit nachher zusammen mit deiner Mutter Max festlegen,«, schlug Tom vor und dieses Mal klangen seine Worte fast feierlich.

Rose strich ihm liebevoll durch das dichte braune Haar. Sie liebte und bewunderte diesen Mann an ihrer Seite und konnte sich keinen besseren Ehemann wünschen. Vor zwei Jahren, als sie sich verlobten, hatten sie zwar beschlossen, es mit der Heirat nicht zu überstürzen, aber nun war sie völlig anderer Meinung. Sie liebten sich. Worauf sollten sie warten?

»Gern! Tom, ich liebe dich über alles, vergiss das bitte nie”! sagte sie plötzlich ernst und dabei standen Tränen der Rührung in ihren Augen.

Den feinen Nieselregen, den die beiden Liebenden bisher ignoriert hatten, lösten plötzlich dicke Regentropfen ab und dann schüttete es wie aus Eimern. Das Gewitter war unbemerkt doch nähergekommen und auf einmal zuckte ein Blitz hinter dem großen weißen Haus mit den kleinen Türmchen im Hintergrund auf und dann donnerte es gewaltig. Tom fasste nach der Hand seiner Verlobten und dann rannten sie so schnell sie konnten über den Rasen, als sei der Leibhaftige hinter ihnen.

Völlig außer Atem, hustend und keuchend erreichten sie die schützende Terrasse ihres Elternhauses. Hier waren sie wenigstens vor der Regenflut in Sicherheit.

»Schau mal«, sagte Rose und zeigte nach oben. »Von den Kletterrosen, die bis zu meinem Schlafzimmerfenster reichen, ist ein großer Zweig abgebrochen. Ich glaube, wir sollten gleich versuchen, ihn wieder ans Mauerwerk zu befestigen, bevor er abbricht und der ganze Rosenstock Schaden nimmt. Den Gärtner können wir heute Abend leider nicht mehr erreichen.«

»Gut, wenn du mir soviel handwerkliche Geschicklichkeit zutraust, werde ich es versuchen, bevor der Wind das offene Fenster dabei aus den Angeln hebt. Ich fürchte nur, wir haben nicht das notwendige Handwerkszeug dafür.«

»Dann müssen wir eben improvisieren. Zur Not nehmen wir einen meiner Gürtel, um den Zweig festzubinden «, schlug Rose vor.

»Da seid ihr ja endlich wohlbehalten zurück! Ich habe mir schon Sorgen gemacht, dass euch das Gewitter unterwegs überrascht«, rief in diesem Moment eine helle Frauenstimme vom Eingangsportal her.

»Aber Mutter, das musst du wirklich nicht!« Tom ist doch bei mir. Er passt auf mich auf, damit mir nichts passieren kann. Das hat er mir wenigstens hoch und heilig gelobt«, erwiderte Rose und lachte, als die zierliche grauhaarige Dame geschickt zur Seite wich, um ihrer stürmischen Umarmung im völlig durchnässten Kleid zu entgehen.

»Kind, wie siehst du denn aus!«, rief Alice Miller entsetzt. Das schöne weiße Seidenkleid ist so schmutzig, als wärest du noch ein Kind und hättest im Sandkasten gespielt.« Sie sah Rose kopfschüttelnt an. »Am besten ihr geht sofort nach oben und zieht euch um. Wir warten bereits mit dem Essen auf euch«, sagte Alice Miller und sah den beiden jungen Menschen mit einem wehmütigen Lächeln nach.

Glück ist so zerbrechlich, dachte die Frau im grauen Seidenkleid mit der wertvollen grauen Perlenkette um den schlanken Hals. Das Hochzeitsgeschenk ihres verstorbenen ersten Ehemanns, Roses Vater, der sie sehr in ihrer Ehe sehr verwöhnt hatte. Unwillkürlich musste sie dabei an die entsetzliche Eröffnung denken, die Max, ihr zweiter Ehemann, ihr gerade gemacht hatte. Sie konnte seine Aussage, dass sie so gut wie Pleite waren, einfach nicht fassen. Tapfer schluckte sie ein paar aufkommenden Tränen hinunter.

Passt gut auf euer Glück auf hätte sie den beiden jungen Menschen noch gern nachgerufen, bevor sie im Haus verschwanden. Doch das hätte Max im Esszimmer vielleicht mitbekommen und falsch gedeutet. Max, der Mann in den sie sich vor ziemlich kurz, nachdem sie Witwe geworden war, hoffnungslos verliebt. Sein Charme hatte sie damals völlig eingelullt. Er war fünfzehn Jahre jünger als sie, doch das hatte ihn nicht gestört, ihr den Hof zu machen. Er hatte das Temperament seiner französischen Mutter geerbt. Aber leider nicht die Besonnenheit seines britischen Vaters, dessen Vermögen er beinahe vollständig an der Börse verspekuliert hatte, anstatt es dort zu vermehren. Aber das konnte jedem passieren, der sich auf das Glatteis von Spekulationen bewegte, hatte er ihr erklärt und gesagt, dass ihm sein Vater das Geld geradezu aufgezwungen hatte. Warum sollte sie ihm das nicht glauben? Viele Leute aus ihrem alten Bekanntenkreis spielten an der Börse und oft hatte sie von hohen Gewinnen gehört, die dort erzielt worden waren. Ihr verstorbener Mann hielt nichts von Börsenspekulationen. Er war wohl einfach zu abgeklärt dazu, um sich auf das Abenteuer Börse einzulassen.

