Die spanische Braut - Georgette Heyer - E-Book

Die spanische Braut E-Book

Georgette Heyer

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Beschreibung

Badajoz, 1812: Es ist Liebe auf den ersten Blick. Als der tapfere Brigadeadjutant Harry Smith dem blutjungen spanischen Edelfräulein Juana begegnet, entbrennt zwischen den beiden ein Feuer der Liebe, und sie heiraten nach kurzer Zeit. Aber es ist Krieg, und Harry kämpft in Lord Wellingtons Armee auf der iberischen Halbinsel gegen die Truppen Napoleons. Zum Missfallen seiner Kameraden begleitet Juana ihn zu all seinen Schlachten. Unermüdlich reitet sie an seiner Seite und erobert mit ihrem Mut nicht nur Harrys Herz: Schon bald liegt ihr die ganze Armee zu Füßen. Aber wird die Liebe der beiden die Gräuel des Krieges und die vielen Bewährungsproben überstehen können?

Georgette Heyers historischer Roman "Die spanische Braut" basiert auf der wahren Geschichte der temperamentvollen Juana Maria de los Dolores de Leon und dem britischen Hauptmann Harry Smith, die sich beim Sturm auf Badajoz kennenlernten und gemeinsam bis zur Schlacht von Waterloo unter Wellington kämpften. Nach Juana Smith sind eine Reihe von Städten benannt, zum Beispiel Ladysmith in KwaZulu-Natal, Südafrika und Ladysmith, Wisconsin, USA.

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Sammlungen



Inhalt

Cover

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Erstes Kapitel Badajoz

1

2

3

4

5

6

7

8

Zweites Kapitel »Ein Schatz, so unermesslich ...«

1

2

3

4

5

6

Drittes Kapitel Salamanca

1

2

3

4

5

6

7

8

Viertes Kapitel Madrid

1

2

3

4

5

6

7

8

9

Fünftes Kapitel Winterquartier

1

2

3

4

5

6

7

8

Sechstes Kapitel Vittoria

1

2

3

4

5

6

7

Siebentes Kapitel Skerrett

1

2

3

4

5

6

Achtes Kapitel Colborne

1

2

3

4

5

6

7

Neuntes Kapitel Barnard

1

2

3

4

5

6

7

8

9

Zehntes Kapitel England

1

2

3

4

5

6

7

Elftes Kapitel Waterloo

1

2

3

4

5

6

7

Anmerkungen der Autorin

Leseprobe

Über dieses Buch

Badajoz, 1812: Es ist Liebe auf den ersten Blick. Als der tapfere Brigadeadjutant Harry Smith dem blutjungen spanischen Edelfräulein Juana begegnet, entbrennt zwischen den beiden ein Feuer der Liebe, und sie heiraten nach kurzer Zeit. Aber es ist Krieg, und Harry kämpft in Lord Wellingtons Armee auf der iberischen Halbinsel gegen die Truppen Napoleons. Zum Missfallen seiner Kameraden begleitet Juana ihn zu all seinen Schlachten. Unermüdlich reitet sie an seiner Seite und erobert mit ihrem Mut nicht nur Harrys Herz: Schon bald liegt ihr die ganze Armee zu Füßen. Aber wird die Liebe der beiden die Gräuel des Krieges und die vielen Bewährungsproben überstehen können?

Über die Autorin

Georgette Heyer, geboren am 16. August 1902, schrieb mit siebzehn Jahren ihren ersten Roman, der zwei Jahre später veröffentlicht wurde. Seit dieser Zeit hat sie eine lange Reihe charmant unterhaltender Bücher verfasst, die weit über die Grenzen Englands hinaus Widerhall fanden. Sie starb am 5. Juli 1974 in London.

Georgette Heyer

Die spanische Braut

Aus dem Englischen von Emi Ehm

beHEARTBEAT

Digitale Erstausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, Köln

Copyright © Georgette Heyer, 1940

Die Originalausgabe THE SPANISH BRIDE erschien 1940 bei William Heinemann.

Copyright der deutschen Erstausgabe:

© Paul Zsolnay Verlag GmbH, Hamburg/Wien, 1961.

Lektorat/Projektmanagement: Kathrin Kummer

Covergestaltung: Maria Seidel, atelier-seidel.de

unter Verwendung von Motiven © Richard Jenkins Photography

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 978-3-7517-0311-6

Diese eBook enthält eine Leseprobe von »Der Duke und die unbeugsame Witwe« von Freda MacBride.

beheartbeat.de

lesejury.de

Für A. S. Frere

Erstes KapitelBadajoz

1

Am rechten Ufer des Guadiana gab es eine Stelle, die von Hasen nur so wimmelte. Sie lag in der Nähe eines Kaninchenbaus und war bei den Offizieren der Belagerungsarmee von Badajoz, die sie bald entdeckt hatten, geradezu berühmt. Während der ersten Zeit der Belagerung war Jagen nicht infrage gekommen, da der Regen tagelang in wahren Sturzbächen niederging, der Fluss über die Ufer trat, die Pontonbrücken wegschwemmte, die einen Teil der Verbindungslinien von Badajoz zum Hauptquartier in Elvas bildeten, und das ganze Gelände um die Stadt in einen Lehmsumpf verwandelte, durch den sich die Truppen fluchend vorarbeiteten.

Da die Armee, die sich rühmte, eine Menge Iren in ihren Reihen zu haben, gerade am St.-Patricks-Tag weiter an Boden gewonnen hatte, hoffte sie zuversichtlich, dass diese dritte Belagerung der Stadt zum Ziel führen würde. Aber der Gussregen, der eine Woche lang anhielt, drohte sämtliche Pläne Lord Wellingtons über den Haufen zu werfen. Kaum war die erste Reihe der Schützengräben ausgehoben, hatte das übelste Wetter eingesetzt. Die Gräben waren überflutet, die Erde der Verschanzungen floss als gelbe Schlammbrühe ab, und die Männer arbeiteten hüfthoch im Wasser. Es war schwerer zu ertragen als der Feuerregen, der von den Stadtmauern herüberleuchtete, denn es war eine entmutigende Arbeit, und was ein guter Infanterist war, der hasste sie. Sie nannten es Totengräberarbeit, Arbeit für Sappeure, aber nicht für Elitetruppen. Unglücklicherweise aber waren Sappeure in der Armee rar. »Ach, der Teufel soll die alte Krummnase holen! Waren´s vielleicht nicht wir, die Rodrigo eingenommen haben, und ist es nicht an der Zeit, dass andere auch einmal ein bisschen was tun?«, fragte Rifleman O´Brien.

Am 24. März hörte der Regen auf, und es wurde schön. Das Ausheben der Gräben ging flott von der Hand, trotz der Schwierigkeit, in schwerem, nassem Lehm arbeiten zu müssen, und trotz des bösartigen Beschusses von Badajoz herüber. Die portugiesischen Kanoniere, die die Basteien von Santa Maria und La Trinidad bombardierten, verfielen darauf, einen Mann auf Ausguck zu stellen, der die Sorte jedes Geschosses anzukündigen hatte, das von den Wällen kam. »Bomba!«, rief er dann, oder »Balla!«, und die Kanoniere duckten sich, bis das Geschoss vorbeigeflogen war. Manchmal musste der Beobachter eine Salve aller Waffengattungen zusammen konstatieren, und dann warf er sich, wie Johnny Kincaid erzählte, selbst nieder und kreischte: »Jesús, todos, todos!«

Mit dem schöneren Wetter dachte man auch wieder an die Jagd. Ein Rebhuhn oder ein Hase bildeten eine willkommene Zugabe für jeden Suppenkessel. Es war der Stolz des Brigadeadjutanten Harry Smith, dass es nicht eine einzige Offiziersmesse in der Zweiten Brigade der Leichten Division gab, die er nicht laufend mit Hasen versorgte. Bei Infanterieregimentern war es im Allgemeinen nur Stabsoffizieren mit einigen guten Militärpferden möglich, der Jagd oder Treibjagd nachzugehen, und durchaus nicht jeder Stabsoffizier besaß auch eine Meute von Windhunden. Aber Brigadeadjutant Smith war auf die Jagd versessen, und wo immer er hinging, gingen ein Stall und eine Koppel spanischer Windhunde mit. Wenn er einige Stunden dienstfrei hatte, kam er von den Gräben ins Lager herein, brüllte nach einem Bissen Essen, verschlang es im Stehen und ritt auf einem frischen Pferd los, mit irgendeinem Freund, der gerade zu bewegen war, um des Vergnügens willen auf die wohlverdiente Ruhe zu verzichten und sich Harry zu einer hitzigen Jagd anzuschließen.

Aber wie hart der Boden auch immer sein mochte, die Jagd war gut, da es Hasen in Menge gab und Harrys Windhunde meist erfolgreich waren – mochten auch die Leute auf sie herunterschauen, die verbohrt auf die überlegene Schnelligkeit und Intelligenz englischer Jagdhunde schworen.

Der Brigadeadjutant war ein sehniger junger Mann, demnächst fünfundzwanzig, mit einem dunklen, lebendigen Gesicht, einem Körper, der in sieben Jahren Dienst bei dem 95. Regiment der Rifles hart geworden war, einem unerschöpflichen Vorrat an Energie und einem fast unheimlichen Glück, das ihm immer wieder in knapper Not das Leben rettete. Wäre er nicht ein so tüchtiger Offizier gewesen, hätte man ihn als einen Windbeutel abgetan, und von seinen fluchenden Freunden und seinen diversen Brigadekommandeuren wurde er in der Tat oft für wahnsinnig erklärt.

