Die Spitzhacke - Ein phantastisches Erlebnis - Gerhart Hauptmann - E-Book

Die Spitzhacke - Ein phantastisches Erlebnis E-Book

Gerhart Hauptmann

0,0

Beschreibung

Hauptmann soll unter erheblichen Alkoholeinfluss gestanden haben als er dieses Prosa-Werk verfasste, was es umso interessanter und lesenswerter macht. Anlass dieses Textes war der Wunsch vor dem geplanten Abrisses des Gasthauses, in dem er aufgewachsen ist, diesem noch einmal literarisch zu gedenken. Heraus kommt eine unterhaltsame Spukgeschichte voll sprechender Tiere und weiterer phantastischer Elementn.-

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 52

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Gerhart Hauptmann

Die Spitzhacke - Ein phantastisches Erlebnis

 

Saga

Die Spitzhacke - Ein phantastisches Erlebnis

 

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1930, 2021 SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788726956597

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

 

www.sagaegmont.com

Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.

Das wunderbare Erlebnis, von dem die Blätter dieses kleinen Büchelchens handeln, wurde durch das folgende Schreiben an mich ausgelöst:

 

Badedirektion

 

Bad Salzbrunn, den 31. XII. 1929

Sehr verehrter Herr Doktor!

Da es nicht ausgeschlossen erscheint, daß im Laufe der nächsten Jahre das Hotel zur Krone in Bad Salzbrunn der Spitzhacke zum Opfer fällt, hat die Badedirektion eine photographische Aufnahme des Hauses machen lassen und erlaubt sich. Euer Hochwohlgeboren einen Abzug dieses Bildes zu überreichen mit der Bitte, demselben in Ihrem Heim ein bescheidenes Plätzchen zu gönnen.

Mit vorzüglicher Hochachtung Euer Hochwohlgeboren

ganz ergebener Dr. Wagner

Ich bleibe dem Verfasser dieses Briefes zu Dank verpflichtet. Gerhart Hauptmann

So! — Der Kellner mit dem speckigen Frack hatte mich verlassen. Ich wohne in Numero Sechs, ich schlafe in Numero Sieben nebenan, ein Zimmer, das durch sein einziges Fenster mit dem Korridor verbunden ist. Es ist überdies der stets dämmrige Raum, in dem ich vor achtundsechzig Jahren von einer Mutter geboren wurde.

Ist es denn wirklich wahr, daß ich seit mehr als einem halben Jahrhundert eine Nacht wieder einmal in dem alten Gasthof zur Preußischen Krone zubringe?

Leicht geworden ist der Entschluß dazu mir nicht.

Ich habe aber die Geste doch für unumgänglich gehalten, da dieses aus Ziegeln, Mörtel, morschen Balken und Brettern bestehende Inventar meiner Seele der Spitzhacke verfallen ist. Man hat es bereits auf Abbruch verkauft — für wie viele Silberlinge weiß ich nicht.

Fern von hier, am Strande der Ostsee, hatte ich einen Traum: ich sah einen rauchenden Trümmerhaufen, Balkenenden, die einige hundert Jahre das Licht nicht gesehen hatten, starrten daraus empor. Mit einem Haken und einem Korbe versehen, kroch ein fadenscheinig gekleideter Greis auf dem grauen Trümmerberge herum, der dort ich weiß nicht was zu finden hoffte.

Oder weiß ich es etwa und sage es nicht?

Es war am Morgen nach diesem Traum, als ich unwiderstehlich hierher fortgerissen wurde.

Ich wollte noch einmal in die Hut der steinernen Mutter meiner Seele zurücktreten, bevor sie von der Erde verschwand. Ich wollte etwas Ähnliches wiedergenießen wie den süßen Schlaf des Kindes im Mutterleib, jenen Schlaf, in dem gewisse heilige Anachoreten einen Zustand sehen, darin sich das verlorene Paradies noch erhalten hat.

Wir leben im Herbst. Der Mond tritt über den Hochwald, heraus, es ist eine seltsam atemlos schweigende Nacht. Vergeblich hoffe ich auf ein Blattrascheln im Park, einen Menschenlaut von der Kurpromenade — kein Hund im weiten Umkreis gibt Laut.

