Die Rache des italienischen Tycoons - Evelyne Amara - E-Book

Die Rache des italienischen Tycoons E-Book

Evelyne Amara

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Beschreibung

Mein neuer Boss, der italienische Tycoon Dario Siragusa, erobert trotz meiner Vorbehalte mein Herz. Leider stellt sich heraus, dass er mich nur aus Rache verführt hat. Trotzdem hat es sich so echt angefühlt. Habe ich mich so in ihm getäuscht? Gibt es dennoch eine Chance auf die wahre Liebe oder ist sein Herz nur von Hass erfüllt?

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Die Rache des italienischen Tycoons

Evelyne Amara

Copyright©undUrheberrecht Oktober 2025 by Evelyne Amara

Copyright Coverabbildungen: Mann: Ciao Cai / Alexander Image / Fotolia (jetzt: Adobe), Background: lunamarina / Shotshop.com

Coverdesign: Evelyne Amara

[email protected]

www.Evelyne-Amara.com

Evelyne Amara, c/o Autorenservice Gorischek, Am Rinnersgrund 14/5, 8101 Gratkorn, Österreich

Contents

1.Kapitel 12.Kapitel 23.Kapitel 34.Kapitel 45.Kapitel 56.Kapitel 67.Kapitel 78.Kapitel 89.Kapitel 910.Kapitel 1011.Kapitel 1112.Kapitel 1213.Kapitel 1314.Kapitel 1415.Kapitel 15

Kapitel 1

Dario

Als ich das letzte Mal in London gewesen bin, hätte ich nicht gedacht, dass ich mal hier wohnen würde, und sei es nur für eine gewisse Zeit. Irgendwann werde ich wieder nach Sizilien zurückkehren, aber jetzt liegt meine Aufgabe hier.

Ich hätte auch nie gedacht, dass ich ein Unternehmen aufkaufen würde, das meiner Branche so fremd ist, dass es ebenso gut auf dem Mars stehen könnte. Aber gewisse Umstände erfordern ungewöhnliche Lösungen.

Es ist allerdings das erste Mal, dass ich mich in Southwark befinde, obwohl das Stadtviertel mit dem historischen Flair, den vielen Galerien und dem Shakespeare’s Globe Theatre nicht nur Touristen, Kunst- und Kulturliebhaber aus aller Welt anzieht, sondern auch noch, zumindest für Londoner Verhältnisse, eher moderate Mietpreise bietet. Gerade deswegen ist es schwer, in der Gegend etwas zu finden. Ich spreche aus eigener Erfahrung. Nicht dass es mir auf den Mietpreis angekommen wäre, aber aus strategischen Gründen musste ich hier unterkommen.

Die Wohnung von Anastacia Carter ist im zweiten Stock eines Mehrfamilienhauses. Zwar befindet sich das Gebäude in der Nähe der Themse, aber ich bezweifle, dass sie einen so guten Blick auf den Fluss hat wie ich.

Neugierde treibt mich in ihre Straße, obwohl ich weiß, dass ich sie diese Woche ohnehin sehen werde. Zwar hat mein Privatdetektiv gute Arbeit geleistet, aber es lohnt sich, auch selbst immer möglichst viel über seine Gegner herauszufinden. Wie jemand wohnt, kann durchaus einiges über die Person sagen.

Es handelt sich um einen Altbau aus den Sechzigerjahren. Entweder hat sie eine Vorliebe für die Swinging Sixties oder es hat ihrem Budget und weiteren Vorstellungen entsprochen.

An den Fenstern hängen schlichte, weiße Gardinen. Topfpflanzen oder Dekorationen kann ich keine entdecken. Ich grüble gerade darüber nach, ob ich mir wie ein Stalker vorkommen sollte, da verlässt eine grazile, goldblonde Frau das Gebäude.

Ich blinzle. Könnte sie das sein? Sicherlich wohnen noch andere junge, blonde Frauen in dem Gebäude. Doch als ich genauer hinschaue, bin ich mir ziemlich sicher, dass sie das durchaus sein könnte. Ich blicke auf die Fotos, die mein Privatdetektiv mir geschickt hat. Ja, definitiv, sie ist es. Obwohl schon das Foto mir gezeigt hat, was für eine Femme fatale sie ist, so wird es ihr dennoch nicht gerecht. Das ist sie also, Anastacia Carter, das männermordende Biest. Ich hätte nur nicht gedacht, dass sie so viel Klasse besitzen würde.

Warum hatte sich eine Frau wie sie mit einem Mann eingelassen, der zu jenem Zeitpunkt gerade mal neunzehn und noch grün hinter den Ohren gewesen ist? Wobei mein Halbbruder mit Gewissheit bereits damals älter ausgesehen hatte, weil er auch da schon sehr groß und muskulös gewesen ist. Nicht dass ich generell ein Problem damit hätte, wenn Frauen sich einen deutlich jüngeren Partner wählen, aber sehr wohl damit, wenn sie die Unerfahrenheit, Naivität und das noch offene, weiche und somit sehr verletzliche Herz der Jugend ausnutzen. Schon immer war ich der Beschützer meines sensiblen, vierzehn Jahre jüngeren Bruders.

Meinen Informationen zufolge dürfte Anastacia Carter jetzt neunundzwanzig sein. Emiliano ist mittlerweile zwanzig, und die ganze Affäre ist seit mehr als einem Jahr vorbei. Nicht dass sie allzu lange gedauert hätte. Aber was bedeutet denn schon Zeit für ein gebrochenes Herz?

Laut Emiliano weiß Anastacia Carter nicht, dass ich sein Halbbruder bin. Seine Mutter hat ihm von klein auf beigebracht, neuen Leuten in seinem Leben erst nach längerer Zeit, also mindestens ein Jahr regelmäßigen Kontaktes, zu sagen, dass sein Halbbruder ein mächtiger, reicher Industriemagnat ist. Bekannten sagt er es gar nicht, sondern nur Freunden und Partnerinnen. Zu viele falsche Menschen würde das anziehen.

Diese Erfahrung hatte meine Mutter früher machen müssen, und sie ist froh, seit der Scheidung von meinem Vater vor über zwei Jahrzehnten in dieser Hinsicht weitgehend ihre Ruhe zu haben. Da sie aufgrund des damaligen italienischen Namensrechts schon immer einen anderen Nachnamen als mein Vater und ich trug, und Emiliano wieder einen anderen, führt das die Ausländer oft auf falsche Fährten.

Fasziniert von der Anmut ihrer Bewegungen und ihrem Hüftschwung sowie ihrem Kleidungsstil folge ich der Dame in Schwarz. Anastacia ist schön. Es wird mir nicht schwerfallen, meinen Racheplan durchzuführen, zumal ich gewarnt bin und mein Herz in Stein verwandeln muss.