Sein rastloser Tatendrang brachte seine Freunde zum Stöhnen. »O zum Teufel mit dir, Harry, kannst du nicht einmal stillhalten?«, klagte Charlie Eeles, der aus seinem Zelt zur Jagd herausgeholt wurde. »Ja, ja, ist schon gut, ich komme! Wer kommt sonst noch mit?«

»Stewart. Mach schon, Mann! Ich muss spätestens um sechs Uhr zurück sein!«

Brummend und fluchend erhob sich Leutnant Eeles von seinem Lager – er hatte zwar sechs Stunden lang in den Gräben Dienst getan und war müde und durchgefroren – aber es war immer noch bedeutend amüsanter, Harry zu begleiten, als im Lager zu bleiben. Als er in den Sattel stieg, hatte sich ihnen auf einer Vollblutstute der Ehrenwerte James Stewart, Captain, zugesellt und wollte wissen, was denn Harry noch aufhielte.

Da das Lager der Leichten und der Vierten Division südlich von Badajoz nahe der Straße nach Albuera lag, mussten die drei jungen Leute nicht weit reiten, um über den Guadiana zu setzen. Zwar regnete es nicht, aber das Wetter war trüb und der Himmel bedeckt. Badajoz, auf einer Erhebung mitten in einer grauen Ebene, lag zu ihrer Rechten, als sie zum Fluss ritten. Ein Kastell, das auf einem hundert Fuß hohen Felsen emporragte, beherrschte die Ostseite der Stadt und den Zusammenfluss des Guadiana mit dem kleineren Fluss Rivillas. Auf dieser Seite von Badajoz lag die Dritte Kampfdivision des Sir Thomas Picton, und hier waren die Parallelgräben zuerst ausgehoben worden. Die französischen Verteidiger der Stadt hatten die Brücke gebaut, die den Rivillas in der Nähe des San-Roque-Tors südlich vom Schloss überquerte, und die zwei schwächsten Basteien der Stadt – San Pedro und La Trinidad – dadurch verstärkt, dass sie den Rivillas zu einem breiten Tümpel abgedämmt hatten, der von einer halbmondförmigen Schanze, der Lünette San Roque, geschützt wurde. Dieses überflutete Gelände erstreckte sich von der Bastei San Pedro bis zu La Trinidad und floss in Wassergräben ab, die unmittelbar unterhalb der Stadtwälle ausgehoben worden waren. Ein Versuch am 2. April, den Damm zu sprengen, war fehlgeschlagen, das Gelände blieb weiterhin überflutet, blockierte so den Zugang von der ersten und zweiten Reihe der Schützengräben und erstreckte sich von den Wällen von Badajoz bis zur Straße nach Sevilla.

Am 26. März war ein Vorwerk jenseits des überfluteten Terrains, das Picurina-Fort, von einem Sturmtrupp der Dritten Division unter Generalmajor Kempt eingenommen worden. Westlich von La Picurina und entsprechend südlich der Stadt war ein starkes Außenfort, Pardeleras, immer noch in französischer Hand; und auf dem rechten Ufer des Flusses nördlich der Stadt wurde alles vom Fort San Cristóbal überragt; es stand auf einem Hügel, der das Kastell und die alte Römerbrücke über den Guadiana beherrschte. Bei früheren Belagerungen waren die Angriffe gegen San Cristóbal vorgetragen worden und fehlgeschlagen; aber in diesem kühlen Frühjahr des Jahres 1812 hatte Lord Wellington direkt von der Eroberung von Ciudad Rodrigo hinweg seine Truppen südwärts durch Portalegre und Elvas die portugiesische Grenze entlang in Marsch gesetzt, um Badajoz im Süden und Osten einzuschließen. Jedermann wusste, dass der Sturm auf die schwächeren Bastionen Santa Maria und La Trinidad angesetzt werden sollte, denn diese, und der Hauptwall zwischen ihnen, wurden erbarmungslos bombardiert; ebenso wussten alle, dass bei diesen Operationen der Termin ein noch bedeutenderer Faktor als sonst war. Marmont, der sein Hauptquartier in Valladolid hatte, konnte von spanischen Deckungstruppen im Norden aufgehalten werden; aber Meldungen besagten, dass Soult mit der französischen Südarmee von der Belagerung von Cadiz weg aufgebrochen war und zum Entsatz von Badajoz heranzog.

Das schlechte Wetter hatte die Belagerungsarbeiten verzögert; es hatte die üblichen Schwierigkeiten mit dem Transport und außerdem Dutzende von sonstigen Hemmnissen und Ärgerlichkeiten gegeben. Der Pionierpark war zwar mit Schanzwerkzeugen versorgt, die von Lissabon gesandt worden waren, aber der Chefingenieur war unglücklicherweise bereits in den ersten Tagen der Einschließungsarbeiten in der Leistengegend verwundet worden und nun gezwungen, die Operationen seiner Untergebenen von seinem Zeltbett aus zu leiten. Admiral Berkeley, der die Schwadron in Lissabon befehligte, sandte statt der britischen Kanonen, um die er als Leihgabe an die Armee ersucht worden war, zwanzig russische Kanonen, die ein anderes Kaliber als die britischen Achtzehnpfünder hatten, so dass die vorhandene Munition nicht passte; und ein portugiesischer Artillerieoffizier, der sich hilfreich erweisen wollte, trug zu Oberst Dickinsons Kümmernissen bei, indem er in einem Lager in Elvas irgendwelche Eisen- und Messinggeschütze von erstaunlich ehrwürdigem Alter ausgegraben hatte.

Die Belagerungsarbeiten standen unter dem Generalkommando des Sir Thomas Picton, dessen Division sich beim Ausheben der Gräben mit der Leichten und der Vierten Division den Dienst teilte.

Die Leichte Division, die sich aus den 95er Rifles, dem 52. und dem 43. Regiment mit den Ersten und Dritten portugiesischen Caçadores zusammensetzte, wurde derzeit von Oberst Andrew Barnard geführt, der das Kommando so lange innehaben sollte, bis irgendein dienstälterer Offizier zu seiner Ablösung ernannt werden würde. Er füllte die Stelle jenes bedeutenden und ziemlich schrecklichen kleinen Mannes aus, des Generals Craufurd, der beim Sturm auf Ciudad Rodrigo gefallen war. Obwohl die Leichte Division dabei nicht so schwere Verluste hatte wie die Dritte, hatte sie doch empfindliche Einbußen erlitten. Craufurd war tot; Vandeleur, Kommandeur der Zweiten Brigade, schwer verwundet; Oberst Colborne vom 52. Regiment hatte eine Kugel in der Schulter stecken und musste daher zurück nach England; Major Napier hatte einen Arm verloren; Hauptmann Uniacke von den 95ern war bei dem großen Durchbruch von einer explodierenden französischen Mine getötet worden.

Der Tod war im spanischen Feldzug ein zu alltägliches Vorkommnis, als dass die Freunde eines Mannes allzu lange um ihn getrauert hätten; auch war Brigadeadjutant Smith kein junger Herr, der melancholischen Überlegungen lange nachhing; aber Uniacke war ein enger Freund von ihm gewesen, und es würde noch lange dauern, bis er ohne ein unbehagliches Zusammenkrampfen seiner Halsmuskeln an das letzte Abendessen mit ihm zusammen, unmittelbar vor dem Sturm auf Rodrigo, würde denken können. »Harry, noch vor dem Morgen wirst du Hauptmann sein!«, hatte Uniacke prophezeit. Er war in glänzender Laune gewesen; er hatte nicht geahnt, dass sein eigener Tod Harry eine Kompanie bescheren würde.

Harry hatte sich natürlich freiwillig zu dem Sturmtrupp gemeldet, aber General Craufurd hatte sich geweigert, ihn von Harry führen zu lassen. »Sie, ein Brigadeadjutant, ein rangälterer Leutnant! Nein, ich muss ihn einem Jüngeren geben.«

Er hatte ihn Gurwood gegeben, von den 52ern, nicht gerade ein Freund Harrys: ein scharfer Bursche, der seine Tapferkeit ins beste Licht zu stellen wusste, wie Harry dachte. Aber es war Harry gelungen, am Hauptangriff doch sehr lebhaft teilzunehmen, indem er einfach die Kompanie eines Hauptmanns Duffy – sehr zur Wut dieses Herrn – genommen, die Männer im Sturm auf die französische Flanke hinter der Befestigungslinie geführt und diese unter Längsfeuer gesetzt hatte. Dank seines üblichen Glücks war er von der explodierenden Mine, die Uniacke und so viele andere getötet hatte, nur umgeworfen und angesengt worden. Er hatte seinen Dreispitz verloren, sich von einem Sergeanten der 52er dessen Feldmütze aus Katzenfell geliehen und eine ereignisreiche Nacht damit beendet, dass ihn wegen eben dieser Fellmütze und seiner dunklen Uniform ein riesiger Gemeiner der 88. Connaught Rangers irrtümlich für einen französischen Soldaten hielt, weshalb er ihn an der Gurgel packte und drauf und dran war, Harry aufs Bajonett zu spießen. Zum Glück war Harry Luft genug geblieben, ihm die grässlichsten Flüche an den Kopf zu werfen – was das kleine Missverständnis durchaus befriedigend aufklärte.

2

Harry hatte seine Kompanie im Februar bekommen, aber weil sie zuvor Uniacke gehört hatte, sprach er kaum darüber – was ihm sonst nicht ähnlich sah – und nahm die Glückwünsche seiner Freunde nicht ganz so lebhaft wie üblich entgegen.

»Harry hat doch ein verteufeltes Glück«, sagte Stewart in seiner faulen Art. »Außer bei seinen Pferden. Wo hast du nur dieses schwerfällige Biest her, Harry?«

»Ich hab´s dem armen alten Vandeleur abgekauft.«

»Ich verkaufe dir ein richtiges Pferd«, bot ihm Stewart schmeichelnd an.

