Die Sweet-Teddy-Theorie - Lucy Chalice - E-Book

Die Sweet-Teddy-Theorie E-Book

Lucy Chalice

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Beschreibung

Nach Hot-Henry ist nun sein Zwillingsbruder an der Reihe!

Dr. Hannah Havens ist erfolgreich, unabhängig, aber so stachelig wie ein Igel im Brombeerstrauch. Und nicht auf der Suche nach Liebe. Als sie in die Kleinstadt zurückkehrt, in der sie aufgewachsen ist, ist das Letzte, was sie gebrauchen kann, Teddy Fraser zu begegnen, dem umwerfend schönen Mann, mit dem sie einst geknutscht hat. Er ist definitiv ein Frauenheld, der größte Flirt, den sie je getroffen hat, und jemand, den sie um jeden Preis vermeiden sollte.

Trotz ihrer besten Vorsätze, Teddy auf Abstand zu halten, taucht er immer wieder auf. Hannahs Geduld mit seiner übertrieben fröhlichen Art lässt langsam nach, aber ihr Chef hat sie ermahnt, ihre soziale Kompetenz zu verbessern. Und mit seiner freundlichen und charismatischen Persönlichkeit kann sich Hannah seinem Charme nicht ewig entziehen …


»Eine herzerwärmende Geschichte mit reverse-grumpy-x-sunshine-Trope … Ich war völlig gefesselt« – Julie Caplin

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Seitenzahl: 416

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Zum Buch:

Dr. Hannah Havens ist erfolgreich, unabhängig, aber so stachelig wie ein Igel im Brombeerstrauch. Und nicht auf der Suche nach Liebe. Als sie in die Kleinstadt zurückkehrt, in der sie aufgewachsen ist, ist das Letzte, was sie gebrauchen kann, Teddy Fraser zu begegnen, dem umwerfend schönen Mann, mit dem sie einst geknutscht hat. Er ist definitiv ein Frauenheld, der größte Flirt, den sie je getroffen hat, und jemand, den sie um jeden Preis vermeiden sollte.

Trotz ihrer besten Vorsätze, Teddy auf Abstand zu halten, taucht er immer wieder auf. Hannahs Geduld mit seiner übertrieben fröhlichen Art lässt langsam nach, aber ihr Chef hat sie ermahnt, ihre soziale Kompetenz zu verbessern. Und mit seiner freundlichen und charismatischen Persönlichkeit kann sich Hannah seinem Charme nicht ewig entziehen …

Zur Autorin:

Lucy Chalice ist eine medizinische Fachautorin aus dem Vereinigten Königreich mit einem Doktortitel in Zellbiologie. Sie redet gerne über Wissenschaft und Pferde, hört Softrock-Musik aus den 1980er-Jahren (Jon Bon Jovi, ruf mich an!?) und liest gerne Geschichten mit Happy End. »Der Hot-Henry-Effekt« ist Lucys erster Roman und war für sie ebenso eine Überraschung wie für alle, die sie kennen. 

Lucy Chalice

Die Sweet-Teddy-Theorie

Roman

Übersetzt aus dem Englischen ins Deutsche von Werner Patels für Nuanxed

HarperCollins

Die Originalausgabe erschien 2024 unter dem Titel Fundamentals in Flirting bei One More Chapter HC, London.

© 2024 by Lucy Chalice

Deutsche Erstausgabe

© 2025 für die deutschsprachige Ausgabe

HarperCollins in der

Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH

Valentinskamp 24 · 20354 Hamburg

[email protected]

Covergestaltung von Guter Punkt | Agentur für Gestaltung, München

Coverabbildung von Andreas Sträußl Guter Punkt, München | Kudryavtsev Pavel, luplupme, intararit / iStock

E-Book-Produktion von GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN9783749909407

www.harpercollins.de

Jegliche nicht autorisierte Verwendung dieser Publikation zum Training generativer Technologien der künstlichen Intelligenz (KI) ist ausdrücklich verboten. Die Rechte der Urheber, Urheberinnen und des Verlags bleiben davon unberührt.

An die streberhaften Mädels aus Wissenschaft und Forschung: Ihr seid einfach toll, so wie ihr seid.

Playlist

We Are Never Ever Getting Back Together – Taylor Swift

As It Was – Harry Styles

Risk – Gracie Abrams

Bags – Clairo

teenage dream – Olivia Rodrigo

Good Graces – Sabrina Carpenter

‘tis the damn season – Taylor Swift

Positions – Ariana Grande

People You Know – Selena Gomez

I know it won’t work – Gracie Abrams

Love Again – Dua Lipa

Astronomy – Conan Gray

Landslide – Haley Klinkhammer

What Happens Now? – Dasha

Diet Pepsi – Addison Rae

Vertigo – Griff

Wish You The Best – Lewis Capaldi

Mirrorball – Taylor Swift

I Had Some Help – Post Malone

West Coast – Lana Del Rey

All My Love – Noah Kahan

There She Goes – Sixpence None The Richer

Invisible string – Taylor Swift

1

Dafür, dass es der erste Kuss war, haute er mich ziemlich aus den Socken.

Es war zwar nicht grundsätzlich mein erster Kuss, aber es war das erste Mal, dass ich geküsst wurde, ohne dass ich das Gefühl hatte, mich gleich in den Mund des Kusspartners übergeben zu müssen. Normalerweise störten mich zu viel Zunge, zu viel Speichel oder Lippen, die sich auf unangenehme Weise festsaugten wie eine Saugglocke im Gesicht. In der Tat hatte es sich bei meinen recht begrenzten Kuss-Erfahrungen als Teenager eher so angefühlt, als wäre mein Mund den turbulenten Auswirkungen des Knutschens mit einer Waschmaschinentrommel ausgesetzt gewesen, statt dem verführerischen und emotional befriedigenden Erlebnis, das ich mir vom Küssen erhofft hatte. Aber wer will sich, wenn man sich wieder voneinander losreißt, die Spucke aus dem Gesicht wischen? Ekelhaft.

Aber Teddy Fraser an seinem achtzehnten Geburtstag auf einer Bank am Rande des Rugbyfeldes zu küssen, war ein aufschlussreiches Ereignis. Der Abend war überraschend warm, helle Sterne bedeckten den Himmel über uns, das gleichmäßige Dröhnen der Bässe aus der Disco hallte in weiter Ferne aus dem Clubgebäude hinter uns, der berauschende Geruch von Lynx Africa strömte in meine Nase. Aber es waren Teddys gemächliche und doch gründliche Technik und seine großen Hände, die federleicht auf meinem Gesicht lagen und sich in mein Haar fädelten, die mir das Gefühl gaben, der einzige Mensch auf der ganzen Welt zu sein, den er küssen wollte.

Wir waren allein und ein bisschen beschwipst, und ich dachte für ein paar kurze Augenblicke, dass ich vielleicht wirklich verliebt sei.

