Die Schmetterlingsjägerin - Kerstin Cantz - E-Book

Die Schmetterlingsjägerin E-Book

Kerstin Cantz

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Beschreibung

Opulent, spannend und voller Magie

Nele, die junge Kaufmannstochter aus Bremen, segelt 1824 mit Mutter und Schwester einem großen Abenteuer entgegen: Brasilien, ein Land voller Zauber, in dem sie ihre Studien über Schmetterlinge fortsetzen kann. Noch ahnt Nele nicht, dass die Reise sie an den brasilianischen Hof führen wird, wo dunkle Machenschaften ihr Schicksal mit dem der unglücklichen Kaiserin verbinden …

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Seitenzahl: 627

Veröffentlichungsjahr: 2009

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Ähnliche


Inhaltsverzeichnis
 
Widmung
Inschrift
 
ERSTES KAPITEL – NELE
LEOPOLDINE
 
ZWEITES KAPITEL – NELE
 
DRITTES KAPITEL – LEOPOLDINE
NELE – Brasilien, im Januar 1825
 
VIERTES KAPITEL – LEOPOLDINE
EMILIA – Fazenda Mariposa, im März 1825
 
FÜNFTES KAPITEL – NELE
 
SECHSTES KAPITEL – LEOPOLDINE
NELE – Boa Vista, im April 1825
 
SIEBTES KAPITEL – PINKUS
NELE – Boa Vista, im Mai 1825
EMILIA – Fazenda Mariposa, im Mai 1825
 
ACHTES KAPITEL – NELE
LEOPOLDINE
NELE
 
NEUNTES KAPITEL – PINKUS
NELE
 
ZEHNTES KAPITEL – NELE
LEOPOLDINE
NELE
 
ELFTES KAPITEL – LEOPOLDINE
NELE
 
ZWÖLFTES KAPITEL – EMILIA
NELE
LEOPOLDINE
 
DREIZEHNTES KAPITEL – PHILIPE
NELE
LEOPOLDINE
EMILIA
LEOPOLDINE
 
VIERZEHNTES KAPITEL – NELE
LEOPOLDINE
 
FÜNFZEHNTES KAPITEL – NELE
LEOPOLDINE
NELE
LEOPOLDINE
NELE
IM JAHR DANACH
 
EPILOG
Danksagung
Copyright
Für Stefan
Vielleicht war es so, vielleicht war es nicht so, aber es hat so sein können.
MARK TWAIN
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Bei den kursiv gedruckten Passagen Leopoldines handelt es sich um wortgetreue Zitate aus den Briefen der Erzherzogin von Österreich und Kaiserin von Brasilien. Rechtschreibung und Grammatik wurden zugunsten der Lesbarkeit dem heutigen Sprachgebrauch angepasst: zitiert nach den Biografien von Carlos H. Oberacker: »Leopoldine. Habsburgs Kaiserin von Brasilien«, Wien 1988, und Olga Obry: »Grüner Purpur«, Wien 1958
ERSTES KAPITEL
NELE
Bremen, im Oktober 1824
 
Niemand wusste mehr so genau, wie alt ich eigentlich war. Das Wachstum stellte ich kurz vor meinem zwölften Geburtstag ein; seitdem waren fast acht Jahre vergangen, eine einfache Rechnung also. Doch die Menschen, mit denen ich lebte, zwang es zum gelegentlichen Abzählen der Jahre. Nachdem sich die schlimmste Befürchtung, ich könnte an nervösem Fieber leiden und einen Buckel ausbilden, nicht erfüllte, hörte Mama damit auf, sich Sorgen zu machen. Ich nehme an, sie beschloss irgendwann, mein wahres Alter schlicht zu vergessen. Den Teufel tat sie, es sich ins Gedächtnis zu rufen, das ersparte ihr den Kummer darüber, dass ich nicht zu verheiraten war. Eine Weile glaubte ich fest daran, dass gewisse Vorteile darin lagen, für ein Kind gehalten zu werden.
Unsere Hausschneiderin brachte die Sache ans Licht, etwa ein Jahr nach Vaters Tod. Wie in jedem Frühling nahm sie damals im Wintergarten unseres Stadthauses Maß für die neuen Kleider. Erstaunlich lange war niemandem etwas aufgefallen, doch es war eben so vieles geschehen, was die Aufmerksamkeit meiner Familie in Anspruch genommen hatte (genauer gesagt derer, die davon noch übrig waren).
»Ich weiß es doch ganz sicherlich«, sagte die Schneiderin und untersuchte die Ärmelsäume meines Kleides. Sie zog meine Handgelenke dicht vor ihre kurzsichtigen Augen und ließ sie wieder fallen.
»Das Kleid habe ich vor nicht ganz zwei Jahren gemacht, die Säume sind ein bisschen abgestoßen. Aber sonst …«
Sie ließ nach Mama schicken und fragte mich: »Weißt du denn das selbst gar nicht, Kind?«
Was sollte ich darauf schon antworten? Mich erstaunte, dass es möglich war, gewisse Fortgänge in meinem Körper aufzuhalten, und zuweilen war ich mir selbst nicht geheuer.
Mama wollte – wie es ihrer Art entsprach – von alldem nichts glauben, doch die Schneiderin hielt ihr ein jadegrün gebundenes Büchlein hin, fuhr mit dem Finger an den Maßtabellen der Familie entlang und tippte auf die Stelle, wo mein Name stand.
»Da kann ich die alten Schnittmuster wieder verwenden. Die Deern sollte doch im Wachstum sein. Wenn das mal nichts Bleibendes ist.«
»Ach was«, sagte Mama, und die Schneiderin verließ damals das Haus mit ihrem letzten Auftrag für uns, obwohl sie schwor zu schweigen. »Es gibt nichts zu schweigen«, sagte Mama, »in dieser Sache nicht.«
Sie behielt mich nicht sonderlich lange im Auge deswegen. Sie erwog, einen Arzt zu konsultieren, und verwarf es wieder. Meine Mutter war sehr mit ihrer ältesten, ihrer schönsten, ihrer liebsten Tochter, Philine, beschäftigt in diesen Zeiten.
Ich hielt dafür unseren Hauslehrer in Atem, der in eben denselben Zeiten häufig mit seiner Melancholie beschäftigt war. Mein Vater hatte Magister Erasmus Böving zu unserem Lehrer gewählt, damit seine Töchter einen Unterricht erhielten, der gemeinhin für Söhne vorgesehen war. Mama ahnte nicht, wie bitter sie es bereuen musste, dass sie nicht eine Gouvernante durchgesetzt hatte oder die Höhere-Töchter-Schule. Und schließlich lebte Vater nicht einmal mehr, dass sie es ihm hätte vorwerfen können.
Zunächst glaubte ich, dass Mama den Magister nur deshalb entließ, damit er nicht hinter unser Geheimnis kam. Doch es war sein eigenes, das für sein Verschwinden ausschlaggebend war. Er hatte es wohl nicht leicht mit mir, bewirkte jedoch viel. Damit meine ich, dass ich einiges von ihm lernte. Immerhin zeigte er mir, wie man einen Schmetterling tötet, und das ist der gute Teil, der mich an ihn erinnerte.
Es war ein Admiral – mein erster. Fast hätte ich ihn übersehen, weil er die Flügel zusammengelegt hatte, um sich zu tarnen. Ich erwischte ihn auf der Blüte eines Rittersporns mit dem Netz. Böving brachte mir bei, wie man die Schmetterlingsbrust mit Zeigefinger und Daumen zusammendrückt. Leicht, in einer ebenso schnellen wie sanften Bewegung, damit bloß nicht durch die flatternden Flügel der zarte Farbenstaub verloren ginge. Er ließ mich die Insektennadel durch den erstaunlich harten Leib des Falters bohren und ihn in die mit Torf ausgelegte Schachtel stecken.
»Nun, Nele«, hatte Böving gesagt, »können Sie ihn Ihrer Mama bringen.«
Er wusste eben nicht, dass Mama für derlei nicht zu begeistern ist. Emilia wusste es. Sie flüsterte: »Oder wir könnten ihn auch zeichnen.« Was wir im Übrigen dann taten. Emilia mit ihrer Akribie schuf eine vollkommene Abbildung des Falters, ich fand ihre Zeichnung deutlich gelungener als meine. Ich stieß mein Tuschefässchen um und tat nicht einmal so, als sei es ein Versehen. In Emilias Bewegungen kam nicht die geringste Hast. Den Leinlappen, mit dem sie die Tusche auffing, bevor das Königsblau vom Tisch laufen und auf ihr Kleid tropfen konnte, schien sie wie zufällig parat zu haben.
»Ich war sowieso unzufrieden damit«, sagte sie, ohne aufzublicken. Das verdorbene Blatt mit ihrer Zeichnung faltete sie zusammen. Der schnurgerade Scheitel schimmerte wie ein Ausrufezeichen über ihrem Madonnengesicht. Die linke Augenbraue war möglicherweise eine Winzigkeit angehoben, aber nur möglicherweise. So war meine zweite Schwester, die Mittlere von uns Mädchen. Das war Emilia. Nein, besser sollte ich sagen, so war sie eine sehr lange Zeit.
Ausgerechnet ihr, und das konnte ich bis zur jetzigen Stunde nicht fassen, hatten wir es zu verdanken, dass wir schon bald an Bord einer Brigg namens Dora gehen sollten, um dem alten Europa davonzusegeln.
 
