Die schöne Fremde mit den dunklen Augen - Nina Kayser-Darius - E-Book

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Nina Kayser-Darius

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Beschreibung

Notarzt Dr. Winter ist eine großartige neue Arztserie, in der ganz nebenbei auch das kleinste medizinische Detail seriös recherchiert wurde. In der Klinik wird der Chefarzt der Unfallchirurgie mit den schwierigsten, aufregendsten Fällen konfrontiert, die einem Notarzt begegnen können. Im Leben des attraktiven jungen Arztes gibt es eigentlich nur ein Problem: Seine große Liebe bleibt ganz lange unerfüllt. Die Liebesgeschichte mit der charmanten, liebreizenden Hotelmanagerin Stefanie Wagner sorgt für manch urkomisches, erheiterndes Missverständnis zwischen diesem verhinderten Traumpaar. »Ah, da sind Sie ja endlich«, sagte Andreas Wingensiefen, der Direktor des Hotels King's Palace in Berlin, zu seiner attraktiven Assistentin Stefanie Wagner, als sie sein großzügiges Büro an diesem Morgen betrat. Sie sah wieder einmal hinreißend aus, und er hätte nichts gegen eine kleine Affäre mit ihr gehabt, aber leider biß er bei ihr auf Granit: Von Anfang an hatte sie ihm deutlich seine Grenzen gezeigt. Das imponierte ihm wider Willen. Außerdem mußte er zugeben, daß es in diesem Fall sicher besser war, wenn sich ihre Beziehungen auf das rein Geschäftliche beschränkten. Sie machte ihre Arbeit nämlich ganz ausgezeichnet, und wer konnte wissen, ob sich eine Affäre zwischen ihnen nicht negativ auf ihre Leistungen ausgewirkt hätte? Er hatte in dieser Hinsicht schon eine Menge Ärger gehabt – mit einer Sekretärin, mit einer jungen Rezeptionistin… Er seufzte, als ihm das wieder einfiel. »Ja, da bin ich«, erwiderte Stefanie Wagner freundlich, aber zurückhaltend. »Sie hatten es ja sehr dringend gemacht, Herr Wingensiefen. Worum geht's denn? Entschuldigen Sie, aber ich bin etwas in Eile. Sie wissen ja, daß wir heute diese Delegation aus Japan erwarten…« Er machte eine ungeduldige Handbewegung. Natürlich wußte er das, aber es interessierte ihn nicht sonderlich. Stefanie Wagner kümmerte sich um diese Dinge wirklich hervorragend, er sah keinen Sinn darin, sich auch noch einzumischen. Wohlgefällig blickte er sie an. Sie war schlank, hatte aber dennoch eine sehr weibliche Figur. Die langen blonden Haare fielen in natürlichen Wellen über ihre Schultern, und sie hatte diese wunderschönen, veilchenfarbenen Augen, die er noch an keiner anderen Frau gesehen hatte. Schade, daß sie so eng zusammenarbeiteten.

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Notarzt Dr. Winter – 16 –

Die schöne Fremde mit den dunklen Augen

Welches Rätsel umgibt seine neue Patientin?

Nina Kayser-Darius

»Ah, da sind Sie ja endlich«, sagte Andreas Wingensiefen, der Direktor des Hotels King’s Palace in Berlin, zu seiner attraktiven Assistentin Stefanie Wagner, als sie sein großzügiges Büro an diesem Morgen betrat.

Sie sah wieder einmal hinreißend aus, und er hätte nichts gegen eine kleine Affäre mit ihr gehabt, aber leider biß er bei ihr auf Granit: Von Anfang an hatte sie ihm deutlich seine Grenzen gezeigt. Das imponierte ihm wider Willen.

Außerdem mußte er zugeben, daß es in diesem Fall sicher besser war, wenn sich ihre Beziehungen auf das rein Geschäftliche beschränkten. Sie machte ihre Arbeit nämlich ganz ausgezeichnet, und wer konnte wissen, ob sich eine Affäre zwischen ihnen nicht negativ auf ihre Leistungen ausgewirkt hätte? Er hatte in dieser Hinsicht schon eine Menge Ärger gehabt – mit einer Sekretärin, mit einer jungen Rezeptionistin… Er seufzte, als ihm das wieder einfiel.