Sie trägt kirschrote Schuhe und eine kirschrote Clutch zu ihrem eleganten, figurbetonten, kleinen Schwarzen. Das lange, blonde Haar hat sie zu einer Hochsteckfrisur gestylt, von der einige Locken wie zufällig, aber gleichzeitig sehr strategisch, ihr herzförmiges Gesicht umspielen.

Die kirschrote Farbe findet sich auch in ihrem Lippenstift wieder. Sie hat viel Stil, so wie man es erwartet von der Einkäuferin eines renommierten Importunternehmens für Damenhandtaschen und Geldbörsen. Eines Unternehmens, das seit kurzem mir gehört.

In einigem Abstand folge ich ihr ein paar Straßen lang, bis sie zielstrebig ein Gebäude betritt.

Anastacia

Ich hätte mich nicht darauf einlassen sollen. Für eine Beziehung ist kein Platz in meinem Leben. Kein Platz, keine Zeit und keine Priorität, obwohl es sicherlich schön wäre, endlich jemanden zu haben, mit dem ich mein Leben teilen könnte. So wie meine Mutter. Sie hatte Glück gehabt. Seltenes Glück, denn Männer wie meinen Vater gibt es nur einmal im Jahrtausend. Auf mein Glück kann ich in dieser Hinsicht nicht zählen. Das hat mich die Erfahrung gelehrt.

Meiner Freundin Gwyneth ist es zu verdanken, dass ich mich auf das heutige Blind Date einlasse. Auch meine ältere Schwester Isabella hat mir gut zugeredet, es trotz meiner bisherigen schlechten Erfahrungen noch einmal zu wagen. Erfahrungen, die mich seit Jahren davon abgehalten haben, Beziehungen einzugehen. Für bedeutungslose Affären oder One-Night-Stands bin ich einfach nicht der Typ.

Ich betrete das gepflegte Bistro und sehe mich um, doch kann ich keinen Mann mit einer roten Krawatte entdecken. Überhaupt scheinen die meisten hier überhaupt keine Krawatten zu tragen. An meiner roten Handtasche und den roten Schuhen soll er mich erkennen, denn Fotos haben wir nicht ausgetauscht. Dies ist in den Bedingungen der Dating-App so vorgesehen, weil dort mehr Gewicht auf die inneren Werte gelegt wird.

Einer der freundlichen Bediensteten führt mich an einen der Tische für zwei Personen und fragt mich, was ich zu trinken wünsche. Ich bestelle mir einen Rotwein, der schnell gebracht wird.

Wo bleibt mein Galan mit der roten Krawatte? Er schrieb, dass er von außerhalb stammt, also nicht aus London. Ich weiß, dass er groß, muskulös und dunkelhaarig ist. Aber sind sie das nicht angeblich alle, die Männer, mit denen man über diverse Dating-Apps kommuniziert? Im wahren Leben würde ich sie vermutlich nicht mal erkennen. Genau deswegen hat mir die Blind-Date-App so gut gefallen. Keine gefotoshoppten Bilder, keine Illusionen, keine Oberflächlichkeiten. Zumindest hoffe ich das.

Gewisse Abstriche an der Attraktivität würde ich hinnehmen, wenn er ein liebenswerter, guter Mensch mit einer kompatiblen Lebensauffassung ist. Schönheit vergeht, ein mieser Charakter bleibt.

Eine meiner Freundinnen ist anderer Auffassung, aber sie war auch einige Jahre mit einem ziemlich unattraktiven Mann zusammen, der ihr vorgespielt hatte, einen guten Charakter zu besitzen und sich im Endeffekt als sehr mies herausstellte.

Ich hoffe, meine Menschenkenntnis lässt mich nicht im Stich.

Wo bleibt denn Mr. Ashtree, kurz Ash genannt? Nach den Vorschriften der App benennen sich die Nutzer nach einem Baum, einem Kraut, einer Blume oder einem Tier.

Nervös blicke ich auf meine silberne Armbanduhr. Schon zehn Minuten ist er zu spät. Noch fünf Minuten gebe ich ihm. Wenn er sich bis dahin weder meldet noch hier auftaucht, bin ich weg. Klar kann man im Londoner Verkehr schnell mal im Stau stehen. Sich zu verspäten geht in dieser Stadt wirklich sehr leicht, aber man sollte bei einem Date schon ein paar Minuten mehr einplanen und früher losfahren oder loslaufen. Schließlich will man einen guten ersten Eindruck hinterlassen. Außerdem ist es in den Gaststätten der Stadt üblich, die Aufenthaltsdauer der Gäste zu beschränken wegen der steigenden Miet- und Energiekosten.

In einigen Cafés herrscht sogar schon Laptop-Verbot, weil der entsprechende Gast allein einen ganzen Tisch blockiert und zwei oder drei Gläser Wasser oder Tassen Kaffee in fünf Stunden konsumiert, was die Kosten einfach nicht reinbringt. In der heutigen Zeit würde es also keinen Harry Potter mehr geben, den J.K. Rowling hauptsächlich in einem Café geschrieben hatte. Es sei denn, die Autorin würde in ihrer winzigen, eiskalten Wohnung in eine dieser Profikuscheldecken eingewickelt fingerlose Handschuhe beim Schreiben tragen.

Ich lasse meinen Blick über die Neuankömmlinge schweifen. Ist mir der hochgewachsene, dunkelhaarige Mann nicht schon etwas früher in der Nähe des Fensters aufgefallen? Er ist sicherlich kein Mann, den man schnell vergisst.

Wie bedauerlich, dass er keine Krawatte trägt, sondern nur ein weißes Hemd, von dem die obersten beiden Knöpfe offenstehen und eine muskulöse Brust erahnen lassen. Die Ärmel des Hemdes hat er leger hochgekrempelt, was gebräunte, muskulöse Unterarme offenbart. Dazu trägt er eine edle, anthrazitfarbene Hose. Sein eher schmales Gesicht mit den dunklen Augen und der leicht gebogenen römischen Nase und den zurückgekämmten, dunkelbraunen Haaren lässt eine italienische Herkunft vermuten, auch wenn er deutlich größer ist als die meisten Männer, die mir bisher aus diesem Land über den Weg gelaufen sind. Womöglich ist einer seiner Eltern Brite.

Seine Gesichtszüge sind zu scharf geschnitten und zu hart, um von klassischer Schönheit zu sein. Dennoch umgibt ihn etwas, das seinesgleichen sucht. Er ist faszinierender und anziehender als es jedes Model aus den Magazinen mit den perfekten, glatten, gleichmäßigen Zügen sein könnte.

Sein Gang ist zielstrebig, die Schultern und der Rücken sind majestätisch gerade, und er strahlt eine Würde und Macht aus, sodass ich nicht die Einzige bin, die ihn wie gebannt ansieht. Verlegen wende ich den Blick ab, denn normalerweise neige ich nicht dazu, andere Menschen anzustarren.

Doch dann vernehme ich seine Schritte direkt vor mir. Ich hebe den Blick wieder.

