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In seinem Schlafzimmer überrascht Brandon, Earl of Stockport, eine schlanke schwarzgekleidete Schöne. Es ist die "Katze": eine berüchtigte Diebin, die die Reichen bestiehlt, um die Armen zu beschenken. Gegen seinen Willen ist er fasziniert von ihrer geheimnisvollen, verführerischen Ausstrahlung. Statt sie dingfest zu machen, flirtet er plötzlich mit ihr und lässt sich einen Kuss rauben. Dann verschwindet sie wieder im Dunkel der Nacht - bis zu einem Maskenball. Während er sie zu Walzerklängen in den Armen wiegt, spürt Brandon plötzlich: Er will sie nicht mehr entlarven, sondern beschützen. Doch die Häscher sind ihr bereits auf den Fersen …
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Seitenzahl: 343
Veröffentlichungsjahr: 2016
IMPRESSUM
Die schöne Diebin erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2008 by Nikki Poppen Originaltitel: „Pickpocket Countess“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd. London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe MYLADY ROYALBand 43 - 2008 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Maria Fuks
Umschlagsmotive: The Killion Group / Hot Damn Designs
Veröffentlicht im ePub Format in 04/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733767006
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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England, Stockport-on-the-Medlock nahe Manchester,Anfang Dezember
In der Dunkelheit spürte er, dass etwas verändert war. Ja, jemand hatte sein Zimmer durcheinandergebracht. Brandon Wycroft, fünfter Earl of Stockport, fluchte lautlos. The Cat hatte sich ins Haus geschlichen!
Die Ironie des Geschehens war unübersehbar. Während er sich in seiner Bibliothek mit fünf einflussreichen Männern aus der Umgebung getroffen hatte, um mit ihnen zu beraten, wie man dem Treiben des Einbrechers, der The Cat, „die Katze“, genannt wurde, ein Ende bereiten konnte, war ebendieser Dieb in sein Heim eingedrungen. Während er und seine Gäste damit beschäftigt gewesen waren, Pläne zu schmieden, gute Zigarren zu rauchen und teuren Brandy zu trinken, hatte der Einbrecher es gewagt, ausgerechnet jenen Raum aufzusuchen, den er als sein privates Heiligtum betrachtete: das Schlafzimmer.
Wenn er nicht so gute Ohren gehabt und wenn das Schlafzimmer nicht direkt über der Bibliothek gelegen hätte, dann wäre der Einbruch wohl noch eine Zeit lang unentdeckt geblieben. So jedoch hatte er sich auf ein verdächtiges Geräusch hin nach oben begeben.
Ein Vorhang bewegte sich und zog seine Aufmerksamkeit auf das geöffnete Fenster, durch das kalte Winterluft ins Zimmer drang. Dann bemerkte er, dass da noch etwas war. Versteckte sich dort etwa der Eindringling?
Brandon kniff die Augen zusammen. Seine Muskeln spannten sich. Bei Jupiter, die Katze war noch da!
Er selbst stand an der Tür, weit entfernt vom Fenster. Aber er wusste, dass sein Instinkt ihn nicht trog: The Cat hielt sich in seinem Schlafzimmer auf.
Seine Entrüstung über das Geschehen wuchs und weckte den Wunsch nach Rache. Er würde dem Treiben dieses Diebes einen Riegel vorschieben! Nachdem der Einbrecher mehr als einen Monat lang die wohlhabenden Bewohner von Stockport-on-the-Medlock ausgeraubt hatte, würde seine Karriere ein abruptes Ende finden! In Zukunft würde er den Männern nicht mehr schaden können, die den Bau einer Textilfabrik in dem kleinen Ort unterstützten.
Ich werde die Katze jetzt fangen und meinen Erfolg den elf Gentlemen mitteilen, die unten in der Bibliothek auf mich warten. Diese Leute, so fand er, waren sowieso mehr daran interessiert, auf den Landsitz eines Mitglieds des englischen Hochadels eingeladen zu werden, als selbst etwas zur Beendigung der Einbruchserie beizutragen. Sobald diese Angelegenheit erledigt war, konnte er nach London zurückkehren und seine parlamentarische Arbeit wieder aufnehmen.