»Ja, da bin ich«, erwiderte Stefanie Wagner freundlich, aber zurückhaltend. »Sie hatten es ja sehr dringend gemacht, Herr Wingensiefen. Worum geht’s denn? Entschuldigen Sie, aber ich bin etwas in Eile. Sie wissen ja, daß wir heute diese Delegation aus Japan erwarten…«

Er machte eine ungeduldige Handbewegung. Natürlich wußte er das, aber es interessierte ihn nicht sonderlich. Stefanie Wagner kümmerte sich um diese Dinge wirklich hervorragend, er sah keinen Sinn darin, sich auch noch einzumischen.

Wohlgefällig blickte er sie an. Sie war schlank, hatte aber dennoch eine sehr weibliche Figur. Die langen blonden Haare fielen in natürlichen Wellen über ihre Schultern, und sie hatte diese wunderschönen, veilchenfarbenen Augen, die er noch an keiner anderen Frau gesehen hatte. Schade, daß sie so eng zusammenarbeiteten. Wirklich schade. Sie wäre eine Sünde wert gewesen.

»Heute kommen nicht nur die Japaner, sondern auch zwei Gäste, die ich Ihrer besonderen Aufmerksamkeit empfehlen möchte«, sagte er. Manchmal drückte er sich so geschraubt aus, um seinen Worten noch mehr Gewicht zu verleihen. »Es sind Geschäftsleute, der eine ist Amerikaner, der andere Russe. Sie leiten eine sehr große Elektronik-Firma und sind zum ersten Mal in Berlin, um hier Geschäfte zu machen. Die Stadt ist daran interessiert, daß die Firma hier vielleicht eine Niederlassung eröffnet, verstehen Sie?«

Stefanie nickte mit ausdruckslosem Gesicht. Natürlich verstand sie. Andreas Wingensiefen tanzte auf vielen Hochzeiten, er duzte sich mit den einflußreichsten Persönlichkeiten der Stadt. Irgendein Lokalpolitiker hatte ihm gegenüber in diesem Fall also durchblicken lassen, wie wichtig es für Berlin sei, daß diese Geschäftsleute hier den Himmel auf Erden vorfanden. »Die Herren werden keinen Grund haben, sich zu beschweren«, sagte sie ruhig. »War das alles?«

Er war mit ihrer Antwort nicht zufrieden. »Hören Sie, Frau Wagner«, erwiderte er lebhaft, »es reicht nicht, wenn die beiden sich nicht beschweren. Sie müssen völlig überwältigt sein von dieser Stadt und diesem Hotel. Das ist es, was ich sagen wollte. Geben Sie ihnen eine der Suiten zu einem Vorzugspreis und sorgen Sie dafür, daß ihre Wünsche bereits erfüllt werden, bevor sie sie überhaupt ausgesprochen haben.« Er war sichtlich stolz auf seine Formulierung.

»Wir versuchen, all unsere Gäste so zu behandeln«, gab sie spitz zurück.

Längst war es so, daß Stefanie Wagner von den Angestellten des Hotels als heimliche Chefin angesehen wurde – sie war diejenige, die dafür sorgte, daß alles reibungslos lief, während Andreas Wingensiefen zunehmend daran interessiert war, das Leben zu genießen.

Er schien ihre Spitze nicht wahrgenommen zu haben. Mit strahlendem Lächeln sagte er: »Dann ist ja alles klar, Frau Wagner. Und nun will ich Sie nicht länger von Ihren dringenden Aufgaben abhalten.«

Mit einem knappen Gruß wandte sich Stefanie zur Tür, drehte sich dort aber noch einmal um. »Wie heißen die beiden Geschäftsleute, die so ganz besonders wichtig sind?«

»Wie?« fragte er verwirrt. »Ach, so, warten Sie mal, ich habe mir die Namen hier irgendwo notiert.« Er kramte in den Papieren auf seinem Schreibtisch herum, während sie insgeheim bis zehn zählte, um ihre Nerven zu beruhigen.

Sie kam meistens gut mit ihm zurecht, weil er sie selbständig arbeiten ließ. Aber wenn er sich einmal einmischte, dann fand sie ihn ausgesprochen lästig. So wie jetzt.