Sein Lächeln verwandelt die harten, herrischen Züge zu einem unglaublich attraktiven Gesicht. Er ist einfach umwerfend. »Ist an Ihrem Tisch noch ein Platz frei, Signora?« Ein leichter Akzent unterlegt das dunkle, verführerische Timbre seiner Stimme. In seinen schokoladenbraunen Augen könnte ich versinken. Dieser Mann ist die Versuchung pur.

Noch während ich überlege, was ich antworten soll, schließlich habe ich ein Date, erhebt er erneut das Wort. »Tolle Schuhe und Tasche übrigens.«

Die vereinbarten Erkennungsmerkmale.

Ich mustere ihn. »Sie tragen gar keine Krawatte?«

Er zuckt mit den Schultern. »Sie war mir zu unbequem.« Tatsächlich zieht er eine rote Krawatte aus seiner Hosentasche, steckt sie aber sogleich wieder ein. Er ist also mein Date. Ausgerechnet dieser ungewöhnliche, höchst anziehende Mann. Offenbar ist heute mein Glückstag.

»Nach getanem Tageswerk ziehe ich es vor, etwas legerer gekleidet zu sein.«

Vermutlich wollte er mich zuerst abchecken, bevor er sich als mein Date outet.

Ich lächle ihn an. Die Viertelstunde ist noch nicht vorüber. »Sie kommen etwas spät. Wir waren vor elf Minuten verabredet, Mr. Ash.«

»So heiße ich zwar nicht, aber ich habe nichts gegen ein Date mit einer schönen, interessanten Frau einzuwenden.«

Er will also mit mir flirten. Sein italienischer Charme ist an mir nicht vergeudet. Eher bin ich verloren. Dass er Italiener ist, dessen bin ich mir mittlerweile sicher, denn sein betörender Akzent hat ihn verraten. Von wegen er kommt von außerhalb Londons. Von außerhalb Großbritanniens hatte er wohl gemeint.

Kaum hat er sich mir gegenüber hingesetzt, eilt bereits der fleißige Bedienstete wieder herbei, um sich nach seinen Wünschen zu erkundigen. Mein Gegenüber wählt zielstrebig – wie sollte es auch anders sein – einen hochwertigen, italienischen Rotwein.

»Darf ich Sie nach Ihrem richtigen Namen fragen? Ich weiß, in der App durfte man das nicht. Das verstößt gegen die Regeln. Wir sollten uns etwas persönlicher ansprechen, wenn wir schon mal ein Date haben.«

»Dario. Und wie heißt du?«

»Anastacia.«

»Das ist ein wunderschöner Name.«

»Danke. Deiner gefällt mir ebenfalls. Aus welcher Gegend Italiens kommst du?«

»Meine Familie stammt ursprünglich aus Sizilien, aber meine Mutter ist irgendwann von dort weggezogen.«

Kurz zögere ich. »Dann sind deine Eltern geschieden?«

Er nickt. »Ja, schon lange. Und deine?«

»Sind noch zusammen.«

»Schön für sie. Hoffe ich.«

»Doch, sie sind glücklich miteinander.«

»Scheint gar nicht so selbstverständlich zu sein in der heutigen Zeit.«

»Früher sind viele Ehepaare nur aus Notwendigkeit zusammengeblieben. Ich habe gelesen, dass man die von Jacky O. geplante Berufstätigkeit gezielt untergraben hatte. Den Italienern sagt man nach, in dieser Hinsicht ziemlich old school zu sein. Die Socken des Ehemanns dürfen die Frauen waschen, beruflich erfolgreich sein jedoch nicht und schon gar nicht erfolgreicher als der Mann.«

»Man sollte nicht alles glauben, was gesagt wird. Einige meiner Landsleute hättest du mit deinen Worten jetzt tödlich beleidigt. Auf ein paar mag das durchaus zutreffen, auf eine ganze Nation sicherlich nicht.«

»Und was ist mit dir?«

»Ich bin stark und selbstbewusst genug, um eine gleichberechtigte Partnerin neben mir ertragen zu können.« In seinen Worten schwingt ein gewisses Amüsement mit.

»Was ist daran so lustig?«

»Wirke ich auf dich etwa wie ein schwacher, armseliger Wicht, der eine beruflich erfolgreiche Frau nicht ertragen kann?«

»Ich hatte bisher, was Männer betrifft, nicht die beste Menschenkenntnis an den Tag gelegt.«

Interessiert blickt er mich an. »Inwiefern?«

»Darüber möchte ich nicht reden. Was in der Vergangenheit geschah, sollte in der Vergangenheit bleiben. Warum sollte ich diesen Kerlen auch jetzt noch so viel Macht über mein Leben geben, indem ich über sie rede?«

»Nun gut. Das muss wohl nicht sein.« Er nippt an seinem Wein. »Nicht schlecht. Trinkst du auch einen italienischen Tropfen?«

»Zufällig ja.«

Er hebt eine Augenbraue. »Zufällig? Kann man zufällig einen guten Geschmack haben?«

»Ein Patriot also?«

Er zuckt mit den Schultern. »Warum sollte man sich seiner Herkunft nicht erfreuen? Italien hat eine lange und ruhmreiche Geschichte. Warst du schon mal dort?«

Ich nicke. »Das ist schon eine Weile her, aber ich habe die eine oder andere italienische Stadt gesehen, wie Pisa, Florenz und ein paar andere. Was führt dich in die Stadt?«

»Geschäfte.«

Interessiert blicke ich ihn an. »Welcher Art?«

»Ich bin im Transport und Handel tätig. Und du?«

Das ist eine ziemlich allgemeine Auskunft.

»Im Einkauf für eine Importgesellschaft. Wir haben uns auf Damenhandtaschen aus Leder spezialisiert. Ich plane jedoch, das Portfolio zu erweitern.«

»In welcher Hinsicht, wenn ich fragen darf? Insofern es sich natürlich nicht um sensitive Unternehmensinterna handelt.«

»Nicht wirklich, zumal ich bei der Führung bisher auf Widerstand gestoßen bin.«

»Inwiefern?«

»Meiner Ansicht nach ist unser Problem der fehlgeleitete Traditionalismus.«

Interessiert blickt er mich an. »Was habe ich darunter zu verstehen?«

»Business as usual. Die Aussage: Wir haben das schon immer so gemacht. Ändere niemals ein funktionierendes System. Nur dass dieses System eben nicht mehr richtig funktioniert. Sonst wäre unser Unternehmen womöglich nicht vor kurzem aufgekauft worden.«

»Wie interessant. Und welche Innovationen gedenkst du umzusetzen?«

»Ich will ein größeres Augenmerk auf die Qualität der Rohstoffe und der Herstellungsmethoden legen. Dabei sind mir die Ergebnisse wichtiger als eine Zertifizierung der Zulieferer. Ich weiß, dass bei so etwas immer mal wieder gemogelt wird.«

Er hebt eine Augenbraue. »Ach tatsächlich? Sprichst du aus eigener Erfahrung?«

Schnell schüttle ich den Kopf. »Nein, natürlich nicht. Aber sprechen wir jetzt lieber über etwas anderes. Verstehe das bitte nicht falsch. Ich liebe meinen Beruf und bin sehr engagiert, aber wenn ich Freizeit habe, habe ich Freizeit.«

»Keine Überstunden also?«

»Doch, natürlich, aber man muss auch mal den Kopf freibekommen. Das ist die beste Voraussetzung dafür, um sich zu erholen und die Grundlage für zukünftige kreative Prozesse zu schaffen.«

»Das sehe ich genauso.«

Wir scheinen einiges gemeinsam zu haben. Auch interessiert er sich sehr für meinen Job. Das ist bei meinen bisherigen Partnern nicht so gewesen. Die hat gestört, wenn ich erfolgreicher war oder besser bezahlt wurde als sie. Das musste daher immer von denen überprüft werden.