Er war im Begriff, sich auf den hinter dem Vorhang verborgenen Dieb zu stürzen, als dieser plötzlich aus seinem Versteck trat. Statt – wie er erwartet hatte – einen Fluchtversuch zu unternehmen, stellte die schattenhafte Gestalt sich so, dass sie vom Mondschein beleuchtet wurde. Deutlich konnte Brandon die Konturen der Katze erkennen. Es handelte sich um eine Frau.
Eine Frau?
Der waghalsige Einbrecher, der sich zwischen ihn und seine Pläne für Stockport-on-the-Medlock gestellt hatte, war eine Frau? Unfassbar, aber wahr! Im Mondlicht stand eine skandalös angezogene, offenbar recht attraktive weibliche Person.
Irritiert musterte er sie. Sie trug ein schwarzes Männerhemd, unter dem sich ihre wohlgerundeten Brüste deutlich abzeichneten. Dazu eine Hose, die so eng saß, dass die schmale Taille, die weiblichen Hüften, die schlanken Oberschenkel und die erstaunlich langen Beine gut zu sehen waren.
Eine verführerische Erscheinung! Doch sie konnte – und durfte – nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Frau eine Verbrecherin war. Die Katze war in seine Privatgemächer eingedrungen, hatte sich erwischen lassen und war nun ganz und gar seiner Gnade ausgeliefert.
Er kreuzte die Arme vor der Brust, lehnte sich gegen den Türrahmen und gab sich den Anschein gepflegter Langeweile. Dabei achtete er allerdings darauf, so zu stehen, dass er den Fluchtweg in den Flur versperrte. The Cat konnte ihm nicht entkommen, denn der einzige andere Weg nach draußen führte durchs Fenster. Das aber befand sich zwei Stockwerke hoch über dem Boden.
Diese Tatsache warf die Frage auf, wie es der Einbrecherin gelungen war, unbemerkt bis in diesen Raum vorzudringen.
„Ich fürchte“, bemerkte Brandon, „ich kann Sie nicht zur Tür hinauslassen. Aber vielleicht ziehen Sie sowieso den Weg durchs Fenster vor.“ Seine Stimme enthielt eine Spur von Sarkasmus. Niemand würde einen Sturz aus dreißig Fuß Höhe riskieren. Damit blieb nur die Tür als Ausgang. Und die war jetzt unpassierbar.
Erneut fragte er sich, wie die Katze es angestellt hatte, in sein Schlafgemach zu gelangen. Er hatte immer angenommen, der Raum sei praktisch unerreichbar. Aus diesem Grund hatte er ihn als Schlafzimmer gewählt. Er schätzte seine Privatsphäre und schützte sie nach bestem Können.
Die Frau zuckte die Achseln. Anscheinend berührte die Entwicklung der Dinge sie nicht besonders. „Das Fenster hat mir als Eingang gute Dienste geleistet“, stellte sie fest. „Warum sollte es mir also nicht auch als Ausgang genügen?“
Brandon lachte. Die Katze log, so viel stand fest. „Sie sind durchs Fenster hereingekommen? Verzeihen Sie, wenn ich das anzweifele. Abgesehen davon, dass es sich hoch über dem Boden befindet, habe ich Männer eingestellt, die das Grundstück bewachen. Sie könnten, wenn nötig, eine ganze Armee abwehren.“
„Eben, Mylord. Ihre Leute sind darauf vorbereitet, eine Armee von Ihrem Besitz fernzuhalten, nicht aber eine einzelne Person. Ich konnte die Wachen leicht umgehen.“
Es machte ihn zornig, wie herablassend sie über seine gut ausgebildeten und gut bezahlten Männer sprach. „Sind Sie nicht etwas zu selbstsicher?“, meinte er spöttisch. „Ich werde Sie gefangen nehmen, und schon bald wird man Sie für die Verbrechen verurteilen, die Sie begangen haben. Man wird Sie ins Gefängnis werfen. Später werden Sie vielleicht deportiert, vielleicht sogar gehängt.“
Zu seiner eigenen Überraschung gefiel ihm die Vorstellung gar nicht, dass diese überraschend attraktive Frau mit der üblichen Härte der Justiz bestraft werden sollte. Sie wirkte so lebendig, strahlte eine Energie, ja Wildheit aus, die eine Existenz hinter Gittern unerträglich erscheinen ließ. Ihre Anwesenheit genügte, um auch in ihm einen Lebenshunger zu wecken, wie er ihn seit Langem nicht mehr verspürt hatte.
