Die Schnackerlbahn Bande: Jagd nach dem Feuerteufel - Klaudia Lehner - E-Book
SONDERANGEBOT

Die Schnackerlbahn Bande: Jagd nach dem Feuerteufel E-Book

Klaudia Lehner

0,0
2,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 1,49 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Es ist Ende August, zusehends verschlechtert sich das Wetter in Aschach an der Steyr. Leider bleiben den vier Kindern der Schnackerlbahnbande nur mehr wenige Sommerferientage. Die Nacht des großen Bahnhofsbrandes ist nun bereits zehn Tage her, seitdem treffen sich die ehemals verfeindeten Banden regelmäßig. Ziemlich ruhig ist es am Sonnenhang geworden, zu ruhig, findet Lukas, der Anführer der Falken. Im ehemaligen Geheimquartier der S-Bande, einem alten Waggon der Steyrtal Museumsbahn, gehen die sieben Kinder eine Wette ein. Wer fängt den Feuerteufel von Aschach? Heiße Spuren werden verflogt, die jungen Hobbydetektive scheuen kein Risiko und kombinieren geschickt.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2024

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Ermittlungen

Feueralarm

Die Brandserie

Traurige Nachricht

Der Verdacht

Beweisfotos

Beobachtungen

Die Jagd nach dem Feuerteufel

Brand aus

Über die Autorin

Impressum

Klaudia Lehner · Die Schnackerlbahnbande

Klaudia Lehner

Die Schnackerlbahn- bande

Jagd nach dem Feuerteufel

ENNSTHALER VERLAG STEYR

www.ennsthaler.at

1. Auflage, überarbeitet 2025

ISBN 978-3-85068-925-0

Klaudia Lehner • Die Schnackerlbahnbande:

Jagd nach dem Feuerteufel Alle Rechte vorbehalten

Copyright © 2025 by Klaudia Lehner Aschach an der Steyr, Österreich

Satz & Umschlag: www.traxl-thomas.at Umschlagzeichnung: Reinhard Moser, Steyr Illustrationen: Reinhard Moser, Steyr Lektorat: Mag. Dorothea Forster

Die Wette

Zusehends verschlechtert sich das Wetter, leider bleiben den Kindern der S-Bande nur mehr wenige Sommerferientage. Anna und ihre Schwester Sophie hüpfen äußerst selten in den Pool hinterm Haus, das Wasserthermometer zeigt nun, Ende August, nur mehr frische 21°C an. Die ehrgeizige Mutter verlangt, dass die Mädchen bis zum Schulbeginn ab sofort täglich in ihre Schulbücher sehen, sie sind beide Klassenbeste und das soll auch im kommenden Schuljahr so bleiben.

»Zwei Stunden lernen kann man wohl verlangen«, murmelt die Mutter, die sich über ihre älteste Tochter Sophie ärgert, weil die nur widerwillig trampelnd die Holzstiege hinaufstürmt, um dann, die Türe zuschlagend, in ihrem Zimmer zu verschwinden. »Keiner unserer Freunde muss gleich nach dem Frühstück in den Ferien lernen«, flucht Sophie, als sie ihr Mathematikbuch aufschlägt. Konzentriert liest sie das Kapitel über das gleichseitige Dreieck durch, als plötzlich ihre kleine Schwester Anna bei der Tür hereinhuscht. »Pst, sei still, Mama darf uns nicht hören!«, ermahnt sie die Elfjährige. »Ich weiß, hör mal Sophie, Lukas hat uns eine Mitteilung gesandt, er will sich heute am Nachmittag mit uns beim Waggon treffen, bin schon gespannt, was die Falken

wollen. Um halb zwei müssen wir auf jeden Fall los, endlich tut sich wieder einmal etwas am Sonnenhang.«

Die Nacht des großen Bahnhofsbrandes ist nun bereits zehn Tage her, seitdem treffen sich die ehemals verfeindeten Banden regelmäßig. Da der Innenraum des Falkenhorstes viel zu eng für sieben Kinder ist, bleibt ihnen nur der alte Güterwaggon am Bahnhofsareal der Steyrtal Museumsbahn als Treffpunkt übrig. Gemeinsam richteten die Kinder der S-Bande ihr ehemaliges Geheimquartier wieder gemütlich ein. Seit der Entdeckung durch ihre einstigen Gegner ist es nun kein Geheimquartier mehr, sondern ihr aktuelles Bandenquartier. Natürlich werden sie von vielen Gleichaltrigen aus Aschach an der Steyr um den Güterwaggon, den sie ganz offiziell durch eine Geschenksurkunde vom Eisenbahnvereinsobmann Herrn Kramer geschenkt bekamen, beneidet. Noch gemütlicher als vor der Zerstörung durch die Falken erstrahlt nun der blitzsaubere Innenraum. Maximilian sorgte für das neue Highlight im Waggon, sie besitzen jetzt sogar einen kleinen Koffergriller. Diesen hatte der Junge von seinem Großvater geschenkt bekommen. Max’ Opa ist selbst ein leidenschaftlicher Feuerwehrmann, seit über sechzig Jahren ist er Mitglied bei der Freiwilligen Feuerwehr in der Saaß. Nach der Löschaktion des Bahnhofes war er derart stolz auf seinen Enkel, dass er ihm als Belohnung den Griller kaufte. Von außen gleicht der Edelstahlgriller einer kleinen Werkzeugkiste. Wenn man die beiden Klemmverschlüsse an der Vorderseite hochklappt, öffnet sich der Koffergriller. Anstatt einer Werkzeuglade aus Kunststoff enthält er unter dem Deckel einen Grillrost, darunter liegt der Kohlenraum. Zwar passen nicht mehr als fünf Paar Würstel auf den Gitterrost, aber für die

S-Bande ist er ausreichend groß. Bis jetzt hatten die Kinder noch keine Gelegenheit, den Koffergriller auszuprobieren, Holzkohle haben sie auch keine, das soll sich aber bald ändern.

Still ist es am Sonnenhang geworden, zu still, so empfindet es nicht nur Anna, die oft mit Wehmut an die ereignisreichen Tage zurückdenkt, als sich die Schwestern mit ihren Freunden Max und Paulina fast täglich neue Gemeinheiten ausdenken mussten, um es den Jungs der Falken so richtig heimzuzahlen. Nun gibt es keine listigen Streiche mehr, das Kriegsbeil zwischen der S-Bande und den Falken ist endgültig begraben. Umso mehr freuen sich die Schwestern, dass es heute nach dem Mittagessen mit den Fahrrädern endlich wieder Richtung alter Bahnhof geht. Eine ordentliche Kondition haben die vier bereits vom täglichen Radfahren bekommen. Sogar die liebe, verwöhnte Paulina meckert nicht mehr, wenn sie auf ihrem Drahtesel sitzt. Insgeheim träumt das Mädchen von einem E-Bike, das sie sich zu ihrem baldigen zwölften Geburtstag wünscht, aber das brauchen ihre Freunde ja nicht zu wissen, wahrscheinlich würden sie sie verspotten.

Nacheinander treffen die Kinder beim Waggon ein. Luk, der Anführer der Falken, lehnt lässig an der Schiebetür. In seinem Mund hat er einen dürren Grashalm, auf dem kaut er ganz cool herum wie der Zeichentrickcowboy Lucky Luke.

»Servus Anna und Sophie«, begrüßt er die eben ankommenden Schwestern. Höflich wie nie zuvor gibt er den Mädels sogar die Hand zum Gruße. Kichernd reicht Anna ihm die ihre. Sophie durchfährt ein wohlig warmes Gefühl, als Lukas ihre Hand hält. Tief schaut ihr der Anführer in die blauen Augen und grinst dabei schelmisch. Nun kann das hübsche Mädchen es fast nicht mehr ignorieren. Seit ihrer Entführung durch die Falken musste sie unzählige Male an den gescheiterten Kussversuch des frechen Luks zurückdenken. Damals drehte sie fuchsteufelswild den Kopf auf die Seite und schimpfte Lukas fürchterlich, doch nun ist die Situation eine andere. Die Kinder vertragen sich und sie hat Lukas von seiner netten Seite kennengelernt. Der groß gewachsene Junge mit den mittlerweile kinnlangen Haaren sieht auffallend hübsch aus und seine draufgängerische Art gefällt Sophie ausgesprochen gut. Nicht einmal ihrer Schwester würde Sophie verraten, dass sie sich ein bisschen in Lukas verguckt hatte. Schon gar nicht darf es Maximilian mitbekommen, der wäre wohl sehr traurig darüber, schwärmt er doch schon ewig für die blonde Sophie.