Bis er sich von mir löste und mit heiserer Stimme anfing zu reden. »Scheiße, Hannah Havens, ich hätte nie gedacht, dass jemand wie du so küssen kann.«

Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, was er da eigentlich gesagt hatte. Jemand wie ich? Was wollte er damit sagen? Wir waren noch immer ziemlich nah beieinander, unsere Nasen berührten sich fast, der orangefarbene Schimmer des Laternenpfahls warf einen Schatten auf Teddys Gesicht, aber selbst in diesem Licht konnte ich sehen, dass seine Pupillen geweitet waren, während sein rasender Atem über meine Lippen strömte.

»Was?«, fragte ich verwirrt, da mein Verstand nach den drei großzügig gemixten Cuba Libres, die ich getrunken hatte, immer noch ein wenig träge war.

Ganz zu schweigen von dem berauschenden Kuss, von dem ich mich noch immer nicht ganz erholt hatte.

Teddy lachte. »Du küsst wie ein Pornostar.« Langsam strich er mit einem Finger über meine Wange und beugte sich vor, offenbar, um die zweite Runde einzuläuten.

»Ein Pornostar?«, wiederholte ich fassungslos.

In diesem Moment dämmerte ihm wohl, was er gerade gesagt hatte, und er wich abrupt zurück. »Äh, na ja, ganz so habe ich das nicht gemeint. Es ist nur so, dass du überraschend gut küssen kannst.«

»Überraschend gut?«

»Scheiße. Was ich eigentlich sagen wollte, war unerwartet. Ich meinte unerwartet.« Er war verunsichert. Das war mir klar, aber ich hatte nicht vor, ihn vom Haken zu lassen. Nicht Teddy Fraser, die eine Hälfte der berüchtigten Fraser-Zwillinge und der eingebildete, selbstbewusste, arrogante Schwarm der gesamten Oberstufe.

»Unerwartet? Was hast du denn erwartet, als du mir hierhergefolgt bist und mich geküsst hast, Ted?« Denn der Kuss war eindeutig von ihm initiiert worden, nicht von mir.

Ich war nach draußen gegangen, um frische Luft zu schnappen, denn mein Kopf brummte von dem unaufhörlichen Dröhnen kitschiger Popmusik. Alle meine Freunde waren entweder mit jemandem auf der Tanzfläche oder versuchten, jemanden zu finden, mit dem sie auf die Tanzfläche gehen konnten. Sogar meine beste Freundin Betsy Okoro, von der ich wusste, dass sie nicht wirklich auf Jungs stand (obwohl ich die Einzige war, der sie das eines Abends während unserer Bio-Hausaufgaben unter Tränen gestanden hatte), knutschte in der Nähe des Mädchenklos ganz schön leidenschaftlich mit dem Streber Rob Parsons rum. Ich war glücklich allein und genoss die Ruhe, als Teddy mich überrumpelte und sich lässig neben mich setzte, obwohl es mindestens ein halbes Dutzend andere Bänke gab, die er hätte wählen können. Wir hatten uns kurz unterhalten, belangloses Geplauder über seinen Geburtstag und darüber, wie uns die Party gefiel, dann hatte er sich vorgebeugt, war mir ganz nahe gekommen und hatte eine einzelne Haarsträhne, die mir ins Gesicht geweht war, zurückgestrichen. Seine Fingerspitzen hatten meine Haut zart berührt, bevor er langsam noch näher kam, seine Lippen dicht an meine hielt und sanft ausatmete.

»Ich werde dich jetzt küssen, wenn du das möchtest, ja?«, hatte er gesagt.

Und ich hatte zustimmend genickt. In dieser Sekunde hatte ich es auch definitiv gewollt, weil ich mich fragte, ob nun der Moment gekommen war, in dem mein achtzehnjähriges Gehirn endlich mit der Leidenschaft und Sehnsucht nach einem anderen Menschen entflammt wurde. Oder ob ich nur die nächste Enttäuschung mit feuchtem Gesicht erleben würde, die ein weiteres peinliches Ausweichmanöver im Gemeinschaftsraum der Oberstufe zur Folge hätte.

Aber nein, der Kuss war spektakulär gewesen. Ich fühlte mich jetzt aus einem ganz anderen Grund peinlich berührt. Und eigentlich war ich auch verdammt sauer.

Mit einer routinierten Bewegung fuhr Teddy sich mit den Fingern durch sein flauschiges Haar und grinste mich schief an. »Ehrlich gesagt, Hannah, habe ich nicht erwartet, dass du mir überhaupt erlauben würdest, dich zu küssen.«

»Warum hast du es denn dann versucht?«

»Weil ich dich wirklich küssen wollte. Du mich etwa nicht? Es sah auf jeden Fall so aus«, erwiderte er selbstgefällig und stieß mit seinem Knie gegen meines.

Er war unmöglich. Und hinreißend. Aber in erster Linie war er unmöglich und brachte mich zur Weißglut.

Ich war zusammen mit Teddy und seinem Zwillingsbruder Henry im Matheunterricht, und die beiden waren wahnsinnig begabt. Henry war sympathisch und charmant, ja geradezu liebenswürdig, und ein paarmal hat er mir bei besonders kniffligen Hausaufgaben geholfen. Teddy hingegen verbrachte mehr Zeit damit, die Schar von Mädchen anzubaggern, von denen die Zwillinge ständig umschwirrt wurden, als tatsächlich zu arbeiten. Irgendwie schien er es zu schaffen, bei sämtlichen Tests achtzig oder neunzig Prozent zu erreichen, ohne sich überhaupt anstrengen zu müssen – als wäre er eine Art Supergenie. Ziemlich unfair, wie ich fand.

Ja, Teddy Fraser war wirklich nervig, und daran hätte ich denken sollen, bevor ich ihn abknutschte.

Ich rutschte ein wenig auf der Bank herum, um mir etwas mehr Platz zu verschaffen. »Der Kuss war ganz okay, denke ich mal.«

»Nur okay? Bist du sicher? Du hast nämlich dieses kleine verführerische Stöhnen von dir gegeben, und darum dachte ich, dass du ziemlich drauf abfährst, Hannah«, murmelte Teddy und schaute mich von der Seite an.

Ich spürte, wie ich errötete, als ich die letzten Augenblicke noch mal Revue passieren ließ, in denen ich mich im Gefühl seiner Lippen und seiner Zunge verloren hatte, in der sanften und eindringlichen Art, wie sie mich streichelten, wie er sanft knabberte. Ich erinnerte mich an seine Finger in meinen Haaren und seinen warmen Atem auf meiner Haut, als er mit seinem Mund meinen Hals entlangfuhr.