Dann begriff er, was vorging: Sie flirtete mit ihm. Sie forderte ihn heraus, sie zu jagen, sie zu fangen.
Jetzt lachte sie leise. Und als sie zu sprechen begann, klang ihre Stimme so entspannt, als würde sie sich bei einer Dinnerparty über die Menüfolge unterhalten. „Ja, so weit ist es in England gekommen, dass es als Verbrechen gilt, die Hungrigen zu speisen. Nun, nach meinem Gerechtigkeitsgefühl gibt es eine Menge scheinbar gesetzestreuer Menschen, die eine Deportation oder auch eine Hinrichtung mehr verdienen als ich.“
Ein dünnes Lächeln spielte um Brandons Lippen. Was sollte das? Wollte sie ein Streitgespräch mit ihm beginnen? Ahnte sie nicht, dass er ihr mehr als gewachsen war? Es gab zwei Bereiche, in denen er mehr Erfolge verzeichnen konnte als die meisten anderen: Frauen und Diskussionen. „Denken Sie an jemanden Bestimmten?“, fragte er. „Wen sähen Sie gern vor dem Richter?“ Er setzte einen Fuß nach vorn.
Sechs Schritte trennten ihn jetzt noch von ihr.
„Adlige wie Sie zum Beispiel.“ Sie spuckte die Worte geradezu heraus.
Fünf Schritte.
Die junge Frau – ja, jung war sie zweifellos – hatte sich mit der letzten Bemerkung auf gefährliches Terrain begeben. Wie konnte sie es wagen, ihn, den Earl of Stockport, im gleichen Atemzug mit anderen Mitgliedern der Aristokratie zu nennen und als Verbrecher zu beschimpfen? Er hatte, seit er erwachsen war, viel Mühe darauf verwendet, sich von jenen abzugrenzen, die an alten Privilegien festhielten und sich dem Fortschritt in den Weg stellten. Er verachtete die meisten Mitglieder seiner Gesellschaftsschicht, da sie sich Beschäftigungen widmeten, die er als überflüssig betrachtete. Sie jagten, besuchten Bälle, klatschten und tratschten, missachteten ihre Mitmenschen und verbrachten ihre Zeit in Spielhöllen und Hurenhäusern. Er hingegen engagierte sich für politische Neuerungen und kämpfte darum, den kleinen Ort Stockport-on-the-Medlock und seine Bewohner vor dem wirtschaftlichen Niedergang zu bewahren. Die Menschen hier brauchten die geplante Fabrik, um zu überleben.
„Was weiß eine Einbrecherin schon über einen Gentleman wie mich?“, fragte er in herausforderndem Ton.
„Ich weiß, dass Sie Ihre Mitmenschen im Namen des Fortschritts in den Hungertod treiben.“
Aha, die Katze gehörte also zu jener Gruppe von Fanatikern, die gegen die Industrialisierung kämpften, weil sie nicht einsehen wollten, wie wichtig diese für den Fortschritt war.