Was Emilia auf sich nahm, hatte nicht nur mit meiner Sache zu tun. Vor allem hatte doch, was Emilia auf sich nahm, mit Philine zu tun. Sie verließ uns Hals über Kopf, ohne jeden Abschied, den sie selbst am wenigsten ertragen hätte. Dies zu glauben, ließ mich ihr verzeihen, dass sie mich zurückgelassen hatte. »Weggeworfen an ein unaussprechliches Nichts«, weinte Mama, und für die Ehe mit einem Ehrenmann verdorben. Sie verbot uns, Philine und den Unaussprechlichen jemals auch nur wieder zu erwähnen, woran ich mich zunächst keineswegs halten wollte. Mindestens zwischen uns übrig gebliebenen Schwestern hatte ich versucht, Philine am Leben zu halten. Doch als ich damit bei Emilia nie etwas anderes in Gang setzte als stumme Tränenströme, gab ich es auf, denn quälen wollte ich sie nicht.
Umso mehr versetzte es mich in ungeheure Wut, als dann Emilia Bereitschaft zeigte, sich verschachern zu lassen. An einen fremden, einen im Grunde steinalten Mann! Es passte so sehr zu ihr, dass ich sie schütteln wollte, damit sie endlich damit anfinge, etwas zu tun, was nicht auf diese schnuckenhafte Weise zu ihr passen mochte. Allein, man kann einen Menschen wie Emilia nicht schütteln, das ist ausgeschlossen. Wenn ich meine Schwester mit einem Heideschaf verglich, meinte ich es unbedingt zärtlich.
Ebenso wie Mama Menschen verschwinden lassen konnte, wusste sie nämlich welche auftauchen zu lassen, im gleißenden Licht ihrer besonderen Aufmerksamkeit. Naheliegenderweise solche, von denen sie sich etwas versprach. Dabei unterlag ihre Menschenkenntnis oft fatalen Fehleinschätzungen, so geschehen bei ihrer Wahl eines Heiratskandidaten für Philine, so geschehen bei der Entscheidung für den elegantesten der zur Debatte stehenden Herren, in dessen Hände sie nach Vaters Tod die Geschicke des Tuchhauses Breker legte. Angeblich hatte dieser beste Kontakte nach Manchester zu Jersey & Co., die mit Twisten handeln und an deren unaufhaltsamem Aufstieg zu einem Geschäft von Weltgeltung wir durch eine Partnerschaft teilhaben sollten. Mama träumte bereits von ausgedehnten Reisen nach England. Das Geschäft, welches sich mit Vaters letzten Anstrengungen gerade erholt hatte, setzte Mister Jersey, wie wir ihn später nannten, wenn wir dem Elend einen Namen geben mussten, schnurstracks, jedoch stets vorzüglich gekleidet, in den Sand. Er liquidierte alles, worauf er Zugriff hatte, und machte sich davon.
 
Nur Monate später übersiedelten wir vollständig ins Sommerhaus. Unser großes Haus in der Stadt wurde vermietet – es zu verkaufen, brachte Mama nicht übers Herz. In jenen Tagen sprach sie oft vom alten Papendieck, der nach dem Niedergang seines Geschäfts in der Faulenstraße seine sämtliche Habe verkaufen musste.
»Ganz und gar alles«, sagte Mama. »Als sie das letzte Stück aus dem Haus getragen haben, fiel er um und war tot. Schrecklich. Ich bin in dieser Hinsicht durchaus gefährdet. Und wer soll sich dann um euch kümmern, meine Töchter?«
Ja, wer? Die dafür infrage kamen, waren schließlich fort.
Weniger uns als der Bremer Gesellschaft wollte Mama den Umzug aufs Land mit ein paar Rousseauschen Zitaten plausibel machen – ein sinnloser Aufwand, mit Rousseau brauchte man in Bremen niemandem zu kommen. Allerdings interessierte meine Mutter das wenig. Sie hatte unsere Pleite in eine hübsche Idee gekleidet, die in der Hauptsache für sie selbst glaubhaft klingen musste. Zudem schlug sie zwei Fliegen mit einer Klappe, denn sie schaffte mich den Leuten aus den Augen. Seitdem waren wir informiert über unsere Lage und hatten gegebenenfalls ein Wort von Rousseau parat.
Trotz unseres so reichen Lebens inmitten von Holunderbüschen und Kletterrosen, umgeben von Linden, Erlen und Eschen, wünschte Mama Mister Jersey noch immer dreimal am Tag den Tod, und Emilia faltete die Hände. Und so blühte uns schließlich der Major.
Wo auch immer sie ihm zum ersten Mal begegnete – ich nehme an, es war bei Konsul Stüve und seiner Frau, die sie zu ihren Gesellschaften einluden und ihr zu diesen Anlässen jeweils eine Kalesche schickten -, als Mama also vermutlich an der Seite des Majors dinierte, wird er sie gefragt haben: »Haben Sie Töchter, Madame?« Und sie hatte seine Frage sofort richtig gedeutet. Ohne Plan, wohin ihre Verheiratungsstrategien führen sollten, war Mama erst einmal entzückt über die Möglichkeiten. Dieser Haltung, das gestehe ich, schloss ich mich schändlich schnell an, als die Rede auf Brasilien kam. Und das, obwohl ich mich fragte, warum nach allem, was wir hinter uns hatten, warum ausgerechnet jenem Mann zu trauen sein sollte, den Mama uns diesen Sommer ins Haus brachte.
An dem Tag, als der Major uns seine Aufwartung machte, um meine Schwester in Augenschein zu nehmen, hatte ich mir vorgenommen, ihm unbedingt mit äußerster Skepsis zu begegnen. Schon wie er in blauem Waffenrock und Schärpe unseren Garten durchschritt, als wollte er ihn vermessen, konnte er mir nicht gefallen. Doch welchen Eindruck er hinterließ, schien ihm herzlich egal. Der Ritter verschiedener Orden, wie Mama ihn uns bekannt machte, lächelte zur Begrüßung nicht und unterließ es, sich den Staub des Ritts von Bremen zu uns ins Oberneuland abzuklopfen. Das Haar klebte schweißfeucht um sein gerötetes Gesicht, doch das gab sich während des Essens.
Es war im Juli, Mama hatte in der Laube decken lassen, und Katrine hatte seit Langem einmal wieder Kükenragout mit Morcheln gekocht, was mir heute wie eine feierliche Ankündigung der Ereignisse vorkommt. Es blieb lange hell an jenem Abend, der unser Leben verändern sollte, wir brauchten nicht einmal die Lampions zu entzünden. Glyzinienblüten regneten auf uns herab, wenn Katrine beim Auftragen die Ranken streifte, und unser Gast, der das Alter meines Vaters gehabt haben dürfte, würde er noch leben, beeilte sich jedes Mal, sein Glas mit der Hand zu bedecken.
»Entschuldigen Sie«, sagte der Major und wandte sich an Emilia, die ihm gegenübersaß und den Blick noch nicht ein Mal gehoben hatte. »Eine Angewohnheit. Mir sind schon hässlichere Dinge ins Glas gefallen.«
»Ich lasse Ihnen ein neues bringen«, sagte Mama.
»Was waren das für Dinge in Ihrem Glas?«, fragte ich.
»Aber das wollen wir nicht wissen, Nele, Kind.«
»Ich würde es sehr gern wissen«, sagte Emilia zu der Schokoladenspeise auf ihrem Glastellerchen.
»Termiten, springende Spinnen, Käfer«, sagte der Major. Seine wasserblauen Augen blieben weiter auf Emilia gerichtet, »weiße Würmer manchmal, die sich an dünnen Fäden von den Bäumen, unter denen wir saßen, herabließen …«
»Wo denn, unter welchen Bäumen?«, fragte ich.
»Lieber Herr Major«, sagte meine Mutter, ihrer Gewohnheit folgend, an den interessantesten Stellen das Gespräch zu unterbrechen, »wollen Sie uns nicht lieber von Ihrem guten Freund Carl Deuritz erzählen?«
Bereitwillig kam der Major ihrer Aufforderung nach – denn schließlich war dies der Zweck seines Besuches. Er holte quälend weit aus für meinen Geschmack, um vom Werdegang seines Freundes zu berichten, welcher in Lübeck geboren und schließlich als junger Ingenieur in die Dienste des portugiesischen Königs gekommen war.
Bekanntermaßen waren wir mit Majestäten nicht ausgestattet, und dass es keinen Adel gab, adelte den Bremer, sagte man. Damit konnten wir alle gut leben, nur Mama nicht, allein bei der Erwähnung beliebiger Exzellenzen geriet sie vollkommen außer sich.
»In königlichen Diensten, als Ingenieur«, sagte Mama, »was tut man da?«
»Flüsse regulieren. Drainagen und so weiter. Der König schätzte seine Leistung außerordentlich.«
Während Mama ihren Fächer heftig bewegte, erfragte sie das Alter des Kandidaten, und wir erfuhren, dass der verwitwete Majorenfreund die vierzig schon weit überschritten hatte. Nun empfand ich den Plan, ihm Emilia als Braut anzutragen, als ganz und gar trostlos, zumal mir die Rede des Majors vom edlen Charakter seines Freundes reichlich übertrieben schien. So gut, wie er den Mann beschrieb, kann ein Mensch gar nicht sein.
Meine Schwester sagte und fragte nichts, obwohl es um sie ging und niemanden sonst. Schließlich holte der Major aus der Brusttasche eine Miniatur hervor, die den Carl Deuritz abbildete, und gab sie ihr. Emilia stürzten die Tränen mit einer Macht aus den Augen, dass ich dachte: »Ist er zu allem auch noch hässlich?«
Ich fürchte, ich ließ meinen Gedanken laut werden, manchmal passierte mir das, denn Mama schickte mir einen von diesen Blicken, die etwas Ähnliches hervorrufen sollten wie der Biss einer giftigen Schlange – mindestens eine ganzheitliche Lähmung -, aber dazu kam es bei mir selten. Mamas Blick also prallte wirkungslos an mir ab, und ich entwand Emilia die Miniatur.
»Das soll er sein?«, fragte ich. Der Mann auf dem Bild sah weder alt noch sonderlich hässlich aus, mehr hätte ich dazu nicht sagen können, er hinterließ keinen Eindruck auf mich. Der Major stritt ab, dass es sich um ein verjährtes Porträt handelte. Es ging noch einige Male hin und her zwischen ihm und mir mit Verdacht und Verteidigung, wobei ich mich von Mamas strengen Flüstertönen, mit denen sie mich zur Raison bringen wollte, nicht stören ließ. Stattdessen bemerkte ich mit Vergnügen, dass es den Major Mühe kostete, höflich zu bleiben.
»Die junge Dame interveniert mit einer erstaunlichen Verve, nicht wahr?«
»Mir liegt daran, meine Schwester zu schützen, wissen Sie. Das tut hier sonst so recht nämlich niemand.«
»Cornelia!« Mama schnappte nach Luft und wurde blass. Wie sie das anstellt, weiß ich nicht, aber sie beherrscht es auf eine Weise, dass gewöhnlich Damen mit Riechfläschchen heraneilen und Herren ihr bestürzt ein Glas Wasser reichen.
Der Major zog eine flache silberne Flasche aus der Brusttasche. Während er etwas eingoss in den Verschluss, der ihm als Becherchen diente, hob Mama schon abwehrend und mit einem schwachen Lächeln die Hände. Der Major trank selbst.
»Und wo genau«, fragte ich, »reguliert Herr Deuritz derzeit Flussläufe?«
»Derzeit«, sagte er, »ist er mit einer anderen Aufgabe befasst. Mein Freund Deuritz wird die erste Landkarte des brasilianischen Kaiserreichs erstellen«, der Major schenkte nach und erhob sich, »ich darf sagen, im persönlichen Auftrag Seiner Kaiserlichen Hoheit.«
Bei Mama begann jetzt, das konnte ich ihr ansehen, der Verstand, mit dem sie ihr mütterliches Schauspiel in Gang setzte, messerscharf zu arbeiten.
»Bedeutet das …«, sie unterbrach sich und hob scheinbar hilflos die Handflächen, »ich meine … wo hat denn Ihr Freund sein Zuhause?«
»Auf seinem Landsitz nahe Rio de Janeiro.«
»Rio. Um Himmels willen«, flüsterte meine Mutter. Sie wandte sich wegen einer weiteren Karaffe Wein an Katrine. Für einen seltsamen Moment sah es so aus, als hielte sie sich an ihrer Schürze fest.
Mir nahm es den Atem vor Aufregung, und als sich Emilias Hand in die meine stahl, dachte ich, sie käme um vor schnuckenhafter Angst. Da lag ich falsch. Es ging ihr um die Miniatur, die sie wieder an sich brachte.
»Woran …«, fragte sie den Major, »… wie hat Carl Deuritz seine Frau verloren?«
Er war so überrascht, ihre Stimme zu hören, die stets sanft war wie ein leiser Lufthauch, dass er ihr ohne Umschweife antwortete.
»Sie ist im Kindbett gestorben, einen Tag nach ihrem Sohn.«
»Der arme Mann«, flüsterte Mama.
Ich musste sie bewundern für die brillante Darstellungskunst, mit der sie Mitgefühl zeigte, während sie innerlich über den vakanten Posten jubilierte, den sie mit Emilia besetzen würde.
Der Major betrachtete schweigend meine Schwester, deren Blick auf dem Bildnis haftete.
»Ist es nicht sehr einsam auf so einem brasilianischen Landsitz?« Die Richtung, die meine Mutter jetzt einschlug, ließ mein Herz rasen.
»Und gefährlich?«
Der Major räusperte sich. »Fazenda«, sagte er. »In Brasilien sagen wir Fazenda.«
»Wir?«, fragte Mama lauernd.
»Sollte ich es versäumt haben, mich Ihnen als Sondergesandter des brasilianischen Kaiserreichs bekannt zu machen?«
Weder konnte ich mir vorstellen, dass er es versäumt, noch dass Mama es überhört haben könnte. Um es auf den Punkt zu bringen – ich glaubte ihm kein Wort. Wir sahen ihm zu, wie er ein Glas Wein leerte. Offenbar bemühte er sich, der Erschöpfung entgegenzuwirken, die in den sich vertiefenden Falten zwischen Nase und Mundwinkel sichtbar wurde.
»Sollten Sie Sicherheiten verlangen, Madame, so bin ich darauf vorbereitet.«
Ich hoffte sehr, er hatte jetzt mehr zu bieten als eine kleine Porträtmalerei, denn meine Mutter schien trotz aller Bereitschaft, sich von den Aussichten verzücken zu lassen, mit einem Mal doch etwas skeptisch. Vielleicht dachte sie an Mister Jersey und seine Pläne von Weltgeltung.
Mit einer kleinen Verbeugung reichte ihr der Major einen Brief mit gebrochenem Siegel.
Ich stand auf, um mit Mama gemeinsam die Zeilen einer Note zu entziffern, und erstaunlicherweise ließ sie es zu.
»Lieber Major, guter Freund«, las sie.
 