Mein Gegenüber scheint jedoch selbst beruflich sehr erfolgreich zu sein. Zumindest erkenne ich, dass seine Kleidung, obwohl sie keine Markennamen zur Schau trägt und auch nicht augenscheinlich protzig wirkt, doch durch die Qualität und die gute Verarbeitung der Materialien keinen minderen Preis vermuten lässt. Wobei ich durch meinen Beruf weiß, dass Markennamen in dieser Hinsicht nicht immer das halten, was sie versprechen.

»Außerdem kenne ich dich noch nicht wirklich, Dario. Bitte verzeih mir deshalb, dass ich nur ungern mit dir über detaillierte berufliche Belange rede.«

»Ist schon in Ordnung.«

»Um noch mal auf vorhin zurückzukommen. Du sagtest, dass dich Geschäfte in die Stadt führen. Dann bist du also nur vorübergehend hier und das Blind Date ist als Aufhänger für eine Affäre oder einen One-Night-Stand gedacht?«

Ich beobachte sein Gesicht und seine Körpersprache sehr genau.

Er lächelt. »Du bist sehr direkt. Das gefällt mir. Ich war noch nie gut im Gedankenlesen. Dennoch scheint es so einige Frauen zu geben, die genau das von einem Mann erwarten. Ich habe tatsächlich vor, länger in der Stadt zu bleiben. London ist schließlich ein wichtiger Handelsknotenpunkt und eine faszinierende Weltstadt, um die kein in Europa ansässiger Geschäftsmann vorbeikommt.«

»Schöner als Palermo oder Rom?«

»Man sollte derart unterschiedliche Städte nicht miteinander vergleichen. Das kann man gar nicht.«

»Hast du kein Heimweh?«

»Dafür bin ich viel zu sehr Weltbürger. Ich kann mich auf einen neuen Ort schnell einstellen. Innerhalb von Europa sind die Unterschiede nicht mal so krass, außer dass das Wetter in Italien im Allgemeinen besser ist und ihr Briten auf der falschen Straßenseite fahrt.«

»Letzteres könnte man auch über euch sagen.«

Er lacht. Sein Lachen gefällt mir außerordentlich gut. Ich bin inzwischen froh, mich doch noch zu diesem Date entschlossen zu haben. Lange Zeit hing das in der Schwebe. Ich wollte einfach nicht mehr auf Dates gehen. Doch in diesem Fall hätte ich wohl wirklich etwas verpasst.

Der Kellner erscheint wieder und fragt uns nach unseren Wünschen. Wir bestellen ein paar belegte Baguettes und Mineralwasser.

Dario ist ein amüsanter Gesprächspartner mit Humor und Esprit. Er versteht es, zu jedem Thema etwas beizutragen, das Hand und Fuß hat.

Bald frage ich mich, wo er nur all die Jahre gewesen ist. Es ist fast zu schön, um wahr zu sein. Obwohl ich mich bewusst zurückhalte mit Informationen, sodass er aufgrund dessen nicht so tun kann, als wäre er der perfekte Mann für mich, während er in Wirklichkeit irgendeine Persönlichkeitsstörung hat, stellt sich heraus, dass wir einiges gemeinsam haben. Wir mögen ähnliche Musik, also die Beatles, aber auch mal rockige Sachen. Überraschenderweise kennt er auch die deutsche Band Faun. Obwohl ich viele der Liedtexte nicht verstehe, gehört sie zu meinen Favoriten.

»Du magst also italienisches Essen.« Es klingt eher wie eine Feststellung als eine Frage. Auch schwingt darin eine gewisse Genugtuung mit.

Ich nicke. »Ja. Wer mag sie nicht? Meine Tiramisu-Sucht ist legendär.«

»Ich kenne durchaus ein paar Leute, die keine Pizza mögen.«

»Das ist kaum vorstellbar.«

Er nickt. »Ja, nicht wahr?«

»Allerdings. Nahezu skandalös.«

Er lacht tief und kehlig.

Schon lange habe ich mich nicht mehr so gut amüsiert. Es ist wunderbar. Leider vergeht die Zeit dann immer viel zu schnell.

Nach zwei Stunden verlassen wir das Bistro. Laue Abendluft umweht uns.

Dario schenkt mir ein umwerfendes Lächeln. Als er sich leicht zu mir vorbeugt, vernehme ich den dezenten Hauch seines Rasierwassers und die Macht seiner maskulinen Aura.

»Möchtest du ein wenig mit mir an der Themse entlangspazieren oder wäre es dir lieber, wenn wir noch eine Bar oder ein anderes Etablissement aufsuchen? Natürlich kann ich dich auch nach Hause bringen, falls du müde sein solltest.«

Ich erwidere dieses Lächeln, das mir Herzklopfen und weiche Knie beschert. »An der Themse entlangzuspazieren hört sich toll an.«

Was für eine großartige, romantische Idee.

Wann hat ein Mann mir das letzte Mal derartige Reaktionen entlockt? Ist das überhaupt jemals geschehen?

Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern. Natürlich habe ich zuvor Partner gehabt und bin auch mit anderen Männern ausgegangen, aber nichts davon konnte mich auf diesen Mann vorbereiten. Er ist umwerfend, atemberaubend und spielt in einer ganz anderen Liga als all die anderen zuvor. Das meine ich nicht nur beruflich, sondern den ganzen Mann betreffend, also sein Charisma, die Ausstrahlung der Macht, seine dominante Persönlichkeit, sein Auftreten, der Kleidungsstil und nicht zuletzt natürlich sein mehr als nur gefälliges Äußeres. Großgewachsen, breite Schultern, faszinierende Augen und ein Gesicht, das man so schnell nicht mehr vergisst. Mich jedenfalls zieht er völlig in seinen Bann.

Dario

Ich habe Anastacia Carter unterschätzt. Gewaltig unterschätzt. Sie ist weitaus gefährlicher, als ich dachte.

Es liegt nicht nur an ihrer weltgewandten Art, ihrem Charisma, ihrer Schönheit und ihrem Stil. Es geht etwas äußerst Einnehmendes von ihrer Persönlichkeit aus.