„Die Zukunft wird nicht ohne moderne Unternehmen auskommen. Die Fabriken, gegen die Sie sich wehren, sind schon jetzt unverzichtbar für uns und unser Vaterland. Deshalb setze ich mich für den Bau der Tuchfabrik in Stockport-on-the-Medlock ein.“
Diese Bemerkung bewies, wie weit er sich von den Ansichten der meisten anderen Adligen in England entfernt hatte. Fast alle betrachteten nur den als echten Gentleman, der keiner Erwerbsarbeit nachging, sondern seine Tage dem Müßiggang widmete. Es galt als Schande, sich im Handel zu betätigen oder gar Interesse an den neuen Industrieanlagen zu zeigen. In Brandons Augen bewies ein solches Verhalten allerdings nur, dass diese angebliche Elite nicht begriffen hatte, wie dicht der Untergang des alten von der Landwirtschaft geprägten Lebens bevorstand.
Noch vier Schritte.
„Die Tuchfabrik, die Sie und Ihre Freunde planen, wird Existenzen vernichten. Die Familien hier brauchen das Geld, das die Frauen daheim als Weberinnen verdienen. Ihre Tätigkeit aber wird überflüssig gemacht, sobald die neue Fabrik fertig ist. Was Sie vorhaben, wird dazu führen, dass viele Männer und Frauen ihre Arbeit verlieren. Diese Menschen werden einfach durch Maschinen ersetzt. Dabei gibt es schon jetzt Tausende, die keine Arbeit finden und nicht wissen, wie sie ihre Familie ernähren sollen. Sie können nicht genug Lebensmittel kaufen, und ihre Wohnungen sind kalt, weil es an Feuerholz fehlt.“
Sie holte tief Luft, und ihre Augen blitzten kampflustig auf, als sie fortfuhr: „Sie aber, Mylord, machen es sich in Ihrem großen, gut geheizten Haus gemütlich und bewirten Männer, die genau wie Sie im Überfluss leben. Gemeinsam mit ihnen schmieden Sie Pläne, deren Verwirklichung das Dasein der Armen noch elender machen wird. Das nenne ich ein Verbrechen!“
Brandon schüttelte den Kopf und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr die feurige Rede der jungen Frau ihn beeindruckt hatte. Nicht etwa, weil er ihre Ansichten teilte, sondern einfach, weil er Menschen bewunderte, die sich mit ganzer Kraft für ihre Überzeugung einsetzten. Trotzdem war es natürlich eine Unverschämtheit, dass dieser Wildfang sich anmaßte, über ihn zu urteilen.
„Merkwürdig“, sagte er, „ich hatte den Eindruck, dass nicht wir, sondern Sie gegen das Gesetz verstoßen, indem Sie uns bestehlen.“
Noch drei Schritte.
„Ich nehme nie viel. Tatsächlich ist es so wenig, dass Sie und Ihresgleichen den Verlust kaum spüren.“ Um ihre Worte zu beweisen, hielt sie ein einzelnes Schmuckstück hoch, einen schmalen Goldring, in dem ein Amethyst glitzerte.
Brandon musste ein Stöhnen unterdrücken. In seinem Schlafzimmer gab es eine Menge Dinge von großem Wert. Auf jedes davon hätte er eher verzichten mögen als auf den Ring. „Das Schmuckstück hat eine besondere Bedeutung für mich“, erklärte er, bemüht, sich seine Aufregung nicht anmerken zu lassen. „Geben Sie es zurück!“ Das war keine Bitte, sondern ein Befehl.
Zwei Schritte noch.
Er streckte die Hand aus, so sicher war er sich, dass niemand es wagen würde, sich einem Befehl aus seinem Munde zu widersetzen. Insbesondere Frauen beeilten sich im Allgemeinen, seinen Wünschen nachzukommen.
Nicht so diese! Sie schüttelte lächelnd den Kopf. „Ich kann den Ring leider nicht hergeben. Er wird zwei Familien eine Zeit lang satt machen.“
„Mindestens zwei“, stimmte Brandon zu, ehe er in drohendem Ton fortfuhr: „Ich habe gesagt, Sie sollen ihn zurückgeben, Sie kleine Diebin. Jetzt! Wir wollen doch beide nicht, dass ich Ihnen wehtue.“
Noch ein Schritt, und er stand so dicht vor ihr, dass er sie beinahe berührte. Eine schwarze Halbmaske verbarg den oberen Teil ihres Gesichts. Ihre grünen Augen glitzerten tatsächlich wie die einer Katze. Ein dunkles Tuch, nach Piratenart gebunden, bedeckte ihr Haar.