Ich sende Ihnen hier einen Brief des Kaisers eingeschlossen, mit dessen Inhalt Sie sehr zufrieden sein werden.
Leopoldine
»Leopoldine – wer ist das?«
»Ihre Majestät, die Kaiserin von Brasilien.«
»Sie schreibt Ihnen in deutscher Sprache?«
»Sie stammt aus dem Hause Habsburg, eine Tochter von Kaiser Franz I.«
»Das klingt nach komplizierten Verhältnissen«, sagte Mama. »Ich habe bislang noch so gar nichts von einer brasilianischen Kaiserin gehört, die aus Österreich kommt.«
»Ich werde Ihnen gern ausführlich berichten, sollten wir uns auf eine weitere Zusammenkunft einigen können. Und bis dahin muss ich Sie bitten, sich mit einer entscheidenden Frage zu befassen: Sind Sie bereit, sich auf ein Abenteuer einzulassen, Madame?«
Während ich die Luft anhielt, sah meine Mutter auf, vielleicht um sich mit dem Anblick von Emilias stummer Ergebenheit zu beruhigen. Doch Emilia war nicht mehr da. Unbemerkt von uns allen, die wir – jeder für sich – unsere Pläne verfolgten, war sie einfach verschwunden.
 
Der Major verließ uns mit der Ankündigung eines weiteren Besuches, sobald dies gewünscht sei. Er küsste Mama zum Abschied die Hand und bat sie um eine Depesche in den kommenden Tagen. Noch nie hatte ich Mama so fahrig gesehen. Sie erhob nicht einmal Einwände, als ich dem Major nachlief. Ich wünschte so sehr, dass alles wahr werden würde, doch ich hatte auch Angst um Emilia.
Ich erreichte ihn an der Pforte, wo er sich gerade – staunenswert behände für einen Mann seines Alters – in den Sattel seines Pferdes schwang. Es ärgerte mich, dass ich zu ihm hinaufsprechen musste, zumal ich außer Atem war.
»Wenn Sie lügen«, sagte ich, »wenn Sie irgendetwas vorhaben, was meiner Schwester schadet, dann bringe ich Sie um.«
Ich hatte mit einer schroffen Entgegnung gerechnet, doch sie blieb aus.
»Was hätte ich davon zu lügen, junge Dame? Welchen Vorteil sollte ich mir damit verschaffen wollen?«
»Das weiß ich nicht. Aber Sie wissen meine Mutter gut einzuschätzen und wie man sie beeinflussen kann. Das finde ich verdächtig.«
»Das ist nicht verdächtig, mein Kind, sondern Lebenserfahrung. Ich kenne mich aus mit verschuldeten Damen.«
Ich meinte, dass seine Augen traurig waren, und es verwirrte mich. Er gab seinem Pferd die Sporen, dass es einen Satz machte.
»Wenn wir uns wiedersehen, erzähle ich von Brasilien«, rief er.
Auch mich wusste er offenbar gut einzuschätzen. Zumindest ein wenig.
 