Nicht nur, dass sie als Frau ungeheuer anziehend ist, nein, sie ist auch intelligent, zielstrebig und in jeder Hinsicht faszinierend. Hinzu kommt, dass wir immens viele Gemeinsamkeiten haben. Letzteres zuzugeben fällt mir nicht leicht.

Armer Emiliano. Er hatte nicht die geringste Chance. Selbst mir fällt es trotz meiner größeren Erfahrung schwer, mich ihrem Charme und ihrer femininen Ausstrahlung zu entziehen. Ihr zarter Duft, ihre unnachahmlich graziöse Art, sich zu bewegen, ein ikonischer Kleidungsstil und ein scharfer Intellekt. Hinzu kommen eine Figur und ein Gesicht, aus dem Männerträume gewoben sind.

Wobei mir persönlich all die zuvor aufgelisteten Eigenschaften weitaus wichtiger sind als die Äußerlichkeiten, auf die sie nicht allzu viel Einfluss hat, wenn sie sich nicht unters Messer begeben will, was natürlich kein Mann von einer potenziellen Partnerin erwarten sollte. Kein halbwegs guter Mann will, dass die Frau sich dafür einer gesundheitlichen Gefahr aussetzt.

Natürlich zieht die Schönheit einer Frau die Blicke der Männer an, aber wirklich fesseln und dauerhaft binden kann letztere nur ihre Persönlichkeit. Schönheit ist vergänglich, aber eine faszinierende Persönlichkeit und ähnliche Interessen neben einem guten Charakter sind das, was in einer Beziehung von Dauer ist.

Wobei Anastacia mit Gewissheit nicht über einen guten Charakter verfügt. So scheidet sie natürlich von vornherein im Hinblick auf eine dauerhafte Bindung für mich aus, wäre ich denn auf der Suche nach einer, was ich natürlich nicht bin. Das wäre eine fehlgeleitete Suche, denn bei ihr würde ich das mit Gewissheit nicht finden, ganz egal, wie verlockend sie auch sein mag.

Glücklicherweise sind mir ihre Verfehlungen und die dunkle Seite ihres Wesens bekannt. Sie ist eine gewissenlose Verführerin. Was hatte sie denn erwartet? Dass der stets gut gekleidete, elegante Emiliano der Sohn eines reichen Reeders sei?

Nun, letzteres bin ich, während Emilianos Vater ein Ristorante in Mailand betreibt. Ein beliebtes zwar, doch keines, das ihn zu einem Multimillionär machen würde.

Dass ich der neue Geschäftsführer von Siragusa Maritime International bin, sowie der Gründer der Siragusa Port Investment Co. und mittlerweile ein Tycoon bin, der im Mittelmeerraum einen Wirtschaftssektor kontrolliert, habe ich bewusst ausgelassen. Noch soll sie nicht wissen, dass ich ihr neuer Boss bin, der ihr Unternehmen aufgekauft hat. Erst will ich sie noch ein wenig in meine Netze einspinnen, denn beruflich stark engagierte Frauen wie sie trennen oft Geschäftliches und Privates strikt, um ihre eigenen Ambitionen damit nicht zu untergraben.

Ich rechne mir gewisse Chancen bei ihr aus. Vor allem liegt das an dem, was ich über sie weiß. Ihre Ambitionen erstrecken sich nämlich bei weitem nicht nur auf ihren Beruf. Wobei es allerdings selten ist, dass eine Frau, die es darauf anlegt, sich einen Millionär zu angeln, so beruflich engagiert ist. Die meisten dieser Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts lassen es beruflich eher relaxt angehen.

Natürlich ist es möglich, dass das Ganze nur eine reife schauspielerische Leistung ist, um besser dazustehen und ihre wahren Absichten zu maskieren. Sollte dies der Fall sein, werde ich das jedenfalls in Kürze aufdecken. Selbst wenn sie ihre Aufgaben verdeckt an gutwillige, naive Kolleginnen delegiert, werde ich das herausfinden.

Ich ergreife ihre Hand. Körperkontakt, selbst wenn er eher harmloser Natur ist, dient dazu, schneller eine Bindung aufzubauen. Doch er ist wie ein Bumerang und entfaltet auch auf mich seine Wirkung. Als unsere Hände sich berühren, durchfährt es mich wie eine schwache elektrische Strömung, ein heftiges Kribbeln, das von einer unbestreitbaren starken sexuellen Anziehungskraft und höchst kompatiblen Chemie zeugt.

Unter anderen Umständen könnte ich jetzt glücklich sein, aber so dient es lediglich meinen Zwecken. Höchst finsteren Zwecken, denen ich normalerweise nie nachgehen würde, doch das Ziel heiligt die Mittel.

Am Themseufer befindet sich ein Zaun, an dem in regelmäßigen Abständen nostalgisch anmutende, schwarze, gusseiserne Straßenlaternen angebracht sind. Im warmen Schein dieser Laternen schimmert das Wasser des Flusses geheimnisvoll. Der Mond spiegelt sich auf der Wasseroberfläche. Auf der anderen Seite des gepflasterten Pfades befinden sich Bäume und bequem aussehende Holzbänke.

Einige der Bänke sind besetzt. Um diese Zeit – es dürfte so gegen zehn Uhr abends sein – herrscht hier noch ein geschäftiges Treiben, wenn auch nicht mehr ganz so viel wie tagsüber.

Dem romantischen Ambiente tut dies keinen Abbruch. Das Mondlicht verleiht Anastacias Haar einen silbernen Schimmer und ihr eine beinahe ätherische Schönheit. Zerbrechlich und traumhaft, doch von einer unerwarteten inneren Stärke.

Wie täuschend das ist. Welch ein Jammer, dass sich hinter dem schönen Äußeren so viel Verdorbenheit verbergen kann.

Die beleuchteten historischen Häuser auf der anderen Seite des Flusses und die beleuchteten Schiffe bilden interessante Kontraste zu der samtenen Dunkelheit des Firmaments.

So sehr ich meine südländische Heimat mit dem ihr eigenen Flair schätze, so komme ich nicht umhin, den Zauber dieser Stadt und des Flusses zu würdigen.

»Ich bin froh, dass du diesen Spaziergang vorgeschlagen hast.« Anastacias Stimme ist ein sanftes Raunen, so als würde auch sie die Ehrfurcht vor ihrer Umgebung ergriffen haben. »Es ist wunderschön hier, ein einmaliges Erlebnis. Immer wieder neu, egal wie oft man hier entlangläuft. Der Zauber entschwindet nie.«

»Stammst du aus London?«

Anastacia nickt. »Ich wurde hier geboren. Meine Mutter stammt aus Bedworth in Warwickshire. Einige Jahre vor der Geburt meiner älteren Schwester Isabella suchte und fand sie in London ihr Glück. Sie lernte meinen Vater kennen und lieben. Der Rest ist Geschichte.« Sie lächelt versonnen.