Erst jetzt treffen die restlichen Kinder am Bahnhofsareal ein. Sebastian und Tobias radeln die letzten paar Meter neben den Gleisen bis zum Waggon um die Wette.

»Sieger!«, jubelt der sportlichere Tobias. Quietschend schreit die Vorderbremse des Buben auf, als er sie zieht. Natürlich will er den Mädchen imponieren, er macht einen »Willi« mit seinem Rad. Dabei zieht er die Vorderbremse so stark, dass es ihn aus dem Sattel hebt und das Hinterrad gut 60 Zentimeter in die Höhe reißt.

»Scheiß Angeber!«, entfährt es Luk boshaft. Alle warten auf Max und Paulina. Der Junge hat den einzigen Schlüssel für das wuchtige Vorhängeschloss, das ihren Waggon sichert.

»Na endlich! Paulina und Max fahren gerade den Bahnberg herunter«, stößt Sophie aus. »Wurde aber auch Zeit«, gibt Sebastian von sich, obwohl er selbst nicht pünktlich war. »Hallo zusammen!«, begrüßt sie Maximilian. »Wartet ihr etwa auf mich?« Er greift in seinen Hosensack und holt den Schlüssel hervor, er hält ihn in die Höhe und winkt damit. »Nerv uns nicht! Sperr endlich auf, wir haben nicht bis morgen Zeit!«, schimpft Lukas. Max hüpft von seinem Rad und eilt mit dem Schlüssel in der Hand hinüber zum Waggon. Rasch schließt er das Schloss auf und mit einem kräftigen Ruck ist die Holzschiebewand offen. Deutlich kühlere Luft strömt aus dem Inneren heraus, der Waggon steht im Schatten. Draußen hat es angenehme fünfundzwanzig Grad.

Nacheinander klettern die Kinder ins Innere. Paulina ist die Letzte, sie schließt unter Anstrengung die schwer gehende Tür. Im Schneidersitz sitzen die sieben Kinder rund um die helle Laterne. Ohne Kerzenlicht wäre es hier zu dunkel. Der alte Güterwaggon besitzt nur ganz oben ein paar Luftschlitze, durch die fast kein Sonnenlicht dringen kann. Geschenkte Fleckerlteppiche am Boden verleihen dem Raum Gemütlichkeit. Jedes der Mädchen hat seinen eigenen Kuschelpolster zum Anlehnen. Vielversprechend blickt Lukas von einem zum anderen.

»So, Lukas, raus mit der Sprache, warum wolltest du uns unbedingt treffen?«, hält es die neugierige Anna nicht mehr aus.

»Okay, ich komme gleich auf den Punkt. Uns Falken passt diese Ruhe am Sonnenhang ganz und gar nicht. Langeweile können wir in den Ferien absolut nicht dulden, deshalb habe ich mir etwas überlegt, damit wir wieder Schwung ins Bandenleben bringen können.«

Gespannt lauschen die Kinder Lukas, mit offenen Mündern hören Tobias und Sebastian ihrem Anführer zu, der sie wieder einmal nicht in seine Pläne eingeweiht hat.

»Du hast recht, wir halten es vor lauter Langeweile

auch nicht mehr aus. Der Bahnhofsbrand ist mittlerweile

zehn Tage her und seitdem haben wir nichts mehr erlebt. Wir haben schließlich Sommerferien. Action muss her!«, fordert Max.

»Ja, ja, die Action wirst du bekommen! Wie ihr bestimmt wisst, tappt die Polizei bis jetzt im Dunkeln. Laut meinem Vater gibt es noch immer keine heiße Spur zu dem Täter. Anscheinend geht die Kripo nur mehr von einem Einzeltäter aus. Man hat keine Spuren eines Mittäters gefunden. Die Aufräumarbeiten sind fast abgeschlossen, der Bahnhof wird komplett generalsaniert.«

Lukas erzählt weiter: »Sollen wir uns an der Suche

nach dem Täter beteiligen? Was meint ihr dazu?«

»Wie sollen wir uns da beteiligen? Wir sind keine Polizisten!«, wirft Sophie ihre Zweifel ein, ihre Ängstlichkeit gegenüber neuen Plänen ist diesmal begründet.

»Das könnte ganz schön gefährlich werden«, wendet Paulina ein. Nur Anna sitzt da und überlegt gut, bevor sie spricht. Sie hat bereits Bilder in ihrem Kopf.

»S-Bande schnappt Brandstifter von Aschach. Das wäre doch mal eine Überschrift in der Zeitung«, gibt die Kleine schließlich von sich, dabei funkeln ihre Augen in freudiger Erwartung.

»Du spinnst wohl schon wieder! Denk an unsere Eltern. Weißt du noch, welchen Schrecken die gehabt haben, als die Polizisten mitten in der Nacht bei uns zu Hause Sturm geläutet haben?« Sophie muss oft an die Nacht des Brandes zurückdenken. Auch wenn sie selten die

gleiche Meinung wie ihre Mutter hat, möchte sie ihr in

Zukunft solch nächtliche Überraschungen ersparen.

»Immer denkst du gleich ans Schlimmste. Ich finde die Idee von Luk einfach toll. Wir könnten doch Hobbydetektive spielen. Was meint ihr, Max und Paulina? Wir sind doch alle ziemlich klug«, Anna blickt fragend rüber zu den beiden. Max nickt nur mit dem Kopf.

»Aber eines sage ich dir, Anna, nicht die S-Bande wird in der Zeitung stehen, sondern die Falken.«

Lukas geht jetzt schon fix davon aus, dass ihre Verbrecherjagd ein voller Erfolg für die Falken wird.

»Das werden wir ja sehen. Wisst ihr was, wir schließen eine Wette ab. Wer als Erster den Brandstifter schnappt, bekommt von der anderen Clique irgendetwas«, schlägt Max vor.

»Irgendetwas ist zu wenig. Da muss uns etwas Besseres einfallen«, meint Tobias. Der Junge blickt sich im Waggon um und entdeckt in der linken Ecke etwas Interessantes.

»Was ist das?«, fragt er neugierig Maximilian.

»Was ist was?«, gibt der Bub schnippisch zur Antwort und stellt sich dumm. Natürlich weiß er, dass Tobias seinen neuen Griller im Eck entdeckt hatte. Auf allen Vieren kriecht Lukas rüber zu dem Edelstahlkoffer.

»Wow, euer neuer Werkzeugkoffer ist noch toller als der alte«, gibt der Anführer von sich und hantiert sofort am Verschluss herum.

»Das ist kein Werkzeugkoffer, sondern …«, wirft Paulina ein. Sie sitzt neben Maximilian, der nun gar nicht erfreut ist, dass das Mädchen verraten will, dass er einen neuen Griller bekommen hat. Mit dem Ellbogen stößt er Paulina etwas unsanft von der Seite an.

»Aua, Max, warum stößt du mich?« Fragend blickt ihn Paulina an und reibt sich mit ihrer Rechten die getroffene, schmerzende Stelle.

»Sei einfach still!«, zischt Max zu ihr hinüber. Natürlich hatte er mit der Aktion erst recht Lukas’ Neugier geweckt. Mit einem geschickten Handgriff öffnet Lukas die Kiste und starrt ins Innere der Box.

»Wahnsinn, so einen Griller habe ich noch nie gesehen? Funktioniert der auch wirklich gut? Wisst ihr was, das kann unser Wetteinsatz sein. Wenn die Falken den Brandstifter schnappen, bekommen wir von euch den coolen Griller«, schlägt Lukas vor.

»Sicher nicht! Der gehört mir ganz alleine, den habe ich von meinem Opa bekommen«, protestiert Max lautstark, hüpft dabei vom Boden auf und reißt Lukas den geöffneten Koffergriller aus der Hand. Dabei verletzt er sich am linken Daumen, weil Lukas den Griller derart fest hält.

»Aua! Lass sofort los, ich habe mir den Daumen beim Rost eingeklemmt!«, brüllt nun Max mit hochrotem Kopf und entreißt Luk den Griller mit einem kräftigen Ruck. Max hält den schmerzenden Daumen in die Höhe, ein paar Blutstropfen sind zu sehen. Schnell steckt er den Finger in den Mund und lutscht das metallisch schmeckende Blut weg.