Es hätte ihn keine Anstrengung gekostet, sie jetzt zu ergreifen. Seltsamerweise schien sie keine Furcht zu verspüren. Mit einer anmutigen Bewegung hob sie den Arm und löste den Knoten, der das Tuch zusammenhielt. Sie zog es herunter und schüttelte ihre Mähne, bis sie ihr in wilden Locken über die Schultern bis zur Taille fiel. Noch eine kleine, aufreizende Bewegung …
Bei Jupiter, sie ist eine richtige Verführerin! Wie weiblich sie aussieht, wie hinreißend!
„Also gut“, sagte sie. „Sie sollen Ihren Ring zurückbekommen. Allerdings erwarte ich dafür eine angemessene Entschädigung.“
Sie musterte ihn so eingehend, dass Brandon sich plötzlich äußerst unwohl fühlte. Im Allgemeinen war er es, der solch kritische Blicke einsetzte, um andere in Verlegenheit zu bringen. Natürlich kam es ab und zu vor, dass eine Dame ihn begutachtete. Schließlich gehörte er zu den begehrtesten Junggesellen von ganz England. Er war wohlhabend, trug einen Titel, sah gut aus und hatte die dreißig überschritten, ohne bisher in den Hafen der Ehe eingelaufen zu sein. Das machte Mütter und Töchter neugierig. Doch keine hätte es gewagt, ihr Interesse so offen zu zeigen wie die Katze.
„Gar nicht so übel“, stellte die fest.
Gar nicht so übel? Er wollte seinen Ohren nicht trauen! In seinem ganzen Leben hatte ihn nie jemand „gar nicht so übel“ gefunden. Er wusste, dass die Damen über sein gutes Aussehen tuschelten, und er hielt seinen Körper in Form, indem er bei Gentleman Jackson trainierte!
Er beschloss, sich mit Spott zur Wehr zu setzen. „Vielleicht möchten Sie auch meine Zähne begutachten?“
„Ein guter Vorschlag!“ Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Eine provozierende Geste!
Fassungslos sah er, wie sie auf ihn zutrat. Dann spürte er auch schon ihren Mund auf dem seinen. Obwohl er fest entschlossen gewesen war, sich nicht auf das Spiel der Katze einzulassen, öffnete er die Lippen einen Spaltbreit. Schon hatte ihre Zunge den Weg zwischen seinen Zähnen hindurch gefunden, und er spürte, wie die kühne junge Frau sich an ihn presste. Ein erotischer Schauer überlief ihn. Sein Körper schien plötzlich ein Eigenleben zu führen, das mit dem, was seine Vernunft verlangte, nichts mehr gemein hatte. Er stöhnte auf.
Der kleine zufriedene Seufzer der Katze verriet ihm, dass seine Erregung ihr nicht verborgen geblieben war. Sie grub die Finger in sein Haar, als wolle sie verhindern, dass er den Kopf abwandte, ehe sie bereit war, den Kuss zu beenden. Himmel, in diesem Moment wünschte er nur, die Zeit würde stehen bleiben! Nie hatte er einen so berauschenden Kuss bekommen. Ja, diese Frau hatte seinen Mund nicht nur erobert, um ihre Macht zu beweisen, sondern vor allem, weil sie ihn begehrte. Es war ein heißer, ein leidenschaftlicher Kuss.
Brandon schloss die Augen und gab sich der Magie hin, die von den Lippen der Katze ausging. Sie erforschte jeden Winkel seines Mundes. Sie neckte ihn, quälte ihn, erfüllte ihn mit Seligkeit.
Unterdessen hatte sie geschickt ein paar Knöpfe seines Leinenhemdes geöffnet, und er spürte, wie sie die Hand unter den Stoff schob, um seinen Oberkörper – und dann seine Brustwarzen zu streicheln.