»Das wirst du nicht! Ich hab schon deine Tiny.«

»Na, reit dieses Biest nur ja nicht im Gefecht«, sagte Stewart. »Kein Wunder, dass es Vandeleur verkauft hat.«

»Apropos Gefecht«, sagte Eeles, »wann soll es eigentlich losgehen? Ich für meinen Teil – hab diese Belagerung hier satt.«

»Himmel, ich auch!«, antwortete Harry. »Die Leute sagen, jetzt sei einmal eine der anderen Divisionen für die Schanzarbeiten an der Reihe. Verdammt, haben wir nun eigentlich Rodrigo eingenommen oder hab ich das nur geträumt?«

»Ich glaube mich zu erinnern, dass wir das haben«, sagte Stewart. »Allerdings muss ich zugeben, dass ich dabei auch einige von Pictons Burschen erblickte.«

»Ach zum Teufel mit Pictons Burschen!«, sagte Eeles mit der ganzen heiteren Verachtung eines Rifleman für die übrige Armee. »Ich hoffe, dieses Geschäft überlässt Seine Lordschaft diesmal uns. Pictons Haufen hat ohnehin allen Glanz und Gloria der Picurina-Geschichte eingesteckt.«

»O nein, das haben sie nicht!«, gab Harry zurück, und seine ausdrucksvollen Augen funkelten. »Ich habe eine Arbeitspartie um eine Sturmleiter zum Pionierpark geschickt. Als sie sie herbeibrachten, befahl Kempt, sie aufzurichten, und die Jungs von der Dritten sagten zu unseren Leuten, sie sollten zurücktreten, damit sie hinaufklettern könnten. Das passte den Unseren aber schon gar nicht! Sie sagten: ›Hol euch der Teufel, bildet ihr euch vielleicht ein, wir vom Genietrupp, von der Leichten, holen Leitern, damit so Kerle wie ihr hinaufklettert? Uns nach!‹«

Seine Kameraden johlten vor Freude über die Geschichte, aber Stewart sagte: »Harry, du alter Lügner!«

»Nein, auf mein Wort! So wahr ich hier stehe, es ist wahr! Mir hat es ein Sergeant erzählt – Brotherton.«

Eeles bemerkte, Brotherton sei ein guter Kerl, aber Stewart lachte nur. Harry verteidigte die Geschichte immer noch, als sie in der Nähe des Kaninchenbaus anlangten, denn sein Temperament verführte ihn ebenso leicht zu heftigem Disput wie zu ungestümen Handlungen. Ein Hase, der plötzlich auftauchte, setzte der Diskussion ein Ende; für den Augenblick trieb ihnen die Hasenjagd alle Belagerungen und Sturmangriffe aus dem Kopf. Harry, immer darauf erpicht, die Schnelligkeit seiner Hunde vorzuführen, gab dem ungewöhnlich starken Wild etwa zwanzig Meter Vorsprung, bevor er die Meute von der Leine ließ. Zweimal schlug der Hase einen Haken, und obwohl die Hunde etliche Male an ihn herankamen, arbeitete er sich erfolgreich weiter zum Bau vor.

»Herrgott, ich muss ihm den Weg abschneiden!«, rief Harry, der sein Mittagessen bereits seinem Zugriff entschwinden sah.

»Nein, tu´s nicht!«, sagte Eeles, dem nur am Jagen selbst, nicht an der Beute lag. »Verdammt, das kannst du nicht tun!«

»Zum Donnerwetter, und ob ich kann!«, rief Harry über die Schulter zurück.

»Pass auf, du Narr, die Kaninchenlöcher!«, schrie Stewart, als er sah, dass Harry seinem Pferd die Sporen gab und im Galopp in Richtung des Baus dahinflog.

Aber Harry war schon dahin, verließ sich auf sein Pferd und richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf den Hasen. Irish Paddy geriet mit einem Huf in ein Kaninchenloch, stürzte schwerfällig und rollte über Harry hinweg.

Wie ein Blitz war Stewart bei ihm und aus dem Sattel, jeder Gedanke an den Hasen war vergessen. »O du Narr, du verdammter Narr!«, sagte er und kniete neben dem leblos daliegenden Harry.

»Ist er tot?«, fragte Eeles ängstlich.

»Nein – ja – ich weiß nicht!«, antwortete Stewart und riss Harrys knapp sitzende grüne Jacke auf. »Nein, das Herz klopft noch! Harry! Komm schon, Junge, wach auf! Mach schön die Augen auf!«

Sie sahen bald, dass solche Beschwörungen nichts nützten. Als sie Harry aufhoben, hing sein Kopf erschreckend schlaff hintenüber; und obwohl Eeles, der sich einiger Kenntnis der Heilkunde rühmte, verkündete, Knochen seien keine gebrochen, brachte kein noch so gutes Zureden, Händereiben, Wangenklopfen ein Anzeichen dafür, dass das Bewusstsein zurückkehrte.

»Es nützt nichts, wir müssen ihn zur Ader lassen«, sagte Stewart.

»Versuch es mit Brandy!«, drängte Eeles und zog eine Flasche heraus.

Der Brandy floss ungeschluckt aus Harrys Mundwinkel. »O Harry, warum bist du aber auch nur so ein hirnloser Teufel?«, sagte Eeles außer sich. »Das kommt davon, dass er dem Hasen den Weg abschneiden wollte! Verdammt unsportlich! Ich hab ihm gesagt, er soll´s nicht tun!«

»Reden nützt jetzt auch nichts! Halt ihn, während ich ihn zur Ader lasse!«, sagte Stewart.

Eeles stützte Harrys leichten, sehnigen Körper, während Stewart ihm die Jacke auszog. Eine Peitschenschnur ergab eine brauchbare Aderpresse um den einen leblosen Arm, und Stewart hatte gerade ein Taschenmesser geöffnet, das ziemlich stumpf aussah, und damit einen leichten Schnitt in das Fleisch getan, als Harry den Kopf, der an Eeles´ Schulter lag, bewegte; Eeles, der Stewarts Vorbereitungen mit einigem Unbehagen verfolgte, rief aus: »Halt! Wart einen Augenblick, er kommt zu sich!«

Ein, zwei Blutstropfen quollen aus dem Kratzer auf Harrys Arm; er öffnete die Augen, blickte eine Zeit lang benommen vor sich hin, dann aber gewannen sie überraschend schnell ihr Leuchten und ihre Klarheit zurück. Sie blinzelten zu Stewarts ängstlichem Gesicht empor, wanderten zu dem Messer in seiner Hand und wurden weit. Im nächsten Augenblick war Harry auf den Beinen, zwar noch immer ziemlich wackelig, aber im Vollbesitz seiner Vernunft. »Hände weg, du Schurke!«, rief er aus und schwankte auf den Beinen. »Was zum Teufel –?« Er gewahrte die Schnur um seinen Oberarm, zupfte an ihr herum und lachte schwach. »Gott bewahre mich vor meinen Freunden! Du alter Mörder! O schau! Wenn ich daran nicht verblute! Wo ist Moro?«

In der Aufregung hatten seine Freunde Hasen und Hunde völlig vergessen, aber auf seine Frage hin blickten sie sich unwillkürlich um, nur um festzustellen, dass der intelligente Moro den Hasen ohne jegliche Mithilfe seines Herrn umgebracht hatte. Erleichtert schimpften sie auf Harry ein, aber der tupfte mit seinem Taschentuch an dem Kratzer auf seinem Arm herum und zeigte keinerlei Reue, sondern beklagte sich nur über die Schwerfälligkeit seines Pferdes.

Paddy, der sich aufgerappelt hatte, graste seelenruhig in einiger Entfernung. Zwar stimmte Stewart zu, dass er das ungeschickteste Biest unter Gottes Sonne sei, sagte aber, Harry hätte es verdient, tot zu sein. Er hatte sich offensichtlich nicht verletzt; zwar war er zunächst noch schwindlig, erklärte aber bald, es gehe ihm gut genug, um in den Sattel zu klettern und ins Lager zurückzureiten.

»Was hat dich bloß dazu verführt, ein so dummes Biest zu kaufen?«, fragte Stewart, als er Paddy heranführte. »Was ist mit Tiny los? Die hätte dich nicht so im Stich gelassen.«

»Sehne verzerrt«, antwortete Harry und schwang sich in den Sattel.

Stewart hob die Augen zum Himmel. »Sie zuschanden geritten, was?«

»Willst du endlich aufhören zu schimpfen?«, entgegnete Harry. »Ich sage dir doch, es ist nichts passiert. Wie spät ist es? O Gott, ich komme zu spät! Los, Charlie!«

»Der Kerl mit dem tollsten Glück in der ganzen Armee!«, sagte Stewart.

3

Der Sturz schien für Harry keine üblen Nachwirkungen zu haben, ja, es ging ihm um keinen Deut schlechter, und der Hase, den Moro gefangen hatte, ergab eine vorzügliche Suppe. Stewart prophezeite für den nächsten Tag einen Brummschädel und zerschundene Knochen, aber er behielt nicht recht. So eine Kleinigkeit wie ein Sturz vom Pferd konnte einem alten Soldaten nichts anhaben, prahlte Harry und sah dabei unverschämt jung aus.