»Bäh!«, entfährt es Paulina, ihr graust davor, dass Max

sein Blut abschleckt.

»Bist selber schuld, dass dein Daumen blutet, was reißt du auch so an, ich wollte mir deinen blöden Griller ja nur ansehen«, ätzt Luk und schaut dabei grimmig rüber zu Max. Sofort mischt sich Anna schlichtend ein.

»Hört auf zu streiten. Sag, Lukas, was gebt ihr uns, wenn wir gewinnen? Es kann nicht sein, dass nur ihr eine Belohnung bekommt. Zu einer richtigen Wette gehört auch ein toller Wetteinsatz von beiden Seiten. Ich wüsste da schon etwas«, lässt die Kleine die anderen im Unklaren.

»Raus mit der Sprache, was willst du von uns, Anna?«, will Sebastian wissen. Paulina und Sophie blicken die Jüngste der Schnackerlbahnbande an, sie können sich nicht vorstellen, auf was es die Kleine abgesehen hat.

»Hört zu, wir machen euch einen fairen Vorschlag. Ihr bekommt für eine Woche leihweise den Griller und wir bekommen deinen Feldstecher.« Nun ist es raus. Anna fordert genau Lukas’ Lieblingsschatz. Den sündteuren Gucker hat er von seinem verstorbenen Großvater geerbt. Er hängt an einem Haken im gut gesicherten Jägerhochstand, dem Falkenhorst. Kopfschüttelnd hüpft nun auch Lukas vom Boden hoch. Gereizt schaut er in die Runde. Keiner sagt ein Wort. Der Junge erinnert sich nur ungern daran zurück, als ihm die liebe Anna beim Überfall auf den Falkenhorst den Gucker gestohlen hatte. Luk steht da und hält seinen Kopf schief, so als würde er angestrengt nachdenken. Schließlich wettert er:

»Okay, ich bin einverstanden, aber wehe ihr macht den Gucker kaputt, dann ist es aus mit dem Waffenstillstand am Sonnenhang! Los, steht alle auf, wir müssen die Wette beschließen!«

Die sieben Kinder stehen rund um die Laterne im Waggon und legen ihre Handflächen übereinander. Anna übernimmt den Wettspruch:

»Wir, die Mitglieder der S-Bande und der Falken, gehen folgende Wette ein: Wer den Brandstifter dingfest macht, erhält den ausgemachten Wetteinsatz. Schlagt darauf ein!«

Gegenseitig klatschen die Kinder ab, jeder mit jedem, keiner soll ausgenommen sein. Endlich haben sie wieder eine neue Aufgabe.

»Die Jagd nach dem Feuerteufel hat begonnen!«, schreit Lukas begeistert in die Runde. Paulina und Sophie zucken zusammen, ganz geheuer ist ihnen die Sache nicht. Mit Verbrechern legen sich nicht so gerne an.

»Wie sollen wir vorgehen?«, fragt Max die Umherstehenden ahnungslos.

»Das verraten wir euch nicht, schließlich soll es ein Wettkampf zwischen der S-Bande und den Falken sein. Los, Jungs, wir verlassen den Waggon. Treffpunkt Falkenhorst! Eine Menge Arbeit wartet auf uns. Ab jetzt sind wir Rivalen. Ich habe natürlich schon einen Plan im Kopf«, meint Luk siegessicher. Eilig öffnet er die Schiebewand und springt aus dem Waggon, hinter ihm nach hüpfen seine Freunde Tobias und Sebastian.

»Na, die sind sich ja ganz schön sicher. So leicht geben wir uns nicht geschlagen, wir brauchen einen Plan. Meinen Griller möchte ich nicht einmal für eine Woche verleihen.« Max grübelt nach, so begeistert wie Anna ist er von der ganzen Sache nicht. Er fühlt sich etwas überrumpelt.

»Ich verspreche dir, wir geben unser Bestes, damit wir gewinnen. Ein Plan muss her. Überlegt, wie könnten wir zu dem neuesten Ermittlungsstand über den Brandfall kommen?«, fragt Sophie die anderen.

Anna meldet sich als Erste zu Wort: »Also, mir fällt spontan Folgendes ein: Max, du bist doch bei der Freiwilligen Feuerwehr, du könntest dich bei der nächsten Übung oder Sitzung etwas umhören. Ich bin mir sicher, die Erwachsenen reden nach wie vor über den Fall. Und wir Mädels sammeln Zeitungsberichte und ackern sie nach Anhaltspunkten durch. Wahrscheinlich können wir den Fall sogar im Internet recherchieren. Vielleicht hat es in der Umgebung oder in der Vergangenheit ähnliche Fälle gegeben. Oftmals handelt es sich um Wiederholungstäter. Los, Freunde, wir haben zu tun, lasst uns fleißige Detektive sein!«

Daraufhin verlassen die Mitglieder der S-Bande ihr Quartier, Max schließt noch ab und dann laufen die Kinder zu ihren Fahrrädern. Sie treten die Heimreise an. Wieder einmal ist die sportfaule Paulina das Schlusslicht. Beim anstrengenden Bergaufradeln blickt das Mädchen zwischen ihrem Lenker auf die graue Straße, dabei denkt sie:

»Verdammt! Wenn ich doch bloß schon mein E-Bike hätte!«

Ermittlungen

Viele Gerüchte kursieren im Dorf. Noch immer ist das Thema Nummer eins der Brandanschlag auf den Bahnhof. Dies und das schnappen die Kinder auf und besprechen es in ihren Bandenquartieren. Bereits jetzt ist ein richtiger Wettstreit zwischen den Falken und der S-Bande ausgebrochen, freundschaftliche Treffen gibt es bis auf Weiteres keine mehr. Die Kinder rittern um die besten Spuren. Immer mehr Leute erscheinen ihnen auch in der unmittelbaren Nachbarschaft plötzlich als hochverdächtig. Luk hört sich beim Kirchenwirt nach der Sonntagsmesse um. Ganz bewusst begleitet er ausnahmsweise seinen Vater zum Jägerstammtisch. Es dauert nicht lange und die Männer kommen auf ihr Lieblingsthema:

Verdächtige aus dem Ort im Fall Bahnhof. Je mehr Bier fließt, desto gesprächiger werden die Bauern. Immer wieder fallen Namen, die der Junge natürlich sofort als verdächtig einstuft. Ohne dass es jemand merkt, notiert sich Lukas mehrere Namen auf Bieruntersetzer. Nach- dem der Junge ein paar Würstel in Saft verspeist hat, macht er sich alleine zu Fuß auf den Weg nach Hause. Sein Vater, der Löberbauer, wird noch länger im Wirtshaus bleiben, seine Augen sind jetzt bereits blutunterlaufen vom vielen Bier. Wie jeden Sonntag wird er wohl nicht vor drei Uhr nachmittags zu Hause am Hof erscheinen. Dann legt er sich meistens gleich aufs Bettsofa neben dem Kachelofen und schläft erst einmal seinen Rausch aus.

Gegen ein Uhr treffen sich die Falken beim Falkenhorst. Tobias und Sebastian kommen gleichzeitig an. Bevor Tobias die erste Sprosse mit seinem Fuß berührt, schlägt in sechs Metern Höhe Lukas die Holztür plötzlich laut krachend auf.

»Tusch!«

Die Jungs schrecken zusammen und blicken nach oben.

»Musst du uns so erschrecken?«, schreit Sebastian

hoch.