»Ich hatte schon bessere Küsse, Teddy«, log ich und bemerkte mit einiger Genugtuung, dass seine Schultern leicht absackten. »Aber du hast mir definitiv den Rest gegeben, als du mich mit einem Pornostar verglichen hast.«

Ich stand von der Bank auf und strich mein leicht zerknittertes Oberteil glatt. Dies sollte die letzte Party sein, an der ich teilnahm, bevor ich anfangen würde, für mein Abitur zu lernen. Und dann würde der Sommer kommen, vollgepackt mit stundenlangen Praktika, zu denen ich mich verpflichtet hatte, seit es mir gelungen war, einen vorläufigen Platz an der veterinärmedizinischen Fakultät zu ergattern. Für mich gab es keine anderen Optionen, keinen Plan B. Ich hatte mir das gewünscht, solange ich denken konnte, und stand jetzt kurz davor, meine Träume zu verwirklichen. Jungs standen nicht auf dem Programm, und mir lag wirklich daran, erst recht diesem bestimmten Jungen hier so schnell wie möglich zu entkommen.

»Es tut mir leid, dass ich das gesagt habe. Es sollte ein Kompliment sein. Zugegeben, ein beschissenes, aber bitte geh noch nicht.« Teddy machte Anstalten, meine rechte Hand zu ergreifen.

Aber ich zog sie weg. »Was soll das? Drinnen vermissen sie dich bestimmt schon, denn da sind viele andere Mädchen, die sich über etwas Aufmerksamkeit von dir freuen würden.«

»Von denen da drinnen will ich aber keine küssen«, sagte er und neigte seinen Kopf in Richtung des Rugbyclub-Hauptgebäudes. »Ich will dich küssen. Noch mal. Bitte bleib.«

»Warum ausgerechnet mich?«

Gute Frage. Ich war meilenweit davon entfernt, etwas Besonderes zu sein. Meine ausgestellten Jeans und mein schlabberiges T-Shirt waren etwas völlig anderes als die ausgefallenen Kleider und figurbetonten Klamotten der anderen. Ich wandte den Blick ab und ließ den Vorhang aus meinen langen rotblonden Haaren über meine Wange fallen, um mich vor Teddys Blicken zu verbergen. Mein Haar war ein Schutzschild gegen die Welt, eine Ablenkung von meinem unvollkommenen Gesicht. Einem Gesicht, das ich an den meisten Tagen nur mit Mühe im Spiegel betrachten konnte. Einem Gesicht, das mich dem Spott meiner Klassenkameraden aussetzte. Einem Gesicht, das ich verachtete. Perfektion – das war es, wonach alle strebten. Symmetrische Züge, klare Haut, braun gebrannt und bildschön. Genau wie Teddy Fraser.

»Sosehr du mich auch in Rage bringst, ich mag dich, Hannah«, erwiderte Teddy. Dann wandte er sein Gesicht ab und flüsterte so leise, dass ich ihn kaum hören konnte: »Und du bist das schönste Mädchen, das ich je gesehen habe.«

Tatsächlich sagte er es sogar so leise, dass ich mich fragte, ob ich mir das nur eingebildet hatte, weil mein Unterbewusstsein sich danach sehnte, dass jemand diese Dinge zu mir sagte. Obwohl mir in Wirklichkeit klar war, dass es nie dazu kommen würde. Nun, zumindest würde es niemand, der diese Worte zu mir sagte, jemals ernst meinen. Mein Aussehen war ein Fluch, und es war sicher besser, mich stattdessen auf meinen Verstand und meine Fähigkeiten zu konzentrieren. Die beliebten Mädchen meines Jahrgangs erinnerten mich weiß Gott jeden Tag an diese Tatsache. Ich wusste längst, dass ich meine Strebermentalität akzeptieren sollte, weil ich mich damit auf viel sichererem Boden befand.

Die Türen des Clubhauses öffneten sich, und Teddys Bruder Henry tauchte dort auf, ging erst auf uns zu, blieb dann aber abrupt stehen.

»Ted, kommst du wieder rein?«, rief er herüber, die Hände in den Taschen, den Blick abgewandt, um uns etwas Privatsphäre zu geben, wie ich annahm.

»Ja, ja, gleich«, rief Teddy zurück, dann schaute er wieder mich an und lächelte. »Der verdammte Streber hasst es, im Mittelpunkt zu stehen. Er will nur, dass ich für ihn den Kopf hinhalte.«

Die Beleidigung traf mich mitten ins Herz. Ein Streber zu sein war das, was ich gut konnte, und er machte sich darüber lustig. Ich ballte meine Fäuste und stand auf, um Henry zurück ins Haus zu folgen.

»Stimmt, wir Streber sollten uns am besten einfach in einer Ecke verstecken, nicht wahr?«, sagte ich zu Teddy, wobei sich absichtlich eine gewisse Schärfe in meine Stimme einschlich.

»Warte, Hannah, bitte.« Teddy ergriff meine Hand und ließ mich diesmal nicht los.

»Was ist denn?«

»Wegen heute Abend … ich habe mich nur gefragt, ob du vielleicht … oder ob wir vielleicht …« Seine Stimme verstummte, als eine Gruppe von Mädchen um die Ecke des Gebäudes bog, mit brennenden Zigaretten in den Händen. Mandy Shaw – Turnerin, wunderschön, Oberschicht, Schwerpunkt Soziologie, meine Peinigerin und die Person, die ich in der Schule am wenigsten mochte – führte die Gruppe an und steuerte direkt auf uns zu.

»Was, Ted? Was soll ich tun? Soll ich über das, was gerade passiert ist, schweigen?«, flüsterte ich bissig.

»Was? Nun, ähm …«, stammelte er und fühlte sich zunehmend unbehaglich, als sich die Mädchengruppe näherte. Sie hatten ihre Köpfe neugierig zur Seite geneigt, was darauf hindeutete, dass sie uns gesehen hatten und unbedingt herausfinden wollten, was da vor sich ging.

»Hör zu, mach dir keine Sorgen. Ich werde es niemandem erzählen. Es ist ja nicht so, dass ich stolz auf mich bin«, zischte ich. »Ich weiß, dass das nicht mehr war als eine betrunkene Rumknutscherei, ein Fehler. Ich gehe nicht davon aus, dass du jetzt allen verkündest, dass wir ein Paar sind. Ich bin nicht dumm. Ich erwarte also von dir keine ritterliche Geste, Teddy Fraser. Du bist ja schließlich nicht Henry, oder?«

Die Luft um uns herum wurde sofort eisig. Teddys Verhalten änderte sich, er wirkte plötzlich defensiv und noch etwas anderes … verletzt vielleicht?

»Nein. Ich bin definitiv nicht Henry«, blaffte er, ließ meine Hand fallen, als würde meine Berührung seine Haut verbrennen, und trat zurück.

»Nein, bist du wirklich nicht«, gab ich ebenso schroff zurück.

Im sanften Schein der Lampe funkelten wir einander finster an.

In diesem Moment schloss Mandy zu uns auf. »Teddy«, sagte sie in diesem gedehnt-quengelnden Ton, der typisch für sie war. »Was machst du denn hier mit der da?«

»Nichts«, sagten wir beide gleichzeitig, und Mandy blickte skeptisch von einem zum anderen.

»Wir plaudern über die Mathe-Nachhilfestunden, die er braucht«, fügte ich mürrisch hinzu, und Teddy schnaubte ungläubig.