»Er muss ein bemerkenswerter Mann sein.«

»In der Tat ist er das. In welcher Stadt wurdest du geboren?«

»In Syrakus.«

»Ist das nicht an der Küste?«

»Richtig. Sie besitzt einen geschichtsträchtigen Hafen am Ionischen Meer. Es gibt dort viele antike Ruinen.« Erinnerungen an unvergessliche Sonnenuntergänge über dem Meer, die verwinkelten Gassen der Stadt und den von barocken Palazzi umgebenen Domplatz zaubern mir ein Lächeln aufs Gesicht.

Sie wirkt nachdenklich. »Vermisst du Sizilien?«

»Als Erwachsener bin ich dorthin zurückgekehrt. Es wird immer einen besonderen Platz in meinem Herzen einnehmen.«

»Ein Sizilianer mit Leib und Seele also?«

»So könnte man es sagen. Aber auch ein Weltbürger.«

Interessiert blickt sie mich an. »Ist das nicht ein Widerspruch?«

»Nein, durchaus nicht. Man braucht starke Wurzeln, um den Stürmen des Lebens gewappnet zu sein. Jedes Schiff braucht einen starken Anker und einen sicheren Hafen, aber es muss letzteren auch hinter sich lassen können. Zumindest für einige Zeit, denn kein Schiff wurde gebaut, um immer am Hafen zu sein. Der Mensch wurde erschaffen, um sich beständig weiterzuentwickeln. Stagnation liegt nicht in seiner Natur und schadet ihm nur.«

»Interessant. Du scheinst mir einen gewissen Hang zur Seefahrt und zum Maritimen zu haben, was vermutlich daran liegt, dass du aus einer Küstenstadt stammst. Wie alt bist du gewesen, als deine Familie von dort weggezogen ist? Du bist doch bei deiner Mutter aufgewachsen, oder?«

»Als ich zwölf gewesen bin.«

»Es muss nicht leicht für dich gewesen sein.«

»Meine Freunde haben mir sehr gefehlt. Ich habe zwar neue gefunden, aber man kann Menschen nicht ersetzen.«

Sie schüttelt den Kopf. »Nein, das kann man nicht.« Sie hört sich an, als wäre sie von ihren Worten sehr überzeugt, obwohl Menschen für sie austauschbar sind. Besonders ihre Liebhaber. Sie hatte Emiliano Gefühle vorgeheuchelt. Vermutlich dachte sie, sein Vater sei reich mit dem gut laufenden Ristorante in Mailand. Arm ist er gewiss nicht, aber bei weitem nicht so reich wie der vermögende Mann aus Neapel, für den sie Emiliano verließ. Ohne ein Wort des Abschieds ging sie einfach. Man sah sie gemeinsam abreisen. Offenbar war der Millionär nicht so naiv wie mein Halbbruder und hat sie abserviert. Sonst wäre sie jetzt nicht hier und ganz offensichtlich Single, wie mir mein Privatdetektiv bestätigt hat.

Single und immer noch auf der Jagd nach einem möglichst reichen Mann.

Nun, den wird sie jetzt bekommen, wenn auch nicht auf jene Weise, die sie sich vorstellt.

Ich werde ihr das antun, was sie Emiliano angetan hat: ihr das Herz brechen.

Falls diese kalte britische Schönheit überhaupt eines besitzt.

Anastacia

Zu gern wüsste ich, was Dario durch den Kopf geht, wenn er so grüblerisch die Augenbrauen zusammenzieht und sich sein Blick verdüstert. Womöglich denkt er an die geschäftlichen Angelegenheiten, die er hier zu erledigen hat. Vermutlich wartet eine ganze Menge Arbeit auf ihn.

»Bei welchem Unternehmen bist du tätig?«, frage ich ihn, da mich eine gewisse Neugierde überkommt.

Er winkt ab. »Lassen wir es lieber, über das Berufliche zu reden. Zumindest heute. Lass uns lieber die friedliche Stimmung hier genießen, diesen Abend und unser Zusammensein. Morgen werden wir uns ohnehin wieder hinreichend dem Beruf widmen. Hast du nicht selbst gesagt, dass man auch mal abschalten können muss?«

Ich nicke. »Das habe ich gesagt.« Im Grunde hat er recht. Außerdem werden wir noch genügend Gelegenheit bekommen, auch diese Dinge zu besprechen. Vermutlich sind diese Themen ohnehin nicht der beste Einstieg in eine Beziehung. So sehr mein Beruf mich auch erfüllt, er definiert mich als Person, als Mensch, dennoch nicht. Schließlich würde es sonst zu meinem vollkommenen Zusammenbruch führen, sollte ich mal für längere Zeit arbeitslos oder gar berufsunfähig werden. Zudem bin ich nicht mein Beruf, nicht identisch damit. Ich bin viel mehr.

Einige der Bäume stehen in voller Blüte und verbreiten berauschende Düfte, die der Nachtwind weit trägt. Es ist einfach herrlich. Mit diesem Mann an meiner Seite ist der Aufenthalt am Themseufer noch viel besonderer als sonst. Was die richtige Gesellschaft doch ausmacht.

In diesem Moment wird mir mit Schrecken bewusst, dass es vielleicht der einzige gemeinsame Abend sein wird. Wer weiß das schon?

»Werden wir einander wiedersehen?« Meine Stimme bebt leicht. Ich hasse es selbst, so viel von mir preiszugeben.

»Ja, Anastacia. Wir werden uns definitiv wiedersehen. Ich jedenfalls wünsche es mir.« Sein Lächeln ist wie ein Sonnenaufgang, eine frisch erblühte Blüte voller Morgentau, die tanzenden Tropfen eines Frühlingsregens und noch so viel mehr.

In diesem Moment habe ich das Gefühl, dass dieser Mann mein Schicksal ist. Albern, nicht wahr? Aber so ist es. Eine tiefe Gewissheit erfüllt mich, dass uns etwas miteinander verbindet, was eigentlich gar nicht sein kann, denn wir kennen einander kaum.

»Gibst du mir bitte deine Telefonnummer, Anastacia?«

Natürlich kann ich ihn auch über die App erreichen, aber seine Stimme zu hören ist viel persönlicher. Seine Stimme, die mir so unter die Haut geht. Außerdem will ich mich nicht auf die App verlassen müssen.

Ich nicke. Auf ganz altmodische Weise nehme ich meinen kleinen Notizblock aus meiner Handtasche, schreibe meine Mobilfunknummer und meinen Namen auf, reiße den Zettel ab und überreiche ihn Dario.

»Vielen Dank. Ich rufe dich an.«

Ich bin nicht mehr so jung oder so naiv, um zu wissen, dass diese Worte an sich gar nichts bedeuten. Dennoch habe ich das Gefühl, dass dieser Mann niemand ist, der sich mit angeblich höflichen Floskeln aufhält, leeren Worten, die den Schlag nicht abmildern, sondern den Zeitpunkt nur so verschieben, dass er selbst nichts davon mitbekäme. Dario würde es mir ins Gesicht sagen, wenn er mich nicht anrufen möchte. Er hätte dann nicht mal nach meiner Telefonnummer gefragt.