Die Bemerkung brachte nicht einmal Stewart zum Lächeln. Harry war wirklich ein sehr alter Soldat. Mit neunzehn Jahren war er bei Montevideo dabei gewesen; sechs Monate später hatte er mit General Whitelocke dessen unglückselige Expedition nach Buenos Aires mitgemacht. Er war in Schweden mit Sir John Moore, er war bei La Coruña, er war in der Schlacht am Coa gewesen, wo er eine Kugel ins Fußgelenk bekommen hatte und nach Lissabon geschickt worden war, um sich auszukurieren. Nicht, dass er sich etwa in Lissabon wirklich auskuriert hätte. Du lieber Himmel, nein! Der junge Herr Smith war keiner von diesen Fossilien, die in Spitälern herumliegen, wenn irgendwo im Inneren Schlachten geschlagen werden. Sobald er wieder auftreten konnte, kehrte er zu seinem Regiment zurück. Er fand es bei Arruda vor.

»Sie sind ein total verrückter Kerl – mit einer Kugel im Bein daherzukommen! Können Sie tanzen?«, fragte sein Oberst.

»Nein, nur gehen – wenn ich den Fuß auswärts drehe«, hatte Harry kühl geantwortet.

»Na! Können Sie mein Adjutant sein?«

»Ja, denn reiten und essen kann ich«, hatte Harry gesagt und gegrinst, um sich den quälenden Schmerz im Knöchel nicht anmerken zu lassen.

Und geritten war er – bis er mit seinem Oberst nach Lissabon zurückging und ihm die Kugel aus der Sehne herausgeschnitten wurde.

Sobald er wieder gehen konnte, kehrte er zu seinem Regiment zurück, gerade rechtzeitig, um an dem Scharmützel bei Redinha teilzunehmen. (»Aha, jetzt, wo Sie ein bisschen gehen können, verlassen Sie mich!«, sagte Oberst Beckwith. »Gehen Sie, und der Teufel sei mit Ihnen – aber gerade deshalb kann ich Sie so gut leiden!«)

Seit Redinha war er bei mehr als einem halben Dutzend scharfer Gefechte und drei größeren Schlachten dabei gewesen: Sabugal, Fuentes de Oñoro und beim Sturm auf Ciudad Rodrigo. Er war bei allen diesen Geschichten ohne einen Kratzer davongekommen. Wenn die halbe Armee an dem tödlichen Alentejo-Fieber krank darniederlag, genoss Brigadeadjutant Smith irgendeine großartige Jagd an der spanischen Grenze. Fiebrig? Ha, Teufel! Er hatte sich in seinem ganzen Leben nicht wohler gefühlt.

Wenn ihn jetzt sein Dienst in die Schützengräben vor Badajoz führte, war er oft von oben bis unten voll Schmutz von den Granaten, die im aufgeweichten Boden krepierten, aber kein Splitter, keine Kartätschensalve drangen in seinen hageren Körper. Kugel- und fieberfest, das war Harry Smith – ein toller Bursche, ein ganz famoser Kerl!, sagte der Gemeine O´Brien und bewunderte die Flut der Kraftausdrücke seines Brigadeadjutanten, wenn ihn die Explosion einer Granate umschmiss. Ein verdammt guter Offizier vom Dienst, sagte Hauptmann Barnard; verrückt wie ein Irrer!, klagten Harrys Freunde erbittert.

Nichts würde Harry davon abhalten können, einem der Sturmtrupps anzugehören, die demnächst die Breschen in den Wällen von Badajoz angreifen würden. Am 6. April gab es drei davon: eine in der Bastei Santa Maria, eine in der Bastei La Trinidad, weiter westlich, und die dritte schließlich im Hauptwall zwischen diesen beiden. An diesen Punkten sollte der Hauptangriff geführt werden, und die Truppen, die hierzu ausersehen waren, waren die Leichte und die Vierte Division. Das war genau das Richtige, aber es gab einige düstere Gemüter, die der Ansicht waren, die alte Krummnase verschwende ihre Zeit mit dieser ganzen Bombardiererei der Wälle. George Simmons, eigentlich ein seriöser junger Mann, sagte, die Art, wie die Leute General Phillipons die Breschen reparierten, würde sie noch schrecklicher machen als jede intakte Bastion. Die Franzosen hatten offenkundig vor, die Stadt verbissen zu verteidigen, denn die britischen Pioniere meldeten am Morgen des 6., hinter den Breschen werde jede nur erdenkliche Art von Hindernis aufgetürmt. Solange Tageslicht herrschte, hämmerten die Kanonen auf sie ein, und das behinderte die Reparaturen an den Lücken sehr stark; aber als der Angriff von halb acht Uhr abends auf zehn Uhr verschoben wurde, schauten die Pioniere etwas ernst drein. Mit Einbruch der Dunkelheit war das Nachlassen der Kanonade unvermeidlich, und die Franzosen würden sich wieder an die Arbeit machen – und diese Grenadiere brachten wahrhaftig etwas zustande! Es sah ganz danach aus, als würde es eine blutige Sache werden, so gut sie auch geplant sein mochte.

Der Angriff war nicht nur gut, sondern auch sehr weitsichtig geplant. Obwohl man erwartete, dass die Stadt durch den Sturmangriff der Leichten und der Vierten Division auf die Breschen eingenommen werden würde, sollten außerdem nicht weniger als fünf Unterstützungsangriffe durchgeführt werden. Die Grabenschützen sollten versuchen, die Lünette von San Roque zu stürmen; der gute Picton sollte den Versuch machen, das Schloss über Sturmleitern zu erobern – sehr aussichtslos, diese Hoffnung: sah durchaus nicht nach Erfolg aus –; Powers portugiesische Brigade würde den Brückenkopf jenseits des Guadiana gegenüber den beschädigten Bastionen aufs Korn nehmen müssen; die portugiesischen Truppen der Fünften Division unter Leith sollten einen Scheinangriff auf das starke Pardeleras-Fort führen; und – dies eine Entscheidung in letzter Minute – die übrige Division unter Leith sollte trotz der Minen vor den Ostwällen der Stadt versuchen, die Flussbastion San Vincente zu brechen.

Von diesen fünf Angriffen zweiter Ordnung, die gleichzeitig mit dem Hauptangriff geführt werden sollten, erwartete man keinen Erfolg, sie sollten lediglich die Aufmerksamkeit der Verteidiger der Breschen ablenken.

Der Zugang zu den Breschen vom Lager der Leichten und der Vierten Division aus lag zwischen dem Rivillas mit seiner ausgedehnten Überflutung zur Rechten und einem Steinbruch in einem ansteigenden Gelände zur Linken. Es war abgemacht, dass sich die Vierte Division längs des Wassers halten würde, und sie sollte, sobald sie den Graben, der rund um Badajoz herum ausgehoben worden war, erreicht haben würde, nach rechts schwenken und die Bresche im Hauptwall bei La Trinidad angreifen. Die Leichte Division sollte westwärts vorstoßen, um die Bresche in der Flanke der Bastei Santa Maria anzugreifen. Jede Division sollte eine Vorhut von fünfhundert Mann in Begleitung mehrerer Abteilungen mit Heusäcken und Leitern stellen. Letztere dienten nicht nur der Erstürmung der Breschen, sondern auch dem Abstieg in den Stadtgraben, der angeblich vierzehn Fuß tief war.

An Freiwilligen für den Sturmangriff fehlte es nicht – schwierig war nur, aus der Menge der Kampflustigen die benötigte Zahl zu wählen, denn jeder verlangte stürmisch, die Wälle als Erster ersteigen zu dürfen, und jeder behauptete von sich, er sei der Geeignetste für diese Aufgabe. Die britische Armee hasste es, gezwungenermaßen Schützengräben auszuheben, sie war gereizt von dem Feuer von Badajoz und deprimiert durch die sumpfigen, feuchten Bodenverhältnisse und wünschte nichts sehnlicher, als endlich dem Feind zu begegnen. Auch hatte sie nichts dagegen, an jene spanischen Einwohner zu geraten, die sich noch innerhalb der Wälle befanden. Seit Talavera, wo der spanische General Cuesta die britischen Verwundeten, die seiner Obhut anvertraut worden waren, den Franzosen überlassen hatte – die sie freilich viel rücksichtsvoller behandelt hatten, als es die spanischen Verbündeten selbst taten –, war bei Lord Wellingtons Soldaten zu der Verachtung für die Spanier auch noch Abscheu hinzugekommen. Sollte Badajoz am Ende dieser dritten Belagerung fallen, durften die Einwohner auf keine Gnade vonseiten der Eroberer hoffen. Es kam hinzu, dass die Männer Lord Wellingtons den Spaniern nicht nur deshalb grollten, sondern sie auch das Wissen erbitterte, dass sich die Einwohner von Badajoz den Franzosen sehr zahm ergeben hatten. Wenn sich eine besiegte Stadt auf Gnade und Ungnade ergab, konnte sie auf Milde hoffen; aber gnade ihr Gott, wenn sie bis zum Ende ausharrte! Denn dann gehörte sie nach dem Kriegsrecht den Siegern zur Plünderung und zum Verheeren, wie immer es ihnen gefiel.

Den Offizieren war die Stimmung der Mannschaften bekannt. »Die werden es bereuen, wenn sie Widerstand leisten«, sagte Cadoux in seiner sanften, gezierten Art, bewunderte einen Ring an seinem Finger und glättete sorgfältig eine Falte seines eleganten grünen Umhangs. Er ließ einen launigen, spöttischen Blick unter seinen langen Wimpern zu Brigadeadjutant Smith hinüberfunkeln. »Ich fürchte, es wird eine sehr blutige Sache werden«, seufzte er. »Meinen Sie, ich soll meinen neuen Mantel dazu anziehen, Smith? Es wäre grässlich, wenn er verdorben würde. Eine verdammt lästige Sache, dieser abscheuliche Angriff, nicht?«

Harry konnte Daniel Cadoux nicht ausstehen. Wenn Cadoux sprach, lispelte er ganz leicht. Harry sagte, das lasse er noch gelten. Aber, wenn er Cadoux mit seinem Dandy-Aufzug und seinem hübschen Schmuck sah, werde ihm übel. Er könne sich nicht vorstellen, warum Cadoux je zur Armee gegangen sei, und noch weniger, warum gerade zu den Rifles; oder wie er seine Leute nur dazu bringen könne, ihm zu folgen. »Einer von den ›Los, geht!‹«, sagte Harry verächtlich.