»Du bist wirklich so ein seltsamer verdammter Loser, Hannah. Warum in aller Welt sollte Teddy auf seiner Geburtstagsparty über Mathe-Nachhilfe reden wollen?« Mandy lachte hämisch. In meiner Fantasie hing eine Zielscheibe mit ihrem Gesicht darauf vor mir, und es machte mir großen Spaß, mit erschreckender Regelmäßigkeit in Gedanken spitze Gegenstände darauf zu werfen. So auch jetzt.

Ich zuckte mit den Achseln. »Er braucht etwas Hilfe mit den Grundlagen«, antwortete ich gelassen und entfernte mich von dieser Gruppe jugendlicher Arschlöcher, die ich in ein paar Monaten mit allergrößter Wahrscheinlichkeit für immer hinter mir lassen würde. Ohne jemals wieder einen weiteren Gedanken an sie zu verschwenden.

2

Fünfzehn Jahre später

Ich veränderte meinen Blickwinkel, um herauszufinden, ob der Anblick vor mir dadurch leichter zu verstehen war. Nein. Immer noch lugten zu viele Beine unter der Bettdecke hervor, zu viele Körper wanden sich unter der Bettdecke, begleitet von dem unverwechselbaren grunzenden, keuchenden Geräusch, das Jonathan von sich gab, wenn er kurz vor dem Höhepunkt stand.

Es war schwer zu sagen, was ich nun tun sollte. Mein unbeholfenes britisches Taktgefühl drängte mich, den Raum zu verlassen, die Tür leise hinter mir zu schließen und so zu tun, als hätte ich das nie gesehen. Ich wollte mir eine starke Tasse Tee machen und mich hinsetzen. Vielleicht sogar eine ganze Packung Bourbon-Kekse essen und ein bisschen weinen.

Aber ein anderer Teil meines Gehirns, der Wen-juckt’s-Teil, wollte davon nichts wissen und erwachte aus seiner Benommenheit, hellwach und wütend. Und wollte diese katastrophale Grenzüberschreitung auf keinen Fall auf sich beruhen lassen.

»Um Himmels willen, Jonathan, warum musst du ausgerechnet so ein Mistkerl sein?«, sagte ich. Laut. Ich war stolz darauf, dass meine Stimme nicht schwankte oder zitterte. Ich war die personifizierte Rationalität, auch wenn sich meine Gedärme überschlugen und mir bittere Galle in die Kehle stieg, während mein Liebesleben spektakulär um mich herum zusammenbrach.

Alles Zappeln und Grunzen hörte plötzlich auf. Ein Zipfel der Bettdecke lichtete sich, und sein Gesicht kam zum Vorschein, mit geröteter Haut, obszön keuchend und mit zerzaustem sandfarbenem Haar.

»Hannah?! Es ist nicht …«

»Wenn du mir sagen willst, dass es nicht so ist, wie es aussieht, hole ich mir das Phenobarbital aus dem Auto und ziehe genug davon in die Spritze auf, um ein Pferd zu töten«, fauchte ich ihn an. Eine wütende, selbstgerechte Gewalt, die wahrscheinlich von meinen Wikingervorfahren herrührte, bäumte sich in mir auf angesichts der furchtbar klischeehaften Art und Weise, in der unsere Beziehung enden würde.

Neben ihm erschien ein dunkelhaariger Kopf, die Augen weit aufgerissen, der Ausdruck ängstlich. Mein Gott, das war ja noch schlimmer. Absolut demütigend und widerlich. Auf allen Ebenen.

»Also echt jetzt, du vögelst deine Doktorandin, Jonathan?«

»Wir lieben uns«, murmelte er.

Ungläubig starrte ich auf sein einst vertrautes und attraktives Gesicht, das sich nun wie ein Klumpen Erbrochenes in meinem Gehirn festsetzte. Anfangs hatte ich ihn selbstbewusst und charismatisch gefunden. Ich hatte mich über seine leichte Herablassung amüsiert, die nur halbherzig als Humor getarnt war. Mich beeindruckte seine angeborene Fähigkeit, sich mit seinem freundlichen, vornehmen Charme bei allen einzuschmeicheln. Er war so sympathisch und hilfsbereit gewesen, hatte sich für meine aufkeimende Karriere eingesetzt und war jederzeit bereit gewesen, mir seine Kontakte oder sein Wissen zur Verfügung zu stellen, um meine Forschungen voranzutreiben und mir dabei zu helfen, mich zu entfalten. Und als er mir schon so früh in unserer Beziehung gesagt hatte, dass er mich wollte, dass er mich liebte, dachte ich wirklich, ich hätte im Liebeslotto gewonnen und mein Happy End gefunden. Aber jetzt diesen Verrat aus erster Hand mit anzusehen, war ein hässlicher Schlag in die Magengrube, eine kalte Erkenntnis, eine plötzliche nackte Akzeptanz, eine Ohrfeige. Ich hatte ihm überhaupt nichts bedeutet. In Wirklichkeit war er die ganze Zeit über nur ein betrügerischer und verlogener Wichser gewesen, und ich war ihm auf Gedeih und Verderb verfallen. Wie dumm war ich eigentlich?

»Liebe? Das soll das hier sein?« Ich richtete meinen wütenden Blick auf die junge, beeinflussbare Frau, die verzweifelt überallhin schaute, nur nicht zu mir. »Nun, ich hoffe aufrichtig, dass er dich zum Orgasmus bringen kann, Daisy, denn das ist ihm bei mir in den ganzen zwei Jahren, die wir zusammen waren, nie gelungen.«

Kurz sah sie mir in die Augen und schüttelte leicht den Kopf.

»Was?!«, stammelte Jonathan und starrte sie ungläubig an.

»Du hast mich noch nie zum Höhepunkt gebracht, Jonathan. Ich gehe nachher immer nach Hause und kümmere mich selbst darum«, sagte sie etwas verlegen.

Mit verschränkten Armen lehnte ich mich gegen den Türrahmen, um die weiteren Entwicklungen zu verfolgen. Ich genoss Jonathans Unbehagen in vollen Zügen, trotz der Übelkeit, die immer noch in meinem Magen brodelte.

»Was?!«, wiederholte er. »Warum hast du nichts gesagt?« Er sah zu mir hoch. »Warum hast du nie was gesagt?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Ich dachte, du hättest es vielleicht bemerkt.«

Jonathan drehte sich um, setzte sich auf und rieb sich mit beiden Händen übers Gesicht, während Daisy, seine Doktorandin (und möglicherweise jetzt Ex-Geliebte), aus dem Bett kroch und begann, ihre Sachen zusammenzuklauben.

»Es tut mir so leid, Dr. Havens«, sagte sie zu mir. »Ich war kurz davor, im ersten Jahr durchzufallen, und er hat versprochen, mir zu helfen.«

Entgeistert starrte ich Jonathan an, der immerhin den Anstand besaß, entsprechend beschämt dreinzuschauen.