O Gott, so etwas hatte er noch nicht erlebt! Wenn sie nicht aufhört, bin ich verloren! Dabei wusste er nicht einmal, ob er sich wünschte, sie möge aufhören oder sie möge ewig weitermachen.
Sie machte weiter.
Ihre Hand wanderte Stück um Stück nach unten.
Ah, es war wunderbar … Natürlich wollte er nicht, dass sie aufhörte! Aber er durfte ihr die Kontrolle nicht vollständig überlassen. Während sein Verlangen wuchs, erwiderte er ihren Kuss mit unerwarteter Leidenschaft und ließ die Hände liebkosend über ihre Hüften gleiten.
Sie saugte noch einmal erregend an seiner Unterlippe und löste sich dann von ihm.
Verflucht!
Er konnte sich nicht erinnern, jemals von einem Kuss so erregt gewesen zu sein. Er wollte etwas sagen, um den Beweis zu erbringen, dass er Herr der Lage war. Aber die Stimme gehorchte ihm nicht.
„Was ist los?“, neckte die schöne Diebin ihn. Sie zwinkerte ihm zu. „Hat die Katze Ihnen etwa die Zunge gestohlen?“
Plötzlich wandte sie sich um, lief durchs Zimmer, kletterte auf die Fensterbank, und ehe er auch nur begriff, was sie vorhatte, sprang sie mit einem Satz hinaus.
Er unterdrückte einen Schreckensschrei und rannte zum Fenster. Hatte sie sich in den Tod gestürzt? Nein, kein lebloser Körper lag auf dem Rasen. In der Eiche allerdings, die einen ihrer dicken Äste zum Haus hin ausstreckte, raschelte es. Ein geflüstertes „Bis bald!“ Dann war es still. Die Katze war fort.
Brandon stand wie erstarrt. Was hatte er getan? Sein Verhalten war ihm selbst unerklärlich. Er hätte die dreiste Einbrecherin dingfest machen und der Obrigkeit übergeben können. Stattdessen hatte er sich erst von ihr küssen und sie dann entkommen lassen.
Immerhin hatte sie den Ring nicht mitgenommen. Er legte ihn in das mit Samt ausgeschlagene Kästchen zurück und bemühte sich, seine wirren Gedanken zu ordnen.
Er würde seinen Kammerdiener damit beauftragen müssen, das Zimmer zu durchsuchen. Vielleicht fehlte ja doch etwas. Außerdem musste er seine Erscheinung in Ordnung bringen. Der kunstvolle Knoten seines Krawattentuchs hatte sich gelöst, sein Hemd war zerknittert, und auch seine Frisur hatte gelitten. Er stieß einen Fluch aus und griff nach der Klingelschnur.
Nora beugte sich nach vorn, um wieder zu Atem zu kommen. In größter Eile war sie von der Eiche auf den Boden geklettert und hatte sich, alle Wachposten umgehend, aus dem Park des Earls geschlichen. Dann war sie ein Stück weit gerannt, so schnell sie nur konnte. Jetzt endlich befand sie sich in Sicherheit.
Jetzt endlich hatte sie Zeit, über das nachzudenken, was geschehen war.
Sie hatte den Earl of Stockport geküsst, jenen Mann, den manche Bewohner der Gegend als „Cock of the North“, als Nordenglands Hahn im Korb, bezeichneten, weil er bei den Damen so begehrt war. Nun, er sah wirklich gut aus. Er wusste sich elegant zu kleiden, er verfügte über Charme und Intelligenz. Er konnte küssen. Und er war sich seiner Anziehungskraft bewusst.
Nora brach in lautes Lachen aus, als ihr einfiel, wie fassungslos er dreingeschaut hatte, als sie ihn als „gar nicht übel“ bezeichnete. Gleich darauf hatte er ihr mit seiner Bemerkung über die Zähne die Möglichkeit gegeben, etwas zu tun, womit er überhaupt nicht rechnete. Sie hatte ihn geküsst. Nun, es war eine ihrer Stärken, kaum jemals das zu machen, was andere von ihr erwarteten. Deshalb war sie in ihrem „Geschäft“ so erfolgreich.
