Die Schwester und der fremde Arzt - Nina Kayser-Darius - E-Book

Die Schwester und der fremde Arzt E-Book

Nina Kayser-Darius

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Beschreibung

Notarzt Dr. Winter ist eine großartige neue Arztserie, in der ganz nebenbei auch das kleinste medizinische Detail seriös recherchiert wurde. In der Klinik wird der Chefarzt der Unfallchirurgie mit den schwierigsten, aufregendsten Fällen konfrontiert, die einem Notarzt begegnen können. Im Leben des attraktiven jungen Arztes gibt es eigentlich nur ein Problem: Seine große Liebe bleibt ganz lange unerfüllt. Die Liebesgeschichte mit der charmanten, liebreizenden Hotelmanagerin Stefanie Wagner sorgt für manch urkomisches, erheiterndes Missverständnis zwischen diesem verhinderten Traumpaar. Der Zusammenprall kam für die junge Frau völlig unerwartet. Sie war so in ihre Gedanken versunken gewesen, daß sie gar nicht aufgepaßt hatte, wohin sie gelaufen war. Und nun fand sie sich unversehens in den Armen eines Mannes wieder, der freundlich: »Hoppla!« sagte. »Entschuldigung!« stammelte sie verlegen und trat einen Schritt zurück. Dann erst sah sie auf, direkt in sehr dunkle Augen, die sie amüsiert musterten. »Alles in Ordnung?« fragte der Mann, und sie fragte sich, was für ein Akzent das war, den sie heraushörte. Er war nicht sehr ausgeprägt, aber doch unverkennbar. »Ja, danke«, antwortete sie, noch immer verlegen. »Ich war mit meinen Gedanken woanders, tut mir wirklich leid.« »Es ist ja nichts passiert. Haben Sie es sehr eilig? Sonst lade ich Sie auf einen Kaffee oder Tee ein oder was immer Sie möchten, damit Sie sich von dem Schreck erholen können.« Sein Deutsch war tadellos, aber er war kein Deutscher, da hätte sie wetten können. Unwillkürlich wurde sie mißtrauisch. Vielleicht hatte er den Zusammenstoß ja auch herbeigeführt? Vielleicht war das eine Art, Frauen anzumachen?

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Notarzt Dr. Winter – 7 –

Die Schwester und der fremde Arzt

Roman um eine Liebe, die voller Geheimnisse ist

Nina Kayser-Darius

Der Zusammenprall kam für die junge Frau völlig unerwartet. Sie war so in ihre Gedanken versunken gewesen, daß sie gar nicht aufgepaßt hatte, wohin sie gelaufen war. Und nun fand sie sich unversehens in den Armen eines Mannes wieder, der freundlich: »Hoppla!« sagte.

»Entschuldigung!« stammelte sie verlegen und trat einen Schritt zurück. Dann erst sah sie auf, direkt in sehr dunkle Augen, die sie amüsiert musterten.

»Alles in Ordnung?« fragte der Mann, und sie fragte sich, was für ein Akzent das war, den sie heraushörte. Er war nicht sehr ausgeprägt, aber doch unverkennbar.

»Ja, danke«, antwortete sie, noch immer verlegen. »Ich war mit meinen Gedanken woanders, tut mir wirklich leid.«

»Es ist ja nichts passiert. Haben Sie es sehr eilig? Sonst lade ich Sie auf einen Kaffee oder Tee ein oder was immer Sie möchten, damit Sie sich von dem Schreck erholen können.«

Sein Deutsch war tadellos, aber er war kein Deutscher, da hätte sie wetten können. Unwillkürlich wurde sie mißtrauisch. Vielleicht hatte er den Zusammenstoß ja auch herbeigeführt? Vielleicht war das eine Art, Frauen anzumachen? Aber dann trafen sich ihre Augen erneut, und sie wußte, daß es nicht so war. Nein, er hatte es ganz sicher nicht nötig, auf solche Mittel zurückzugreifen, um Frauen kennenzulernen.