»Jetzt seid ihr wenigstens hellwach, das müsst ihr auch sein, wir beginnen heute mit der Verbrecherjagd«, gibt Lukas ihm zur Antwort. Das klingt ja vielversprechend. Eilig klettern sie hinauf zu ihrem Anführer und Sebastian verriegelt von innen die Holztür des Jägerhochstandes. Lukas, Sebastian und Tobias sitzen jeweils auf einem Sessel, in der Mitte steht ein kleiner Holztisch. Auf diesem liegen verstreut einige Bieruntersetzer. Lukas deutet mit seinem Zeigefinger auf die Bierdeckel und spricht dabei: »Jungs, wir haben ab jetzt alle Hände voll zu tun. Auf den Untersetzern stehen drei Namen von Männern aus Aschach, die wir in den kommenden Tagen observieren müssen. Jeder von ihnen ist hochverdächtig. Am Stamm- tisch habe ich einige Details zu ihnen mitgeschrieben, ohne dass es jemand gemerkt hat. Mit wem wollen wir beginnen?«

Nun gibt Lukas die Bierdeckel durch die Runde, seine Freunde lesen sich die stichwortartigen Aufzeichnungen durch. Sebastian meldet sich als Erster zu Wort:

»Also, das finde ich ja interessant. Ehemaliger Feuerwehrmann … allein lebend … Sonderling … sehr stark … kaum Kontakte … vorbestraft … Jungs, ich finde, wir sollten mit dem Herrn beginnen. Wer ist er, Lukas?«

»Den Nachnamen weiß ich nicht. Mein Vater hat nur erwähnt, dass er Hans heißt. Er muss echt ein grober Typ sein. Um die 40 Jahre alt, groß, wuchtig gebaut und verdammt stark soll er sein. In einem halb verfallenen Haus lebt er alleine in der Nähe der Pichlernbrücke, ihr kennt das Gebäude bestimmt. Es liegt gleich neben dem

schönen Schotterstrand am Steyrfluss, ihr wisst schon, dort wo wir gerne vom Felsen ins Wasser springen. Ein Nachbar von uns hat beim Kirchenwirt erwähnt, dass Hans unehrenhaft die Feuerwehr verlassen musste. Das kann durchaus ein Grund sein, dass er sich nun durch einen Brandanschlag rächt. Oftmals sind in der Vergangenheit Brandstifter Feuerwehrmänner gewesen. Wenn ihr wollt, statten wir ihm gleich heute noch einen Besuch ab.«

Natürlich sind die Jungs damit einverstanden. Eilig verlassenen sie den Horst über die Falltür und die Feuerwehrrutschstange. Fast hätte Lukas vergessen, den Innenschieber bei der Holztür zurückzuschieben, ansonsten würden sie beim nächsten Mal nicht auf normalem Wege über die Leiter in den Falkenhorst gelangen. Mit ihren Fahrrädern entfernen sich die drei Jungs immer weiter vom Ortszentrum von Aschach. Sebastian kennt eine Abkürzung zum beschriebenen Anwesen des Sonderlings. Sie nähern sich dem Haus nicht von der Straße aus, sondern über den Schotterstrand. Durch die nahe, tosende Wehranlage der Steyr sind die Burschen gut geschützt. Man kann sie beim Haus des Verdächtigen bestimmt nicht hören. So nahe als möglich schleichen sich die Jungs an das Anwesen heran. Sie verstecken sich an der Grundgrenze im Gestrüpp. Gartenzaun gibt es keinen. Nach nicht einmal fünf Minuten sehen sie den Verdächtigen, er geht rund ums Haus und leert Abfälle einfach den Hang hinunter Richtung Steyr.

»Na, der ist vielleicht eine Sau. Aussehen tut es bei dem, ein Wahnsinn. Warum hat er keinen Komposthaufen?«, zischt Sebastian leise.

»Ich glaube, dem ist alles wurst, sieh dir nur an, wie viele verbeulte Blechtonnen auf dem Grundstück vor sich hin gammeln. Für was er die wohl braucht? Sind ja schon total löchrig. Seht, dort drüben hat er noch ein Nebengebäude, das sieht man von der Straße aus gar nicht. Zu gerne würde ich wissen, was sich dort drinnen befindet.«

Lukas hält es im Versteck kaum mehr aus, am liebsten würde er gleich losstürmen, in jede Tonne blicken und das Nebengebäude nach belastendem Beweismaterial durchstöbern.

»Sei still, Lukas! Schaut, er geht rüber zum Nebengebäude!«, ermahnt ihn Sebastian. Luk hat seiner Meinung nach viel zu laut gesprochen, der Junge möchte nicht entdeckt werden. Verdammt stark sehen die Oberarme des Verdächtigen aus. Etwa zwei Stunden lang starren die Burschen hinüber zum schäbigen Nebengebäude, das nur an der Nordseite ein kleines Fenster besitzt. Aus dem Inneren können sie keinen einzigen Laut hören, der Observierte hat die Tür hinter sich geschlossen.

»Jetzt wird es mir aber zu fad. Meine Füße schlafen mir schon ein. Ich schleich rüber zum Fenster, mal sehen, was der so lange da drinnen treibt«, flüstert Lukas. Die anderen haben keine Zeit, ihm zu widersprechen, denn sogleich läuft der Junge geduckt hinüber zum Gebäude. Tobias und Sebastian starren ihm ungläubig nach. Luk muss aufpassen, überall in der ewig nicht gemähten Wiese liegt Unrat. Rostige Fischblechdosen, zerbeulte Plastikflaschen und zerbrochene Glasflaschen muss er überspringen.

»Wahnsinn, der ist ein Umweltverschmutzer der Sonderklasse«, denkt sich Lukas. Nun steht er gebückt genau unter dem einzigen Fenster, dessen Scheibe an einem Eck einen mehrere Zentimeter langen Riss aufweist. Sein Herz klopft vor Aufregung bis zum Hals herauf. Aus dem Inneren hört er immer wieder ein Klicken und ein Metallgeräusch. Lukas muss unbedingt einen Blick durch die Scheibe wagen. Er greift mit beiden Händen nach dem blechernen Fensterbrett und schiebt seinen Kopf Zentimeter für Zentimeter in die Höhe, bis seine Augen ins Innere spähen können. Plötzlich sieht der Bub einen grellen Lichtblitz. Vor Schreck umklammert er etwas zu fest das Fensterbrett. Mit einem Ruck gibt die morsche Unterkonstruktion nach, dabei wäre er fast mit der Stirn an die Scheibe gekracht. Lukas hält nun das herausgebrochene verbeulte Blechfensterbrett in seinen Händen. Er wirft es beiseite und tritt eilig den Rückzug an.

»Shit! Das ist zu laut gewesen. Den Lärm muss der Kraftlackel Hans gehört haben«, jammert ängstlich Tobias, während er nervös an seinem Fingernagel kaut. Und

tatsächlich, sogleich fliegt mit einem Ruck die Tür des Gebäudes auf und Hans steht wie Herkules in der Tür. In seiner Linken hält er eine Art Schild in die Höhe. Mit einem kräftigen Sprung rettet sich Lukas außer Sichtweite. Unsanft landet der Bub ausgerechnet in einem Meer meterhoher Brennnesseln. Obwohl der Schmerz gleich da ist und sein Körper wie die Hölle brennt, kann Lukas nicht aufschreien, sonst würde ihn der grobe Hans entdecken. Der steht noch immer wie angewurzelt vor der Tür und blickt sich um. Plötzlich läuft eine schwarze Katze durchs hohe Gras zu seinen kräftigen, ziemlich rußigen Beinen. Hans bückt sich und nimmt sie hoch auf seine Schulter, dabei legt er den Gegenstand aus seiner Linken ins Gras. Liebevoll tätschelt er dem Kätzchen den Kopf, dann lässt er es wieder zu Boden und verschwindet im Inneren. Erst als die Tür ins Schloss fällt, traut sich Lukas aus dem Brennnesselbeet heraus, er hastet rüber zu seinen Freunden. Zu seinem Unglück trägt Lukas heute eine ziemlich kurze Jean und ein ärmelloses T-Shirt. Die nackten Hautstellen sind übersäht von den Spuren der Brennnessel, sogar sein Gesicht ist total verbrannt.

»Herrgott noch einmal, das brennt vielleicht!«, jammert Lukas und reibt sich die schmerzenden Stellen.

»Man sieht aber kaum was«, meint Sebastian, der aus einem Abstand nur wenige rote Flecken auf Lukas’ Haut erkennen kann. Luk hält es im Gebüsch nicht mehr aus, immer mehr fängt seine malträtierte Haut zu brennen an. Die Punkte auf seiner Haut schwellen nun von Minute zu Minute auch noch an.

»Ich brauche kaltes Wasser!«, schreit jetzt Lukas und läuft, sich ständig kratzend, runter zum Schotterstrand. Schnell entledigt er sich seiner Jeanshose und des Leibchens. Nur mit der Unterhose am Leib schmeißt sich Lukas in die kalten Fluten des Steyrflusses. Minutenlang sehen die nachgelaufenen Buben nur den Kopf ihres Anführers. Sie können erkennen, wie Lukas von der starken Strömung flussabwärts abgetrieben wird. Schließlich watet Lukas aus dem Wasser und setzt sich in Ufernähe auf einen großen Kalkstein. Er betrachtet grimmig seinen Körper. Seine Arme und die Unterschenkel sind total verbrannt, die einzelnen Schwellungen sind übergegangen in eine riesige geschwollene Fläche.

