Die Schlacht um Wildforest - Sina Blackwood - E-Book

Die Schlacht um Wildforest E-Book

Sina Blackwood

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Beschreibung

Bei einem heimtückischen Überfall wird der Sohn des Königs schwer verletzt. Es gibt nur eine Möglichkeit, ihm das Leben zu retten und Sir William muss eine schnelle Entscheidung treffen. So gibt er das bestgehütete Familiengeheimnis preis, sehr wohl wissend, dass er damit eine ganze Lawine an Abenteuern ins Rollen bringt, die alles verändern wird.

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Sammlungen



Inhaltsverzeichnis

Prioritäten

Offenbarungen

Sondierungsgesprdche

Versprechen

Prinzenraub

Freudenfeste

Sir Oliver

Die Schlacht um Wildforest

Lady Fran

Umbrüche

Burg Sternfels

Timothy Drachenherz

Die Macht der Liebe

Winterfreud & Winterleid

Das Turnier

Für Sternfels!

Schon wieder Krieg

Heikle Missionen

En Feindesland

Im Hochzeitsfieber

Große Augenblicke

Flöhe hüten

Alles fügt sich zusammen

Im Nebelwald

Zwei Hochzeiten und ein Todesfall

Prioritäten

Es war nicht das erste Mal, dass man die Jagdgesellschaft König Williams aus dem Hinterhalt angriff.

Bisher hatte der Regent kaum darauf reagiert, zumal es stets nur jene seiner Verwandten getroffen hatte, die sich sehr gut selber helfen konnten und welche die Zwischenfälle in gleicher Weise ignorierten.

Mehr Sorgen machten sich die Untertanen, die nicht verstanden, warum sich Sir William so zurückhielt. Während die einen schließlich gar munkelten, er sei zu feige, sich zu wehren, lobten die anderen seine Kaltblütigkeit. Aber auch dies ließ den König bestenfalls mit den Schultern zucken.

Menschen sind kurzlebig und das geschriebene Wort tut man schnell als Legende ab. Keiner ahnte, dass auf dem Thron ebenjener William saß, der schon vor 500 Jahren das Land regiert hatte. Wären die Untertanen nicht rundum zufrieden gewesen, dann hätten sie wohl schon lautstark um Auskunft ersucht, was den Herrscher so zaudern ließ.

Ein Tag im Juni sollte alles ändern.

Sir William war mit seinen beiden Söhnen und einem Neffen auf der Pirsch, als man sie mit einem wahren Pfeilregen aus dem Hinterhalt überschüttete. Die Begleiter der vier versuchten zwar, die Prinzen mit ihren breiten Schilden zu schützen, konnten es aber nicht verhindern, dass Vincent, der Ältere, schwer an der Schulter verletzt wurde.

In König Williams Augen begann ein gefährliches Feuer zu lodern. Er sprang vom Pferd und rannte, nur mit einem Schwert bewaffnet, in den Wald, wo sich die Angreifer versteckt hielten. Noch ehe sich die anderen von ihrem namenlosen Schreck erholt hatten, tauchte er in das Unterholz ein.

Im Bruchteil einer Sekunde schien der ganze Wald in Aufruhr zu sein. Angstschreie gellten auf, ganze Bäume knickten einfach um, als wüte ein Tornado zwischen ihnen. Die Männer glaubten sogar, das Brechen von Knochen vernommen zu haben. Dann stank es nach verbranntem Fleisch.

Während sich einige Ritter um die Prinzen kümmerten, beeilten sich die anderen, ihrem König zu Hilfe zu eilen. Noch bevor sie den Waldrand erreichten, trat Sir William blutüberströmt zwischen den Sträuchern hervor.

„Um Himmels willen, Sire!“ Ritter Elliot starrte den König entsetzt an.

„Beruhigt Euch, meine Herren. Nicht ein Tropfen davon ist mein Blut.“ Er wandte sich seinem Sohn zu. „Ich habe sie es büßen lassen. Eurer Wunde wird sich Lady Brenda annehmen.“

„Wir konnten die Pfeilspitze nicht entfernen“, raunte ihm einer der Ritter ins Ohr. „Ich weiß nicht, ob er den Transport lebend überstehen wird. Sie steckt verdammt nah an der Schlagader.“

William schloss die Augen. In seinem Inneren tobten die Gefühle. Es galt, das gut gehütete Geheimnis gegen das Leben seines Sohnes abzuwägen. Als er die Lider wieder öffnete, brannte in seinem Blick das gleiche Feuer wie vor dem Kampf im Wald.

„Sire!“

„Ihr habt mir Treue geschworen.“

„Bis in den Tod!“ Die Ritter knieten nieder.

William nickte ihnen zu. „Entfernt Euch alle ein paar Fuß von Vincent und mir, es könnte ungemütlich werden.“

„Was habt Ihr vor, mein Herr?“

„Keine Zeit für Erklärungen, ich versuche, meinem Sohn das Leben zu retten.“

Im nächsten Augenblick hockte ein gigantischer schwarzer Drache auf der Wiese, der behutsam nach dem Schwerverletzten griff. Als er mit machtvollen Flügelschlägen abhob, wirbelten die Ritter wie Strohpuppen durcheinander.

Elliot hatte sich zuerst vom Schock erholt. „Wusstet Ihr es?“, wandte er sich an die Prinzen.

Beide nickten.

„Nur Vincent war nicht informiert“, schränkte Andrew, der jüngere Bruder, ein.