»Warum nicht?« fragte sie. »Mein Dienst ist zu Ende, und ich habe nichts anderes vor.«

»Wunderbar!« sagte er, und sie sah, daß er sich freute. »Übrigens, mein Name ist Timothy Brown, ich arbeite an der Kurfürsten-Klinik. Meine Freunde nennen mich Tim. Es würde mich freuen, wenn Sie das auch tun würden.«

Sie starrte ihn so entgeistert an, daß er begann, sich unbehaglich zu fühlen. »Das sollte kein Annäherungsversuch sein«, erklärte er hastig. »Aber ›Timothy‹ ist ziemlich umständlich und für Deutsche ungewohnt, und ›Herr Brown‹ hört sich schrecklich förmlich an, finden Sie nicht?«

Sie riß sich zusammen. »Darum geht’s doch gar nicht«, erklärte sie. »Sagen Sie bloß, Sie sind der sagenhafte Arzt aus Südafrika, über den die ganze Klinik redet?«

»Sagenhaft?« fragte er verwirrt. »Was meinen Sie damit?«

Aber sie antwortete ihm nicht. Auf einmal war sie sehr vergnügt. »Das erzähle ich Ihnen beim Kaffee«, erklärte sie. »Ich bin übrigens Schwester in der Kurfürsten-Klinik, mein Name ist Caroline Stellmann. Wohin wollen wir gehen?«

Sie gefiel ihm. Sie gefiel ihm sogar sehr, und unwillkürlich fielen ihm sämtliche Warnungen seiner besorgten Familie vor den europäischen Frauen wieder ein. Seine Eltern wollten, daß er eine Südafrikanerin heiratete, und das möglichst bald. Er war zu ihrem großen Unglück ihr Einziger geblieben, und nun ruhten all ihre Hoffnungen auf ihm, daß er ihnen viele Enkelkinder bescherte, denn sie träumten von einer großen, weitverzweigten Familie. Deshalb hatte es ihnen auch gar nicht gefallen, daß er für ein Jahr nach Deutschland gehen wollte.

Aber er hatte ihre Sorgen und Befürchtungen beiseite gewischt. Bisher hatte es noch keine Frau gegeben, für die er seine Freiheit, sein ungebundenes Leben hätte aufgeben wollen. Und jetzt fiel ihm diese junge Frau mit ihren blauen Augen und den schönen blonden Haaren in die Arme und hatte sich mit ihrem fröhlichen Lachen bereits in sein Herz geschlichen.

Er riß sich gewaltsam von diesen Gedanken los, schließlich war er kein Teenager mehr, sondern ein erwachsener Mann von dreiunddreißig Jahren. »Sollen wir mal ein bißchen verrückt sein?« fragte er. »Im Hotel King’s Palace kann man sehr gut sitzen, dort gibt es ein Café im obersten Stock mit einer herrlichen Dachterrasse. Es ist noch relativ neu.«

»King’s Palace?« staunte Caroline. »Da bin ich noch nie gewesen. Das ist doch nur was für ganz reiche Leute.«

Er winkte ab. »So schlimm ist es auch nicht. Außerdem haben wir was zu feiern, finden Sie nicht? Wir arbeiten zwar an der gleichen Klinik, aber kennengelernt haben wir uns ganz woanders. Das verdient einen Ausflug ins King’s Palace.«

Sie zögerte nicht länger. »Einverstanden«, sagte sie. »Es ist schließlich Ihr Geld, das Sie verschwenden!«

Er lachte über ihre Schlagfertigkeit. Was für eine hinreißende Frau, dachte er.

*

»Ich war sicher, daß Caroline heute abend Dienst hat«, sagte Dr. Adrian Winter verwirrt, als er in der Notaufnahme der Kurfürsten-Klinik eintraf und dort sofort Oberschwester Walli begegnete.