Ich schätze solche Ehrlichkeit, denn sie erspart einem Tage oder gar Wochen des Wartens, Hoffens und Bangens. Wobei mein Leben voll genug ist, als dass ich mich davon auch nur ansatzweise aus der Bahn werfen lasse. Auch ohne einen Mann bin ich glücklich. Meine Selbstintegrität ist mir wichtiger, als jemanden darum zu bitten, mich zu mögen oder zu lieben.

»Ich freue mich darauf.« Auch meine Antwort ist ehrlich gemeint. Es sind keine leeren Worthülsen.

»Ich bringe dich nach Hause.«

Kurz überlege ich. Normalerweise lasse ich mich von Männern nach dem ersten Date nicht nach Hause bringen. Man weiß schließlich nie, ob sie sich als Stalker herausstellen werden. Es ist besser, wenn sie nicht wissen, wo man wohnt.

Doch dieser Mann hat so etwas nicht nötig. Natürlich kann ich mich irren und er könnte ein sehr guter Schauspieler sein. Aber mittlerweile dürfte meine Menschenkenntnis weitaus besser sein als noch vor ein paar Jahren. Naivität kann ich mir nicht mehr leisten.

Ich nicke etwas verspätet. »Ja, gerne.«

Erneut ergreift er meine Hand. Gemeinsam laufen wir die Themse entlang. Ich beschreibe ihm den Weg, führe ihn, und wir plaudern dabei. Erzählen uns von Erlebnissen aus unserer Kindheit, lustigen Streichen in der Schule, von unseren Geschwistern – schließlich hatten wir beide unter älteren Schwestern zu leiden – und von den Ländern, die wir eines Tages bereisen möchten.

»Ich möchte Kuala Lumpur sehen.«

Interessiert blickt er mich an. »Wie kommst du ausgerechnet auf diese Stadt?«

»Ich habe ein Foto des KL Towers gesehen. Dort will ich mal stehen, auf dem gläsernen Boden der KL Tower Sky Box und die Stadt unter mir betrachten.«

»Das ist aber nicht für jeden. Ich hoffe, du bist schwindelfrei.«

»Im Allgemeinen schon. Wie sehr, finde ich dann schon heraus. Wo möchtest du mal hin?«

»Ich bin schon ziemlich viel in der Welt herumgekommen. Wobei sich der KL Tower für mich auch sehr aufregend und interessant anhört. Die Stadt soll noch viel mehr zu bieten haben.«

»Gewiss. Es gibt dort eine Menge zu sehen. Wir sind da. Dort drüben in dem Gebäude wohne ich.«

»Ich bringe dich bis zur Haustür.«

»Danke.«

Wir überqueren die Straße. Vor der Haustür bleiben wir stehen und sehen einander an. Das Licht einer Straßenlaterne umspielt seine männliche Gestalt.

Ich weiß nicht, wer den ersten Schritt machte, aber plötzlich liegen wir einander in den Armen. Ich halte mich an seinen breiten Schultern fest und fühle mich gegen seine muskulöse Brust gepresst. Sein Duft ist berauschend und seine Nähe absolut atemberaubend.

Ein Beben geht durch meinen Körper, als seine Zunge Einlass zwischen meinen Lippen sucht und findet. Er schenkt mir einen Kuss, der meine Welt erbeben lässt. Unsere Zungen umspielen einander in einem wilden Tanz. Noch nie habe ich eine solche Leidenschaft empfunden, ein solch tiefgreifendes Verlangen, das mein gesamtes Sein durchströmt.

Was macht dieser Mann nur mit mir?

Dabei ist es keineswegs so, als wäre ich unerfahren. Ich nähere mich mit großen Schritten meinem dreißigsten Geburtstag. Ein Umstand, der einige Personen in meinem Umkreis dazu bewogen hat, diverse Verkupplungsanschläge auf mich zu verüben. So etwas geht in meinem Fall so gut wie nie gut, weil ich mir lieber selbst aussuche, mit wem ich meine knappe Freizeit verbringen möchte. So hätte ich auch kein Problem damit gehabt, das Date vorzeitig abzubrechen, sollte der Mann sich als Pflaume herausstellen. In der Tat habe ich das schon in einigen Fällen getan.

Doch hiermit konnte ich nicht rechnen. Nicht mit dieser Anziehungskraft, welche die Luft zwischen uns zum Brennen bringt. Ich fühle mich wie ein unerfahrenes Schulmädchen, das zum ersten Mal von ihrem Schwarm, den es viele Jahre lang aus der Ferne angehimmelt hat, geküsst wird.

Vollkommen durch den Wind. Als würde ich schweben oder träumen oder beides.

Wir lösen den Kuss, um wieder zu Atem zu kommen, und rücken nur so weit voneinander ab, dass wir uns in die Augen sehen können. Ich versinke regelrecht in seinem Blick. Ich kann seine Erregung deutlich spüren, aber auch meine eigene, die wie flüssiges Feuer durch mein Blut rauscht. Mein Herz klopft ganz wild, und mein Körper fordert Erfüllung ein wie noch niemals zuvor.

Ich weiß, dass ich an einem Scheideweg stehe. Soll ich ihn mit nach oben nehmen? In mein Zimmer, meine Privatsphäre, meinen Körper?

Nein, er ist ein Fremder. Ein nicht mehr ganz so fremder Fremder. Ein Mann, der mir den Verstand raubt und womöglich mein Herz, wenn ich es zulasse. Oder vielleicht sogar, obwohl ich das gar nicht möchte. Fest steht, dass er für meinen Seelenfrieden und mein Herz gefährlich ist.

Ich bin zu intelligent, zu vorbelastet und zu wenig betrunken, um mich von meinen Trieben und seiner Anziehungskraft zu etwas hinreißen zu lassen, das für mich ernsthafte Folgen haben könnte. Eine ungeplante Schwangerschaft, ein gebrochenes Herz und weitere Komplikationen. Nichts ist zu einhundert Prozent sicher im Leben.

Daher löse ich mich mit letzter Kraft von ihm. Ein tiefes Gefühl des Bedauerns erfüllt mich, aber ebenso weiß ich, dass es die richtige Entscheidung ist. Wenn er der Richtige ist, dann ist er bereit zu warten. Sollte er mich bedrängen, so ist das ein Warnhinweis. Ganz eindeutig.

Daher trete ich einen Schritt auf die Tür zu und gleichzeitig von ihm weg.

»Gute Nacht, Dario.« Meine Stimme ist ein raues Flüstern, unterlegt von einem leichten Beben, das von meiner Erregung und inneren Aufruhr verursacht wird.

Er ergreift meine Hand, dreht sie um und küsst die Innenseite. Meine Haut prickelt, wo seine Lippen sie berühren. Wie flüssige Lava durchdringt es mich. Flammen züngeln über meine Haut. Ich will diesen Mann, wie ich noch nie einen anderen wollte.