Die Ritter schauten ungläubig und Elliot sprach aus, was alle dachten: „Ausgerechnet der Älteste soll es nicht gewusst haben? Warum?“

„Er ist ein Mensch“, platzte Andrew heraus. Dann hielt er sich erschrocken den Mund zu, während sein Cousin verschüchtert grinste.

„Ihr nicht?“, hakte Elliot sofort nach und erntete betretene Gesichter. Sowohl die Prinzen als auch die Ritter fühlten sich nicht ganz wohl in ihrer Haut.

Sir Elliot schüttelte beinahe amüsiert den Kopf. „Meine edlen Herren Prinzen, ich habe nicht nur dem König ewige Treue geschworen, sondern seinem ganzen Clan. Solltet Ihr das gleiche Geheimnis hüten, dann kann es mir nur recht sein. In diesem Fall muss ich mir weniger Sorgen machen und kann mich mehr auf Sir Vincents Schutz konzentrieren.“

„So soll es sein“, erklärte Sir Kenneth, Lady Brendas Sohn feierlich, womit er indirekt zugab, sich in einen Drachen verwandeln zu können.

Nichtsdestotrotz scharten sich die Ritter auf dem Heimweg schützend um die jungen Prinzen, wie es ihnen der König befohlen hatte.

Dann trafen sie allerorten auf Menschen, die entsetzt berichteten, sie hätten einen Drachen gesehen, der einen leblosen Menschen in den Krallen trug.

Wer würde wohl der Nächste sein, den sich der schwarze Riese holte, um ihn aufzufressen?

„Narren!“, schimpfte Sir Elliot, glättete mit wohlgesetzten Worten die Wogen und stimmte die Entsetzten günstig für den Drachen, der alles versuchte, den Sohn ihres Königs zu retten. „Ihr solltet dankbar sein, dass es ihn gibt. Niemand kann uns besser gegen Feinde beistehen.“

Lady Brenda hatte die Verwandlung ihres Bruders gespürt und seine telepathischen Nachrichten empfangen. Sie wies die Wachen an, den geflügelten Riesen in Ruhe im Burghof landen zu lassen und sich ja nicht in seine Nähe zu wagen.

So ging die Rückverwandlung ohne lästige Zeugen vonstatten und Sir William eilte, seinen Sohn auf den Armen, in die Burg, wo Lady Brenda schon Salben, Pasten und Tinkturen bereithielt.

Eine kurze Untersuchung genügte, ein Blick zu ihrem Bruder, dann nahm ihre Haut einen milchweißen Schimmer an, der überdeutlich die hervortretenden Drachenschuppen betonte.

Übertragt ihm Lebenskraft, hörte er es in seinen Gedanken wispern, als sie mit einer Zange die Pfeilspitze aus Vincents Fleisch zog.

Sir William stellte sich ans Kopfende des Bettes, legte beide Hände an die Schläfen seines Sohnes und gab ihm reichlich von seiner unermesslichen Kraft ab.

Lady Brenda spülte die tiefe Wunde mit einem Sud aus Kräutern, verband sie fachgerecht und flößte ihrem Neffen tropfenweise ein starkes Schlafmittel ein.

„Nun heißt es warten und hoffen“, seufzte sie.

Ehe sie dazu kam, nach dem genauen Hergang des Unglücks zu fragen, traf die Schar der Reiter ein. Der König ließ alle sofort zu sich rufen, um sowohl die Ritter als auch die Clanmitglieder allumfassend zu informieren.

Offenbarungen

„Lady Brenda hat die Pfeilspitze entfernt und meinen Sohn in einen heilenden Schlaf versetzt“, begann er. „Ihr, edle Ritter, dürft Euch erheben“, fuhr er fort, denn die Geharnischten hatten noch immer ein Knie auf den Boden gestützt und die Köpfe gesenkt. Er deutete auf Bänke, die den Raum einsäumten. „Setzt Euch! Ich werde Euch jetzt mit Informationen überhäufen, die Euer Weltbild gehörig ins Wanken bringen werden.“

Die Ritter beeilten sich, dem Wunsch Folge zu leisten, legten die Waffen und Helme ab. Als Ruhe einzog, sprach der König weiter.

„Nachdem wir Drachen seit vielen Generationen unerkannt unter Euch gelebt haben, ist nun endgültig der Zeitpunkt gekommen, uns zu erkennen zu geben.“

Er schaute in die sehr gefasst wirkende Runde, nickte den Prinzen zu und meinte dann: „Ich merke schon, dass Ihr einen kleinen Teil erfahren habt. Dies erleichtert es mir, frei darüber zu sprechen, weil Ihr zumindest alle schon die Tatsache akzeptiert, dass es uns gibt und wir nichts Böses im Schilde führen. Sogar im wahrsten Sinne des Wortes.“

Lächelnd ließ er die Fingerspitzen über einen der an der Wand lehnenden Schilde gleiten, den das Wappen mit dem Drachen zierte.

„Ich herrsche seit mehr als 500 Jahren über dieses wundervolle Land und ich habe nicht vor, es mir von irgendwelchen Schurken wegnehmen zu lassen.

Das Gerede, ob ich denn zu feige sei, gegen die Nachbarn vorzugehen, wenn sie in unser Land eindringen, kenne ich. Spätestens seit heute dürfte der Letzte unter Euch wissen, dass ich mich aus völlig anderen Gründen gezügelt habe.

Ich werde, nun wo alle wissen, dass uns ein Drache hilfreich zur Seite steht, mit aller Härte gegen jegliche Übergriffe vorgehen. Ob als Mensch oder in Gestalt des Drachen, wird die jeweilige Situation bestimmen.“

Er legte Andrew und Kenneth von hinten die Hände auf die Schultern.