Die hübsche, ein wenig mollige Walli schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, du mußt schon mit mir vorliebnehmen, Dr. W.«, sagte sie und lächelte breit. »Ich verstehe zwar, daß die schöne blonde Caroline dein Herz erfreut, aber in dieser Nacht hat die…«

»… auch sehr ansehnliche ­dunkelhaarige Oberschwester W. Dienst«, vollendete er den Satz. Sie lachten beide. »Schon gut, Walli, ich hab’ wohl was durcheinander gebracht.«

Sie nickte, jetzt wieder völlig ernst. »Ich hab’ Caroline noch gesehen, bevor sie gegangen ist. Sie sagte, daß es tagsüber ziemlich ruhig gewesen sei.«

»Das hat bestimmt nichts Gutes zu bedeuten«, seufzte Adrian und fuhr sich mit der Hand durch seine kurzen dunkelblonden Haare. Er war Chirurg und leitete die Notaufnahme der Kurfürsten-Klinik mit großem Engagement. »Wahrscheinlich ist heute nacht hier die Hölle los. Wer hat sonst noch Dienst?«

»Julia, Bernd und Moni. Sind alle schon da.«

Er nickte zufrieden über das Team. Seine Kollegin Julia Martensen war Internistin, Bernd Schäfer Assistenzarzt der Chirurgie, und Monika Ullmann war, wie Walli auch, eine ausgezeichnete Schwester. »Großartig«, sagte er. »Dann will ich mal sehen, was sie machen.«

Doch dazu kam er nicht, denn die Türen der Notaufnahme flogen auf, und Sanitäter brachten den ersten Patienten für die Nachtschicht. »Ein kleiner Junge, er ist von einem Balkon im zweiten Stock gefallen«, sagte einer der Männer. »Mehrere Knochenbrüche, aber er hat Glück im Unglück gehabt.«

Adrian vergaß alles um sich herum und begann unverzüglich, den Jungen zu untersuchen, der leise weinte und erschreckend blaß war. Immerhin war er bei Bewußtsein.

Walli machte sich unterdessen schleunigst auf die Suche nach Dr. Martensen, damit sie Adrian unterstütze – und als wenige Minuten später die beiden nächsten beiden Patienten gebracht wurden, herrsch­te in der Notaufnahme der Kurfürsten-Klinik bereits das ganz normale Chaos.

*

»Es ist wunderbar hier oben«, sagte Caroline verträumt. »Wie sind Sie denn überhaupt darauf gekommen, hierher zu gehen? Hat jemand Sie auf die Idee gebracht?«

Er nickte. »Ja, eine Bekannte von mir arbeitet hier als Assistentin des Direktors – deshalb sehe ich auch den luxuriösen Rahmen gar nicht mehr, ich habe mich wohl schon daran gewöhnt. Sie hat mir das ganze Hotel gezeigt, und jetzt habe ich fast ein familiäres Gefühl, wenn ich hier bin.«

Stefanie Wagner war mehr als eine Bekannte, sie war eine gute Freundin, aber er hatte das Gefühl, daß es besser war, sich neutral auszudrücken. Er wollte nicht, daß Caroline einen falschen Eindruck bekam.

»Der Blick ist so schön«, sagte sie fast andächtig. »Man sieht das ganze Gewimmel da unten – und trotzdem ist man weit genug davon entfernt, um seine Ruhe zu haben.«

»Und jetzt erzählen Sie mir, was Sie mit Ihrer Bemerkung vorhin gemeint haben«, verlangte er. »Haben Sie gehört, daß jemand über mich gesprochen hat?«

Sie lachte fröhlich. »Also wirklich, Tim!« Aufmerksam betrachtete sie sein Gesicht, aber er schien wirklich nicht zu wissen, daß er das Gesprächsthema der Klinik war.