»Dein Betreuer hat sich entsetzlich verhalten«, beschied ich Daisy. »Du solltest das unbedingt dem Dekan der Hochschule melden. Keine Studierende sollte gezwungen werden, mit einem Professor Sex zu haben, um ihre Noten zu verbessern – oder aus irgendeinem anderen Grund.«

Daisy, die sich in Rekordzeit angezogen hatte, nickte und ging um mich herum zur Tür hinaus, während ich den Menschen anstarrte, den ich zu kennen glaubte – den Menschen, in den ich mich verliebt hatte, der mir aber jetzt so unvertraut und abstoßend erschien, dass es mir vorkam, als würde ich einen Fremden ansehen. Einen schmutzigen, lüsternen Fremden. Die Art von Mensch, bei der man nach einem einzigen Blick das Gefühl hat, dass sich einem die ganze Haut vom Körper ablöst.

»Ich denke, ich gehe dann jetzt mal«, sagte ich. Schließlich war dies sein prachtvolles Haus. Er war hier der leitende Dozent und Professor für Veterinärmedizin, während ich nur eine akademische Forschungsstipendiatin war und noch meine Studiengebühren abzahlte. Ich schwamm nicht gerade im Geld. Und selbst nach zwei gemeinsamen Jahren hatte er mich nicht bei sich einziehen lassen. Stattdessen mietete ich ein schäbiges kleines Zimmer in einem heruntergekommenen Haus in der Nähe der Veterinärschule, zusammen mit einigen anderen Forschungsstipendiaten und Doktoranden. Das waren so die berauschenden Höhen meines Erfolges mit Anfang dreißig.

»Hannah, geh nicht! Wir können das klären.«

»Aber du liebst sie, Jonathan, und ich möchte niemandes zweite Wahl sein, am allerwenigsten die eines sexuell übergriffigen Schwachkopfs wie dir.«

»Hannah, bitte«, flehte er.

»Vielleicht hast du mir einen Gefallen getan. Vielleicht habe ich jetzt endlich die Chance, einen Mann zu finden, der mich im Bett befriedigen kann.« Ich war noch immer erschreckend ruhig. Ein Musterexemplar kalter Gleichgültigkeit. Ich legte das Temperament eines echten Miststücks an den Tag. Es war ein bisschen wie eine außerkörperliche Erfahrung, dieser coolen und gefassten Eiskönigin dabei zuzusehen, wie sie den Mann hier fertigmachte, als ob sie sich einen Dreck darum scheren würde, was gerade passiert war. Doch innerlich waren meine Gefühle in Aufruhr: Ablehnung, Ekel (vor mir selbst und vor ihm) und das Gefühl des Versagens wirbelten in mir herum und bildeten eine ätzende Mischung, die unter meiner Haut brodelte.

Er senkte den Kopf. »Es tut mir leid«, flüsterte er niedergeschlagen.

Meine Entschlossenheit geriet für einen Augenblick ins Wanken, denn trotz meiner scheinbar abgeklärten Miststückhaftigkeit wünschte ich mir im Stillen noch immer, dass dies alles irgendwie ungeschehen gemacht werden und mein kleines, unspektakuläres Leben wieder zu seinem Normalzustand zurückkehren könnte.

»Jonathan, ich …«

Sofort änderte sich sein Gesichtsausdruck, wie bei einem Löwen, der das schwächste Tier in einer Herde von Antilopen erspäht hat. »Du weißt, dass du mich noch immer brauchst, Hannah«, suggerierte er mir. »Du weißt, dass du mich noch immer willst. Ich will dich auch. Wirf das nicht wegen eines dummen Fehlers weg.«

»Ich …« Der kleine, gemeine Kobold, der in meinem Kopf lebte, hatte sich nach vorne gedrängt, um mich darauf hinzuweisen, wie absolut unwahrscheinlich es sei, dass mich jemand anderes begehren könnte, und dass es tatsächlich an ein Wunder grenzte, wenn ein so gut aussehender und erfolgreicher Mann wie Jonathan immer noch auf mich stand. Aber dann erinnerte mich das Geräusch der Haustür, die unten ins Schloss fiel – vermutlich Daisy, die sich hastig aus dem Staub machte –, an den »dummen Fehler«, den ich gerade live miterlebt hatte. Mein Blut begann wieder zu kochen, und ich akzeptierte, dass mir ein Dasein als ewiger Single bestimmt war.

Soll mir doch jemand eine Katze schenken. Oder gleich ein Dutzend.

»Ich will dich nicht mehr. Es ist vorbei.«

Jonathans Miene verfinsterte sich, und ich wusste, was kommen würde, wusste, worauf das hinauslaufen würde. Ich kannte das übliche Muster wütender Verunglimpfungen, die er von sich gab, wenn er in Verlegenheit geriet oder das Gefühl hatte, ihm sei Unrecht geschehen. Ich kannte das schon von ihm, hatte aber oft das Gefühl gehabt, dass er im Recht war. Ich hatte mich in allen Dingen immer auf seine Seite gestellt und war durch meine eigene Anhänglichkeit blind für seinen Scheiß geworden. Aber jetzt musste ich ihm die Stirn bieten, ich musste gewappnet sein.

Komm schon, Eiskönigin, bereite dich auf extreme Niedertracht vor. Und werde auf keinen Fall schwach, was auch immer du tust.

»Ich wäre nie fremdgegangen, wenn du mir auch nur einen Funken Zuneigung gezeigt hättest. Was hast du denn erwartet? Du hast mich quasi in die Arme anderer Frauen gezwungen.«

Frauen? Also gab es mehr als eine.

Wie dumm ich doch war.

»Außerdem bist du im Bett so kalt und unempfänglich, dass es so ist, als hätte man Sex mit einer Leiche. Wenn du eine gute Liebhaberin gewesen wärst, wäre das nie passiert.«

»Also ist das alles meine Schuld? Wahnsinn.« Ich lehnte mich mit dem Rücken gegen den Türrahmen. Das war ein echter Tiefschlag. Ich hatte mehr als einmal versucht, unser Liebesleben aufzupeppen, aber er entschied, dass es entweder die Missionarsstellung sein sollte oder gar nichts. Ich warf ihm einen finsteren Fick-dich-Blick zu.

»Wenn du jemandem davon erzählst, kann ich es dir am Institut sehr schwer machen. Das ist dir doch bewusst, oder?«, fuhr er fort, wobei sein Tonfall nun etwas verzweifelt klang. »Deine akademische Karriere wäre dann vorbei, einfach so.« Er schnippte theatralisch mit den Fingern.

Was für ein Arschloch.

»Du müsstest ganz von vorne anfangen, und ich würde dafür sorgen, dass dir jede Tür vor der Nase zugeschlagen wird«, fügte er süffisant hinzu.

Ich sagte nichts. Traurigerweise wusste ich, dass er recht hatte. Ich wusste, dass er die einflussreichen alten Herren des Instituts um sich scharen und mir jede Chance auf Erfolg verwehren konnte. Ich wusste auch, dass er Daisy auf dieselbe Art drohen würde, und sie würde nachgeben und alles für sich behalten, um ihre eigene, noch junge Karriere nicht zu gefährden.