„Diese beiden und Lady Brenda sind ebenfalls Drachen. Wobei Lady Brenda derzeit der mächtigste Drache ist. Zudem ist sie nicht meine Schwester, wie man zu wissen meint. Sie ist meine älteste Tochter und somit ist Kenneth einer meiner zahlreichen Enkel.“

Sir Elliot kratzte sich am Kinn. Der König hatte nicht übertrieben. Es galt tatsächlich, das ganze Weltbild neu zu ordnen.

„Ihr werdet unseren Stammbaum studieren müssen, Sir Elliot, wenn Ihr halbwegs klar sehen wollt“, schmunzelte Sir William. „Ich befehle es Euch nicht. Ich stelle Euch dies frei.“

Das zustimmende Gemurmel zauberte Grübchen auf Lady Brendas Wangen. „Ich stehe Euch gern zur Verfügung, da mein Vater in den nächsten Tagen andere Sorgen als Familiengeschichte haben wird.“

Sir William stimmte zu. „Das kommt mir sehr entgegen. Ich werde mich unserer beiden Jungspunde annehmen und Vincent um Verzeihung bitten müssen, ihn nicht eingeweiht zu haben.“

Versonnen sah er aus dem Fenster, um etwas leiser zu berichten: „Die meisten aus meiner langen Ahnenreihe sind Menschen. Und nicht alle sind mir unbedingt ergeben. Als Drache werden nur wenige geboren. Wobei alle unsere Nachfahren die Anlagen haben, sich zu Drachen entwickeln zu können. Nur ist nicht jeder dazu in der Lage. Wer sich bis zum 20. Lebensjahr nicht verwandelt hat, der wird in der Regel auch kein Drache mehr.“

„Dann besteht für Euern Ältesten also noch ein winziger Funken Hoffnung?“, wagte Sir Elliot zu fragen.

Der König nickte kaum merklich. Vincent war 19. Er frönte lieber der Dichtkunst und der Musik, als sich im Waffenhandwerk zu üben. Mit einer Handbewegung wischte Sir William die Gedanken beiseite.

„Meine Herren, ab morgen werdet Ihr ein besonderes Kampftraining bekommen. So können die beiden prinzlichen Heißsporne auch gleich zeigen, ob sie würdig sind, mit in die kommende Schlacht ziehen zu dürfen. Meine Herren Ritter, haltet Eure Ohren offen und die Münder geschlossen. Es werden harte Zeiten kommen.“

Er entließ sie für den Augenblick mit einer kurzen Geste und hielt nur Ritter Elliot, seinen besten Mann, zurück.

„Euch erwarte ich nach Einbruch der Dunkelheit im hinteren Burghof beim alten Kerker. Kleidet Euch warm und verzichtet auf jegliche Panzerung.“ „Ein Dolch reicht!“, rief er ihm noch nach, als Elliot schon fast die Tür hinter sich geschlossen hatte.

„Was für ein Training habt Ihr für uns vorgesehen?“, bestürmten ihn die Prinzen.

Sir William lachte. „Wie ich schon sagte - Heißsporne. Ihr werdet es zum gleichen Zeitpunkt wie die anderen erfahren.“

Milde lächelnd macht er sich auf, seinen verwundeten Sohn zu besuchen.

Prinz Vincent lag mit schmerzverzerrtem Gesicht im Bett. Die sedierende Wirkung der Kräuter hatte nachgelassen und er freute sich, etwas abgelenkt zu werden.

„Nun, mein Sohn, musstet Ihr am eigenen Leibe erfahren, dass jene, die keine Waffen tragen, trotzdem durch welche umkommen können“, seufzte der König. „Wie fühlt Ihr Euch?“

„Unschön. Wie ein aufgespießter Eber. Zudem denke ich die ganze Zeit darüber nach, warum nur mich ein Pfeil getroffen hat. Sie fielen doch fast wie Regentropfen vom Himmel.“

„Das ist es, worüber ich mit Euch sprechen möchte, selbst wenn es Euch zutiefst kränken könnte, warum ich es erst heute wage. Was ist das Letzte, woran Ihr Euch erinnern könnt?“

„Dass die Ritter die Schilde nach oben rissen, dann ein Zischen, ein Schmerz und mehr weiß ich nicht.“

„Ganz sicher?“

„Der Rest muss eine Fieberfantasie gewesen sein …“

„Erzählt es mir trotzdem“, bat der König.

„Nun, ich glaube, einen Drachen gesehen zu haben. Er hat mich mit seinen Krallen sanft und sicher durch die Lüfte hierher getragen“, erklärte Vincent mit stockender Stimme.

„Diesen Drachen gibt es wirklich und er hat Euch tatsächlich nach Hause gebracht, damit Euch Lady Brenda retten konnte.“

„Was?! Wo kam er so plötzlich her und warum haben wir nie von ihm gehört?“ Prinz Vincent versuchte, den Kopf zu heben.

Sir William biss sich auf die Unterlippe. „Ihr kennt den Drachen und habt seit 19 Jahren täglich mit ihm zu tun. Ich will es kurz machen – ich bin der Drache.“

Vincent wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Vielleicht hatte sein Vater im Kampf ja einen Schlag auf den Kopf erlitten. Anders konnte er sich den Unsinn nicht vorstellen, den dieser soeben von sich gegeben hatte.

William begann schallend zu lachen. „Mein Sohn, ich habe weder eins auf den Helm bekommen, noch zu tief in den Weinbecher geschaut. Und ganz nebenbei bemerkt kann ich die Gedanken der Menschen lesen.“

„Oh weh!“ Vincent wurde noch eine Spur blasser, als er durch den hohen Blutverlust schon war.