Dies war die erste Nacht von vielen, in denen ich Emilia sagte, dass ich alles zu tun bereit war, wenn sie sich nicht zum Subjekt eines möglicherweise faulen Handels machen wollte. Mit immer der gleichen Bewegung zog sie dann ihren langen Zopf über die Schulter nach vorn, löschte das Licht und sagte, sie wolle.
Die drei Monate, die der Major uns Zeit gab, um alles vorzubereiten, gingen vorüber wie ein Wimpernschlag, und noch immer kam mir alles ganz und gar unwirklich vor. Es ging uns allen so, und in den verbleibenden Tagen wurden wir immer schweigsamer. Unser letztes Abendessen in unserem Sommerhaus war die stillste Mahlzeit, die ich je an einem Tisch mit meiner Mutter eingenommen hatte. Wir schickten Katrine fort und sagten ihr, wir würden uns selbst bedienen, weil sie nicht aufhören konnte zu weinen. Sie war doch in allem länger bei uns, als ich denken konnte. Selbst Mama sah ich am Tisch ihre Hand drücken, das mag verdeutlichen, in welcher Verfassung auch sie sich befand. Einige Male hatte ich sie in den vergangenen Tagen allein in der Laube sitzen sehen, eine Stickerei im Schoß, mit der sie sich nicht beschäftigte.
Vielleicht hat sie da an Papa gedacht und war trauriger geworden, als man es ihr im Allgemeinen zutraute. Vielleicht dachte sie an ihre Ungeduld mit ihm, als er nach dem drohenden Untergang des Tuchhandels Breker ein anderer wurde. Als er sein sicheres Wesen verlor, als er mehr und mehr verstummte.
Mein Vater war derjenige, dem ich mit meinem ersten Schmetterling, dem Admiral, eine Freude hätte machen können, obwohl es nicht mehr allzu viel gab, was ihm nach der Franzosenzeit Freude machte. Damals wurde die Abgeschiedenheit des Kontors zu Vaters Welt, in die er täglich verschwand und aus der er oft mit grauem Gesicht und versteinerter Miene wieder herauskam, sodass ich mich lange fragte, welchen Schrecken und Widrigkeiten er in dieser holzgetäfelten Eremitage begegnete. Seinen Gram hörten wir aus Worten, die »Kontinentalsperre« und »Handelskrise« hießen, deren Bedeutung wir nicht erfassten und die wie Spinnen durch unser großes Haus mit seinen vielen Winkeln und Nischen huschten. Mama träumte in jener Zeit davon, mit einem Überseereeder verheiratet zu sein, denn der hätte mit ihr schon längst das Land verlassen, dann wäre sie jetzt in Savannah wie die Brüder Hirschfeld mit ihren Frauen und hätte sich nicht von den Franzmännern das letzte Hemd ausziehen lassen müssen. Das hatten wir sie in die Tiefen ihrer Plumeaus hineinschluchzen hören, damals, als wir uns von der Equipage, vier von sechs Pferden und der halben Dienerschaft trennen mussten.
Damals versteckten wir uns vor den elterlichen Kümmernissen im Lager zwischen den felsenhohen Tuchballen oder ritten auf ihnen mit der Idee, es seien Elefanten. Dann nannten wir uns Hannibals Töchter und brachten Napoleon zur Strecke, von dem Mama heute sagt, ihm hätte Bremen immerhin seine Chausseen zu verdanken.
 
Die Gezeiten des Kaufmannslebens haben meinen Vater auf dem Gewissen. Die Ebbe der Konjunkturen in der Franzosenzeit hatte ihn krank gemacht, und die sachte einsetzende Flut danach hatte ihn nicht mehr aufleben lassen. Die Befürchtung, dass alles verlustig gehen könnte, nagte an ihm wie ein böses Tier. Jede Silberkanne, die Mama in dieser Zeit anschaffte, trieb ihn in das Kontor zum Rechnen. Es war seine Schwäche für Mama, die ihrer Anschaffungslust keinen Einhalt gebot. Mamas Schwäche war es, unerfreulichen Wahrheiten nicht ins Auge zu blicken, und so erwarb sie immer weitere unnötige Dinge. Als das kalte Fieber meinen Vater erwischte, kaufte Mama einen Distelfink, damit dieser die Krankheit von ihm fortnehmen sollte. Er schaffte es nicht, der Distelfink, obwohl ich ihn abwechslungsreich mit Insekten fütterte, Philine in einer Sämerei an der Schlachte Distelsamen für ihn auftrieb und Emilia täglich den Käfig sauber machte.
»Ach, Rieke«, sagte mein Vater, und Mama weinte, weil er sie schon lange nicht mehr so genannt hatte. »Nun wird alles darüber- und heruntergehen.«
Es ist gekommen, wovor er uns bewahren wollte, und es schnürt mir die Kehle zu, weil es mir doch so gefällt, das Herüber und Darunter, weil ich in schönster Aufregung deswegen bin. Ich hoffe sehr, dass Vaters Tod dafür nicht die Bedingung war, sonst muss ich mich bei jedem glücklichen Gedanken an Brasilien für einen schlechten Menschen halten.
Dabei wusste ich von Brasilien immer noch so gut wie nichts, denn schließlich war nur einen Abend lang Zeit, den Major zu befragen. Er setzte uns über die Kaiserin ins Bild, vor allem wie sehr sie den Kampf für die Unabhängigkeit Brasiliens unterstützte. Mamas Vorstellungen über die Gepflogenheiten von weiblichen Majestäten entsprach dies nicht, und sie erkundigte sich nach dem Klima. Ihre Gedanken kreisten fortgesetzt um die passende Garderobe.
»Sie werden sich allerdings bald auf eine andere Weise kleiden, als Sie es bislang gewohnt sind, Madame«, antwortete der Major etwas vage.
»Das steht zu befürchten«, sagte Mama, »wenn ich nur wüsste, auf welche?«
Der Major empfahl leichte Stoffe. Mama ließ in den verbliebenen Lagerbeständen des Tuchhandels Breker nach Musselinen, Kattun und feinem Leinen suchen, und Emilia nähte sich fortan die Finger wund. Seit wir im Sommerhaus wohnten, war sie unsere Schneiderin geworden, Mama fand sie sehr talentiert.
»Ach, das ist nichts. Was ich kann, hab ich nur von der Hausschneiderin abgeschaut«, sagte Emilia. Es fällt ihr schwer, sich zu freuen, wenn man sie lobt.
Es würde also heiß sein in Brasilien, zumindest darauf waren wir vorbereitet, und über Weiteres haben wir wenig erfahren. Bei Naturschilderungen geriet die Erzählkunst des Majors an Grenzen. Er sprach etwas einfallslos über Pflanzen von üppigem Wuchs und Schmetterlingen von beachtlicher Größe. Die Aufzählung bemerkenswerter Tiere ging mir viel zu schnell. Nun wusste ich nur von Tapiren, Brüllaffen und Jaguaren, von denen die Kaiserin zuweilen einige nach Wien zu ihrem Vater schicken ließe, damit er sie in Schönbrunn sammeln kann. Von den Schätzen Brasiliens sprach der Major schon etwas präziser, zu den Gold- und Silbervorkommen nannte er sogar Zahlen und beschrieb uns die aberwitzigsten Diamanten, das Wort »prachtvoll« fand häufige Verwendung.
Ich wollte mehr wissen, viel mehr, als der Major uns an diesem letzten Abend mitteilte, bevor er nach Wien und an andere Orte zu reisen hatte, und gäbe es noch jemanden wie den Unaussprechlichen in unserem Haus, er hätte mir Bücher gebracht, alle, die über Brasilien zu finden sind.
Natürlich stieß ich bei Mama auf keinerlei Verständnis.
»Warum willst du über etwas lesen, was du bald selbst sehen wirst?«, sagte sie. Vergebens flehte ich sie an, mich nach Bremen mitzunehmen, damit ich die Buchhandlung aufsuchen konnte – nicht einmal Kosten hätte es ihr verursacht. Ich wäre bereit gewesen, mich von einigen Exemplaren aus Vaters Mineraliensammlung zu trennen.
Ich versuchte es ein letztes Mal, als Mama nach Bremen fahren musste, um unser Haus in der Lange Straße neu zu vermieten. Die Leute, die es in den vergangenen Jahren bewohnten, hatten es kaufen wollen und mit unserer Knappheit der Mittel kalkuliert. Doch nachdem Mama unter dem Einfluss von Vaters alten Freunden standhaft geblieben war, zogen sie aus und kauften woanders. Wie ich sie kenne, die Herren – Senator Stüve und die beiden Kaufleute Amelung und Rüter -, hielten sie unsere Mutter für vollkommen übergeschnappt wegen Brasilien und versuchten das Schlimmste zu verhindern: dass sie ihrer festen Güter verlustig ging.
Doch man war ihr zugetan in alter Güte und verstieg sich sogar in Scherze. Man wollte von ihr wissen, ob wir uns vom Major als Kolonisten haben werben lassen, denn das sei seine Mission für Brasilien. Ich habe die Herren das fragen hören, als sie Mama im August aufsuchten und auf der Flucht vor Hitze und Wespen ihr Gespräch im Inneren des Hauses führten.
Wenn die Tür zur Stube sich öffnete, weil Katrine rote Grütze mit Rahm oder Kaffee servierte, hatte ich Gelegenheit, von der Treppe nach oben aus das Gesagte ein wenig mitzuverfolgen.
»Ist dem Major denn nun also zu trauen oder nicht?«, fragte Mama.
Ihre Besucher schwiegen, und derweil zogen die Tabakwolken ihrer Pfeifen zur mir herauf.
»Der Bremer Senat führt mit ihm immerhin Gespräche«, sagte Stüve. »Man zieht auf seine Anregung hin die Auswandererschifffahrt von Bremen nach Brasilien in Erwägung.«
»Weil Hamburg ihm Schwierigkeiten macht«, hörte ich Rüter brummen. »Der Mann ist umstritten, man nennt ihn auch einen Seelenverkäufer.«
»Ach was«, sagte Mama, »seit wann kümmert euch das Gerede aus Hamburg?«
»Gute Friederike, warten Sie doch, bis die Schiffe von Bremen aus gehen, bis dahin haben wir alle mehr Sicherheiten über ihn, und Sie müssen sich nicht einem ganz und gar Fremden anvertrauen.«
»Bis der Senat sich einig ist, sind meine Töchter welk wie Stockrosen im Herbstwind, darauf will ich weiß Gott nicht warten.«
»Sie können Ihre Töchter auch in Bremen gut verheiraten, der Name Breker hat trotz allem noch immer einen guten Ruf. Sie sollten sich von dem Geschehenen nicht ins Bockshorn jagen lassen, Friederike, und in unangemessene Hast verfallen. Für Emilia ist doch mit dreiundzwanzig Jahren noch längst nicht alles verloren, und Nele, ja, wie alt ist sie jetzt eigentlich, Johanns Lieblingstochter?«
»Liebe Freunde, vertrauen Sie dem Gespür einer Mutter. Es ist Zeit zu handeln, und ich will mich nicht noch einmal darüber ärgern müssen, es nicht getan zu haben.«
Ich beglückwünschte mich zu meiner Mutter, wie ich es vielleicht zu selten tue.
Ihre Beharrlichkeit läuft meinen Wünschen schließlich auch oft genug zuwider. Als der Senator ihr wegen der Vermietungsangelegenheit zum vorletzten Mal seine Kalesche schickte, blieb sie entschieden.
»Du bleibst unbedingt hier bei deiner Schwester.«
Sie war nicht bereit, eine Ausnahme zu machen, jetzt, wo es doch wirklich nicht mehr darauf ankam. Es war ihr nämlich grundsätzlich nicht recht, dass ich sie nach Bremen begleitete.
»Es könnte dich jemand erkennen«, sagte sie. »Dann gibt es dumme Fragen, und das wollen wir uns ersparen.« Sie wollte es sich ersparen, und sie seufzte, wenn ich ihr sagte, ich wäre dem durchaus gewachsen.
»Eine drollige Wortwahl, mein Kind.«
Dergleichen musste ich mir zuweilen gefallen lassen, doch es kümmerte mich nicht.
 