»Was ist das?«, erkundigte sich ein sehr junger Subalterner, der noch grün hinter den Ohren war.

»Das, mein Junge«, sagte Harry, »wirst du sehr bald selbst heraushaben.« Etwas sanfter fügte er hinzu: »Die Männer sagen, es gebe nur zwei Arten von Offizieren: die, die ›Los, geht‹, und die, die ›Los, kommt‹ brüllen.«

»Oh!«, sagte der sehr junge Subalterne, verdaute das und überlegte, dass man wohl nicht erst zu fragen brauchte, in welche Kategorie der energische, feurige junge Mann vor ihm gehörte.

Das brauchte man wirklich nicht erst zu fragen. Harry Smith, der mit einigen Freunden wenige Stunden vor dem Angriff am Abend des 6. April zu Abend aß, war in tollster Laune, seine Augen leuchteten und funkelten wie immer, wenn es gefährliche Arbeit zu verrichten gab. Gleich würde Brigadeadjutant Smith brüllen: »Los, kommt!«, und noch einmal: »Los, Saubande, kommt!«

4

Vor dem Angriff wurde an die Männer eine doppelte Ration Grog ausgegeben, aber einem zufälligen Beobachter wäre es nicht so erschienen, als brauchten die Mannschaften erst noch mit Rum ermuntert zu werden. Alles im Lager war geschäftig und in bester Laune, alte Krieger überprüften noch einmal ihre Gewehre, und Josh Hetherington gab zu Ehren des bevorstehenden Ereignisses eine Bauchrednervorstellung, die ebenso beliebt wie lästerlich war. Der »Totschläger« Palmer beschwor einen ausnahmsweise nüchternen Tom Crawley, doch einmal einen Franzosen ganz allein zu töten, ein Scherz, der den spanischen Krieg wohl nicht überdauern würde; und Burke, der sich schon für mehr Sturmangriffe als sonst irgendeiner freiwillig gemeldet hatte, prahlte mit seinen vergangenen Erlebnissen und kabbelte sich zur Abwechslung gutmütig mit einem Freund vom 52. Regiment.

Lord Wellington pflegte seine Armee nie ins Vertrauen zu ziehen, auch seine ausführlichen Pläne zur Einnahme von Badajoz waren den Mannschaften noch nicht mitgeteilt worden, aber auf die übliche unerklärliche Weise wussten sie alle von diesen Plänen, ebenso wie sie einen ganzen Tag früher als die meisten Offiziere den Termin für den Angriff gewusst hatten.

»Komisch, nicht?«, bemerkte Jack Molloy und füllte sein Glas aus Harrys Weinflasche nach. »Ich habe noch nie erlebt, dass sie sich getäuscht hätten. Ich möchte wissen, woher sie ihre Informationen haben.«

»Och, von Ordonnanzen und Offiziersburschen!«, sagte Kincaid, der eben hereingeschlendert kam, als hätte er nichts zu tun und sei nicht soeben von einer gefährlichen Erkundungsstreife mit seinem Oberst über das Glacis bis fast an den Rand des Stadtgrabens vor Badajoz zurückgekommen. »Die erfahren das Neueste und geben es weiter. Hallo, junger Racker! Wo kommst denn du plötzlich her?«

Der Angesprochene, Mr. William Havelock vom 43. Regiment, rückte auf Harrys Lederkoffer beiseite, damit sich Kincaid neben ihn setzen konnte. Es gab wenig Platz in dem Zelt, und selbst der schien noch voller Beine zu sein. Kincaid stieg über drei Paar hinweg, nahm einen Zigarillo von seinem Gastgeber entgegen und zündete ihn an der Kerze auf dem Tisch an.

»Nun, und wie geht es unserem Adjutanten vom Dienst?«, erkundigte sich Stewart. »Schon gegessen, Johnny?«

»Falls nicht, kriegt er hier auch nichts«, sagte Harry. »Er kann nicht einmal was vom Portwein haben, weil – o doch, er kann! Da habe ich doch irgendwo noch einen Krug voll! Streck die Hand aus und greif in die Kiste dort hinter dir, Racker! Eine großartige Marke aus Lissabon – ja, das ist er.«

»Portwein? Das gibt´s doch nicht!«, sagte Kincaid, und Hoffnung und Misstrauen malten sich in seinem Gesicht. »Glaub ja nicht, du kannst mich mit irgendeinem portugiesischen Zeug abspeisen! Ich habe mit dem Oberst gegessen.«

»Wir sind also erhaben, wie?«, sagte Molloy. »Verschwende deinen Port nur ja nicht an ihn, Harry!«

»Bei Gott, es ist wirklich Port!«, rief Kincaid aus. »Woher zum Teufel hast du den, Harry? Der alte Cameron hat mir einen Säuerling serviert.«

»Aus Elvas«, antwortete Harry. »Selbst der Beau trinkt keinen besseren.«

»Es lebe der Türke!«, sagte Kincaid und hob den Lissaboner Weinkrug zu einem Toast auf den berühmtesten Marketender der Armee. »Ich dachte, du hättest ihn durch üble Plünderei ergattert.«

»Hat er vielleicht sogar«, sagte Molloy. »Du hast doch nicht etwa Geld, wie, Harry? Echtes Geld?«

Nein, Harry hatte kein Geld, aber er hatte sich drei Dollar vom Quartiermeister ausgeliehen, wie es alle Offiziere in Geldnöten taten, denen man schon seit mehreren Monaten den Sold schuldig war. Aber zu den zwei mageren Stück Geflügel, die das Hauptgericht des Abendessens ausgemacht hatten, war er zweifellos auf unanständige Weise gekommen; die waren nämlich von seinem Burschen besorgt worden, der ein erfahrener alter Krieger war.

»Dein Bursche wird ja doch heute oder morgen einmal hängen«, prophezeite Stewart. »Was gibt´s Neues, und wo warst du, Johnny?«

»Nichts Neues, außer dass die Kerle von Leiths Division versuchen werden, die Flussbastion zu nehmen.«

»Das wissen wir schon, aus dem üblichen Gerede über Sturmangriffe. Die Mannschaften sagen, wenn die Bobs von der Leichten und die Enthusiastics die Stadt nicht einnehmen können, dann existieren überhaupt keine Truppen, die es könnten. Ich nehme an, der Zeitpunkt ist wegen der Pioniere geändert worden. Ich war der Meinung, das ganze Gelände vor der Flussbastion sei vermint?«

»Hauptmann Stewart wird jetzt gleich ein Tadelsvotum für die Pläne Seiner Lordschaft beantragen«, sagte Molloy und schaute sich um, wohin er seinen Zigarrenstummel werfen könnte. »Wenn ich den nicht auf dem Stiefel des Rackers ausdrücken kann, muss ich aufstehen und gehen.«

»Na, dann musst du wirklich gehen«, sagte Havelock. »Nimm gefälligst zur Kenntnis, dass diese Stiefel hier die letzten sind, die ich noch besitze. Außerdem ist mehr Platz, wenn du gehst. O du lieber Himmel, von wegen mehr Platz – da kommt George!«

Der Offizier, der in das Zelt lugte, war ein etwas beleibter junger Mann mit einem ernsten Gesicht, das seiner besonnenen Weltanschauung entsprach. Er war mit der Erwartung in die Armee eingetreten, dass ihm diese ermöglichen würde, seine zahlreichen Brüder zu unterstützen, eine Aussicht, die einen weniger seriösen Mann entsetzt hätte und Mr. George Simmons auch tatsächlich daran hinderte, den Leichtsinn seiner Freunde zu teilen. Er neigte etwas zum Moralisieren, war aber ein guter Offizier und treuer Freund, und die Gesellschaft in Harrys Zelt begrüßte ihn mit kameradschaftlichem Spott.

»Nein, ich kann unmöglich bleiben«, sagte er kopfschüttelnd. »Ich hörte nur, dass es bei euch lustig zugeht, und dachte, ich schaue einmal vorbei. Ich habe mit einem von Beresfords Stab gesprochen. Ist es zu glauben – einer von den Adjutanten Beresfords war so grässlich geschmacklos und ließ bei Tisch fallen, er wüsste gern, wie viele von den Anwesenden wohl morgen noch leben werden! Ihr könnt euch vorstellen, wie ihn der Marschall anschaute!«

Sein entsetztes Gesicht erregte das Gelächter der Gäste Harrys, dieser selbst aber sagte schnell: »So ein verdammter Narr! Wer war es?«

»Nein, nein, es wäre nicht recht von mir, wenn ich es euch sagte. Ich bin überzeugt, es tut ihm schon leid. Sehr seltsam, was für unbedachte Dinge einem Menschen über die Lippen rutschen können.«

»Nicht dir, George – dir nicht!«, sagte Kincaid und stand auf.

»Nun, das hoffe ich wirklich, denn derartige Bemerkungen müssen doch düstere Überlegungen hervorrufen«, sagte Simmons.

5

Die Abenddämmerung und damit das Aufhören des fernen Kanonendonners ließen Harrys Gäste bald auf die Uhr schauen und sich ihrer Pflichten entsinnen. Die Gesellschaft begann aufzubrechen, und der Gastgeber war der Erste, der ging. Sollte die Geschichte George Simmons´ düstere Überlegungen bei seinen Zuhörern hervorgerufen haben, so ließ sich äußerlich keiner etwas von einer Missstimmung anmerken. Sie wünschten einander Glück, rissen noch den einen oder anderen Witz zum Abschied, und sehr enge Freunde wechselten einen Händedruck, der vielleicht etwas mehr besagte als ihre leichthin gesprochenen Worte.