„Ich, an Eurer Stelle, würde mich auch für verrückt geworden halten“, erklärte der König milde.

„Ihr meint das offenbar alles ernst. Bitte lasst Lady Brenda holen!“

„Die übrigens nicht Eure Tante, sondern Eure älteste Schwester ist“, warf der König ein, als er den Befehl gab, Brenda zu rufen.

Vincent fasste sich an den Kopf. Er fürchtete ernsthaft, jeden Augenblick die Fassung zu verlieren.

Lady Brenda trat mit einem amüsierten Kichern ein. „Mein lieber Sir Vincent, Ihr lasst einen zweiten Drachen rufen, Euch gegen den Ersten beizustehen? Eine interessante Entscheidung.“

Vincent klappte der Mund auf. „Ihr … Ihr … Ihr auch … ist das eine Verschwörung?“

„Nein, Euer Vater versucht nur, Euch endlich die Augen zu öffnen.“ Sie schloss die Lider und bildete die milchweiße drachenschuppige Haut aus. „Genügt das als kleiner Beweis, dass auch ich ein Drache bin?“

„Darf ich Euch berühren?“, hauchte Vincent.

„Natürlich!“ Sie hielt ihm eine Hand entgegen, die der junge Prinz beinahe verzückt betastete.

Der König rückte ihr einen Stuhl zurecht und ließ sich auf den Zweiten sinken.

„Ihr seid wirklich meine Schwester und nicht meine Tante?“, hörte er seinen Sohn fragen.

„Richtig, mein Prinz. Wir werden Euch in den nächsten Tagen in alles einweihen. Bitte seid uns nicht gram, weil wir die ganzen Jahre geschwiegen haben.“

„Und was ist mit Andrew und Kenneth?“

„Sie sind beide Drachen“, antworteten Lady Brenda und Sir William wie aus einem Mund.

Diesmal huschte ein winziges Lächeln über das Gesicht des Schwerverletzten. „Das war zwar nicht die Absicht meiner Frage, aber die Antwort erstickt viele andere Gedanken gleich im Keim.“

„Ihr müsst schnell zu neuen Kräften kommen.“ Lady Brenda ließ ihre Drachenhaut wieder verschwinden, entzog ihm aber ihre Hand nicht.

Vincent drückte diese vorsichtig. „Danke, meine große wundervolle Schwester.“ Er schloss die Augen und schlief im selben Moment ein.

„Er wird die Wahrheit verkraften. Nun wird unser Schöngeist wohl von gigantischen Drachen und deren Abenteuern träumen“, sinnierte sie. „Gehen wir.“ Sie zog Sir William an der Hand aus dem Zimmer.

„Ihr wollt heute Nacht mit Sir Elliot fliegen, vermute ich“, sagte sie auf dem Flur.

„Genau das habe ich vor.“ Sir William stützte sich auf das Fensterbrett und schaute der Sonne nach, die langsam ihre Bahn vollendete.

„Daran tut Ihr gut. Er ist der Vertrauenswürdigste unter den Menschen. Unseren gesamten Clan habe ich informiert. Die Blackstones und Whitecastles sind bereit, uns beizustehen.“

„Ausgezeichnet!“

„Die Drachen aus Wildforest treffen morgen hier ein.“

Sir William schaute Lady Brenda neugierig an. „Was bewegt sie dazu?“

„Die alte Dankbarkeit. Sie sind halt so.“

„Dabei bin ich derjenige, der dieser Familie des Clans beinahe alles zu verdanken hat.“

Brenda schmunzelte. „Also auch alte Dankbarkeit.“

„Unbedingt. Deshalb werde ich auch besonders aufpassen, dass Sir Elliot, der beste menschliche Spross aus jenem Hause, bei unserem kleinen Ausflug nicht zu Schaden kommt.“

Der König schlenderte mit ihr weiter bis zum Palas, wo er sich mit einer angedeuteten Verbeugung verabschiedete.

Ritter Elliot kontrollierte gerade, ob sein neuer Knappe den Harnisch ordentlich geputzt und geölt hatte. Die Kleidung für den Abend lag schon bereit. Als er nach seinem Dolch fassen wollte, spürte er einen stechenden Schmerz hinter der Stirn, gleichzeitig hörte er deutlich die Stimme des Königs in seinem Kopf: Wenn Ihr bereit seid, kommt sofort zum Kerker.

Elliot zog ungläubig-erstaunt die Augenbrauen zusammen und hoffte, dass sein Herr die gedachte Antwort hören konnte: Ich gehorche, mein König. In wenigen Augenblicken bin ich bei Euch.

„Du hast jetzt schon dienstfrei“, wandte er sich an den Knappen. „Mich rufen dringende Geschäfte.“

Den Dolch umschnallend und einen warmen Umhang überwerfend, eilte er zum vereinbarten Treffpunkt, wo der König tatsächlich auf ihn wartete.

„Ihr seid begabt“, lobte der und verwandelte sich ohne Vorwarnung in den Drachen. Steigt auf meinen Rücken und haltet Euch an meinen Hörnern fest.

Sir Elliot hätte niemals zu widersprechen gewagt. Er nahm die dargereichte Klaue als Steighilfe dankbar an und wusste sofort, dass er gleich ein atemberaubendes Abenteuer erleben werde.

Mit mächtigem Schlag der dunklen Schwingen stieg der schwarze Drache beinahe senkrecht in den Himmel. Die anfängliche Furcht des Ritters wich rasch der Neugier und er betrachtete mit leuchtenden Augen das weite Land unter sich.