Diesmal aber hatte sie beinahe einen Fehler gemacht. Sie hätte wissen müssen, dass der Earl seinen Spitznamen nicht ohne Grund trug. Sein männlicher Duft, seine kundigen zärtlichen Hände, sein leidenschaftlicher Kuss hätten sie fast ihr Ziel vergessen lassen. Und das durfte niemals geschehen.
Tatsächlich hatten Hattie und Alfred sie vor dem Abenteuer gewarnt, in das sie sich an diesem Abend gestürzt hatte. Dabei allerdings hatten sie nicht an Stockports erotische Ausstrahlung gedacht. Sie hatten lediglich das Risiko gefürchtet, das Nora einging, indem sie in das Haus des Earls eindrang, wenn er daheim war und Gäste bewirtete.
Doch gerade dieses Risiko hatte sie gereizt.
Sie und ihre Freunde hatten das Anwesen beobachtet, bis sie alles Wichtige in Erfahrung gebracht hatten. Nora hatte beschlossen, in einen Raum einzudringen, der als schwer zugänglich galt. Denn das würde ein Beweis für das Geschick des Einbrechers sein und allen klarmachen, dass nichts und niemand The Cat aufhalten konnte.
Selbstverständlich stahl sie nicht aus Eigennutz. Ihr ging es einerseits darum, den Bau der neuen Textilfabrik zu verhindern. Andererseits wollte sie mit jedem Diebstahl bei den Reichen an deren soziales Gewissen appellieren und sie daran erinnern, wie viele Menschen durch die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen in Not geraten waren. Sie selbst sah sich als modernen Robin Hood, denn ihre Beute nutzte sie, um die Armen zu unterstützen.
Zunächst schien alles nach Plan zu gehen. Problemlos hatte sie Stockports elegant eingerichtetes Schlafzimmer erreicht. Von all den Wertgegenständen, die sie dort vorfand, hatte ihr der Ring am besten gefallen, weil er klein, leicht zu transportieren und kostbar war. Allerdings musste sie sichergehen, dass der Earl den Verlust auch bemerkte. Also hatte sie begonnen, das Zimmer durcheinanderzubringen. Dabei war sie gegen einen Stuhl gestoßen. Das Geräusch musste Stockport nach oben gelockt haben.
Sein Erscheinen hatte ihr Herz schneller schlagen lassen. Angst hatte sie jedoch nicht verspürt. Sie war aufgeregt gewesen, ja. Und sie hatte improvisieren müssen. Glücklicherweise war sie gut darin.
Ah, es war ein gutes Gefühl gewesen, solche Macht über ihn, einen attraktiven, einflussreichen Mann, zu haben!
Dennoch war es ein Fehler gewesen, den Ring gegen einen Kuss zu tauschen. Nun musste sie, um Lebensmittel für die Bedürftigen kaufen zu können, noch einen zweiten Einbruch wagen. Sie würde also zum dritten Mal in Squire Bradleys Haus eindringen, um etwas von dem Tafelsilber zu stehlen.
Zwei Stunden später betrat Nora das Haus mit dem Namen Old Grange, das sie vor einiger Zeit gemietet hatte. Leise stieg sie die Stufen zum ersten Stock hinauf. Unter der Tür zu ihrem Zimmer war ein schmaler Lichtstreifen zu erkennen. Hattie hatte also auf ihre Rückkehr gewartet.
„Du hast Erfolg gehabt?“, fragte sie und griff nach dem Beutel, den Nora ihr hinhielt. „Soll ich alles am üblichen Platz verstecken?“
„Ja und ja.“
„Warst du mit unseren Informationen zufrieden? Hast du Alfreds Rat befolgt und den Ast der Eiche genutzt, um in Stockports Haus einzudringen?“
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