Da ist ein Schweigen, das auch durch die wenigen Worte, die ich niederschreibe, nicht gebrochen werden kann, wird mir doch die Ohnmacht des Wortes hier überzeugender als je zu Gemüte geführt.

Denn dieses Schweigen da draußen und überhaupt um mich her ist auf eine, auf seine Weise beredt. Es gleicht dem Schweigen des Trappisten, der innerlich sein Gelübde in jeder Sekunde zehnmal bricht. Dieser stumme, versiegelte Mund hat sintfluthafte Beredsamkeit. Ich könnte nicht enden, wenn ich mit meiner schweren Zunge auch nur etwas davon zu verraten mich unterfinge.

Ich weiß nicht, ob es einer oder zwei totgeborene Brüder gewesen sind, die mein Vater in der Düsternis des gegenüberliegenden Gartens eigenhändig begrub.

Weshalb bin ich hierhergekommen? Um den Schlaf des Ungeborenen zu schlafen, sagte ich. Um das Leben des Neugeborenen zu leben, setze ich hinzu. Aber schließlich auch, um, im Drange eines gesunden Alters, dem mir so ehrwürdigen Gehäuse meine Reverenz zu machen, bevor sein Staub in die Winde verweht.

Als ich die vorstehenden Blättchen beschrieben hatte, ahnte ich nicht, was mir in dieser Nacht noch begegnen sollte. Meine Uhr zeigt vier. Ich will versuchen, von meinen Gesichten festzuhalten, was in aller Eile festzuhalten ist, denn ich höre schon reden rings ums Haus, es wird eine Leiter angelegt, der Schnabel irgendeiner Spitzhacke holt sich da und dort eine Kostprobe, das unbarmherzige Werkzeug der Vergänglichkeit, der böse Laut der Vernichtung dringt brennend in meine Seele ein. Und trotzdem: in dieser Nacht, alter Gasthof zur Krone, hat man Dich unverwundbar gemacht! Laß fahren dahin Deinen morschen Leib, Deine Seele ist unsterblich geworden. Die Herrscher der intelligiblen Welt haben diese Stunde in Deine wahre Geburtsstunde auslaufen lassen. Mag man Dir nun die Mütze vom Kopfe schlagen, die Fensteraugen eindrücken, die Türverschalungen absprengen, das goldene Kronensymbol von der Stirn reißen: Du bist, Du bleibst, Du erstehst schöner, als Du gewesen bist! Und was Du gewesen bist, sieht man erst jetzt, wo es klar wird, mit welcher über ganz Europa verzweigten Familie Du in Blutsverwandtschaft verbunden bist, und welchen Rang Du in ihr zu beanspruchen hast!

Ich war also gestern abend mit der letzten Pächterin meines Elternhauses in den bekannten Keller hinuntergestiegen, wo ich so oft beim Abfüllen der Fässer geholfen hatte. In einem verborgenen Winkel, wie sie sagte, lägen noch Flaschen aus jener Zeit. Sonahm ich vier Bouteillen davon, die sich als einundsiebziger Johannisberger auswiesen. Mit ihnen zog ich mich in Numero Sechs, vor die Tür der bösen Sieben, also gleichsam an den unteren Rand meines Lebens, zurück. Diese kleine, kaum erhabene, ausgetretene Holzschwelle des dumpfen Gemachs war also die allererste, über die ich gestolpert bin.

Ich hatte die erste Flasche noch nicht geleert als ich erkannte, daß ich von ganz anderen Mächten und zu einem ganz anderen Zweck hierherberufen worden war, als ich mir vorstellte.

Das erste, was mich seltsam berühren mußte, war die Anwesenheit einer Spicknadel. Ich wußte nicht, wieundaus welchem Grunde sie in den Eimer, indemdas Eis um den Johannisberger, Jahrgang einundsiebzig, klirrte, gekommen war, undweshalb ich mich, als ich nach einer Flasche griff, in