Die letzten Sonnenstrahlen verwandelten den Fluss in ein goldgleißendes Band, in den Fenstern der Hütten rings um die Burg glimmten erste Lichter auf und weiße Rauchfahnen stiegen in den Himmel.

„Grandios“, murmelte er beeindruckt.

Ich weiß, wie Ihr Euch fühlt. Ich selber habe dieses Bild vor fast 300 Jahren zum letzten Mal gesehen. Ich hatte schon fast vergessen, wie wundervoll es ist, fliegen zu können. Die Menschen werden sich wieder an den Anblick durch die Lüfte gleitender Drachen gewöhnen müssen.

„Das werden sie gewiss tun“, versprach Elliot, den Flug mit allen Sinnen genießend.

Auf einer kleinen Wiese, fernab jeder Zivilisation landete der Drache und Sir Elliot sprang von seinem Rücken.

Jetzt zeige ich Euch, was wir noch für Fähigkeiten haben. Im selben Augenblick loderte eine gigantische Flamme in den nächtlichen Himmel. Als Nächstes griff der Drache nach einem Baum, riss ihn ohne Mühe aus und biss den fast meterdicken Stamm einfach durch. Einen herumliegenden Felsbrocken in der Größe eines Schafes zerquetschte er zwischen seinen Pranken. Dann verwandelte er sich zurück in menschliche Gestalt.

„Es wäre mir ein Leichtes, missliebige Menschen zu beseitigen. Nur ist es nicht das, was wir Drachen wollen. Im Grunde genommen wollen wir nichts weiter, als in Ruhe gelassen werden. Reizt man uns aber so, wie es seit vielen Monaten geschieht, dann ist auch unser Maß voll. Dass man meinen Sohn heute fast getötet hätte, ist der genau jener Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Ruft die waffentauglichen Männer zusammen! In vier Wochen ziehen wir gegen König Wenzel zu Felde. Bis dahin werden die Prinzen und zwei ausgewählte Ritter eingespielte Teams sein.“

„Darf ich fragen, wie viele Drachen es gibt?“

„Nie mehr als 49. Das scheint eine magische Grenze zu sein, die wir nicht überschreiten können. Aktuell gibt es 42 von uns. Ich bin einer der ältesten noch lebenden Drachen, wobei sich meine Zeit langsam dem Ende nähert.“

„Sire!“

„Keine Bange! Falls man mich nicht auf perfide Art mit einer Speerschleuder ermordet, dann kann ich sogar Euch noch für wenige Jahre überleben. Ihr habt Euch oft gefragt, warum ich Euch schon als Knappen auf meine Burg und persönlich unter meine Fittiche genommen habe, obwohl andere damals körperlich geeigneter waren. Aus Dankbarkeit für Euren Ahnherrn Ken.

Er hat mich indirekt zum Drachen werden lassen. Ich habe ihm, als ich durch seinen Turniersieg über den alten König, dessen Platz einnehmen konnte, die Ländereien zurückgegeben, die ihm mein Vorgänger geraubt hatte. Es ist eine lange Geschichte, die ich Euch irgendwann in einer sentimentalen Stunde erzählen werde.

Jedenfalls schlummerten schon als Knabe in Euch die Kraft und das Feuer der Brennigans of Wildforest, was Ihr seit jenem ersten Tag bei mir immer genutzt habt, um überall der Beste zu werden. Aber fliegen wir zurück. Sonst vermisst man uns noch.“

Von Menschen unbemerkt erreichten sie die Königsburg, wo sich Sir Elliot mit sehr bewegten Worten für all das Gute bedankte, das ihm immer wieder von der Königsfamilie zuteil wurde.

Auf dem Weg zu seinen Räumen erschreckte ihn, wie schon so oft, Lady Brenda, die gerade noch einmal nach Vincent gesehen hatte und aufgrund ihrer scharfen Drachenaugen keine Kerze mitgenommen hatte. Heute musste Elliot, eingedenk dessen, was er alles erfahren hatte, über die Begegnung schmunzeln, während es ihm diese bisher ziemlich suspekt erschienen waren.

Einen Quergang weiter rannten ihn fast die beiden Prinzen über den Haufen, die wohl wieder irgendwelche Streiche ausgeheckt hatten, was ihn zu dem Ausruf veranlasste: „Himmel, hier muss irgendwo ein Nest sein!“

„Ein Drachennest, Sir Elliot!“ Die beiden wollten kichernd davonhuschen.

„Halt! Müsstet Ihr nicht in Euren Betten liegen und Kraft für das Training morgen sammeln? Auch junge Drachen sollten ihren Eltern gehorchen. Besonders wenn es sich dabei um den König und seine Familie handelt.“

„Ihr habt recht“, murmelte Andrew. „Es war dumm von uns, jetzt, wo es Krieg geben kann. Verzeiht uns bitte.“

„Ich lasse ausnahmsweise Gnade vor Recht ergehen.“ Er sah den beiden hinterher, die sich den Rüffel sehr zu Herzen nahmen. Ihr Verhalten war wenig geeignet, sie bald in den Ritterstand zu erheben. Drachen hin oder her.

Sondierungsgesprdche

Am nächsten Morgen erschien sogar Vincent mit am Tisch, obwohl er ziemlich die Zähne zusammenbeißen musste. Ritter Elliot schwieg wie ein Grab über das Zusammentreffen mit den beiden anderen, die sich auffallend bemühten, keine dummen Sprüche von sich zu geben und sich auch sonst verdächtig mustergültig verhielten.