»Autsch, das muss wehtun«, meint Sebastian. Luk sitzt am Stein und zittert am ganzen Körper vor Schmerzen und Kälte.

»Das wird er mir büßen, der Umweltverschmutzer, das sage ich euch. Mein Vater hat recht gehabt, der Hans ist mehr als verdächtig. Er hat mit Feuer hantiert, ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Das Feuer war extrem hell, es hat mich total geblendet. Habt ihr bemerkt, wie rußig der am ganzen Körper ist? So ein Mist, wenn das Fensterbrett nicht abgebrochen wäre, hätte ich bestimmt noch mehr erkennen können. Wir müssen ihn auf jeden Fall weiter beobachten. Mir scheint, als würde er sich auf seine nächste Brandstiftung vorbereiten.« Nachdem der Junge halbwegs trocken ist, streift er sich seine Klamotten über und die Jungs radeln nach Hause Richtung Sonnenhang. Sie vereinbaren, dass sie morgen ihre Beobachtungen weiterführen, die zwei restlichen Verdächtigen, deren Namen Luk im Wirtshaus notiert hat, interessieren die Jungs vorerst nicht. Hans ist ihr Hauptverdächtiger.

In der Zwischenzeit sind auch die Mitglieder der Schnackerlbahnbande nicht untätig. Im Gegensatz zu den Falken haben sie aber noch keinen konkreten Verdächtigen auserkoren. Paulina und Sophie konzentrieren sich auf die Zeitungsberichte. Gott sei Dank entsorgt Sophies Vater nur einmal im Monat die alten Zeitungen, so finden die Mädchen im Keller in der Altpapierbox viele interessante Artikel, die sie sofort mit der Schere ausschneiden. Mit Leuchtstift markieren die Mädels Hinweise und Fakten. Max und Anna recherchieren bei dem Jungen zu Hause im Internet. Auf der Homepage der Freiwilligen Feuerwehr Saaß ist von einem Benzinkanister zu lesen, der am Tatort gefunden wurde. Sofort sind die Kinder hellhörig.

»Max, da können wir ansetzen. Wir brauchen nur herauszufinden, wie der Benzinkanister aussieht und wo man ihn kaufen kann. Bei CSI-Miami machen sie das auch immer so. Sämtliche Geschäfte müssen wir in der Umgebung abklappern, bis wir fündig werden. Los, Max, gib in Google Folgendes ein: 15. August, Brand, Aschach an der Steyr, Benzinkanister. Mal sehen, ob wir weitere Einzelheiten finden.«

Ganz so einfach gestaltet sich die Suche nach guten Hin- weisen nicht. Bis zum Abend finden die Kinder nichts Neu- es heraus. Erst morgen wollen sie mit ihren Ermittlungen fortfahren. Gegen zwanzig Uhr abends sitzen Anna und Sophie mit ihren Eltern vor dem Fernsehapparat. In einer Werbepause dürfen die Kinder Mikrowellenpopcorn zu- bereiten. Anna hört von der Küche aus, dass Mutter und Vater über den ungeklärten Brand sprechen. Sofort läuft sie hinüber zum Wohnzimmer und lauscht an der Tür.

»Habe ich dir eigentlich erzählt, dass in der Nähe des ausgebrannten Bahnhofsgebäudes der Schnackerlbahn ein schwarz-rot-grüner Benzinkanister gefunden wurde? Ilse hat es mir heute Nachmittag übern Gartenzaun erzählt. Du weißt ja, ihr Sohn ist in Garsten am Polizeiposten tätig«, erzählt die Mutter.

»Aha«, antwortet desinteressiert der Vater und widmet sich geistig ganz der Werbung. Er mag den Dorfklatsch nicht und die Nachbarin ist bekannt dafür, dass sie gerne Halbwahrheiten im ganzen Dorf verbreitet. Seine Tochter Anna ist da ganz anders, sie freut sich über den neuesten Gartenklatsch. Sofort läuft die Neunjährige die paar Schritte hinüber zur Küche und erzählt Sophie aufgeregt die Neuigkeit.

Zeitig am Morgen schickt Anna von ihrem Zimmer aus ein SMS an Paulina und Max: Ein Uhr, Treffpunkt Waggon. Natürlich kann sich die Kleine nicht beim täglichen Lernen konzentrieren. Ihre Gedanken kreisen immer um den Benzinkanister. Achtlos schließt sie nach einer guten Stunde ihr Deutschbuch, die Lernwörter der 3. Schulstufe interessieren sie heute absolut nicht. Auf einem Zettel notiert sie untereinander viele Wörter, daneben schreibt sie Zahlen hin.

»Ob wir das heute alles schaffen, bezweifle ich«, überlegt sie laut.

»Sophie! Anna! Kommt runter, ihr habt genug gelernt, das Mittagessen ist fertig!«, ruft die Mutter nach oben.

Ihre Mädels stürmen Sekunden später die knarrende, frei stehende Holztreppe herunter und setzen sich zum Mittagstisch. Eine Viertelstunde später geht es los, die Mädchen holen ihre Räder aus der Garage, schwingen sich auf den Sattel und radeln los. Diesmal sind sie die Letzten am Bahnhofsgelände. Paulina und Maximilian sitzen bereits im Waggon. Da sie nun nicht mehr so wie früher aufpassen müssen, entdeckt zu werden, lassen die Kinder ausnahmsweise die Schiebetüre offen, weil es im Inneren des Waggons ziemlich frisch ist.

»Wir haben noch nicht einmal September und das Wetter ist ein Graus. Mir ist es jetzt schon bei gut 20 Grad zu kalt«, meckert Paulina, die nicht wahrhaben will, dass morgen bereits der 1. September ist.

»Hör auf zu jammern, am Wetter können wir absolut nichts ändern. Heute haben wir eine Menge vor. Ich habe euch ja schon in der Früh geschrieben, dass wir eine erste heiße Spur verfolgen. Wir müssen herausfinden, wo in der Gegend man einen schwarz-grün-roten Benzinkanister kaufen kann. Bestimmt stammt der Täter aus der Gegend. Schneller als die Polizei müssen wir ermitteln, wenn wir den Täter als Erste entlarven und die Wette gewinnen wollen. Seht her, ich habe hier auf diesem Zettel die Namen sämtlicher Geschäfte in einem Umkreis von zehn Kilometern aufgeschrieben.« Anna ist ganz in ihrem Element.

»Was bedeuten die Zahlen hinter den Geschäftsnamen?«, will Paulina wissen. »Ganz einfach, das sind die geschätzten Kilometer. Ich bin bei der Distanz vom Standort unseres Waggons ausgegangen. Sieh her, nach Waldneukirchen ins Lagerhaus sind es rund sieben Kilometer, zur Tankstelle in Neuzeug rund vier Kilometer. Es bleibt uns keine Wahl, wir müssen alles mit unseren Fahrrädern abklappern. Wenn wir wissen, wo es den Kanister zu kaufen gibt, können wir die Täter einschränken, da- von bin ich überzeugt«, erklärt Anna ihren Plan.

»Am besten wird es sein, wenn wir uns trennen. Ich fahre mit Paulina, wir sind die Langsamsten. Max und Anna, ihr passt auch vom Tempo zusammen. Wir müssen auf jeden Fall mit unseren Handys Fotos der Benzinkanister schießen, damit wir sie vergleichen können. Es kann ja sein, dass es mehrere Marken gibt, die dieselben Farben haben.« Sophie teilt die Fahndungsgruppen ein, sie will auf gar keinen Fall mit Anna die Geschäfte abklappern, die Kleine fährt wie der Sausewind ihrer großen Schwester immer auf und davon. Bevor es losgeht, teilt Anna die mitgebrachte Liste genau in der Mitte. Je- des Team muss fünf Geschäfte überprüfen.