Er schwenkte triumphierend einen Zettel und sagte: »Hier sind sie! Norman Jones und Jewgenij Popov. Sie werden heute abend eintreffen. Ich verlasse mich ganz auf Sie, Frau Wagner.«

»Aber Sie werden die Herren doch sicher begrüßen wollen, nehme ich an?« fragte sie mit hochgezogenen Augenbrauen.

»Leider kann ich heute abend nicht hier sein«, erwiderte er kurz. »Ich habe einen sehr wichtigen Termin außerhalb.«

Sie hatte eine heftige Erwiderung auf der Zunge, schluckte sie aber hinunter. Sie war in den letzten Wochen keinen Abend vor elf aus dem Hotel gekommen – unter anderem, weil ihr Chef sie ständig gebeten hatte, ihn zu vertreten. Aber es hatte keinen Sinn, jetzt deswegen Streit anzufangen – von einer Direktionsassistentin wurde nun einmal besonderer Einsatz verlangt.

Sie begnügte sich mit einem kurzen: »Auf Wiedersehen« und schloß dann etwas heftiger die Tür hinter sich. Auf dem Flur atmete sie erst einmal tief durch, dann rannte sie auf ihren hohen Absätzen zum nächsten Aufzug, um endlich mit den Arbeiten zu beginnen, die sie selbst für wirklich wichtig hielt.

*

Dr. Adrian Winter und Dr. Julia Martensen rangen verzweifelt um das Leben eines höchstens zwölfjährigen Jungen, der ohne Bewußtsein und mit mehreren Schuß­verletzungen in die Notaufnahme der Kurfürsten-Klinik eingeliefert worden war.

»Die Opfer werden immer jünger«, murmelte der junge Chefarzt Dr. Winter, der die Notaufnahme der Klinik seit einiger Zeit leitete. Er war erst fünfunddreißig Jahre alt, hatte sich aber durch sein großes Engagement und seine hervorragenden medizinischen Leistungen schnell die Achtung von Kollegen und Patienten erworben. »Elf, zwölf Jahre – und er hat mindestens fünf Kugeln im Körper, Julia.«

»Sobald er stabil ist, muß er nach oben in den OP«, erwiderte die attraktive Internistin. Sie war mehr als zehn Jahre älter als Dr. Winter und arbeitete sehr gern in der Notaufnahme. Die beiden vertrauten einander und brauchten bei der Arbeit nicht viele Worte zu wechseln, um sich zu verständigen. »Die Bauchverletzung gefällt mir nicht, Adrian. Ich fürchte, die Milz ist verletzt – er wird verbluten, wenn er nicht schnell operiert wird.«

»Ich weiß«, brachte Adrian zwischen zusammengebissenen Zähnen heraus, »aber der Kreislauf spielt nicht mit.«

Der Junge stöhnte gurgelnd und riß die Augen auf. Er stieß ein paar unverständliche Worte aus und schloß sie wieder. »Ein Russe, das dachte ich mir«, meinte Julia.

»Wieso?« fragte Adrian erstaunt.

»Intuition«, antwortete Julia.

Schweigend arbeiteten sie weiter. Monika Ullmann, eine sehr erfahrene Krankenschwester, teilte ihnen mit, daß ein Operationsteam für den Jungen bereitstehe, und schließlich sagte Adrian: »Gut, ich glaube, jetzt können wir es riskieren. Ab nach oben mit ihm. Ich hoffe sie können ihn retten.«

»Ich fahre mit hoch«, erklärte Julia, »dann geht es schneller.«

»Danke«, sagte Adrian. Die Fahrstuhltüren hatten sich noch nicht ganz hinter dem Patienten und der Ärztin geschlossen, als er sich bereits über den nächsten Verletzten beugte: Ein schwerer Unfall hatte sich an einer großen Charlottenburger Kreuzung ereignet, und da die Kurfürsten-Klinik am nächsten lag, hatte man die vier Unfallopfer dorthin gebracht. Obwohl es noch recht früh am Morgen war, stand bereits fest, daß es für das Notaufnahme-Team ein harter Tag werden würde.