Und endlich kam dann der Tag, an dem in den Zimmern die Möbel verhängt wurden – Mama wollte sehen, dass Katrine und der Hausknecht es auch wirklich taten – und wir zum letzten Mal die Kutsche des Senators erwarteten. Zwischen den Kisten, die noch immer mit offenen Deckeln herumstanden, herrschte wildeste Unordnung. Nahezu alles an beweglichen Gütern wurde verstaut, was Katrine immer mehr glauben ließ, wir kämen nie wieder. Mama stritt dies ab, doch sie hatte einen Unterton, das merkte auch Katrine und heulte seit dem frühesten Morgen.
Zur Beruhigung ihrer Nerven schnitt sie später in der Küche Suppenglace in Stücke und füllte sie in Blechkästen. Die Glace könnte in der Hungersnot, die uns Katrines störrischer Meinung nach zweifellos ereilen würde, vielleicht die Rettung sein. Damit wir nicht an Skorbut erkrankten, hatte sie einen gewaltigen Korb mit Zitronen gepackt (unmöglich, ihn mitzunehmen, sagte Mama) und in Birkenreiser gebettet, damit sie frisch blieben. Wohlweislich hielt ich meine Kenntnis darüber zurück, dass der große Kapitän Cook stets Sauerkraut auf seinem Schiff mitführte und alle Matrosen auspeitschen ließ, die sich weigerten, es zu essen. Seit Tagen wollte sie uns außerdem dazu bringen, eine Ziege mit an Bord zu nehmen, damit wir unsere eigene Milch hätten, aber natürlich wollte unsere Mutter davon nichts wissen. An den zwei Dutzend Büchsen Zwieback würde sie nicht vorbeikommen, das sah ich an Katrines Gesicht.
Wie würde ich es vermissen, die beiden gegeneinander antreten zu sehen, so wie es zwischen ihnen, seit wir im Sommerhaus wohnten, nicht gerade üblich, aber möglich geworden war. Pas avant des domestiques hatte sich zügig erledigt dort draußen.
 
Durch die geöffneten Fenster kam warme Oktoberluft. Den ganzen Tag hatte die Sonne die Akazienbüsche im Garten beschienen und die Dahlien glauben lassen, sie könnten duften. Ich sah Emilia die Weidenbäume umarmen und Birkenstämme streicheln, die nur wenig weißer waren als ihre Haut. Ich hätte zu ihr gehen, mit ihr die Finger durch das dünne Geäst streifen lassen und die baldige Trockenheit in den Blättern fühlen können, doch ich unterließ es, ich hätte sonst weinen müssen. Es war doch nicht so, dass ich nicht all das liebte und es gern zurückließ, doch ich lebte nun schon so viele Jahre am Wasser, und was es mir auszudenken erlaubte, war gewaltig.
 
Schon als ich das erste Mal an der Schlachte ein Schiff betrat – an der Hand meines Vaters -, schloss ich am Oberdeck schnell die Augen. Nicht weil mir beim Blick in die Masten schwindlig wurde, sondern weil ich wünschte, die Leinen würden sich lösen und ein nicht zu starker Wind würde uns unmerklich von der Hafenmauer fortbewegen. Während mein Vater sich in sein Gespräch über Baumwolle aus Philadelphia vertiefte, wurde das Geschrei der Möwen immer lauter, weil meine Ohren das so wollten, und meine Nase roch Seeluft anstatt der Gerüche des Hafens.
Nur selten hatte ich meinen Vater dazu bringen können, mir von seinen Reisen zu berichten, die ihn als jungen Kaufmann nach Baltimore, Boston und Norfolk in Virginia geführt hatten. Mein Vater ist nie ein feuriger Erzähler gewesen, die Krise allerdings hat ihm gänzlich die Sprache verschlagen, und das hat mich eine Weile sehr bekümmert. Von dem Tag an, seit er mich dann bei sich im Kontor sein ließ, begann ich die Welt mit dem Finger auf dem Globus zu bereisen.
 
Aber musste es denn nun so kommen, wie ich es mir von den Sternen erbat, nur weil Emilia verheiratet werden sollte? Dass sie es wollte, nahm ich ihr noch immer nicht ab, sie konnte es mir noch so sehr versichern und schwören, wenn ich sie in unserer Schlafstube zur Rede stellte. Mamas Willen würde sie sich nicht entgegensetzen, das tat sie nie. War Gehorsam der Preis, den Emilia zahlen musste, damit ich in die Neue Welt reisen konnte?

LEOPOLDINE

BOA VISTA, 10. OKTOBER 1824
 
An Maria Graham
 
Ich brachte ein ungeheures Opfer, als ich mich von Ihnen trennte, aber es ist immer mein Schicksal gewesen, mich von Personen trennen zu müssen, die meinem Herzen und meiner Wertschätzung am teuersten sind.
 
Maria hat mich bei strömendem Regen verlassen. Ich verliere sie als Erzieherin meiner Töchter. Ich verliere eine letzte Freundin. Ich sah sie durch den Schlamm des Schlosshofs vom Palast fortgehen. Man hatte keinen Wagen für sie, kein Pferd. Man ließ sie die Koffer allein tragen. Sie bedeutete mir zu viel, ich hätte es nicht zeigen dürfen.
Die Portugiesen lieben die Ausländer nicht. Dass ich eine Fremde bin, ist schlimm genug. Eine zweite ging ihnen gegen den Strich. Maria, die Engländerin, hat alles, was ihnen fehlt. Bildung, Benehmen, Schönheit. Maria ist schön im Inneren und in ihrer Erscheinung. Sie ist einer der schönsten Menschen, denen zu begegnen ich das Glück hatte. Ein kurzes Glück, ich hätte niemals zulassen dürfen, dass man es am Hof begriff. Es war nicht klug, die Gespräche mit ihr in der Bibliothek zu führen.
Ich habe die Türen vor den giftigen Blicken der Hofdamen geschlossen, die im Vorzimmer Karten spielten und klebrige Kuchen aßen. Ich hungerte nach so viel. Es war nicht klug, von Europa zu sprechen, von den liebsten Büchern und von den Wissenschaften. Ich selbst habe meiner Freundin geraten, in Rom wie die Römer zu leben, und tat es dann doch selbst nicht.
Der Kaiser lachte darüber, dass Maria sich nicht an die Etikette hielt. Er hat sich darin gefallen, eine Engländerin von der Pflicht zu entbinden, jedes Mal, wenn er den Raum betritt, vor ihm auf die Knie zu fallen und seine Hand zu küssen. Nicht erst da hatte man beschlossen, sie loszuwerden.
Warum weine ich? Warum kann ich seit gestern nicht damit aufhören, seit ich ihr raten musste, mich zu verlassen?
Ich wurde schließlich recht frühzeitig daran gewöhnt, verlassen zu werden – ich war zehn Jahre alt, als meine Mutter starb. Ich war dreizehn, als Metternich meine Lieblingsschwester mit dem korsischen Ungeheuer verheiratete. Metternich entschied auch, wann sie Napoleon wieder zu verlassen hatte. Ihren Sohn, den kleinen König von Rom, verließ sie später auch – doch das ist nicht meine Geschichte.
Marie Louise, meine Lieblingsschwester, verlor ich allein dreimal.
Ludovica, die erste Stiefmama, durfte ich zärtlich lieben, bis ich neunzehn war. Sie starb kurz nach dem Wiener Kongress. An die zweite musste ich mich nicht erst gewöhnen, ich ging selbst. Eine Prinzessin des alten Europa wurde in die Neue Welt verheiratet. Es war Metternich, der dies ersann. Die Prinzessin war ich. Von meinem Vater, dem besten, teuersten und liebsten, den ein Mensch nur haben kann, trennte ich mich, weil die Verbindung ihm Freude machte, und das tröstete mich mehr, als ich sagen kann.
In Rio brauchte es nur wenige Wochen, in denen man meine österreichischen Damen von mir entfernte und meine alte Kammerfrau. Alle, die mit mir nach Brasilien gereist waren, um sich mit mir am Hof zu befinden, wurden eilig zurück nach Wien geschickt. Fort mit ihnen, bis zur letzten Zofe. Man wollte sie nicht und unterließ es daher, sie zu bezahlen. Mir untersagte man, dem Versäumnis nachzukommen, und da es meine heiligste Pflicht ist, mich dem Willen meines Gemahls zu beugen, hatte ich sie der Gnade Wiens anzuvertrauen. Meinen treuen Dienerinnen waren doch unbedingt die Pensionen auszubezahlen. Daran lag mir, alles andere hatte ich zu verwinden.
Eine Prinzessin kann nie handeln, wie sie will.
Ich schrieb dem lieben Papa einen ersten von zahllosen Briefen, damit er sich nicht beunruhigen wolle.
 