Nach nicht einmal 20 Minuten erreichen Anna und Maximilian die erste Tankstelle in Sierninghofen-Neuzeug. Im Tankstellenshop sehen sich die Kinder aufmerksam um. Endlich entdeckt Maximilian das Regal mit den Kunststoffkanistern. Es werden nur zwei Modelle zum Kauf angeboten. Das teurere ist komplett schwarz mit einem grünen Verschluss und das billigere Modell ist ganz in Rot gehalten. Trotzdem schießt Anna mehrere Fotos von dem Regal. Nur wenige 100 Meter entfernt befindet sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine weitere Tankstelle. Hier müssen die Kinder den Tankwart fragen, ob er Benzinkanister verkauft, denn es gibt keinen Shop. Nickend verschwindet der Mann im Gebäude hinter der Tankstelle. Wenig später kommt er mit einem dunkelgrünen Kanister in der Hand zu den Kindern zurück. Schnell überlegt Max, was er zu dem Mann sagen kann, schließlich wollen sie ja gar keinen Benzinkanister kaufen.

»Vielen Dank, aber der ist unserer Mutter bestimmt zu klein, unser Rasenmäher ist so alt, der frisst förmlich das Benzin. 15 Liter muss er schon fassen.« Max lügt, ohne es sich anmerken zu lassen, wie gedruckt.

Als nächste Geschäfte stehen bei den beiden die zwei Tankstellen mitten in Sierning auf dem Zettel, doch auch dort werden die Kinder nicht fündig, sie müssen weiter- radeln Richtung Schiedlberg, wo vor dem Ortszentrum ein Landesproduktehandel liegt.

Währenddessen radeln Paulina und Sophie teils heftig fluchend auf der Voralpenstraße B122. Ausgerechnet das neue Lagerhaus im Grenzgebiet zur Marktgemeinde Sierning haben sie zugeteilt bekommen, es liegt bereits im Ortsgebiet von Waldneukirchen. Die letzten Meter müssen sie auf der stark befahrenen Straße zurücklegen. Ein schwerer Lastwagen nach dem anderen donnert an den Kindern vorbei, dabei müssen die Mädels achtgeben, dass sie nicht den Lenker verreißen, derart stark sind der Seiten- und Rückwind der LKWs.

»Hah, dass ich nicht lache. Sieben Kilometer hat sie gesagt, deine Schwester. Das sind bestimmt zehn Kilometer und zurück müssen wir auch wieder fahren«, jammert Paulina, ihr tut jetzt schon das Sitzfleisch weh. Sophie, die vor ihr fährt, kann sie nicht hören, zu laut ist es auf der Bundesstraße, die nach Bad Hall führt. Gleich haben sie es geschafft, Sophie reiht sich mit einem Handzeichen links ein und wartet aufs Abbiegen, Gegenverkehr kommt ihr entgegen. Endlich geht es und sie erreichen den Parkplatz des Lagerhauses. Mit den Radschlössern sichern sie ihre Räder und laufen gleich darauf in das Geschäft hinein. Endlos lange erscheinen ihnen die vielen Regale. Paulina war erst einmal mit ihrer Mutter hier, sie kennt sich nicht aus. Nach der anstrengenden Fahrt freut es Sophie nicht, nach den Kanistern zu suchen, sie sieht einen freundlich aussehenden Verkäufer und fragt ihn nach den Benzinbehältern. Er erklärt ihnen den Weg zum richtigen Regal.

»Schau mal Sophie, die führen nur ein einziges Modell. Schwarz-grün-rot. Schau auf dem Zettel nach, welche Farben wir suchen«, sagt Paulina. Sophie greift in ihren Hosensack, holt den abgerissenen Teil von Annas Zettel hervor und liest nach.

»Juhu, wir haben den Kanister gefunden! Schnell, lass uns ein paar Fotos schießen. Wir brauchen zu keinem weiteren Geschäft radeln«, frohlockt die Elfjährige, die ihr Glück kaum fassen kann. Das erste Geschäft ist der Volltreffer.

Ohne es den anderen mitzuteilen, fahren die zwei Mädels zurück zum Waggon und entspannen sich erst einmal von ihrem anstrengenden Ausflug. Eine Stunde später treffen auch Max und Anna total verschwitzt beim Quartier ein. Sie sind etwas frustriert, weil sie keine heiße Spur gefunden hatten.

»Mist, wir haben über 30 Kilometer zurückgelegt und absolut nichts gefunden. Morgen fahren wir mit der Suche fort«, meint Maximilian ganz deprimiert.

»Morgen müsst ihr alleine weitersuchen. Uns reicht es. Wir wollen ja keine Blasen am Popo bekommen«, sagt Sophie ganz nebenbei.

»Das könnt ihr nicht machen, wir sind alle die Wette eingegangen, ihr gehört auch zur Clique«, protestiert Anna und sieht dabei böse rüber zu ihrer Schwester.

»Lasst mal eure Fotos sehen«, wirft Paulina ein. Sogleich holt Max sein Handy aus der Tasche und öffnet den Ordner mit den Fotos der Benzinkanister, der gesuchte ist leider nicht dabei.

»Scheibenkleister!«, flucht Paulina. Sie genießt es, den beiden ihre Entdeckung nicht gleich mitzuteilen. Auch Sophie macht keine Anstalten, vom Fund zu berichten. Fix und fertig sitzen Max und Anna am Fleckerlteppich, sie spüren ihre Beine kaum, derart müde Knochen haben sie. Erst nach gut zehn Minuten will Anna wissen:

»Habt ihr gar keine Fotos gemacht?«

»Doch. Wenn ihr wollt, können wir sie euch zeigen, erwarten dürft ihr euch halt nicht zu viel.«

Sogleich holt Paulina das Handy hervor, sie drückt ein paar Tasten und schaltet die Zoomfunktion ein. Riesengroß ist der gesuchte Kanister am Display in der Frontalansicht zu sehen. Das Mädchen dreht das Handy rüber zu Max und Anna.

»Das gibt’s ja nicht! Seid ihr beide doof? Ihr habt den Kanister gefunden. Warum sagt ihr uns das nicht gleich? Wo gibt es den?«, will Anna wissen. Jetzt können sich die erfolgreichen Fahnder nicht mehr halten, Paulina und Sophie lachen laut drauflos.

»Ja, ja, lacht nur, ihr dummen Gänse. Aber eines sage ich euch: Wer zuletzt lacht, lacht am besten.« Max ist echt sauer auf die beiden. Er krabbelt hoch und hüpft raus. Beleidigt lehnt er sich außen an die Bretterwand des Eisenbahnwaggons.

Feueralarm

Über Nacht ist es September geworden, in der Früh sind die Wiesen nass vom Morgentau. Hans, der Hauptverdächtige der Falken, wird von den Jungs seit den frühen Morgenstunden beobachtet. Ausgestattet mit alten Funkgeräten, die der technikbegeisterte Sebastian von seinem Vater geschenkt bekommen hat, postieren sich die Buben rund ums Haus an der Steyr. Bis knapp vor zehn Uhr tut sich nichts beim Anwesen, doch dann entdecken sie den Verdächtigen im Garten. Er trägt Arbeitshandschuhe und einen blauen, ziemlich dreckigen Mantel. Lukas schleicht sich näher ran, er will genau sehen, was gleich passieren wird. Hans eilt mit großen Schritten durchs kniehohe Gras, bis er bei einer Blechtonne stoppt.

»Jetzt wird es interessant«, spricht Lukas leise ins Funkgerät, dabei drückt er mit seinem rechten Daumen den Übertragungsknopf. Ein leises Rauschen ist im Lautsprecher zu hören, aber weder Tobias noch Sebastian getrauen sich zu antworten, zu angespannt sind sie. Mit einem kräftigen Griff öffnet Hans die blaue Tonne, er greift mit beiden Armen hinein und holt etwas Schweres heraus. Sogleich schiebt er den Deckel wieder drüber und eilt mit dem nicht genau zu erkennenden Gegenstand Richtung Nebengebäude. Immer näher wagt sich Lukas heran, seine Neugierde zwingt ihn dazu, der Bub will endlich wissen, was der Beschattete in dem Gebäude treibt. So wie gestern bleibt der starke Hans sehr lange im Nebengebäude und die Jungs hören nur das Getose der nahen Wehranlage.

»Soll ich mich heranschleichen?«, fragt Tobias übers

Funkgerät.

»Nein, mach nichts im Alleingang, ich habe schon einen Plan. Wir verziehen uns. Treffpunkt Schotterbank, jetzt sofort!«, gibt Lukas klare Anweisungen. Sie entfernen sich rücklings vom Grundstück und laufen runter zum Schotterstrand. Nacheinander lassen sich die Falken auf den blitzweißen Kieselsteinen nieder.

»Hört gut zu. Hans macht bestimmt eine Mittagspause. Ewig kann er in dem Gebäude nicht bleiben. Wir warten ab und dann schlagen wir zu«, erklärt Lukas.