»Aber wir können das wieder hinbiegen. Ich kann dir verzeihen, dass du nicht zärtlich warst, du kannst daran arbeiten – eine Sextherapie machen oder so –, und wir können einfach weitermachen wie bisher«, schlug er vor, wobei seine Stimme ziemlich überzeugend klang. Lächelnd klopfte er auf die Bettdecke neben sich, doch seine Miene war trügerisch und undurchsichtig. »Komm schon, Hannah. Denk an deine Zukunft. Du weißt, dass ich der Einzige bin, der dir helfen kann, als Tierärztin wirklich erfolgreich zu sein.«

Scheiß drauf.

Zuckersüß lächelnd ging ich zum Bett und sah, wie er seine Züge erleichtert entspannte, im Glauben, dass seine Drohungen und sein Getue meine Entschlossenheit geschwächt hatten – dass es ihm gelungen war, seinen Willen durchzusetzen. Also wie üblich. Ich beugte mich hinunter, sodass sich unsere Gesichter auf gleicher Höhe befanden, und griff heimlich nach dem vollen Wasserglas, das er immer auf dem Nachttisch stehen hatte, aber nie trank.

»Weißt du, was, Jonathan? Du hast völlig recht. Ich denke sehr sorgfältig über meine Zukunft nach, und ich habe kürzlich beschlossen, dass ich eine völlig neue Richtung einschlagen muss. Eine, die verdammt noch mal meilenweit von dir entfernt ist.«

Damit schüttete ich ihm den gesamten Inhalt des Glases über den Kopf und stürmte aus dem Zimmer.

3

Das gleichmäßige Aufschlagen von Plutos Hufen auf der festgestampften Erde war wie eine Trommel, ein hypnotisierender Rhythmus, während wir durch das gedämpfte Sonnenlicht, das den Wald erhellte, galoppierten. Ich dachte an nichts anderes als an die Brise auf meinem Gesicht und an den berauschenden Duft der Wildblumen im Frühsommer. Endlich Zeit für mich, frei vom Druck der Arbeit, Zeit, um präsent zu sein, im Augenblick zu verweilen und all das zu genießen, was dieser herrlich schöne Teil Englands zu bieten hatte, während meine Sorgen dahinschmolzen. Jonathans festem Griff zu entkommen war das Beste, was ich je getan hatte. Mein Leben hatte sich in einer neuen Normalität eingependelt, ich hatte mich mit meinem Schicksal als ewiger Single abgefunden, auch wenn die dramatische Kehrtwende in meiner Karriere eine bittere Pille war, die ich schlucken musste. Aber es war eindeutig eine Erleichterung, nach Hause zu kommen und mich von dem ganzen Mist der vergangenen Monate zu befreien.

Ich stieß einen zufriedenen Seufzer aus und klopfte dankbar Plutos Hals.

»Braver Junge, ruhig jetzt.« Ich zog leicht an den Zügeln und richtete mich etwas im Sattel auf, damit er das Tempo verlangsamte, als der Reitweg eine Kurve machte. Es war wunderbar, friedlich und reinigend.

Bis unversehens die Hölle losbrach.

Pluto legte eine Vollbremsung hin und warf sich nach rechts, als ein Mountainbiker aus der Böschung direkt auf uns zupreschte und lauthals wie ein Rohrspatz schimpfte. Und bevor ich wusste, wie mir geschah, segelte ich wie eine Rakete durch die Luft und steuerte auf mein sicheres Ende im Graben vor mir zu. Ein lauter Knall, wie ein Pistolenschuss, ertönte, als sich meine aufblasbare Schutzweste öffnete. Wie in Zeitlupe trennte sich mein Körper von dem meines Pferdes, wobei die Szene noch dramatisch untermalt wurde von jemandem, der laut aufstöhnte (das war ich), und jemandem, der fortwährend weiterfluchte (das war der Unglücksbringer auf seinem Bike, wie ich annahm).

Die Augen fest zugekniffen, den Körper in den erdrückenden Schraubstock meiner voll aufgeblasenen Schutzweste eingeschlossen, lag ich einen Moment lang still da, umgeben von Bärlauch und zart duftenden Blumen. Mein Hintern versank derweil in einem weichen Stück Erde, wobei der Schlamm bis in meine Unterwäsche durchsickerte.

Na großartig.

»Scheiße, sind Sie okay? Es tut mir so leid. Ich habe Sie nicht gesehen.«

Wie jemand ein fünfhundert Kilogramm schweres, überwiegend weißes Tier übersehen konnte, das sich mit etwa vierzig Stundenkilometern fortbewegte, war mir ein Rätsel, aber viele Leute waren wirklich unaufmerksam. Wie dieser Schwachkopf, ganz offensichtlich.

»Ist mein Pferd in Ordnung?«, flüsterte ich. Mein Körper lag verrenkt da und wurde teilweise vom Unterholz verdeckt, und aus dieser jämmerlichen Position im Graben heraus konnte ich kaum etwas anderes sehen als die Baumkronen über mir. Ich kniff die Augen wieder zu.

»Ähm, woher soll ich das wissen?« Die Stimme war männlich, unsicher.

»Können Sie es sehen?«

»Ja.«

»Steht es?«

»Ja.« Die Stimme gewann mit diesen leicht zu beantwortenden Fragen an Selbstvertrauen.

»Hat es alle vier Hufe auf dem Boden?«

»Ja.« Diesmal klang die Stimme triumphierend, als hätte er gerade einen Sieg bei der Quiz-Sendung »University Challenge« errungen.

»Also keines seiner Gliedmaßen baumelt in der Luft oder sieht komisch aus?« Ich versuchte, den Schwierigkeitsgrad ein wenig zu steigern.

»Äh, nein?« Die Unsicherheit war wieder da.

»Was macht es gerade?« Während der Schutzweste langsam die Luft ausging, begann ich nach und nach wieder etwas zu fühlen.

»Ähm, es sieht aus, als würde es die Hecke fressen.« Eine Pause. »Ist das ein gutes Zeichen?«

»Ja. Sehen Sie Blut an ihm?«

Es folgte eine weitere spannungsgeladene Pause. »Nein.« Die Stimme war etwas zittrig geworden.

Das klang vielversprechend, und ich begann, meine Arme und Beine einzeln zu bewegen, um nach gebrochenen Knochen zu fahnden. Ich war mir instinktiv darüber im Klaren, dass der Mann sich jetzt ganz nah über mich beugte, aber ich hielt meine Augen fest geschlossen und konzentrierte mich auf meine eigene Bestandsaufnahme. Ich wusste, wenn ich ihn ansähe, würde ich wahrscheinlich eine heftige Schimpftirade loslassen, und ich brauchte meinen vollen Atem, um das mit Überzeugung zu tun.