Die Nacht war dunkel, aber trocken, obwohl der Himmel stark bewölkt war. Die Leichte und die Vierte Division mussten die Schlucht hinabmarschieren, die an der Ostseite des Pardeleras-Hügels lag, und als sie sich den Gräben näherten, wurde die Luft dunstig von den ungesunden Dämpfen, die vom Fluss her aufstiegen. Die Sturmtruppen mit den Pionieren an der Spitze traten behutsam auf, und alle Gespräche in den Reihen verstummten, da es für den Erfolg der Pläne Lord Wellingtons ausschlaggebend war, dass alle fünf Angriffe gleichzeitig begannen. Selbst die Grabenwachen waren ungewöhnlich still; aus den Gräben war nichts als leises Murmeln zu hören. Der Marsch war schwierig, weil man kaum einige Schritte weit sehen konnte, aber Badajoz war an den kleinen, auf- und abhüpfenden Lichtern entlang der Wälle zu erkennen. Jemand flüsterte, Lord Wellington habe sich oberhalb des Steinbruchs postiert, von wo aus er den Verlauf des Hauptangriffs verfolgen konnte, aber es war selbst für das schärfste Auge zu finster, um seine wohlbekannte Erscheinung in der Dunkelheit auszumachen. Für die Mannschaften jedoch war es erfreulich zu wissen, dass er sie bei ihren Unternehmungen beobachtete. Es spornte sie zum Aufgebot all ihrer Kräfte an und stärkte ihr Selbstvertrauen, denn obwohl er ein kalter, häufig sogar harter Befehlshaber war, so war er doch ein Mann, der sein Geschäft verstand und auf den man sich verlassen konnte.

Die Flussnebel waren kalt und wurden dichter, als die Sturmtruppen den Abhang zum Glacis emporkrochen. Von den Wällen drang der Klang einer einzelnen Stimme, laut in dieser Stille, an das Ohr der Belagerer. Es war nur das übliche warnende Sentinel, gardez-vous!, das jenen Truppen, die diesseits der Mauern alle Schanzarbeiten verrichtet hatten, wohlvertraut war, in der Dunkelheit und Stille aber klang es ungewohnt, fast schicksalsschwer.

Da Oberst Cameron und sein Adjutant Johnny Kincaid das Gelände bei Tageslicht erkundet hatten, waren die Dienste der Pioniere nicht allzu sehr vonnöten, um die Sturmtruppen in ihre Stellungen zu führen. Die Männer schlichen durch den Dunst zum Glacis hinauf und warfen sich nieder, sowie sie an die Front kamen, die Mündungen ihrer Gewehre feuerbereit über dem Rand der Gräben. Die Wolken teilten sich, sodass ein fahles Mondlicht die Szene erleuchtete. Die Truppen der Leichten Division, die zu den Mauern Badajoz´, das direkt aus dem Flussnebel zu ragen schien, hinaufstarrten, konnten die Köpfe der Franzosen entlang der Wälle ausmachen. Auf ein scharfes qui vive? von einer der Wachen folgte der Knall einer Muskete und der Lärm der Trommeln, die zu den Waffen riefen. Colonel Cameron, der die vier Kompanien der 95er Rifles befehligte, die bereits entlang der äußersten Grabenböschung aufgezogen waren, um das Feindfeuer auf sich zu ziehen, schlich sich an Barnard heran. »Meine Männer sind bereit – soll ich anfangen?«

Barnard gab gerade mit leiser Stimme Instruktionen. Er hielt die Uhr in der Hand und ein wachsames Auge auf die Männer an den Sturmleitern, die sie sachte in den Stadtgraben zwischen die Palisaden senkten. Er hatte keine Sorge, dass Barnard vor dem vollen Stundenschlag losschlagen würde. »Nein, auf keinen Fall!«, flüsterte er.

Die Sturmtruppen krochen immer noch den langen Abhang zum Rand des Glacis empor, als in der Ferne, im Osten, der Himmel plötzlich von einer flammenden Brandgranate aufleuchtete, die in die Luft geschossen wurde. Fast unmittelbar darauf folgte Kanonengetöse, vermischt mit dem scharfen Krachen der Musketen. Es war erst Viertel vor zehn Uhr, ein Umstand, der Barnard leise fluchen ließ. Es war klar, dass die Annäherung von Pictons Eskaladetruppen vom Schloss aus bemerkt worden war, denn es war undenkbar, dass Picton mutwillig den Angriff vor der angegebenen Stunde eröffnet hätte. Während sich noch die letzten Sturmtruppen der Leichten und der Vierten Division zum Glacis hinaufstahlen, wurde die Dunkelheit rechter Hand von unheimlichen Flammenausbrüchen erhellt; und das Kanonenfeuer verstärkte sich derart, dass es den Männern, die über dem Stadtgraben hockten, erschien, als sei jede Kanone in Badajoz ausschließlich auf den Sturm gerichtet, der dem steilen Schlosshügel galt. Was sich ereignet hatte, dass das verstohlene Vorgehen der Dritten Division gegen die Franzosen entdeckt worden war, konnte nur Vermutung bleiben, aber dass Picton seine Attacke eine Viertelstunde früher begonnen hatte, weil er sah, dass seine Bewegungen bemerkt worden waren, wurde bald ersichtlich.

O´Hare, der die Sturmtruppe der 95er befehligte, brannte darauf, den Befehl zum Vorgehen zu geben, war aber ein zu alter Hase, um den Mannschaften, die ihn gespannt beobachteten, seine Ungeduld zu verraten. Barnard war so kühl, als handelte es sich um eine Truppenübung; aber Cameron, der neben ihm wartete, konnte kaum an sich halten. Er war überzeugt, dass die Franzosen auf den Wällen seine Leute entdeckt hatten und sie nun still beobachteten. Er erwartete, dass seine Männer jeden Augenblick unter Feuer genommen würden, und konnte es nicht ertragen, sie untätig zu halten, bis es dem Feind gefallen würde, auf sie zu feuern. Einmal schickte er Harry Smith los, um eine Abteilung anzuspornen, die etwas hinter den anderen zurückblieb, aber er gab, seiner Nervosität zum Trotz, seine Befehle mit ruhiger, unbewegter Stimme und schien das Kanonenfeuer und die Raketen auf der Ostseite der Stadt nicht zu beachten.

Die letzte Sturmleiter war eben an ihrem Platz, als plötzlich tief und melodisch und über dem Lärm der Kanonen deutlich hörbar die Glocke der Kathedrale von Badajoz die volle Stunde zu schlagen begann.

»Jetzt, Cameron!«, rief Barnard.

6

Die Salve der britischen Truppen wurde von einem derartigen Getöse beantwortet, wie es selbst die abgehärtetsten Soldaten noch nie zuvor erlebt hatten. Eine steil aufschießende Flamme enthüllte den Belagerern die Schrecken, die vor ihnen lagen. Einige der Sturmabteilungen stürmten die Leitern hinunter, andere, zu ungeduldig, um abzuwarten, bis sie an die Reihe kämen, sprangen auf die Heusäcke, die zuhauf in den Stadtgraben geworfen worden waren, um den Sturz abzufangen. In diesen Stadtgraben, vierzehn Fuß tief unterhalb des Glacisrandes, hatte man jegliches erdenkliche Hindernis geworfen, von zertrümmerten Booten bis zu umgestürzten Schubkarren, um das Vordringen der Angreifer zu behindern. Überall dazwischen brannten und spuckten böse kleine Flammen. Ein Freund riss George Simmons zurück, der versuchte, eine davon auszutreten. »Lass das sein, Mann, um Gottes willen! Das hängt an einer scharfen Granate!«

Der Krach einer Explosion erstickte die Worte; ein hohes schrilles Kreischen über dem ganzen Aufruhr – eine Brandkugel von den Wällen herab warf rotes Licht über den Schauplatz. Männer strömten die Leitern hinab in das Inferno platzender Granaten im Stadtgraben; in wenigen Minuten war das Gelände fast völlig verstopft von Dutzenden von Toten und Sterbenden; und der übelste Geruch brennenden Fleisches begann sich mit dem beizenden Gestank des Schießpulvers zu mischen. Die Luft war voller Splitter und tobte vom Lärm explodierender Granaten und dem eigenartig dumpfen Geräusch des Musketenfeuers, das in den Stadtgraben gezielt war. Die Pioniere, deren Pflicht es war, die Sturmtruppen anzuführen, wurden bis auf den letzten Mann niedergeschossen. Die Truppen, vom Rauch halb erstickt, von den Flammen versengt, ohne ihre Führer völlig orientierungslos, schossen blindlings auf die eine Bresche, die sie sehen konnten, nur um vor den Befestigungsanlagen zurückzuweichen, die schrecklicher waren, als sie es je erlebt hatten.

Die Bresche war von hinten mit einer Brustwehr gedeckt; der Abhang, der zu ihr hinaufführte, war mit Fußangeln bestreut und mit nägelübersäten Balken bewehrt, die vom Rand der Bresche herunterhingen. Die Männer kämpften sich nach oben, schnell dezimiert, weil Mann um Mann von dem steten Feuer der Verteidiger hinter der Brustwehr niedergeschossen wurde. Kaum waren die Hindernisse am Abhang überwunden, sah man, dass die Bresche von einem abscheulichen chevaux-de-frise aus Säbelklingen geschützt wurde, die aus schweren, am Boden angeketteten Balken in alle Himmelsrichtungen ragten. Die Soldaten hinten versuchten, die Vordermänner vorwärtszudrängen; einer warf sich auf die Säbelklingen in dem irren Versuch, aus seinem eigenen sich windenden Körper eine Brücke für die Männer hinter sich zu bilden. Es war umsonst. Während ihm der Kolben einer französischen Muskete den Schädel zerschmetterte, wurde die Sturmabteilung, völlig aufgelöst, in die unbeschreibliche Hölle unten zurückgeworfen. Pulverfässer, die auf sie hinuntergerollt wurden, explodierten; von der Brustwehr brüllten die jubelnden Franzosen Spott und Beschimpfungen hinunter, während sie ihre Salven hinunterpfefferten.