„Gibt es etwas, das ich wissen sollte?“, fragte König William schließlich, der sich keinen Reim auf die plötzliche Zahmheit der Wildfänge machen konnte.

Andrew spitzte die Lippen. „Sir Elliot hat uns gestern Nacht beim Herumgeistern erwischt und gründlich den Kopf gewaschen.“

„Oha.“

Kenneth zupfte sich an der Nasenspitze. „Was er gesagt hat, ist eigentlich harmlos, aber ziemlich tief gegangen.“ Er berichtete in genauem Wortlaut, was sich ereignet hatte. „Wenn es Krieg gibt, dann leiden die Menschen. Wir Drachen sind ziemlich gut geschützt“, fügte er noch hinzu. „Das hat uns sehr zu denken gegeben.“

„Ihr wollt doch nicht etwa wirklich erwachsen werden?“, rief Lady Brenda überrascht.

„Wollen wir. Und wir werden verdammt ernst nehmen, was uns Sir Elliot heute beim Training zu sagen hat.“

„Wo steckt Ritter Frederik?“, fragte der König, weil ein Platz leer geblieben war.

„Er ist gestern Abend fortgeritten und noch nicht zurückgekehrt“, erwiderte Sir Kenneth. „Er hat den Weg nach Osten eingeschlagen.“

„Seltsam“, murmelte der König. „Ich wollte ihn heute zum Schutz meines Sohnes hierlassen.“

„Dagegen hätte ich mich mit einer Hand und zwei Füßen gewehrt“, ließ sich Vincent vernehmen.

Auf die verdatterten Mienen nickte er heftig.

„Was habt Ihr gegen ihn vorzubringen?“, fragte der König sofort.

„Ihr habt mich gestern gefragt, woran ich mich erinnern kann – da ist noch etwas …“ Prinz Vincent verzog angewidert das Gesicht. „Sein schadenfrohes Grinsen, als ich am Boden lag.“

„Diese Anschuldigung wiegt schwer.“ König William schaute seinen Sohn prüfend an, der diesem Blick standhielt.

„Seht mir in die Augen!“, forderte ihn Lady Brenda auf und der Prinz gehorchte ohne Zaudern. Nach wenigen Sekunden schüttelte sie deutlich sichtbar ärgerlich den Kopf. „Sir Vincent spricht die Wahrheit. Kein Zweifel, Sir Frederik ist ihm nicht wohlgesonnen.“

Entgegen jeder Etikette sprangen die meisten Ritter auf und redeten wild durcheinander.

„Ruhe!“, rief Sir Elliot. „Wir sind hier an des Königs Tafel und nicht im Gänsestall!“

„Sein Wort hat Gewicht“, stellte Prinz Kenneth trocken fest, als sich die aufgescheuchten Edelleute schlagartig beruhigten.

„Also wird er heute hierbleiben“, legte der König fest und wandte sich gleichzeitig telepathisch an Sir Elliot: Euch wird trotzdem nichts entgehen. Wir beide machen in der Nacht einen kleinen privaten Ausflug.

Ich danke Euch, mein Herr. Sir Elliot neigte den Kopf, zum Zeichen, dass er sowohl die Botschaft verstanden habe, als auch dem Befehl folgen werde.

„Dagegen habe ich nichts einzuwenden“, freute sich Prinz Vincent.

Elliot, nur wenige Jahre älter als er selber, hatte niemals die Nase gerümpft, wenn der Prinz zu Feder und Pergament, statt zu Harnisch und Schwert griff. Im Gegenteil, er hatte sich die Texte angehört und manchmal sogar großartige Änderungsvorschläge gemacht.

Vincent beschrieb Turniere so plastisch, dass Elliot geradezu den Staub schmecken konnte, den die Pferdehufe aufwirbelten. Der eine schätzte des anderen Kunst, was auf Gegenseitigkeit beruhte.

Er ist auch die beste Wahl, um unsere Gäste zu empfangen und zu unterhalten. Lady Brendas Gesicht zeigte keine Regung, als sie sich mit ihrem Vater absprach.

Eine Stunde später ritten alle schwer bewaffnet vom Hof, von Sir Elliot mit den Augen verfolgt, bis sie im nahen Wald verschwanden.

Lady Brenda ließ ihn ins Krankenzimmer des Prinzen rufen. „Damit ich nicht alles doppelt erzählen muss“, sagte sie lächelnd. „In wenigen Minuten werden nämlich Gäste aus Wildforest kommen. Sie überfliegen soeben unsere Landesgrenze und steigen gleich auf ihre Pferde, um nicht aufzufallen.“

„Es kommen Drachen?“, staunte Vincent, als Elliot das Gleiche dachte.

Brenda nickte. „Ja, sie sind heute Morgen aufgebrochen, um Euch am Krankenlager Mut zu machen und uns gegen die Feinde beizustehen.“

„Aber sollte Vater dann nicht lieber hier sein?“

„Es ist wichtiger, die Ritter das Fliegen mit den Drachen zu lehren, als zu repräsentieren“, stellte Lady Brenda klar. „Sir Elliot hat vermutlich letzte Nacht seinen ersten Flug absolviert.“

„Wirklich?“ Prinz Vincent schaute den Ritter ehrfürchtig an.

„Eure Schwester hat recht. Wir haben einen weiten Flug unternommen und Euer Vater zeigte mir die unglaublichen Kräfte der Drachen. Den majestätischen Anblick des schwarzen Riesen und die Gluthitze der gigantischen Flamme werde ich wohl niemals mehr vergessen. Ich ahne, was im Wald geschehen ist, als er die Feinde ganz allein niederstreckte.“

„Sie sind da.“ Lady Brenda erhob sich.