»Alle reden über Sie«, erklärte sie. »Die Frauen finden Sie geheimnisvoll und attraktiv, die Männer sind verunsichert über die plötzliche Konkurrenz aus Südafrika, und die Patienten sind, wie man so hört, begeistert von Ihrer Kunst.«

Er war jetzt sehr verlegen. »Reden Sie nicht so«, bat er. »Ich weiß nicht, wie ich darauf reagieren soll.«

»Gelassen«, riet sie ihm ungerührt. »Ich sage nämlich die Wahrheit, aber Sie brauchen sich trotzdem nichts darauf einzubilden. Das ist bei jedem Neuzugang so. Ich bin ja selbst noch nicht sehr lange an der Klinik, und mir ist es genauso gegangen. Alle Männer schienen es auf mich abgesehen zu haben, die Frauen wußten nicht, was sie von mir halten sollten – aber zum Glück bin ich mit den Patienten gut klargekommen, und jetzt hat sich die ganze Aufregung gelegt. Das wird bei Ihnen auch so sein. Sobald der nächste neue Arzt auftaucht, wenden sich alle von Ihnen ab und dem Neuen zu. So ist das nun mal.«

Ihr Charme und ihre Natürlichkeit entzückten ihn. »Danke«, erwiderte er ernsthaft, »daß Sie mir das erklärt haben. Jetzt kann ich sicher leichter damit umgehen. Ich habe mich nämlich schon gefragt, ob ich etwas Merkwürdiges an mir habe, weil mir die Blicke aufgefallen sind, mit denen ich betrachtet werde.«

»Gar nicht drum kümmern!« riet sie. »Das geht vorbei, glauben Sie mir. Aber nun erzählen Sie mir bitte etwas über Südafrika. Und darüber, wie Sie dort leben!«

Das tat er nur zu gern. Was konnte es Angenehmeres geben, als mit einer schönen Frau auf der Dachterrasse eines eleganten Hotels in Berlin zu sitzen und ihr von der geliebten Heimat zu erzählen, während sie mit großen Augen aufmerksam zuhörte?

*

Stefanie Wagner sah auf die Uhr und seufzte. Schon wieder so spät! Dabei hatte sie heute eigentlich ausnahmsweise einmal früh nach Hause gehen wollen, aber das Hotel fraß sie einfach auf. Sie mußte wirklich aufpassen, daß es sie nicht mit Haut und Haaren verschlang. Doch das Problem war, daß sie ihre Arbeit liebte – sie liebte das King’s Palace, sie liebte die Hektik, die jeder Tag mit sich brachte, und vor allem liebte sie es, Probleme zu lösen, die eigentlich als unlösbar betrachtet wurden.

Vielleicht lag es an dieser besonderen Fähigkeit, daß Andreas Wingensiefen, der Direktor des Hotels, sie immer selbständiger arbeiten ließ. Längst galt sie als heimliche Chefin des King’s Palace, aber sie benahm sich nicht so, und deshalb liebten die Angestellten sie. Stefanie Wagner arbeitete härter als jeder andere im Hotel, und sie hatte für alle ein offenes Ohr.

Sie hatte eigentlich damit gerechnet, daß Tim Brown, den sie von früher her kannte, sich noch einmal melden würde, aber er war wahrscheinlich in der Klinik aufgehalten worden. Als sie gehört hatte, daß er ausgerechnet an jener Klinik für ein Jahr arbeiten würde, an der auch Adrian Winter arbeitete, hatte sie sich zunächst sehr gefreut. Vielleicht würde ihr Kontakt zu dem Arzt auf diese Weise endlich etwas enger werden als bisher. Aber das schien ein Trugschluß gewesen zu sein. Sie hatte Adrian Winter, so kam es ihr zumindest vor, schon ewig lange nicht mehr gesehen. Dabei war er der einzige Mann, für den sie sich überhaupt interessierte.