In seinen dunklen Augen steht ein unausgesprochenes Versprechen. Die Verheißung süßer Freuden, die er mir bereiten möchte, sobald ich dazu einwillige. »Gute Nacht, Anastacia. Schlaf gut und träume süß.«

Von dir, will ich sagen, unterlasse es aber, weil es womöglich kitschig klingt. Aber ich weiß, dass ich von ihm träumen will und vielleicht sogar werde.

»Danke. Träume du auch süß, Dario.«

»Wenn ich von dir träumen sollte, würde ich mich sehr glücklich schätzen. Ich rufe dich an. Bald.« Sanft streicht er mit dem Daumen über mein Handgelenk, dann lässt er mich los. »Bis bald, meine Schöne.«

Er schenkt mir ein letztes Lächeln, das meine Knie weich werden lässt. Dann wendet er sich um und geht davon.

Wie ein Sturm ist er in mein Leben gekommen. Entsprechend aufgewühlt fühle ich mich. Ich nehme meine Schlüssel aus meiner Handtasche und schließe die Haustür auf. Oben in meiner Wohnung angekommen denke ich immer noch an ihn. Ebenso, als ich eine Weile später in meinem Bett liege. Was für ein Mann!

Dario

Ich habe sie unterschätzt. Diese Frau ist Dynamit. Selbst mich bringt sie aus der Fassung. Kein Wunder, dass ein eher unerfahrener, naiver, junger Mann wie mein viel jüngerer Bruder auf sie hereingefallen und ihr willenloses Opfer gewesen ist.

Sie wäre mit mir ins Bett gegangen. Aus Berechnung. Sie stand kurz davor. Gleichzeitig habe ich gemerkt, wie sie sich zurückgehalten hat. Sie will nicht als leicht zu haben gelten. Gewiss ist das ein Teil ihres Spiels, um den Einsatz zu erhöhen. Denn dass sie raffiniert, hinterlistig und manipulativ ist, wissen wir bereits. Ihr damaliges Handeln hatte ihre verborgene Motivation und ihren wahren Charakter ganz offen gezeigt. Wie eiskalt sie meinen kleinen Bruder abserviert hatte, lässt mich frösteln.

Wenn man es nicht wüsste, würde man es nicht denken von dieser heißblütigen Frau. Ihr Kuss war wie der Tanz auf dem Vulkan. Ein sengendes Feuer, eine explosive Leidenschaft, die ihresgleichen sucht.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass das alles vorgespielt ist. Vielleicht lässt mein männlicher Stolz diesen Gedanken einfach nicht zu. Wie dem auch sei, ich muss mich vorsehen. Deutlich habe ich ihren Blick bemerkt, mit dem sie mich taxiert hat, meine teure Kleidung, die hochpreisige Uhr, die handgefertigten, italienischen Lederschuhe. Nichts davon ist ihrem prüfenden Blick entgangen.

Gewiss hat sie im Kopf überschlagen, wie viel das alles gekostet haben dürfte. Wie lohnenswert ihr neuestes Opfer für sie sein könnte. Meinen Halbbruder hatte sie jedenfalls um einen Großteil seiner Ersparnisse gebracht, bevor sie ihn für einen Millionär eiskalt fallen gelassen hat.

Sie ist berechnend, ganz klar. Ihre früheren Taten bezeugen das eindeutig.

Doch jetzt hat sie ihren Meister gefunden. Diesmal wird ihr berechnendes Spiel nicht aufgehen. Sie wird kein Opfer finden, sondern selbst eines werden. Ich bin ihr Karma. Ich bringe ihr die Rechnung für all ihre bisherigen schlechten Taten. Ein Herz für ein Herz. Ihres werde ich so brechen, wie sie das meines Bruders gebrochen hat.

In ihrem Fall wird mir die Verführung nicht mal schwerfallen. Sie ist attraktiv. Ungeheuer attraktiv. Ich werde mich vorsehen müssen, mich von dem zerstörerischen Zauber dieser Circe nicht einspinnen zu lassen.

Das Spiel hat begonnen. Doch diesmal wird sie die Verliererin sein.

Kapitel 2

Anastacia

Mein erster Gedanke nach dem Aufwachen gilt Dario, dem Mann, der mühelos mein Herz erobern kann. Es schlägt bereits jetzt ganz aufgeregt bei der Erinnerung an ihn.

Mein zweiter Gedanke gilt meinem neuen Boss. Wie wird er sein? Wird er sich häufiger hier aufhalten?

Bisher ist er nicht in Erscheinung getreten, sondern hat jemanden geschickt mit der Betreuung seiner Angelegenheiten. Übernimmt er Unternehmen immer auf diese Weise? Aus der Ferne?

Soweit ich weiß, handelt es sich um einen Reeder. Aus Italien. Die Welt vernetzt sich immer mehr, wird stetig kleiner. Ich habe schon mit Menschen aus aller Herren Länder zusammengearbeitet. Ein paar unserer Zulieferer sind aus Italien, wenn auch bei weitem nicht so viele, wie ich das gern hätte, denn das dortige lederverarbeitende Gewerbe ist unübertroffen.

Unser bisheriger Boss war ein Traditionalist und wollte vor allem den eigenen Binnenmarkt und die eigene Wirtschaft stärken, was eigentlich ein lobenswertes Unterfangen ist. Dass er bevorzugt mit Zulieferern aus Großbritannien, am besten noch England, Verträge abgeschlossen hat, war für ihn in dieser Hinsicht eine selbstverständliche Voraussetzung.

Dass diese Zulieferer freilich wiederum zumindest teilweise ihre Waren und Dienstleistungen aus dem Ausland bezogen, schien für ihn nicht wirklich von Belang zu sein. Das könne man schließlich nicht alles nachprüfen, sagte er, nachdem ich diesen Einwand gebracht hatte. Der Aufwand wäre zu groß und so weiter.

Ich frage mich, ob sich das zukünftig ändern wird mit dem neuen italienischen Boss. Den Gerüchten zufolge ist er schwul, denn welcher Hetero-Mann würde denn ein Unternehmen aufkaufen, das sich auf Damenhandtaschen und dazu passende Geldbörsen spezialisiert hat? Zumal er offenbar aus einer ganz anderen Branche kommt, der Schifffahrt. Es soll sich um ein Familienunternehmen handeln. Die Italiener sind sehr familienorientiert, sodass er gewiss seinen Vater und die restliche Verwandtschaft nicht hatte enttäuschen wollen. Vermutlich hatte er lange Zeit seine wahren Interessen und Neigungen unterdrückt. Dem Foto auf der Unternehmenswebsite nach zu urteilen ist er schon älter. Ich schätze Mr. Siragusa auf ungefähr Anfang oder Mitte sechzig. Er ist nach wie vor ein attraktiver Mann.

---ENDE DER LESEPROBE---