Ich befinde mich gut und bin glücklich. Durch viel Geduld und Klugheit geht alles. Ich küsse Ihnen vielmals die Hände und verbleibe stets mit der innigsten kindlichen Liebe …
Ihre gehorsame Tochter Leopoldine
 
Ich bin die Fremde, mit der die Hofkamarilla leben muss.
Daher, und ich kann es mir nicht erlauben, dies zu vergessen, ist es dem Kaiser nicht zu verübeln, dass er Maria entlassen hat. Er hat einen schwachen Charakter, dessen sich jeder bedienen kann. Dies wissen auch die dümmsten jener Kanaillen, die ihn umgeben. Man hat ihm nicht die Erziehung zukommen lassen, sich dagegen zu schützen. Ach, es ist ein Leichtes, den Kaiser in Wut zu bringen und die Zügellosigkeit seines Temperaments für die niedersten Zwecke zu nutzen.
Die mecklenburgischen Reitpferde wären gut zur Besänftigung seiner Nerven. Zu meinem Kummer lässt das Schiff auf sich warten. Vielleicht bringt der Major auch einen Brief von Papa.
Wann war es, dass Emanuel von Uslar vorsprach wegen weiterer Mittel? Er brachte einen Bergkristall, über dem sich eine Baumwurzel verwachsen hat, und mehrere Kisten mit Amphibien und Vogelhäuten für das Naturalienkabinett in Wien. Seine Mission kann noch lange nicht beendet sein, worin ich ihn unterstütze. Der Kaiser begeistert sich für die Windbüchse, mit der von Uslar jagt, dem Gefieder selbst kleiner Vögel richtet sie kaum Schaden an. Einige von ihnen will er mir präparieren für unser Museum. Dies sind die Angelegenheiten, denen ich mich zu widmen habe. Und dem Kaiser muss ich zeigen, dass meine Liebe zu ihm ungebrochen ist. Er braucht dies so sehr.
Nun ist es noch eine milde Nacht geworden, die Mimosen unter meinem Fenster beschenken mich mit ihrem Duft. Über der Guanabarabucht schwimmt zwischen den Wolken der Mond. Ist denn nicht dies noch ebenso unfassbar schön, wie ich es bei meiner Ankunft vor sieben Jahren empfand?
 
Ich schreibe wie eine Katze und weine das Briefpapier nass.
 
An Maria Graham
Es vergeht kein Augenblick, ohne dass ich es nicht lebhaft bedaure, mich Ihrer Gesellschaft und liebenswürdigen Unterhaltung beraubt zu haben, die meine einzige Erholung und meinen wahren Trost in den Stunden der Melancholie bildeten, der nachzuhängen ich unglücklicherweise Gründe genug habe.
ZWEITES KAPITEL
NELE
An Bord der Dora, Oktober bis Dezember 1824
 
Unser Eintreffen in Hamburg war für mich eine grandiose Enttäuschung. Ich hatte mir vorgestellt, wir führen sogleich zum Hafen, ich brannte darauf, die unzähligen, großen Ozeansegler sehen, unser Schiff, die Dora, wenn möglich doch wenigstens zu einer kurzen Besichtigung zu betreten! Stattdessen erwartete uns bei scheußlichem Wetter an der Poststation ein Bote des Majors, der uns mit kleinem Gepäck zu einem Gasthaus bringen ließ. Dichte Dunstwolken hingen über der Stadt, aus denen heftige Regengüsse niedergingen. Zu sehen gab es rein gar nichts auf diese Weise. Die Nähe des Hafens ließ sich allein durch das Gewimmel von Equipagen erahnen, und mir kam es vor, als läge die besondere Ruhelosigkeit reisender Menschen in der klammen Abendluft.
Mama echauffierte sich im Gasthaus zum Schwarzen Adler, dass sie bei dem Lärm von den Gassen kein Auge zumachen würde. So lernten wir Pinkus Greifenberg kennen, der Zeuge ihres Auftritts wurde. Er bot uns seine Stube an, die im Gegensatz zu der unseren nach hinten dem Hof zuging, da roch und hörte man nur das Vieh.
»Dem Landleben sind wir doch recht viel mehr verbunden«, sagte Mama. »Und ich glaube, es wird uns für die Zukunft von Nutzen sein.«
Von einer lustlosen Magd wurde recht umständlich das Gepäck herumgeschafft, und wir erfuhren derweil über Greifenberg, dass auch er ein Brasilienreisender war. Nachdem er bei dieser vagen Auskunft über seine Person blieb und Mama mit ihrer Neugier charmant scheitern ließ, ging sie dazu über, ihm unser halbes Leben zu berichten. Noch nie hatte ich Emilia vor Scham derart erröten sehen. Es stand ihr gut, und vielleicht brachte es uns sogar die Einladung an den table d’auberge ein, wie Greifenberg den blanken Tisch der Gaststube nannte.
Seine Aufmerksamkeit gewannen wir, glaubte ich, allerdings auch durch die Note des Majors, worin dieser Mama empfahl, den Hafen zu meiden, bis er uns abholen ließe. Sie hatte das Schreiben im engen Flur zwischen den Zimmern geöffnet, und Greifenberg schickte die Magd nach Licht.
»Der Hamburger Seehafen bietet sich nicht unbedingt als Flanierweg für Damen an«, las Mama, »daher bitte ich Sie, meiner Empfehlung zu folgen, die allein der Sorge um Ihre Unversehrtheit entspringt.«
Ich sah Greifenberg das Licht ein wenig höher halten, sodass es ihm möglich war, einen Blick auf die Zeilen zu werfen, schien mir.
»Gütiger Himmel«, sagte Mama, »man kommt doch selbst aus einer Hafenstadt. Was soll denn nun hier so gefährlich sein?«
»Ich schätze, Ihr Freund, der Herr Major, wird seine Gründe haben, Sie zu warnen, nicht wahr?«
»Kennen Sie ihn?«
Pinkus Greifenberg lächelte und sagte: »Noch nicht.«
 
Wir hatten es wiederum ihm, unserer ersten Reisebekanntschaft, zu verdanken, dass die Mamsell uns statt der fetten Aalsuppe, die wir allesamt ablehnten, am Abend ein Gericht namens Plockfinken auf den Tisch brachte. Es war mit dreierlei Fleisch zubereitet, mit gekochten Rüben und Äpfeln. Es duftete so köstlich, dass wir unsere guten Manieren vergessen und mit den Löffeln sofort an die Schüsseln gehen wollten.
»Warum nicht gleich so?«, sagte Mama. »Hatte man vor, es für bessere Gäste aufzuheben?«
Entfernt von uns, am Ende des langen Tisches, blickte ein junger Mann von einem Wust Papieren auf, über die er gebeugt saß. Er hatte nichts weiter vor sich als eine längst geleerte Bierkruke.
»Kommen Sie«, sagte Greifenberg unvermittelt und ohne Mama um Erlaubnis zu bitten. »Machen Sie uns doch die Freude und essen Sie mit uns.«
Die Gegenwehr des einsamen Fremden war von kurzer Dauer, dann legte er die langen Listen zusammen, in denen er gelesen hatte, und kam von seiner dusteren Ecke zu uns ins Licht, wo wir vor dem offenen Feuer saßen.
»Hans Traub«, sagte er und wagte nur Greifenberg direkt anzublicken; ein schüchterner Mensch also, wie Emilia. Er war auch etwa in ihrem Alter. »Sie schiffen sich auch nach Brasilien ein, hörte ich, Sie alle?«
»So wie Sie auch?« Greifenberg lächelte. »Als Kolonist etwa? Sie sehen mir nicht gerade wie ein Handwerker oder Bauer aus.«
Hans Traub war ein fast zierlich zu nennender Mann von blasser Hautfarbe mit hellen Haaren. Er hatte unsere norddeutschen, fast weißen Wimpern. Seine Hände fielen mir an jenem Abend besonders auf, als er nach Greifenbergs Einladung das Besteck aufnahm. Sie sahen aus wie die eines Pianisten.
»Ich bin Botaniker«, sagte er, »ich reise als Forschungsassistent nach Brasilien.«
Ich beneidete diesen Hans Traub schon, bevor ich Genaueres wusste.
»Wem werden Sie denn assistieren? Wobei? Was wird Ihre Aufgabe sein?«, fragte ich.
Mama wollte Einspruch erheben, sie schätzte es nicht, wenn ich derart die Fassung verlor, doch Greifenberg lenkte sie damit ab, dass er ihr aus einem Krug Rotwein nachschenkte. Der Forschungsassistent schaute freundlich zu mir herüber.
»Ich werde …, nun, ich habe die Ehre, Herrn Emanuel von Uslar zu begleiten. Er war Mitglied der österreichischen Brasilienexpedition. Er ist derzeit der einzige Forscher, der noch …«
Er schluckte und legte sein Besteck nieder, um weiterzusprechen, als Emilia sagte: »Ich glaube, wir würden Ihnen sehr gern zuhören, ich glaube aber auch, wir sind recht hungrig.«
Es war nun Hans Traub, der errötete, und Mama nannte Emilia ihr gutes Kind. Das war sie unbestritten. Auch ich hatte seinen ebenso scheuen wie verlangenden Blick auf die Schüsseln bemerkt, aber sie hätte ihn doch wenigstens den Satz beenden lassen können. Wir alle hatten einen durch und durch unanständigen Hunger zu stillen. Der Forschungsassistent aß am meisten, als wäre dies seine letzte Mahlzeit. So betrachtete ich es später, denn ich hatte ihn seitdem nicht mehr wiedergesehen, weder im Wirtshaus noch auf dem Schiff. Ich kam erst dazu, mir Sorgen zu machen, als ich wieder klar denken konnte.
 