„Ich habe keine Pferdehufe auf der Zugbrücke gehört“, wagte Vincent, zu widersprechen und wurde von dem trommelnden Geräusch, das plötzlich einsetzte, regelrecht mundtot gemacht.

„Widersprecht nie einem Drachen!“, blinzelte Elliot. „Kommt, ich bringe Euch in den Rittersaal.“

Lady Brenda war ihnen flinken Fußes dahin vorausgeeilt.

Sir Elliot stützte den Prinzen auf dem Weg zum Saal und wie dieser glaubte er zu träumen, als er sah, wer erschienen war, und sich als Drache zu erkennen gab.

Als der letzte Gast den Saal betrat, machte Sir Elliot ganz den Eindruck, als ginge er jeden Augenblick ohnmächtig zu Boden. „Vater???“

Prinz Vincent reichte ihm die Hand. „Wenigstens bin ich nun nicht der einzige menschliche Sohn, der im Schockzustand ist.“

„Nur überwinde ich ihn schneller.“ Sir Elliot blinzelte dem Prinzen beinahe fröhlich zu. „Ich bin unglaublich stolz, der Sohn eines Drachen zu sein.“ Er erwiderte die innige Umarmung seines Vaters.

Die Gäste ihrerseits staunten, dass Lady Brenda den jungen Ritter ganz selbstverständlich in alle Gespräche einbezog.

„Er ist die rechte Hand meines Vaters, sein Vertrauter, Berater und bester Kämpfer. Und er ist auch der erste Ritter an diesem Hof, der mit seinem Drachenkönig geflogen ist. Wir vertrauen ihm wie uns selbst. Er ist ein Mensch mit dem Herz eines Drachen.

Zudem ist er der Einzige, dem auch mein Bruder Vincent volles Vertrauen schenkt. Erst recht nach dem unschönen Vorfall von gestern. Heute wissen wir, es könnte einen Verräter in unseren Reihen gegeben haben. Er hat möglicherweise sogar den Feinden verraten, wann und wo die Jagdausflüge stattfinden sollten.“

„Von wem sprecht Ihr?“

„Von Sir Frederik“, erwiderte Lady Brenda. „Er ist seit gestern, seit der Verwandlung meines Vaters, verschwunden. Sicher nicht, weil ihn der Anblick eines Drachen zu Tode erschreckt hätte.“ Sie erzählte, was sie von Prinz Vincent erfahren und in seinen Augen gesehen hatte.

„Seid Ihr sicher, dass er ein Verräter ist?“, fragten einige.

Lady Brenda schüttelte den Kopf. „Nein. Sicher ist nur die Häme, die er für meinen verletzten Bruder zeigte, und dass ich ihn belauern werde, sollte er wieder auftauchen. Bis sich alles klärt, wird Sir Elliot in der Hauptsache den Schutz Vincents übernehmen, wie er es Andrew und Kenneth gegenüber schon erklärt hat.“

„Ist es mir erlaubt, die Runde zu verlassen?“, bat Vincent. „Ich bin der angreifbarste Punkt und möchte nicht aus Unvermögen zum Verräter an der Familie werden.“

„Wie meint Ihr das?“, fragte Sir Elliot.

„Mich plagen seit Stunden Ahnungen, die ich nicht beschreiben kann. Was ich nicht weiß, kann im Ernstfall auch keiner aus mir herauspressen.“

Sir Elliot fasste nach Vincents gesundem Arm. „Ich bringe Euch in Eure Gemächer.“

„Eine weise Entscheidung“, bemerkte Lady Faye of Blackstone and Wildforest, als sich die Tür geschlossen hatte. „Zwar ist er kein Krieger, aber in ihm steckt das Herz eines Löwen. Hat er öfter Visionen?“

„Heute zum ersten Mal“, murmelte Lady Brenda angestrengt überlegend.

„Drachenmagie, meine Liebe.“ Oliver of Wildforest, der Vater Sir Elliots deutete alle umfassend in die Runde. „In der Nähe so vieler Drachen ist das für den Sohn eines Drachen nicht verwunderlich, darauf irgendwie zu reagieren.“

Sir Elliot kam zurück. „Ich habe ihn zu Bett gebracht und zwei Wachen vor seiner Tür postiert. Sie sind instruiert, mich sofort zu rufen, sollte ihn irgendjemand, außer der Familie, sprechen oder besuchen zu wollen.“

„Danke, Sir Elliot. Hervorragend“, sagte Lady Brenda erleichtert. „Ich nehme seine Worte ebenfalls sehr ernst.“

Ob Sir Elliot auch ahnt, dass Vincent nicht König werden kann, hörte Brenda die Stimme Fayes.

Sie bekam zur großen Verblüffung der Anwesenden von Sir Elliot selber die Antwort. „Ich denke, das dürfte ich gestern Nacht begriffen haben. Wenn Sir William seit über 500 Jahren auf diesem Thron sitzt und mich auch noch überlebt, wie er mir sagte, dann ist eine Thronfolge durch den menschlichen Sohn Vincent ausgeschlossen. Es sei denn, man meuchle den König mit einer Speerschleuder. Und das werde ich, solange ich lebe, zu verhindern suchen.“

„Ihr könnt unsere Gedanken hören?“

„Laut und deutlich. Mein König hat es mich gestern gelehrt, es bewirkt oder was auch immer man dazu sagen soll.“ Sir Elliot strahlte Lady Faye regelrecht an.

„Vor Euch muss man sich also in acht nehmen.“ Sie drohte ihm scherzhaft mit dem Finger.