Max hatte inzwischen aus seinen Fehlern gelernt und ihr hoch und heilig beteuert, dass diese augenblicklichen finanziellen Schwierigkeiten nur von vorübergehender Natur waren. Deshalb hatte sie, wenn auch schweren Herzens, der Aufnahme einer größeren Hypothek auf ihr Anwesen zugestimmt. Nachdem sie ihm in den letzten Monaten schon ihr gesamtes Barvermögen anvertraut hatte. Hätte sie in den Großkredit nicht eingewilligt, um neues flüssiges Kapital zu erhalten, dann hätten sie die Gehälter für die Dienstboten und den aufwendigen Haushalt nicht zahlen können. Hauptsache, Rose und ihr Mann bekam von alledem nichts mit! Max hatte ihr fest versprochen, dass sie sich keine Sorgen machen musste. Ein alter Freund, dem er eine größere Summe Geld für Investitionen geliehen hatte, war mit der Rückzahlung an ihn in Verzug geraten. Sobald dieser durch den Verkauf einer teuren Immobilie wieder flüssig war, wollte er Max das Geld sofort zurückgeben und dann konnten sie die Hypothek wieder löschen lassen. Versprochen war versprochen. Eigentlich musste sie sich wirklich keine Sorgen machen. Aber da waren plötzliche diese leichten Zweifel, ob er ihr auch die Wahrheit sagte und die Schulden nicht einen ganz anderen Grund hatten.

Die elegante Frau mit der sorgfältig gefönten silbergrauen Kurzhaarfrisur und den großen rehbraunen Augen seufzte leicht. Nicht auszudenken, wenn Rose ihr Elternhaus durch Max Leichtsinn und ihrer Gutmütigkeit verlieren sollte, das schöne rosenumranktes Märchenschloss, wie sie es als Kind immer genannt hatte.

Doch sie liebte Max und vertraute ihm, schließlich war er ihr Gatte. Es gab bestimmt keinen Grund, sich ernstliche Sorgen zu machen. Alice Miller spürte plötzlich die Nässe und den Wind, die von draußen in das Haus drangen, wich zurück, schloss die Tür und sperrte das Gewitter aus.

»Alles wird gut werden«, murmelte sie leise bevor sie die hochherrschaftliche Diele durchschritt und das Esszimmer im Westflügel des Hauses betrat, wo Max schon auf sie wartete.

Sie sah, dass er ein volles Glas Gin vor sich stehen hatte und es bei ihrem Eintreten schnell in einem Zug leerte. An seinem roten Gesicht merkte sie, dass es nicht das erste Glas war, das er getrunken hatte.

»Alice, wo bleibst du nur?«, fragte er ärgerlich, als seine Gattin neben ihm am Tisch Platz genommen hatte. »Wenn deine Tochter und ihr Verlobter, den ich bei Gott nicht gerade schätze, keine Manieren haben, dann ist das eine Sache, aber du solltest ...«

».Liebster, die Zwei werden in ein paar Minuten hier sein«, unterbrach ihn Alice. »Sie sind vom Gewitter überrascht worden und müssen sich nur noch schnell umziehen. Ach ja, und dann haben sie noch etwas von einem Rosenzweig gesagt, den der Wind losgerissen hat. Sie wollten ihn anbinden. Du weißt doch, wie sehr Rose an ihren Rosenstöcken hängt.«

»Das wird ja immer schöner«, mäkelte Max und starrte dabei aus dem Fenster. Draußen schien sich das Unwetter langsam wieder zu beruhigen.

»Liebling, schenk uns doch einen trockenen Martini ein, damit wir uns die Wartezeit in wenig verkürzen«, schlug Alice ihrem offensichtlich nicht gerade gutgelaunten Gatten vor.

Max, der schon eine harsche Antwort auf den Lippen hatte, nickte jedoch freundlich. Es war ihm anzusehen, dass er sich zusammennahm, um seine Frau nicht zu reizen. Sie war ihm gegenüber zwar immer gutgläubig gewesen, aber in letzter Zeit auch kritisch. Momentan musste er unbedingt für gute Stimmung sorgen. Denn was er ihr morgen oder übermorgen mitzuteilen hatte, war in der Tat heikel. Er stand auf, holte eine Flasche von dem kleinen Beistelltisch, der am Fenster stand. Dann goss er Alice und sich einen trockenen Martini ein. Sie liebte ihn ohne Zitrone, aber mit viel Eis. Und obwohl er Martini verabscheute, füllte auch er sich ein Glas.

»Es wäre sehr schön, wenn du deine Vorurteile gegenüber Tom endlich ablegen würdest«, sagte Alice schmeichelnd. »Er ist ein erfolgreicher Anwalt, sonst hätte mein Mann ihm seine Kanzlei damals nicht anvertraut.«

Es war dem Mann anzusehen, dass ihn der versteckte Tadel ärgerte, obwohl er lächelte.

»Ich werde wohl noch einmal darüber nachdenken müssen, wenn du und deine Tochter euch gegen mich verschworen habt. Obwohl unsere Rose bei ihrem blendenden Aussehen jederzeit einen reichen Lord hätte heiraten könnte«, erwiderte Max mit Nachdruck.

Wahrscheinlich ist er nur eifersüchtig auf Rose wie ein leiblicher Vater, der nur das Beste für sein Kind will, dachte die Frau. Obwohl es ihm Rose zu Anfang ihrer Beziehung wirklich nicht einfach gemacht und ihn abgelehnt hatte, weil sie immer noch um den geliebten Vater trauerte.