Die nächsten zwei Tage, die ich, ohne zu übertreiben, als Gefangenschaft bezeichnen muss, empfand ich als quälend. Wir verbrachten die Zeit – wegen des fortgesetzten Regens ausschließlich im Schwarzen Adler – mit nichts anderem als Warten. Für Greifenberg traf dies natürlich nicht zu. Er kam und ging in geschäftlichen Dingen. Wir sahen ihn nur wenig, und auch, als wir endlich, am frühen Morgen des dritten Tages, zum Hafen abfuhren, waren wir ohne seine Begleitung.
Der Regen schlug an die Scheiben unserer Kalesche, während wir an den Docks entlangfuhren, vorbei an Schiffen, die dort lagen wie die Gerippe großer Tiere. Dahinter dann konnten wir Hunderte kahler Masten erkennen, die dicht an dicht in den Himmel ragten, wo sich die Wolken zerrissen und wieder ineinanderschoben. Auf den Briggs und Barkentinen – auf den Schonern, die bald auslaufen sollten – kletterten die Matrosen in den Takelagen, und unten im dunklen Gewässer zwischen den riesenhaften Schiffskörpern wimmelten unzählige Ruderboote umher. Alle Betriebsamkeit auf dem Wasser und auf den Kais, wo sich übervoll beladene Fuhrwerke, Kutschen und Menschen im Weg waren, wo unter dem Fluchen und Schreien in tausend fremden Sprachen Gepäck, Güter und Vieh in die Schiffsbäuche verladen wurden, alles, was mich in Aufregung versetzen sollte, da es doch viel gewaltiger war, als ich es aus Bremen kannte, all das verschleierte der Regen mit seinem trübseligen Grau.
Unsere Kalesche kam in Sichtweite der Dora zum Stehen. Wir hatten nur einen kurzen Moment, bevor der Wagenschlag aufgerissen wurde, jene Passagiere zu sehen, die sich mit ihren Bündeln, Strohkoffern, Körben und Kisten vor den Ruderbooten drängten. Frauen mit müden Gesichtern unter den durchnässten Umschlagtüchern, schlotternde, bleiche Kinder, die kleinere auf dem Arm trugen. Vor allem aber wartete eine unüberschaubar große Anzahl von verdrossenen Männern, denen das Wasser von den tief gezogenen Hüten troff, sofern sie überhaupt welche hatten. Viele von ihnen schienen recht abgerissen und trugen nichts mit sich als ihre Kleidung am Leib.
»Ob das die Leute sind, von denen Stüve gesprochen hat?«, fragte ich. »Die Kolonisten?«
»Die Armen«, flüsterte Emilia. »Hoffentlich bringt ihnen Brasilien das ersehnte Glück.«
»Manche von diesen Gestalten sehen doch eher aus, als müsste man dem Land Brasilien Glück wünschen«, sagte Mama.
Wir zogen unsere Kapuzen über, rafften die Röcke und liefen, so schnell es uns möglich war, unter dem Geleit eines dicken Matrosen, der uns an den Leuten vorbei auf dem Kai vor sich her trieb wie eine Schar verirrter Gänse und der Mama auffing, als sie beim Besteigen des Ruderbootes den Halt verlor.
 