»Was meinst du mit zuschlagen?«, erkundigt sich

Tobias.

»Ich will nachsehen, was sich in dem Nebengebäude befindet. Meine neue Digitalkamera habe ich dabei, ich schieße auf jeden Fall ein paar Beweisfotos. Gestern habe ich gesehen, dass die Tür nicht zu versperren ist, sie ist nur angelehnt. Ihr müsst mich übers Funkgerät warnen, falls Hans sich dem Gebäude nähert. Habt ihr verstanden?« Lukas kann es kaum erwarten, er will wissen, woher die grellen Lichtblitze gestern Nachmittag stammten, dafür nimmt er gerne den gefährlichen Plan in Kauf. Es soll sein erster Einbruch werden.

»Hoffentlich geht alles gut«, jammert Sebastian, er ist

lange nicht so draufgängerisch wie der Anführer.

Fünf Minuten vor zwölf Uhr mittags postieren sich die Jungs wieder rund ums Haus. Sie warten auf den geeigneten Augenblick, zuerst muss Hans einmal das Gebäude verlassen. Plötzlich heult die Sirene der Feuerwehr los, die Buben schrecken zusammen.

»Ist ja bloß Samstagmittag. Probealarm«, atmet Sebastian innerlich auf. Gleich darauf schlägt Hans die Tür auf und tritt ins Freie. Tobias, der ihm am nächsten ist, kann nicht anders und muss in seinem Versteck laut niesen. Angestrengt schaut nun Hans in alle Richtungen. Seit gestern hat der Mann ein komisches Gefühl. Als hätte er einen siebenten Sinn, merkt er, dass eigenartige Dinge in seiner Nähe vor sich gehen. Da er aber nichts Verdächtiges auf seinem Grundstück ausmachen kann, begibt er sich auf den Weg zum Haus. Dabei dürfte seine Nase voll sein, Hans macht einen ordentlichen Bauernschnäuzer und wischt sich die angerotzten Finger in seinen Arbeitsmantel.

»Widerlich!«, schallt es durchs Funkgerät, Tobias

graust.

»Sei still! Du hättest uns fast verraten. Musstest du unbedingt niesen?«, schimpft Lukas und fährt fort, »los, Jungs, haltet eure Augen offen, ich lauf jetzt rüber.«

Wie aus dem Nichts kommend, hüpft Lukas aufs Grundstück. In gebückter Haltung geht es hinüber zum bekannten Nebengebäude. Lautlos öffnet er nun die Holzbrettertür und schlüpft beim Türschlitz hinein. Drinnen kommt der Junge aus dem Staunen nicht mehr heraus, er muss das Gesehene für seine Freunde unbedingt aufnehmen. Augenblicklich wird dem Anführer vieles glasklar. Von allen Seiten fotografiert er die entdeckten Gegenstände, als plötzlich das Funkgerät losgeht.

»Rückzug! Sofort!«, funkt aufgeregt Sebastian, der Sekunden vorher Hans erspähte. Mit Lulatschschritten nähert sich der große Mann seinem Nebengebäude. Im Inneren ist Lukas angespannt wie ein Geigenbogen, er ist förmlich erstarrt.

Wie gewohnt öffnet Hans mit einem Ruck die Holztür. In dem Moment drückt Lukas, der genau vor ihm steht, den Auslöser seiner Digitalkamera. Gott sei Dank hatte der Bub die Kamera auf Extrablitz eingestellt. Hans steht verdattert da und schaut genau in den grellen Blitz. Den Bruchteil einer Sekunde ist er geblendet und kann nicht reagieren. Lukas schlüpft geistesgegenwärtig zwischen dem Türstock und dem Mann durch und hastet los. Wendig dreht sich der Vierzigjährige um und hetzt dem Einbrecher nach, dabei flucht er unaufhörlich:

»Rotzlöffel, dir werde ich Beine machen! Das Einbrechen wird dir vergehen!« Mit dem haben die Falken nicht gerechnet. Sie haben sich keinen Fluchtplan überlegt und so stürmen die drei Buben einfach los, jeder in eine andere Richtung, hinter ihnen nach läuft der kräftige Hans. Dieser merkt gleich, dass der schlaksige, langbeinige Lukas viel zu schnell für ihn ist, aber bei Tobias, der wenige Meter hinter dem Anführer läuft, sieht der Überfallene eine Chance. Nur ein kurzes Stück trennt ihn von dem Burschen. Lukas bemerkt, dass er nicht mehr der Gejagte ist, und schreit wie am Spieß: »Lauf, Tobias, er hat dich gleich!« Die Warnung kommt zu spät. Hans erwischt im vollen Lauf den Jungen am T-Shirt. Es reißt und der Junge fällt taumelnd zu Boden. Total verängstigt krabbelt er hoch, dabei hält ihn Hans mit seinen tellergroßen Händen mit einem groben Griff fest.

Lukas kehrt um, er kann seinen Freund nicht im Stich lassen. Auch Sebastian nähert sich von hinten der Szene. Schnell bücken sich die Buben und ergreifen einige Kieselsteine.

»Lassen Sie ihn los, Sie Umweltverschmutzer! Ihr Garten schaut aus wie eine Sondermülldeponie!«, brüllt Sebastian Hans an und wirft mehrere Steine in seine Richtung. Mit dem hat der Mann nicht gerechnet. Verdattert lässt er Tobias kurz los. Der Junge kann den Moment nutzen und reißt sich los.

»Folgt mir zu den Gleisen!«, ruft Lukas im vollen Lauf. Gemeinsam stürmen sie den Hang zur Straße hoch. Ohne dass sie sich noch einmal umblicken, queren sie im Lauf die Dorfstraße. Nach gut 100 Metern erreichen sie das Bahnhofsareal der Museumsbahn. Zu ihrem Glück fährt gerade ein Sonderzug der Steyrtalbahn langsam ab.

»Mir nach!«, fordert Lukas seine Freunde auf. Geschickt greift der Bub nach dem schwarz gestrichenen Eisengeländer des vorletzten Waggons und schwingt sich mit einem Sprung hinauf. Sofort reicht der Bub seinen nachkommenden Freunden die Hand und hilft ihnen somit auf den fahrenden Waggon. Sebastian steht auf dem Trittbrett und späht in die Ferne. Ganz hinten am Straßenrand ist Hans zu erkennen, er ist ihnen gar nicht mehr bis zum Bahnhof gefolgt.

Schnaufend wird die alte Schnackerlbahn schneller, grauschwarze Rauchschwaden steigen vom Schornstein auf und erfüllen die Luft. Außer Atem lassen sich die drei Falken im Waggon nieder. Herrlich altmodisch sieht der Eisenbahnwaggon im Inneren aus. Sebastian, der ein Geschichtsfan ist, fühlt sich jedes Mal in eine andere Zeit zurückversetzt, wenn er mit der Museumsbahn fährt. Früher müssen die Menschen deutlich kleiner und schmäler gewesen sein, das merkt man am Inventar der Bahn. Klein erscheinen die gebogenen Holzbänke, sie bieten jeweils maximal Platz für zwei schlanke Erwachsene. Lange Zeit bleibt den Buben nicht zum Verschnaufen, sie sind blinde Passagiere ohne Ticket. Bevor der Schaffner kommt, müssen sie auf jeden Fall aussteigen. Doch zu spät! Durch das Türfenster sieht Tobias, dass sich der Schaffner in einer Originaluniform von 1889 nähert, er schließt eben die Tür des hinter ihnen fahrenden Waggons, dann steigt er auf die Metallplatten, die die beiden Waggone verbinden, und öffnet die Tür. Sofort erkennt er die Jungs und schimpft: »Na, da seid ihr Bengel ja! Ich habe alles genau gesehen. Ganz schön waghalsig, was ihr da getrieben habt. Ihr könnt doch nicht auf einen abfahrenden Zug aufspringen! Nicht auszudenken, was da passieren hätte können! Mausetot könntet ihr allesamt sein!

Die Jugend von heute, ein Wahnsinn!« Kopfschüttelnd steht der Schaffner vor ihnen, der Schreck ist ihm ins Gesicht geschrieben.

»Es ging nicht anders, wir sind auf der Flucht gewesen, Herr Schaffner. Leider haben wir keine Tickets, wir steigen sowieso bei der nächsten Haltestelle aus. Entschuldigen Sie vielmals«, erklärt Lukas und blickt dabei den Schaffner mit einem treuherzigen Blick an.