Der Graben war nicht nur mit Toten und Verwundeten überfüllt, sondern auch mit Truppen, die immer noch in ihn hinunterströmten. Harry Smith, unverletzt, wurde von einer explodierenden Granate auf jemanden geschleudert und sah, dass es ein Bekannter von der Vierten Division war. Er brüllte durch den Lärm: »Was zum Teufel sucht ihr da?«, denn es war doch festgelegt worden, dass die Vierte Division nach rechts schwenken sollte, um die Bresche in der Bastion La Trinidad anzugreifen.

»Wir konnten nicht! Der Graben ist überflutet!«, kreischte ihm der Mann ins Ohr. »Die Hälfte der Männer ist ertrunken! Dort ist eine Künette voll Wasser!«

»Mein Gott, dann sind die Divisionen durcheinandergeraten!«, keuchte Harry und begriff nun, warum der Stadtgraben so vollgestopft mit Rotröcken war.

Er wurde an den Fuß einer Leiter gedrückt. Hier, im toten Winkel, lag ein Mann, in sich zusammengekrümmt, die Hände auf die Brust gepresst. Die lodernden Flammen im Stadtgraben zeigten Harry ein Gesicht, das er kannte. Es war totenbleich, aber die Augen waren immer noch klar.

»Smith! Hilf mir die Leiter hinauf! Ich bin erledigt!«

»Oberst MacLeod! O nein, mein lieber Junge!«, schrie Harry und warf seinen Arm um ihn.

»Doch, sage ich dir! Mach schnell!«

Harry gelang es, ihn die Leiter hinaufzubringen, indem er ihn halb stützte, halb trug. MacLeod stöhnte und sagte: »Die Vierte ist mit den Unseren durcheinandergeraten!«

»Ich weiß! Das kommt von der verdammten Überflutung. Da, mein armer Freund, Gott sei mit dir! Ich muss zurück.«

Er verließ den Verwundeten und glitt wieder die Leiter hinunter. Als die Vierte Division gesehen hatte, dass der Graben unterhalb der Trinidad-Bastion unpassierbar war, hatte sie instinktiv nach links geschwenkt. Es herrschte die schrecklichste Verwirrung. Eine Feuerfront trennte nun die Angreifer von La Trinidad; kleine Abteilungen, die sich um vereinzelte Offiziere sammelten, stürmten immer wieder den Abhang zur Bresche empor, nur um vor dem grässlichen chevaux-de-frise oben zurückzuweichen. Als eine heldenmütige Schar ein unvollendetes Außenwerk irrtümlich für die Bresche im Hauptwall hielt und emporstürmte, fand sie nur eine Wüstenei von Schanzarbeiten vor, die immer noch zwischen ihnen und der Stadtmauer lag.

Harry kämpfte sich zu Barnard durch, der übermenschliche Anstrengungen machte, seine eigene Division von der Vierten zu trennen. Überwältigt von einem Feuer, dem keine Truppe standhalten konnte, wich die Leichte Division an die Leitern zurück. Harry, fast von den Füßen gerissen, erblickte, geisterhaft in der Grelle der Brandkugeln, das Gesicht des kleinen Frere vom 43. Regiment. Sie wurden zusammen die Leiter hinaufgedrängt.

»Schmeißen wir sie hinunter! Die Burschen sollen nicht heraus!«, brüllte Harry.

Ein Soldat, mit irren Augen und in Fetzen, hörte das und brüllte: »Verfluchter Kerl, wenn du das tust, nehmen wir dich aufs Bajonett!«

Harrys Schärpe ging auf und verfing sich in der Leiter. Ein böses Knurren und das Blitzen des drohenden Bajonetts hinter ihm ließ ihn in unsinniges Gelächter ausbrechen. Er riss seine Schärpe los und kletterte weiter empor, gedrängt von der unwiderstehlichen Woge der Männer hinter sich.

Oben formierten die noch lebenden Offiziere ihre Männer, die in Wirklichkeit nur eine Atempause haben wollten, bevor sie sich wieder in den Stadtgraben hinunterwarfen. Eine Brigade Portugiesen von der Vierten Division rückte im Schnellschritt heran und ging mit einer Unerschrockenheit in den Stadtgraben hinunter, die der Leichten Division Mut verlieh.

Immer wieder kämpften sich die Truppen durch den übel riechenden Graben zu dem Abhang der Bresche und hinauf zu den Verteidigungsanlagen. »Warum kommt ihr nicht nach Badajoz herein?«, spotteten die Franzosen.

Es vergingen mehr als zwei Stunden mit diesem grässlichen Gemetzel. An der Bresche lagen die Toten zuhauf und wurden im Graben zwischen den brennenden Trümmern niedergetrampelt. Zwischen den Angriffen, die nun von immer kleiner werdenden Gruppen unternommen wurden, die sich um jeden Offizier, der noch lebte und seine Männer noch führen konnte, scharten, standen die Truppen unbewegt und ertrugen verbissen das Feuer von den Wällen. An ein Zurückweichen wurde nicht gedacht; von solch einer zähen Wut waren die Soldaten besessen. Das Grauen des Anstürmens, das sie zuerst erschreckt hatte, weckte nun selbst in den friedfertigsten Männern primitive Instinkte. Jede Menschlichkeit schien aus den Augen gewichen zu sein, die unter den ledernen Schirmen der Tschakos zu den Wällen hinaufstarrten. Brandkugeln und Raketen erleuchteten blitzartig Gesichter, die nicht so sehr von dem Rauch, der sie geschwärzt hatte, als von der Wut unkenntlich geworden waren: Sie hatte jedes andere Gefühl ausgelöscht und gutmütige Gesichter in seltsame Masken tierischen Hasses verwandelt.

Wenn der Geschosshagel die Belagerer zu den Sturmleitern zurücktrieb, kletterten sie an ihnen empor, nur um sich sofort wieder zu formieren und zurückzukehren. Die Hauptkolonnen der beiden Divisionen hatten über eine Stunde lang Verstärkungen in den Graben strömen lassen. Harry Smith, der versengt und verdreckt von Schmutz und Blut war, aber weder von Musketen- noch von Granatfeuer versehrt, nahm an, dass er und der kleine Frere als die zwei einzigen Offiziere der ursprünglichen Sturmabteilung nicht tot oder verwundet waren. Von seinem eigenen Regiment war ein Offizier nach dem anderen ausgefallen, einige tot, andere tödlich verwundet, wieder andere gerade noch imstande, sich aus dem Stadtgraben hinter die Linien zu schleppen. Um Mitternacht war ein Stabsoffizier zu Barnard mit dem Befehl Lord Wellingtons galoppiert, die Leichte Division zurückzunehmen, aber weder Barnard noch die Mannschaften, die ihm folgten, wollten nachgeben. Wieder griffen sie an, und wieder wurden sie zurückgetrieben, immer in ständig sich verringernder Zahl. Kurz vor Tagesanbruch, als sich die erschöpften Truppen endlich hinter das Glacis zurückgezogen hatten, ritt Lord Fitzroy Somerset, Wellingtons militärischer Sekretär, heran und rief, als er Harry begegnete: »Smith, wo ist Barnard?«

»Ich weiß nicht«, antwortete Harry. »Er lebt, das ist alles, was ich Ihnen sagen kann. Bei Gott, das ist eine höllische Nachtarbeit!«

»Ich weiß, ich weiß, alles ist danebengegangen. Picton war zu früh dran, Leith zu spät. Ihr seid die einzige Truppe, die sich an die Zeit gehalten hat.«

»Na ja«, sagte Harry, hundemüde, aber immer noch obenauf, »habt ihr was anderes erwartet? Wir sind doch die Division, oder nicht?«

Lord Fitzroy, ein Guardsman, lächelte, sagte aber nur: »Seine Lordschaft wünscht, dass die Leichte und die Vierte noch einmal stürmen.«

»Zum Teufel!«, sagte Harry. »Mann, wir haben genug! Wir sind alle völlig fertig!«

»Kann ich mir denken«, sagte Fitzroy in seiner ruhigen Art, »aber ihr müsst es doch noch einmal versuchen.«

»Wenn es uns nicht mit zwei ganzen, frischen Divisionen gelungen ist, werden wir es jetzt erst recht nicht schaffen!«, fuhr ihn Harry zornig an. Gleich aber hatte er sich wieder in der Gewalt; bevor Fitzroy noch etwas sagen konnte, lächelte er schon und fügte hinzu: »Aber wenn es sein muss, werden wir es noch einmal versuchen, und das, so gut wir noch können. Aber vor nicht mal fünf Minuten wurde einer von unseren Burschen zu Seiner Lordschaft geschickt, um ihn zu informieren, dass wir nicht weiterkommen.«

Fitzroy sagte nichts darauf. Offizier um Offizier war zu Lord Wellington herangeritten, wo er über dem Steinbruch stand und die vergebliche Mühe und das Fehlschlagen seines Hauptangriffs beobachtete, und hatte immer das Gleiche zu berichten gehabt: dass die Divisionen schreckliche Verluste erlitten hatten; dass nicht genug Offiziere übrig geblieben waren, um die Mannschaften zu führen; dass die Seilmannschaften nicht imstande waren, den Verhau der Säbelklingen wegzuzerren, geschweige denn die Angreifer, ihn zu durchdringen.