Bis man uns glücklich an Bord der Dora gebracht hatte, waren wir bis auf die untersten Hemden durchnässt. Man wies uns zwei Kabinen der ersten Kajüte auf dem Oberdeck zu, und dass sie eine für sich bekam, schrieb Mama dem Einfluss des Majors zu, den wir indessen noch immer nicht zu Gesicht bekommen hatten. (In Wahrheit sollte sich herausstellen, dass es einfach wenige Kajütpassagiere gab und zwei Kojen frei geblieben waren.)
Man hatte den von Katrine mit roten Bändern gekennzeichneten Wäschekoffer ebenso wie unsere Kleiderkisten in der Kajüte abgestellt. Mama war vom Major um eine entsprechende Liste des Gepäcks gebeten worden, die zu erstellen sie in den Tagen vor unserer Abreise fast den Verstand gekostet hätte, hätte Emilia sich dieser Aufgabe nicht angenommen.
Wir richteten uns ein und statteten die Schlafkojen mit unserem Leinzeug aus. In dieser Stunde unserer Ankunft an Bord liebte ich die Kabine in all ihrer hölzernen Enge, während Mama sich über die Schlichtheit besorgte, in der wir es nun wochenlang auszuhalten hätten. Tatsächlich gab es in diesem niederen Raum, wo ein hochgewachsener Mensch wie Pinkus Greifenberg gerade eben noch aufrecht stehen konnte, neben den Schlafkojen nur einen Tisch mit zwei Stühlen aus einfachstem Holz. Was wir benötigten, entnahmen wir unseren Kleiderkisten, und um uns notdürftig zu reinigen, sollten wir am Tag einen Eimer Wasser bekommen.
Als auf unserer Brigg die Segel gesetzt wurden, stand ich auf dem Achterdeck und schaute zu, wie Hamburg hinter den Nebeln verschwand. Der Wind riss an meinen Haaren und ließ den Regen wie Nadelspitzen auf mein Gesicht treffen. Über mir spannten sich knarzend die nassen Taue an den turmhohen Masten, und ich stellte mir vor, allein zu sein unter den knatternden Segeln, allein mit hartgesottenen Seeleuten, mit den Matrosen, die den gebrüllten Kommandos des Steuermanns folgten, und dem Kapitän, der die Manöver des Schiffes befahl. Vergeblich wartete ich darauf, dass sich bei diesem letzten Blick auf die Heimat vielleicht doch etwas Wehmut einstellen würde, als jemand neben mich an die Reling trat.
»Willst du dir den Tod holen?«, fragte der Major unfreundlich. Er hatte sich seines schweren Mantels entledigt und warf ihn über mich, als sei ich eine Katze, die er zu fangen gedachte. Ich musste mich von ihm unsanft an den Schultern fassen und über das vor Nässe glitschige Deck zu den Kajüten bugsieren lassen. Der Major unterdrückte einen Fluch, als er über eine Taurolle stolperte.
»Wo waren Sie die ganze Zeit?«, fragte ich tapfer. »Nirgendwo hat man Sie gesehen, nicht einmal, als wir an Bord kamen.«
»Jetzt bin ich hier, junge Dame.«
Er öffnete die Kajütentür und schob mich unsanft hinein, als hätte ich vorgehabt, mich zu weigern.
Es war erstaunlich, wie schnell er eine andere Haltung annehmen konnte. Er begrüßte Mama und Emilia und sagte ihnen, dass wir unsere Mahlzeiten im Speiseraum der zweiten Kajüte mit den anderen Passagieren einnehmen würden. Er bot an, den Maat zu schicken, damit er unsere nassen Kleider am Herdfeuer in der Kombüse trocknen sollte. Er war sehr höflich. Ich aber wusste seitdem, dass er auch grob sein konnte.
Die erste Mahlzeit unserer Reise war in vielerlei Hinsicht ungemütlich. Der Speiseraum entsprach nicht dem, was man sich gemeinhin darunter vorstellen mochte; es handelte sich um einen zwischen den Schlafkojen der zweiten Kajüte befestigten langen Tisch, an dem die Passagiere auf Bänken saßen. Wir speisten also mit Blick auf die Bettvorhänge des Kapitäns und des Schiffsarztes. Auch der Major, erfuhren wir bei der Gelegenheit, hatte hier seinen Schlafplatz. Zu den Passagieren der ersten Kajüte gehörten noch zwei dänische Ehepaare, die das Ende des Tisches besetzt hatten und es vorzogen, unter sich zu bleiben. Wenn man sie ansprach, was Pinkus Greifenberg, dem wir hier wieder begegneten, auf seine leutselige Art einige Mal versuchte, zuckten sie die Schultern, hoben bedauernd die Hände und sprachen weiter miteinander dänisch.
»Ich bin mir sicher, dass sie sich einen Spaß daraus machen, uns unter Vortäuschung falscher Tatsachen zu belauschen«, sagte Mama. »Alle Dänen, die ich kenne, können deutsch.« Was sie aber bei unseren Gesprächen hätten heimlich heraushören wollen, wusste sie nicht zu sagen, und ich glaube, so dumm können Dänen gar nicht sein.
Der Major machte Mama mit dem Kapitän bekannt, und sie ihn mit Greifenberg. Sehr zu ihrem Kummer pflegten die beiden Herren kaum direkte Konversation miteinander. Ich fand, sie beäugten einander. Die Art, wie Greifenberg mit Mama parlierte, quittierte der Major mit Blicken, als hielte er ihn für einen Hanswurst. Oder war es Neid? Galanterie und Plaudereien, die Damen zum Lachen bringen, waren ja nicht eben die Stärken des Majors. Ich hätte Mitleid mit ihm haben können, aber ich glaube, in dieser Hinsicht war er nicht bedürftig. Er hielt sich an einsilbige Wortwechsel mit dem Schiffsarzt und dem Kapitän und rauchte mit ihnen stinkende Pfeifen. Das Essen, ach, es war von Anbeginn jämmerlich, der Kapitän hatte einen schlechten Koch ausgewählt. Die Hühnersuppe war mit Muskatblüten bitter gewürzt, danach gab es grüne Bohnen und steinharten Schinken. Den überbutterten Pudding zu beschreiben erspare ich mir. Die Art, wie das Schiff durch unruhige See in Bewegung geriet, tat sein Übriges, um mir schon in der ersten Nacht Not zu bereiten. Nie hätte ich gedacht, dass es mich erwischen könnte, und vor allem von uns dreien ausschließlich mich. Emilia hatte nicht die geringste Unpässlichkeit, und Mamas einzige Sorge war, dass sie vorerst nur warme Wollkleider würde tragen können.
»Das bedeutet gedeckte Farben und wenig Kontur«, sagte sie.
Es kümmerte sie wenig, dass ich mich eine grausam lange Zeit mit Nachthemden und kratzwollenen Decken abzufinden hatte, die Emilia mir mit Betttüchern erträglich zu machen suchte und die sie, so fürchte ich, auch für mich wusch.
Wie elend es einem doch sein kann, wenn widrige Winde das Schiff krachend in stampfende Bewegungen versetzen! So sehr, dass man nichts sehnlicher wünscht als die Kraft, sich an Deck begeben zu können, um von einer mächtigen Welle ins Meer gespült zu werden.
Emilia war es, die mich versorgte, als die Seekrankheit mich an die Kajüte fesselte, in die Kabine, die Schlafkoje, genauer gesagt. Jeder Versuch, das Bett zu verlassen, wie die menschliche Natur es zuweilen fordert, endete mit einer Entsetzlichkeit, die Emilia beseitigte.
So engelsgleich sie sich diesen schlimmen Tätigkeiten widmete, so unbefriedigend versorgte sie mich mit Neuigkeiten. Immerhin brachte sie mir ein Buch aus der bescheidenen Bibliothek des Kapitäns. Oft schickte ich sie fort, in der Hoffnung, dass sie mit etwas Berichtenswertem zurückkommen würde. Trotz meiner Schwäche nahm ich wahr, dass sie meistens widerspruchslos ging und sich nicht – wie es eigentlich ihrem Wesen entsprach – still mit einer Handarbeit an den Tisch setzte, darauf wartend, dass sie mir die Stirn halten oder kalte Wickel anlegen musste. Doch wohin auch immer sie ging, zu erzählen hatte sie anschließend nichts.
Der Schiffsarzt Doktor Pape ließ unsere Kajüte mit Wacholderzweigen räuchern und mich Arzneien schlucken, von denen ich glaube, dass er sie selbst für zwecklos hielt. Mama sagte, sie müsse unbedingt seinem Rat folgen und sich an der frischen Luft aufhalten, sonst leide ihre Gesundheit, und das nütze niemandem.
Greifenberg, der mir nach zwei Wochen einen Besuch abstattete, erzählte, sie vertreibe sich die Zeit mit Wurfspielen und der Suche nach einer vierten Person zum Whist.
Sosehr es mir gefiel, so wusste ich doch den Besuch Greifenbergs nicht richtig zu deuten. Ob ihm einfach langweilig war? Er brachte mir schwarzen Tee, rückte einen Stuhl an meine Koje, nachdem er mich gefragt hatte, ob es mir recht sei, zupfte an einer meiner Haarsträhnen und lächelte.
Pinkus Greifenberg lächelte nicht irgendwie. Er tat es, indem er seine schwarzen Augenbrauen zusammenzog, somit die Stirn in Falten legte und gleichzeitig den rechten Mundwinkel in die Höhe schnellen ließ. Dabei bewegten sich seine Ohren nach hinten, ich schwöre es, und seine Augen blitzten violett wie dunkle Amethyste. Nicht auszudenken, was er damit anrichten konnte bei Menschen, die leichter zu beeindrucken waren als ich.
»Wie ich sehe, konntest du etwas lesen«, sagte er und griff nach dem Buch, das neben meinem Kopfkissen lag. »Paul und Virginie, hat es dir gefallen?«
»Der Teil, wo die Mütter mit den Kindern und ihren Dienern allein am Strand in den Hütten leben, schöne Gärten anlegen und fischen, schon«, sagte ich. »Aber von dem Moment an, wo der Junge und das Mädchen sich verlieben, wird alles entsetzlich.«
»Was für eine niederschmetternde Kritik. Bist du nicht noch zu jung dafür, um schon etwas gegen die Liebe zu haben?«
»Dafür kann ein weibliches Wesen gar nicht jung genug sein.«
»Armes Ding, man glaubt nicht, dass es deine Mutter ist, die dich großgezogen hat.«
»Eben doch. Und die einzige Person, die das Recht hat, sie dafür zu kritisieren, bin ich.«
Pinkus Greifenberg lachte. »Hast du je Zweifel daran gehabt, Nele, ob es klug von deiner Mutter ist, eure Zukunft dem Major anzuvertrauen?«
Das war ein Überraschungsangriff. Er legte das Buch zurück in meine Koje und wich meinem Blick aus, was mir zeigte, dass er nicht sicher war, ob er mein Misstrauen geweckt hatte.
»Haben Sie etwas gegen den Major? Oder wissen Sie etwas Nachteiliges von ihm?«
»Kommt es dir so vor?«
»Warum stellen Sie sonst solche Fragen?«
»Vielleicht fällt es einem Mann wie mir einfach schwer zu verstehen, dass Damen einen solch ungeheuren Mut aufbringen, in ein Land wie Brasilien zu reisen.«
Er erhob sich. »Was nicht heißen soll, dass du dich von mir beunruhigen lassen solltest.«
»Und warum reisen Sie denn eigentlich nach Brasilien, Pinkus Greifenberg?«
»Oh, ich werde darüber schreiben. Die Menschen lieben Reiseberichte. Besonders, denke ich, wenn sie sich mit dem Gedanken tragen, selbst zu reisen. So mag es sie interessieren zu erfahren, was sie in der Ferne erwartet, nicht wahr?«
Ich gab ihm recht. Ich glaubte, es konnte nichts Schöneres geben, als zu reisen, um darüber zu schreiben. Schließlich fing ich doch selbst gerade damit an. Aber das sagte ich ihm nicht, denn wenn er sich darüber lustig machte, hätte ich es nicht ertragen.
Durch die winzige Fensteröffnung neben der oberen Koje, hinter der ich in meinen elenden Zeiten kaum Tageslicht vermutete, stahl sich ein zittriger Sonnenstrahl bis zu meinem Tintenfässchen, das durch eine Neigung des Schiffes in Bewegung geriet. Ein ruhiger Nordostwind hinter Calais löste meinen Wunsch zu sterben und alle sonstigen Erbärmlichkeiten langsam in nichts auf. Ich war unendlich froh darüber, denn ich hatte vieles verpasst.
Mitte November segelten wir vor Madeira. Endlich war ich wieder in der Lage, an Deck zu gehen. Mit den Fernrohren konnten wir das Gebirge der Insel sehen, sogar Weinberge, mit bunten Häusern darinnen.
Bald darauf lag alles, was ich zu Beginn unserer Seereise auszuhalten hatte, in weiter Ferne. Es sollte mir unsäglich gering vorkommen.
Es begann damit, dass ich bei dem ersten Frühstück, welches ich wieder mit den anderen im Speiseraum einzunehmen wagte, nach dem Forschungsassistenten Traub fragte. Ich nagte an einem Stück Schiffszwieback und brachte es mühsam mit einem Schluck abgestandenem Wasser hinunter. Doktor Pape sagte, ich müsse viel Fleisch und Schmalzbrote essen, damit ich das verlorene Gewicht wieder aufholen würde. Meine Mitreisenden, stellte ich fest, hatten sich mit der Zeit auf See ebenfalls nicht gerade verschönt. Dabei war es nicht so, dass sich einer von ihnen gehen ließ, nein, im Gegenteil, alle kleideten sich sorgsam wie zum Kirchgang. Nur Pinkus Greifenberg unterschied sich, obwohl sein Anzug ebenso schwarz war wie die der anderen Herren und das Halstuch tadellos gebunden. Er wirkte auf eine Weise unförmlich, die ich nicht erklären konnte. Ich hoffte, mehr Aufschluss darüber zu erhalten, wenn ich ihn noch eine Weile studierte. Die verbleibende Zeit auf See sollte reichen, dachte ich.