Wieder seufzte sie. Ihr ehemaliger Freund Oliver Mahnert hatte noch immer nicht verstanden, daß es zwischen ihnen beiden endgültig aus war. Ständig rief er sie an und wollte mit ihr ausgehen. Manchmal gab sie nach und begleitete ihn, aber hinterher schwor sie sich immer, daß es das letzte Mal gewesen sei. Er war lieb, daran gab es keinen Zweifel, aber er langweilte sie.

Sie stand auf, strich sich die langen blonden Locken nach hinten, sah in einem kleinen Spiegel nach, ob ihr Make-up noch in Ordnung war, und verließ ihr Büro. Aber als sie vor dem Aufzug stand, kam ihr der Gedanke, noch kurz nach oben zu fahren und den Blick von der Dachterrasse auf das nächtliche Berlin zu genießen.

Das tat sie dann auch, und so kam es, daß sie gleich darauf Tim Brown im Gespräch mit einer attraktiven Blondine sah.

Amüsiert dachte sie: Kein Wunder, daß er vergißt, mich anzurufen, wenn er etwas Besseres zu tun hat. Sie verzichtete auf den Blick über die Stadt und fuhr wieder nach unten. Tim konnte jetzt keine Störung gebrauchen, das hatte sie sofort gesehen.

*

Adrian Winter schlief bis in den Nachmittag hinein. Zum Glück hatte er jetzt keinen Nachtdienst mehr. Vor ihm lag ein freies Wochenende, und danach würde er erst einmal wieder tagsüber arbeiten. Das Wetter war schön, und so sprang er voller Tatendrang aus dem Bett. Er war mit seiner Zwillingsschwester verabredet für diesen Abend, und vorher hatte er noch einiges zu erledigen.

Als er wenig später seine Wohnung verließ, zögerte er und klingelte kurz entschlossen bei seiner Nachbarin Carola Senftleben. Von drinnen hörte er Husten, sonst nichts, und das beunruhigte ihn. »Frau Senftleben?« rief er. »Ich gehe einkaufen, soll ich Ihnen etwas mitbringen?«

Das war ein ungewöhnliches Angebot von seiner Seite. Normalerweise war es nämlich so, daß eher seine Nachbarin für ihn sorgte als umgekehrt. Die zierliche, überaus energiegeladene Frau Senftleben ging zwar auf die siebzig zu, aber das sah man ihr nicht an. Sie war eine großartige Köchin, und es hatte sich so eingespielt, daß sie oft für Adrian mitkochte, der sich das nur allzu gern gefallen ließ. Wenn er sie fragte, wie er sich bei ihr revanchieren könnte für das, was sie für ihn tat, lachte sie ihn nur aus.

»Ich koche gern, Adrian«, sagte sie dann immer. »Und ich esse lieber in Gesellschaft als allein. Also, wo ist das Problem? Wollen Sie vielleicht lieber allein essen?«

Nein, das wollte er natürlich nicht, und so hatte er das Thema schon länger nicht mehr angeschnitten. Aber natürlich konnte er ihr mal ein paar Einkäufe abnehmen, wenn seine karge Freizeit das erlaubte.

Jetzt hörte er langsame, fast schlurfende Schritte, und auch das war höchst ungewöhnlich. Frau Senftleben lief sonst leicht und schnellfüßig. Gleich darauf wurde die Tür geöffnet, und Adrian rief entsetzt: »Frau Senftleben, was ist denn mit Ihnen los?«

»Krank!« krächzte seine sonst so muntere Nachbarin. Ihre unschuldigen blauen Augen, die schon so manchen zu einem falschen Urteil über sie verleitet hatten, glänzten nicht wie gewöhnlich, sondern ihr Blick war trüb, und ihre sonst so schönen grauen Haare, die sie kurz und glatt trug, was ihr sehr gut stand, klebten ihr am Kopf. Außerdem konnte sie sich ganz offensichtlich kaum auf den Beinen halten.