Als Seine Lordschaft den letzten Bericht über das Versagen an den Breschen erhielt, stand er gerade mit zwei seiner Adjutanten beisammen: Lord March und dem jungen Prinzen von Oranien. March hielt eine flammende Fackel hoch, die ihr Licht auf das hagere Gesicht Seiner Lordschaft warf. Es war totenbleich, der Ausdruck jedoch so entschlossen wie immer. Seine Lordschaft merkte, dass irgendjemand hinter ihm stand, drehte sich um und legte die Hand auf den Arm des Mannes. »Reiten Sie sofort zu Picton und sagen Sie ihm, er müsse versuchen, ob er beim Kastell nicht doch noch Erfolg hat!«, sagte er schnell.

Es gab einen Augenblick des Zögerns; der angesprochene Herr sagte mit einem starken schottischen Akzent: »Mylord, ich habe kein Pferd, aber ich werde so schnell wie möglich zu Fuß laufen, und ich glaube, ich finde den Weg. Ich weiß, dass ein Teil der Straße versumpft ist.«

Lord March hielt die Fackel näher an den Sprechenden; ihre Glut zeigte Wellington das Gesicht des Dr. James McGrigor, Chef des Sanitätskorps. Er zog seine Hand zurück. »Nein, nein, entschuldigen Sie! Ich dachte, Sie seien De Lancey.«

»Mylord, ich gehe gern.«

»Nein. Es ist nicht Ihre Sache, Botengänge zu machen.«

Es entstand eine leichte Bewegung; jemand rief drängend: »Wo ist Lord Wellington?«

»Hier, hier!«, rief die Gruppe um Seine Lordschaft.

Ein Stabsoffizier hoch zu Pferd tauchte aus der Dunkelheit vor ihnen auf. »Mylord, das Kastell gehört Ihnen!«

Das grimmige Kinn schien kürzer zu werden. Wellington stieß eine Frage an den Offizier hervor, der jubelnd antwortete: »Mylord, Sir Thomas Picton, und ich glaube, die ganze Division ist nun im Besitz des Kastells!«

»Guter Gott, ist das möglich?«, rief der Prinz von Oranien aus.

»Reiten Sie zu Sir Thomas zurück und ersuchen Sie ihn, in die Stadt hinunter vorzustoßen!«, sagte Wellington. »Die Leichte und die Vierte müssen die Bresche noch einmal stürmen. Sie, Sir, gehen zu Ihrer Division zurück und bitten Oberst Barnard, noch einen Versuch zu machen. Informieren Sie ihn, dass General Picton drin ist und ihm die Stadt zu Hilfe kommen wird. Schicken Sie um mein Pferd, March, um das Ihre und auch um das des Prinzen!«

Der Offizier von der Leichten Division salutierte und warf sein Pferd herum; als er davonritt, schloss sich ihm ein Quartiermeister des 95. Regiments an, der die ganze Zeit über dicht bei Wellington gestanden hatte. Gemeinsam legten sie den Weg zur Leichten Division zurück, die sich von dem Glacis zurückgezogen hatte und nun neben ihren Waffen lag, Offiziere und Mannschaften zusammen, in verbittertem Schweigen.

Die Nachricht, dass die Dritte Division das Kastell eingenommen hatte, wurde mit mürrischem Unglauben entgegengenommen. Es dauerte einige Minuten, bevor der Quartiermeister Surtees imstande war, die Soldaten der berühmten Leichten Division zu überzeugen, dass die Dritte dort Erfolg gehabt hatte, wo sie versagt hatten. Männern, die so lang und so furchtlos versucht hatten, sich ihren Weg durch undurchdringliche Breschen zu kämpfen, schien es unmöglich, dass irgendeine Truppe Badajoz betreten haben konnte. Aber ein Hornsignal innerhalb der Stadt bestätigte die unglaubliche Nachricht. Sowie sie den Befehl zum Formieren und neuerlichen Angriff auf die Bresche erhalten hatten, sprangen die Männer, die eben noch erschöpft über das Glacis getorkelt waren, auf die Beine, vergessen waren Müdigkeit und Verletzungen, sie formierten sich und marschierten entschlossen voran. Sie traten auf ihre eigenen Toten und stiegen unter schwach gewordenem Beschuss zur Bresche hinauf. Es gab nunmehr sehr wenig Widerstand der Verteidiger; man hörte den Lärm eines wilden Kampfes innerhalb der Mauern; die geschwächte Leichte und die Vierte Division gingen fast ohne Widerstand durch die Bresche und richteten sich auf den verlassenen Wällen ein.

»Beim lebendigen Gott, wir haben es geschafft!«, keuchte Charlie Eeles, zerfetzt, blutbefleckt und taumelnd vor Müdigkeit.

7

Es stellte sich bald heraus, dass die Franzosen nicht, wie zunächst angenommen, durch das Vordringen der Dritten Division vom eingenommenen Kastell her zum Verlassen der Breschen veranlasst worden waren, sondern durch die Brigade General Walkers von der Fünften Division. Diese kaum beachtete Streitmacht, deren Sturm auf die Flussbastion von San Vincente erst nachträglich in letzter Minute geplant worden war, verspätete sich mit ihrer Attacke um eine Stunde, ein Missgeschick, entstanden durch den Fehler eines Offiziers, der abkommandiert war, die Sturmleitern vom Geschützpark herbeizuführen. Um Mitternacht herum hatte die Brigade nach einem sehr wilden Kampf die Bastion San Vincente erstürmt und, entlang der Stadtmauer vordringend, bald auch die Bastion San José erobert. Als sie zur nächsten Bastion vordrang, war sie auf derart lebhaften Widerstand gestoßen, dass sie nach San Vincente zurückwich und sogar in Gefahr schien, aus der Stadt hinausgeworfen zu werden. Aber eine Reserve, die in San Vincente zurückgelassen worden war, brachte die Sache bald in Ordnung, und die Brigade stürmte vor, die Franzosen vor sich hertreibend, deren Zahl durch die Verstärkungen, die laufend an die Breschen geschickt worden waren, um die Angriffe dort abzuwehren, beträchtlich dezimiert worden war. Die westlichen Bastionen fielen eine nach der anderen; und während ein Teil der Brigade sie besetzte, drangen die übrigen in die Stadt ein und bahnten sich den Weg durch die verlassenen Straßen dorthin, wo sie die Hölle hörten, die an den Breschen tobte.

Es war seltsam, nach all dem Getöse und Donner des Kampfes an der Stadtmauer die Stadt selbst so still zu finden. Jeder kampffähige Mann schien zu den Wällen abgezogen worden zu sein oder zum Kastell, wo Picton, der jedes Tor außer einer Seitenpforte verrammelt vorfand, seinen Weg aus der Festung herauskämpfte. Der Schlachtenlärm war zwar zu hören, aber weit weg, undeutlich, zu einer Art Brausen verschmolzen. Die Straßen waren menschenleer, aber unter den Türen und zwischen den Spalten der Fensterläden schimmerte Licht, und man hörte Flüstern in den Häusern, so dass die Männer, die die Straßen hinuntergingen, wussten, dass sie von unsichtbaren Augen beobachtet wurden.

Sie fassten die Hauptmasse der Verteidigungskräfte von hinten. Als die Überlebenden der Leichten und der Vierten Division oben an der Bresche ankamen, legten die Franzosen nach einem kurzen, wirren Scharmützel die Waffen nieder; General Phillipon flüchtete mit einigen Stabsoffizieren in den Schutz des San-Cristóbal-Forts jenseits des Guadiana.

Danach gab es nur noch an vereinzelten Stellen kleine Gefechte. Als Lord Wellington die Stadt durch die Bresche bei Santa Maria betrat, von der der Verhau aus Säbelklingen endlich weggezerrt worden war, ritt er zwischen Bergen von Rot- und Grünröcken dahin und wurde von totenbleichen Gestalten gegrüßt, denen es trotz ihrer Wunden doch noch gelang, sich von den Toten wegzuschleppen und sich auf die Ellbogen gestützt hochzuheben, um Seine Lordschaft mit kaum vernehmbarer Stimme hochleben zu lassen. Wellington salutierte steif. In der Morgendämmerung sah man auf seinen Wangen Tränen glitzern.

Das erste Bataillon der Leichten Division war zum Feldwachendienst in der Stadt abkommandiert. Harry Smith, an allen Gliedern braun und blau geschlagen, hinkend, weil er eine Schenkelquetschung hatte, die Uniform zerfetzt, traf auf Kincaid, der eben eine Feldwache aufstellte, und rief ihm mit krächzender, heiserer Stimme zu: »Du lebst, Johnny?«

»Oh, nicht ein Kratzer!«, sagte Kincaid, den nichts aus seiner faulen Sorglosigkeit aufrütteln konnte. »Du schaust aus, als hättest du genug. Verletzt?«

»Lächerlich«, sagte Harry. Er hatte sich heiser geschrien, um seine Männer anzufeuern; seine Stimme zitterte leicht. »Aber O´Hare – der arme Croudace – Charlie Gray – MacLeod – Gott, was für eine Nacht! Ich sage dir, Johnny, die Männer sind reif für Mord und Totschlag.«

»Nun, wenn es bei Mord und Totschlag bliebe, würde es mich überraschen«, sagte Kincaid kühl. »Cameron hat unseren Haufen noch gut in der Hand, aber er wird sie gleich wegtreten lassen, damit sie ihren Spaß haben.«

»Ja, und die ganze Division wird zum Teufel gehen«, sagte Harry mit müder Heftigkeit.