Nur bei Liebesgeflüster, gab er mit unbewegter Miene zurück, worauf Faye in herzhaftes Lachen ausbrach.

„Ihr wäret durchaus ein Kandidat, um über Liebesgeflüster nachzudenken, mein Herr Ritter“, bekam er laut zur Antwort und wurde rot wie eine reife Tomate.

„Es steht Euch!“, lachte Lady Brenda, während Sir Elliot mühsam versuchte, eine unbefangene Miene aufzusetzen.

Die Männer hoben die Augenbrauen und grinsten amüsiert, besonders Sir Oliver. Der wusste genau, dass sich Lady Faye selten Späße auf Kosten anderer erlaubte. Hier schien ein Blitz aus heiterem Himmel einen Drachenpanzer durchschlagen zu haben. Sie hatte offen zugegeben, ernsthaftes Interesse an dem schmucken, hoch gelobten Ritter zu haben.

Wie die Versammelten reagierten, zeigten Sir Elliot auch, dass man ihn nicht zur Zielscheibe irgendwelcher Spötteleien auserkoren hatte. So nahm er wieder an der Tafel Platz und trug mit den anderen akribisch militärische Details zusammen, die diese aus der Luft völlig anders beurteilt hatten.

„Ihr könnt stolz auf Euern Sohn sein, Sir Oliver.“ Faye schaute mit ihm zum Fenster hinaus, als Sir Elliot seinen König auf dem Burghof empfing.

„Das bin ich, Lady Faye. Seine wenigen Möglichkeiten, ein wirklich großer Mann zu werden, hat er genutzt. Was gibt es Höheres für einen Menschen, als der beste Ritter und Vertrauter des Königs und seine Familie zu sein? Schade, dass ich ihn nur alle drei Jahre sehen kann.“

„Das dürfte sich rasch ändern, wenn es wieder als normal gilt, Drachen fliegen zu sehen.“

Faye schenkte Sir Elliot ein warmherziges Lächeln, als sein Blick zufällig das Fenster streifte.

Ich würde Euch gern meine Zeit widmen, Mylady, nur wissen wir beide, dass das im Angesicht eines Krieges nicht den Vorrang haben darf.

Fayes Lächeln verstärkte sich. Ich habe Zeit. Viel Zeit sogar, um auf den richtigen Moment warten zu können. Ihr müsst mir nur versprechen, immer gut auf Euch aufzupassen.

Ich werde es versuchen, erwiderte Sir Elliot.

Er wusste nicht, ob einer der Drachen dem Gespräch gelauscht hatte und wenn, dann wäre es ihm ziemlich egal gewesen. Seine Aufgabe war, das Königshaus zu schützen. Persönliche Dinge mussten warten. Einer hübschen und zudem überaus einflussreichen Dame, wie Lady Faye, hätte er auch niemals Hoffnungen gemacht, die er dann nicht zu erfüllen bereit gewesen wäre.

Der König zog Sir Elliot unbemerkt in den Pferdestall. „Ich weiß, dass Euch Lady Faye, die Ahnherrin des Wildforest-Clans, ausersehen hat“, raunte er. „Seid versichert, dass ich Euch keine Steine in den Weg legen werde.“

Auf Sir Elliots halb freudigen und halb fragenden Blick: „Ich hatte gehofft, sie werde eines Tages Interesse an Vincent zeigen. Macht Euch darum aber keine Gedanken. Drachendamen wählen immer selbst und davon bringt sie dann auch niemand ab.“

Sir Elliot blies die angestaute Luft aus und folgte Sir William in den Palas. Er hatte erwartet, ein kategorisches Nein zu hören.

Die heimgekehrten Ritter, allesamt ziemlich zerzaust und rußgeschwärzt, beeilten sich, wieder in einen hoftauglichen Zustand zu kommen, um am Festmahl zu Ehren der Gäste teilnehmen zu können.

Den halbwüchsigen Prinzen waren unter dem strengen Regiment des Königs beim Training gründlich die restlichen Flausen vergangen, welche ihnen noch in den Köpfen herumgespukt hatten.

Auf die Nachfrage durch Lady Brenda lachte der König. „Ich habe Sir Elliot wohl doch recht würdig vertreten.“

Das verschämte Nicken der Prinzen ließ dann auch alle anderen in Gelächter ausbrechen.

Versprechen

Sir Elliot legte dem König die Ergebnisse des ersten Gespräches vor.

„Ihr seid also auch der Meinung, erst zuzuschlagen, wenn wir erneut angegriffen werden?“, stellte Sir William nach wenigen Augenblicken fest.

„Ja, Sire.“ Lady Faye, die Anführerin der Wildforest-Drachen, nickte. „Dann aber mit ganzer Härte. Wobei die Kampfhandlungen nur den Burgbezirk König Wenzels betreffen, aber gänzlich ausradieren sollen. Greift er natürlich mit einem Heer an, wird er lernen müssen, dass auch wir alle Register ziehen.“

„Wir sollten die großen Bäume am Hang der hinteren Mauer fällen lassen“, schlug Sir Elliot, die Burg Drachenstein betreffend, vor. „So, wie sie die Prinzen von oben als Kletterbäume nutzen, könnten von unten Feinde eindringen. Besonders die beiden Eichen sind mir ein Dorn im Auge.“

„Ich werde es veranlassen“, erwiderte Sir William.

Lady Brenda ging selbst, ihren verletzten Bruder zu Tisch zu bitten. Es lag ihr viel daran, ihm persönlich zu sagen, dass Lady Faye ein Auge auf Sir Elliot geworfen habe, um mögliche Missverständnisse zu vermeiden.