*

»Frau Hanson, kann ich Sie einen Augenblick sprechen?« bat Stefanie Wagner die junge Amerikanerin, die erst seit wenigen Monaten im Hotel arbeitete, ihr seitdem aber schon mehrmals positiv aufgefallen war. Linda Hanson war perfekt zweisprachig, und sie war von bezaubernder Liebenswürdigkeit. Viele Gäste wandten sich am liebsten an sie, wenn sie an der Rezeption war, das hatte Stefanie längst festgestellt. Sie beglückwünschte sich selbst dazu, daß es ihr gelungen war, diese außerordentliche junge Frau für das Hotel zu gewinnen.

Gelegentlich half Linda Hanson ihr auch im Büro, und seitdem war Stefanies Leben einfacher, denn die junge Amerikanerin nahm ihr eine Menge unerfreulicher Arbeiten ab. Es hatte sich zum Beispiel herausgestellt, daß sie eine äußerst geschickte Art hatte, mit Beschwerden der Gäste umzugehen. Ihrem Charme konnte nicht einmal der größte Griesgram widerstehen – und zum Glück versagte ihre Wirkung auch bei den weiblichen Gästen nicht.

Linda Hanson war zwar Amerikanerin, aber sie hatte, fand Stefanie, einen leicht asiatischen Einschlag – ein Eindruck, der vermutlich durch ihre etwas schräg stehenden dunklen Augen hervorgerufen wurde.

Einer der Gäste, der sein Herz an Linda verloren hatte, ohne daß es ihm gelungen wäre, ihr näherzukommen, hatte schwärmerisch von ihren »Mandelaugen« gesprochen. Das hatte Stefanie eines Abends zufällig gehört, und sie hatte amüsiert in sich hineingelächelt.

»Ja, natürlich, Frau Wagner. Kann ich etwas für Sie tun?«

Stefanie nickte. »Lassen Sie uns einen Augenblick in Ihr Büro gehen, bitte.«

Linda Hanson ging voran, Stefanie folgte ihr. Sie kam sofort zur Sache. »Wir erwarten zwei Gäste, die offenbar nicht nur für dieses Hotel, sondern auch für die Stadt von großer Wichtigkeit sind. Jedenfalls bittet die Direktion darum, daß die beiden ganz besonders zuvorkommend behandelt werden.«

Sie reichte Linda einen Zettel, auf dem sie die Namen der Gäste und ihre vermutliche Ankunftszeit notiert hatte. »Sie haben ja heute abend ebenfalls Dienst, nicht wahr? Würden Sie mir Bescheid sagen, wenn die beiden hier sind? Und würden Sie Ihre Kollegen bitte ebenfalls vorwarnen? Um den Zimmerservice kümmere ich mich jetzt gleich selbst. Die beiden bekommen die blaue Suite. Über den Preis muß ich noch einmal nachdenken.«

Linda besah sich die Namen auf dem Zettel und staunte. »Ein Amerikaner und ein Russe?« fragte sie.

Stefanie nickte. »Ja. Sie sind Geschäftspartner – Elektronik, glaube ich. Angeblich planen sie, hier in Berlin eine Niederlassung ihrer Firma aufzumachen. Das bedeutet Arbeitsplätze und Steuereinnahmen – beides ein Segen für die Stadt.«

»Ich verstehe«, sagte Linda. »Machen Sie sich keine Sorgen, Frau Wagner. Wir werden die beiden gebührend empfangen.«

»Aber vergessen Sie mir darüber die Japaner nicht«, mahnte Stefanie besorgt. »Nicht, daß die sich irgendwie zurückgesetzt fühlen, wenn sie merken, daß es Unterschiede in der Behandlung der Gäste gibt. Das will ich auf keinen Fall.«

»Sie können sich auf uns verlassen, Frau Wagner!« versicherte Linda Hanson noch einmal.

Als Stefanie ihr lächelndes Gesicht sah, entspannte sie sich unwillkürlich. »Ja, ich weiß«, sagte sie und lächelte ebenfalls.

Es klopfte leise an der Tür, und ein blonder junger Mann kam herein. Als er Stefanie Wagner sah, errötete er bis unter die Haarwurzeln und wollte den Raum sofort wieder verlassen. »Entschuldigung, ich wollte nicht stören«, stammelte er. »Ich komme dann später noch einmal wieder.«

Stefanie warf einen raschen Blick zu Linda Hanson hinüber, deren Gesicht ebenfalls von einem rosigen Schimmer überzogen war. Zwischen den beiden bahnte sich offenbar eine Liebesgeschichte an. Das freute sie sehr, denn auch der junge Mann war ihr ausgesprochen sympathisch.