»Können Sie die Augen öffnen?«

Widerwillig öffnete ich meine Augenlider einen Spaltbreit und blinzelte in das schattige Gesicht eines ziemlich großen Mannes mit Fahrradhelm, der am Rand des flachen Grabens kauerte und den die Sonne von hinten anleuchtete. Vorsichtig tastete ich sämtliche Gliedmaßen mit meinen Händen ab. Alles schien sich so zu bewegen und zu reagieren, wie es sollte – keine seltsamen kribbelnden Gefühle oder fehlenden lebenswichtigen Teile –, also begann ich mich stöhnend aufzurichten.

»Langsam, warten Sie. Alles in Ordnung?« Große warme Hände griffen nach meinen Schultern und umklammerten meine Oberarme. »Sind Sie sicher, dass Sie sich hinsetzen sollten? Muss ich einen Krankenwagen rufen?«

»Mir geht es gut, ehrlich. Vergessen Sie den Krankenwagen.« Ich begann, die Verschlüsse der Schutzweste zu öffnen, und der Druck auf meinen Körper ließ nach, sodass ich endlich wieder normal atmen konnte.

Als ich aus meiner Position im Graben nach oben blickte, konnte ich sehen, dass Pluto die Hecke fraß, genau wie dieser verdammte Evel-Knievel-Verschnitt behauptet hatte, und völlig in Ordnung zu sein schien. Mein Pferd beobachtete mich mit mäßigem Interesse zwischen den Kaubewegungen, als wollte es sagen: Ich bin mir nicht sicher, was du da unten machst, Mädchen, aber ich werde hier weiternaschen, bis du bereit bist, nach Hause zu gehen.

Ich lächelte das alberne Tier an – ich liebte es wirklich –, nahm meinen Reithelm ab und warf einen Blick auf den Verursacher dieses vorzeitigen Abstiegs. Er beugte sich über mich, die Sorge stand ihm ins Gesicht geschrieben. Es war ein seltsam vertrautes Gesicht. Ein wunderschönes, nervtötendes Gesicht. Ein Verdammt-noch-mal-dich-kenn-ich-doch-Gesicht. Ein Ich-hatte-wirklich-gehofft-ich-würde-dich-nie-wiedersehen-Gesicht.

Scheiße.

Ich stöhnte verzweifelt. Nein, das konnte nicht wahr sein.

»Alles in Ordnung?«, wiederholte er, beugte sich zu mir herab, berührte sanft meine Schulter und starrte mir fragend in die Augen.

»Ja, mir geht es gut.« Ich hatte nicht vor, zu offenbaren, dass ich ihn kannte, solange er nicht wusste, wer ich war. Das könnte funktionieren. Ich könnte anonym davonkommen, und er hätte keine Ahnung. Alles bestens, die Würde intakt. Hurra.

»Hannah Havens?« Ein Hauch von fassungslosem Staunen färbte seinen Tonfall.

Verdammt.

»Ja, hallo, Teddy Fraser«, ich zog eine Grimasse. »Schön, heute buchstäblich auf dich zu treffen«, murmelte ich sarkastisch.

»Oh mein Gott«, flüsterte er und setzte sich auf seine Fersen, während er mich aufmerksam musterte.

»Gut, da wir beide unverletzt sind, werde ich jetzt gehen.«

Ich fühlte mich unwohl, weil er mich beobachtete, und wollte aufstehen. Eine Schwindelattacke ließ mich vorwärtsstolpern, und ich stieß gegen Teddy. Er fing mich auf und drückte mich dabei kurz an seine Brust. Himmel, er schien so viel breiter und kräftiger geworden zu sein seit unserer Schulzeit, die Muskeln seiner Arme wölbten sich, als er mich aufrichtete. Dann senkte er den Kopf, um mir ins Gesicht zu schauen.

»Hannah, ich denke, ich sollte dich ins Krankenhaus bringen.« Seine Stimme klang rau. Er fuhr mit beiden Händen über meine Arme und verschränkte seine Finger mit meinen.

»Das ist nicht nötig. Mir geht es gut.« Ich löste mich von ihm. Seine Nähe und Zärtlichkeit verursachten eine Welle unerwünschten Verlangens in mir. Meine Libido geriet schon bei dieser simplen Berührung in Aufruhr.

Teddy stand auf, trat nachdenklich zurück und runzelte die Stirn. »Hast du es weit bis nach Hause?«

»Nein, der Stall ist ungefähr zehn Minuten entfernt.«

»Gut, dann begleite ich dich«, sagte er in einem Ton, der keinen Spielraum für Verhandlungen ließ.

Ich schnaubte. »Wer bist du, und was hast du mit dem selbstgefälligen, egozentrischen Kerl gemacht, mit dem ich zur Schule gegangen bin?«

Er hob eine Augenbraue und nagte nachdenklich an seiner Unterlippe. »Ich kann auch ein Kavalier sein, genau wie Henry, weißt du«, murmelte er.

Einen Moment lang starrten wir einander an. Eine seltsame knisternde Intensität lag in der Luft. Geladene Teilchen schienen zwischen uns hin und her zu schwirren, unsichtbare Protonen von Skurrilität, die mich in seinem Blick gefangen hielten, bis ich mit übertriebener Verärgerung meinen Reithelm wieder aufsetzte und zu Pluto ging. Seine Zügel waren gerissen, aber ansonsten war er zum Glück unversehrt. Ich atmete ein paarmal tief durch und konzentrierte mich auf seine verlässliche Statur und seine Vertrautheit. Es war angenehm beruhigend, meine Nase in sein weiches graues Fell zu drücken und den wohltuenden Pferdeduft einzuatmen.

Währenddessen war Teddy im Unterholz verschwunden, um sein Fahrrad aus einer besonders bösartig aussehenden Dornenhecke zu holen. Als er wiederauftauchte, bemerkte ich das Blut, das an seinem Bein herunterlief, dort, wo seine weiten Shorts jetzt eine unanständige Menge Oberschenkel freilegten, was ich angestrengt zu ignorieren versuchte.

Überaktive Libido, lass mich in Ruhe, was zum Teufel denkst du eigentlich, Hannah?

Aber nichts sah so tragisch aus wie sein armes, verbeultes Fahrrad. Das Vorderrad war nicht mehr rund – eher D-förmig –, die Vordergabel schlimm verbogen, der Rahmen ein wenig verdreht. Er blickte trostlos auf das verstümmelte Wrack.

»Kann man es reparieren?«, fragte ich.

Er blickte auf, seufzte und schüttelte leicht den Kopf. »Ich glaube, es ist hinüber.«

»Oh.« Er tat mir ein wenig leid, aber dann fiel mir ein, dass er mit hoher Geschwindigkeit eine steile Böschung hinuntergerast war, und ich runzelte tadelnd die Stirn. »Vielleicht wirst du mit deinem nächsten Fahrrad etwas vorsichtiger sein.«

Teddy schaute mich finster an. »Du warst auch nicht gerade langsam unterwegs, Hannah. Ich musste ziemlich abrupt ausweichen, um nicht dich oder dein Pferd zu rammen.«

Ich starrte ihn an. Er starrte mich an. Pluto mampfte fröhlich etwas klebriges Gras, das an Teddys T-Shirt klebte, ohne sich durch den Anstarrwettbewerb aus der Ruhe bringen zu lassen, der gerade direkt neben ihm ausgetragen wurde.