»Na, ja, ist schon gut. Ihr braucht kein Ticket, es ist ein Sonderzug, der ist bereits bezahlt. Ich war schließlich auch mal jung. Bei der Brandstettermühle könnt ihr aussteigen. Aber wartet gefälligst, bis der Zug wirklich steht. Verstanden?« Erleichtert nicken die drei Jungs und der Schaffner macht sich auf den Weg weiter zum angrenzenden, blauen Speisewaggon.

Gar nicht lange währt die Freude bei der S-Bande über die entdeckten Benzinkanister. In der Nacht machte sich jedes der Kinder seine eigenen Gedanken über ihr weiteres Vorgehen. Bereits gegen elf Uhr vormittags treffen sie sich in ihrem Waggon am Abstellgleis. Da Wochenende ist, müssen die Schwestern nichts lernen. Außerdem wollen die Kinder heute zum ersten Mal mit ihrem Koffergriller grillen. Max hat extra Holzkohle von zu Hause mitgenommen und die Mädchen sorgten für Würstel und Brot. Sophie erhebt als Erste das Wort:

»Es ist ja schön und gut, dass wir wissen, wo der Täter den Benzinbehälter herhat, aber haben wir auch bedacht, dass es bestimmt in jedem Lagerhaus das gleiche Modell zu kaufen gibt? Was tun wir jetzt?«

Keiner hat sofort eine Antwort parat. Anna rutscht auf ihrem Kuschelpolster hin und her, sie überlegt dabei angestrengt, nichts fällt ihr ein. Schließlich meint Maximilian:

»Wisst ihr was, das können wir leicht überprüfen. Ich steige mit meinem iPhone ins Internet ein und suche die Telefonnummern der Lagerhäuser in der Nähe heraus. Dann müssen wir dort nur mehr anrufen und nachfragen, ob es den besagten Benzinkanister gibt. So ersparen wir uns viele Kilometer. Was meint ihr?«

Keiner hat einen besseren Vorschlag und so rufen die Kinder in den Lagerhäusern an und tatsächlich gibt es den besagten Behälter überall.

»Verdammter Mist! So kommen wir nicht weiter. Etwas Neues muss uns einfallen. Wisst ihr was, ich habe Hunger und möchte nun endlich den Griller anwerfen. Die Brandstifterjagd kann vorerst einmal warten«, erklärt Anna und legt ihr Handy beiseite. Damit sie die Holzkohle entfachen können, müssen die Kinder zuerst zwischen und neben den Gleisen trockene Ästchen und Grashalme sammeln. Eifrig gehen die Mädchen auf die Suche, während Maximilian vor der offenen Holzschiebewand den Koffergriller zum ersten Mal betriebsbereit macht. Am weitesten entfernt sich Paulina vom Waggon, sie läuft zum nahen Wald hinter der angrenzenden Pferdekoppel. In dem Moment fährt vom Bahnhof die Schnackerlbahn ab. Das Mädchen sieht hinunter auf die Gleisanlage. Neugierig schaut sie dem schnaufenden Zug nach, plötzlich laufen drei Jungs seitlich den Waggons nach und verschwinden.

»Komisch, die haben ausgesehen wie die Falken«, murmelt die Kleine und bückt sich nach einem trockenen Stecken, den sie sogleich unter ihr rechtes Knie legt und mit beiden Händen geschickt abbricht. Sie kehrt mit dem gesammelten Holz unterm Arm zurück zu den anderen.

»Ich glaube, ich habe die Falken eben gesehen. Stellt euch vor, sie sind der Museumsbahn nachgelaufen«, berichtet Paulina das Gesehene.

»Tatsächlich? Vielleicht haben die eine bessere Spur als wir«, überlegt Sophie laut. Nachdem die Holzkohle endlich richtig glüht, legen die Kinder ihre mitgebrachten Würstchen auf. Viel zu viele haben ihnen ihre Mütter eingepackt.

»Wer soll denn das alles verputzen?«, fragt Maximilian ungläubig, als er die zweite Partie Würstchen auf den Rost schlichtet. Mampfend sitzen die drei Mädchen in der offenen Schiebetür am Bretterboden. In einer Hand halten sie je ein Würstchen und in der anderen ein Stück Brot.

»Wir haben ordentlich Kohldampf!«, schreit Lukas von Weitem rüber. Die Falken laufen die letzten paar Meter zu der S-Bande. Von der Brandstettermühle bis hierher waren sie auf den Bahnschwellen unterwegs. Dabei stieß ihnen der gute Geruch vom Gegrillten in die Nase und lockte sie an. Erwartungsvoll blicken die hungrigen Burschen auf die halbfertig gebratenen Würstel.

»Und ich habe geglaubt, ihr macht einen netten Ausflug mit der Steyrtalbahn«, gibt Paulina von sich.

»Von wegen netter Ausflug. Wenn ihr wüsstet, was wir heute schon alles erlebt haben, dann würdet ihr mehr als staunen. Bei euch sieht es ja eher nicht nach Verbrecherjagd aus.« Lukas grinst dabei ziemlich boshaft, den Seitenhieb konnte er sich nicht verkneifen.

»Quatsch keine Oper, willst du jetzt was essen oder nicht?« Max ist genervt. Er weiß ja selbst, dass sie im Dunkeln tappen, das braucht ihm Lukas nicht zu erklären. Weil nur mehr Platz für einen in der Auslassung der Schiebetür ist, lehnen sich Sebastian und Tobias während des Essens einfach an den Waggon. Lukas geht auf die Mädchen zu und setzt sich genau zwischen Paulina und Sophie hinein. Dabei berührt er nicht gerade ungewollt Sophie am rechten Knie. Sofort verspürt die Kleine ein Kribbeln in der Magengegend, aber auch ihre Freundin Paulina ist ganz angetan von der Gesellschaft des Jungen. Zwar haben die Kinder fast kein Brot mehr, doch den Jungs ist das egal, genüsslich verputzen sie auch noch die letzte Wurst.

»Das können wir bald einmal wiederholen«, meint Lukas, während er vom Waggon hüpft und sich dann den vollen Bauch reibt.

»Danke für die leckeren Würstel«, bedankt sich der höfliche Sebastian bei den Kindern. Nun müssen die Falken zurück zum Schotterstrand, dort haben sie ihre Fahrräder heute Vormittag versteckt. Auf keinen Fall wollen sie riskieren, dass Hans sie noch einmal zu Gesicht bekommt. Tobias schmerzt jetzt noch der linke Arm, derart fest hat der Kraftlackel zugepackt.

Als sie bei den Fahrrädern ankommen, fällt Tobias et- was Wichtiges ein: »Sag Lukas, was ist eigentlich im Inneren des Nebengebäudes? Hast du Spuren eines Brandstifters gefunden?«

»Ich zeige euch die Fotos zu Hause im Falkenhorst. Schauen wir, dass wir von hier fortkommen«, gibt der Anführer zurück. Er genießt es, der Einzige zu sein, der weiß, was sich im Nebengebäude befindet. Erst im Falkenhorst zeigt er den Buben die Bilder auf seiner Digitalkamera. Sebastian und Tobias sind ziemlich enttäuscht, als sie sehen, dass sich im Nebengebäude eine kleine Werkstätte befindet. Hans ist ein Hobbykünstler, der Metallfiguren schweißt. In den Blechtonnen auf seinem Grundstück bunkert er Eisenschrott, den er zu Skulpturen umformt. Der helle Lichtblitz, den Lukas durchs Fenster gesehen und der ihn derart erschreckt hat, ist das Schweißlicht gewesen. Das Schild, das sie in Hans’ linker Hand erspäht haben, war das Schweißschutzschild für die Augen, das auf jeden Fall zu einer Schweißausrüstung gehört. Durch die hellen Lichtblitze würde man sonst fast erblinden bei der Arbeit. Ziemlich enttäuscht sitzen nun die Falken in ihrem Horst, auch sie sind völlig ratlos, wie sie weiter vorgehen sollen.

»Gut, dann nehmen wir uns jetzt die anderen beiden vor, los, Sebastian, lies uns vor, was auf dem zweiten Bierdeckel steht!« Lukas will keine Zeit vertun. Sebastian greift auf den Tisch, nimmt den ersten Glasuntersetzer und beginnt laut vorzulesen.

---ENDE DER LESEPROBE---