Bevor er sich zurückziehen konnte, sagte sie freundlich: »Bleiben Sie ruhig hier, Herr Simonis. Wir sind schon fertig, Frau Hanson und ich.«

Mit einem leichten Kopfnicken verließ sie das Büro und eilte in die blaue Suite, um sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, daß es dort auch wirklich an nichts fehlte, um den beiden wichtigen Herren einen gebührenden Empfang zu bereiten.

*

»Ich mußte dich einfach kurz sehen«, sagte Peter Simonis leise zu Linda Hanson und griff nach ihrer Hand. »Meinst du, Frau Wagner hat etwas gemerkt? Ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen, tut mir leid, daß ich hier einfach so hereingeplatzt bin.«

»Frau Wagner ist sehr nett«, erwiderte Linda. »Ich glaube nicht, daß es schlimm wäre, wenn sie etwas gemerkt hätte.«

Er umarmte sie und gab ihr einen schüchternen, zärtlichen Kuß, den sie ebenso zärtlich erwiderte. Einige Sekunden standen sie eng umschlungen da, dann zog er sie fester an sich, sein Kuß wurde leidenschaftlicher.

Doch im selben Augenblick schob sie ihn sanft zurück. »Nicht, Peter«, bat sie. »Jeden Augenblick kann jemand hereinkommen, das wäre mir wirklich unangenehm. Außerdem muß ich wieder nach vorn. Ich will die Kollegen nicht so lange allein lassen.«

Er drängte sie nicht. Liebevoll strich er ihr eine dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht. »Wenn doch nur alle in diesem Hotel so pflichtbewußt wären wie du!« sagte er.

»Ach, du übertreibst«, meinte sie. »So pflichtbewußt bin ich nun auch wieder nicht.«

»Ich weiß, was ich weiß. Dann geh’ ich eben wieder!« sagte er lächelnd. »Wir wollen den neuen Werbeprospekt noch einmal überarbeiten – ich habe auch schon einige Ideen. Sehen wir uns später noch?«

»Ich habe heute abend Dienst«, sagte sie bedauernd. »Das ist einer von diesen endlos langen Tagen, weißt du.«

»Dann komme ich dich später noch einmal besuchen, wenn ich gehe, und wir sehen uns morgen«, meinte er und gab ihr einen weiteren Kuß, bevor er endlich verschwand.

Sie wartete noch einen Augenblick, strich sich das Kostüm glatt, kontrollierte ihr Make-up in einem kleinen Taschenspiegel und kehrte schließlich, in perfekter Aufmachung wie immer, an die Rezeption zurück.

*

Eine Stunde, bevor das Flugzeug in Berlin landen sollte, orderten Norman Jones und sein russischer Geschäftspartner Jewgenij Popov eine Flasche Champagner bei der attraktiven Flugbegleiterin. Sie vertrugen beide eine Menge Alkohol, und sie tranken beide gern. Nach einigen Wodkas und Martinis würde der Champagner jetzt einen angenehmen Abschluß bilden und sie in genau die richtige Stimmung versetzen für ihren ersten Abend in Berlin. Jede Menge Alkohol und gutes Essen, ein paar hübsche Mädchen, mehr brauchten sie nicht. Morgen würden sie ausschlafen und ab mittags ihren Geschäften nachgehen, von denen sie jetzt schon wußten, daß sie reibungslos laufen würden.

In Deutschland waren manche Politiker so wild auf die Schaffung von Arbeitsplätzen, daß es gereicht hatte, mit der Gründung einer Firmenniederlassung zu winken, um auf offene Ohren zu stoßen. Das Grundstück würden sie äußerst günstig erwerben können, über die Höhe der Steuern ließ sich verhandeln – und bei den Baufirmen, die man beauftragen würde, war alles eine Frage des Schmiergeldes. Da sie Geld genug hatten, nahmen sie an, daß Ihnen Berlin bald gehören würde, denn mit Geld konnte man alles kaufen, das war die Lektion, die sie beide gelernt hatten.