»Gehört das übrigens dir?«, fragte Teddy und hielt ein verbogenes Hufeisen hoch, und da bemerkte ich, dass nur noch drei von Plutos Hufen angemessen beschlagen waren.

Na toll.

»Ja, danke«, sagte ich und entriss ihm das Eisen.

»Gern geschehen.« Er hob den Lenker an und begann, das Wrack auf dem Hinterrad zu schieben. »Wo ist der Stall?«

Missmutig deutete ich den Hügel hinunter. Er marschierte los, und ich folgte ihm, wobei ich kein bisschen auf das Spiel seiner Rücken- und Armmuskeln achtete.

Nö. Auf keinen Fall. Ganz sicher nicht.

4

Teddy kam mit zum Reitstall, in dem Pluto untergebracht war. An diesem Samstagmorgen glich der Stall einem Bienenstock, und all die zahlreichen Pferdebesitzerinnen drehten sich gleichzeitig um und beobachteten, wie er sein kaputtes Fahrrad neben uns herschob. Sie starrten mit offenen Mündern, als hätte ich gerade einen internationalen Rockstar mitgebracht. Ich brauchte ihn nicht anzuschauen, um zu wissen, dass er sein strahlendstes Lächeln in alle Richtungen versprühte, denn die anerkennenden Blicke der Umstehenden sprachen Bände. Warum musste er immer noch so ein Schwerenöter sein?

»Du hast mir nie gesagt, dass Pferdeställe ein so heißes Pflaster für Frauen sind, Hannah«, sagte er über die Stalltür hinweg, als ich Pluto in seine Box brachte, ihn absattelte und noch einmal nach Verletzungen oder Schäden absuchte, die über das verlorene Hufeisen hinausgingen.

Ohne seine Bemerkung einer Antwort zu würdigen, kümmerte ich mich um mein Pferd, bürstete es und versorgte es mit Heu und Wasser. Teddy hatte sein Fahrrad draußen abgestellt und war mir in den Stall gefolgt. Nun strich er Pluto vorsichtig über den Nacken.

»Okay, Teddy, du siehst, dass es mir gut geht, also musst du hier nicht länger herumhängen«, sagte ich. »Hast du kein Zuhause?«

Meine Gereiztheit schwang in jedem Wort mit. Ich konnte nicht genau sagen, warum mich diese unerwartete Begegnung so aufgewühlt hatte, aber ich war so nervös wie schon lange nicht mehr, und ich wollte unbedingt allein sein, damit ich mich aus dem Zustand befreien konnte, in den er mich versetzt hatte.

»Er fühlt sich so weich an. Ich habe noch nie ein Pferd angefasst«, flüsterte Teddy abwesend. Pluto drehte seinen Kopf und blies einen warmen, süßen Atemhauch über Teddys Gesicht. Das brachte ihn zum Lachen, und er wich einen Schritt zurück. »Will er mir damit sagen, dass er mich mag? Oder dass er mich fressen will?«

»Pluto mag jeden – er ist nicht wählerisch«, murmelte ich mit zusammengebissenen Zähnen.

»Pluto? Du bist ziemlich nett, was?«, fragte Teddy leise und schaute mein Pferd geradezu ehrfürchtig an.

»Also … ein Zuhause?«, hakte ich missmutig nach. »Du hast doch eins, oder?« Ich führte ihn aus dem Stall zurück in den strahlenden Sonnenschein.

»Ja, aber mein Haus ist ziemlich weit weg von hier. Du könntest mich nicht zufällig mitnehmen, oder? Schließlich bist du ja für mein kaputtes Fahrrad verantwortlich.«

»Ich?!«, erwiderte ich, begleitet von einem ungläubigen pferdeähnlichen Schnauben.

»Ich würde sagen, Ja. Eine Mitfahrgelegenheit ist das Mindeste, was du mir anbieten kannst.« Er hatte die Arme über der Brust verschränkt, die in dem Lycra-T-Shirt, das er trug, ziemlich eindrucksvoll zur Geltung kam. Ließ er absichtlich seinen Bizeps spielen?

Ich nahm dieselbe Position ein und kniff die Augen zusammen. »Also, ich würde sagen, dass hundertprozentig du den Unfall verursacht hast.«

Teddy biss sich auf die Unterlippe. Offensichtlich hatte er Mühe, nicht über meinen überheblichen Tonfall zu lachen.

»Ich hingegen würde sagen, es war eher sechzig zu vierzig zu meinen Gunsten«, konterte er gelassen.

»Mathe war noch nie deine Stärke.«

Er grinste einfach nur.

»Du wirst mich doch nicht den ganzen Weg nach Hause laufen lassen, oder? Ich blute, und die Stadt ist meilenweit entfernt. Vor allem, da ich so ein Gentleman war und dich und Pluto sicher zurückbegleitet habe.« Dann zog er einen Schmollmund. So einen richtigen, echten, wie Victoria Beckham. Es sollte eigentlich lächerlich wirken, aber es machte ihn nur noch umwerfender.

Wie ist das überhaupt möglich? So ein nervtötender Mann!

»Also gut«, antwortete ich, drehte ihm bewusst den Rücken zu und marschierte zu meinem Auto.

Was konnte ich sonst tun? Denn obwohl jede Zelle in meinem Körper schrie, dass ich so schnell wie möglich von ihm wegkommen sollte und dass es gefährlich und dumm war, in seiner Nähe zu sein, hatte er doch recht. Ich konnte ihn ja nicht einfach so stehen lassen, oder? Ich musste nur meine innere Eiskönigin wieder zum Leben erwecken, was nicht allzu schwer sein dürfte, wenn ich an meine Schulzeit zurückdachte und daran, wie unglücklich ich gewesen war, als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Ich könnte es schaffen. Ich könnte mich wieder in der Nähe von Teddy Fraser aufhalten, ohne seinem unverhohlenen Charme und seinem epischen Maß an sexueller Potenz zu erliegen, oder? Zumindest hoffte ich das.

»Hannah, was ist das alles für Zeug? Wohnst du in deinem Auto?« Teddy kratzte sich am Kopf, als er in die unendlichen, aber zum Bersten vollgestopften Tiefen meines Kofferraums starrte. »Wie soll da mein Fahrrad reinpassen?«

»Ich bin Tierärztin, Teddy. Das ist die Ausrüstung, die ich mit mir herumschleppen muss, um kranke oder verletzte Tiere zu behandeln«, antwortete ich und verdrehte dabei übertrieben, entschieden und herablassend die Augen.

Oh ja, da ist die Eiskönigin wieder.

Er sah mich an. War das Bewunderung in seinem Blick?

»Du bist Tierärztin?«

»Ja.«

»Wow. Okay, also, ich glaube, ich kann mein Fahrrad auseinandernehmen und es auf den Rücksitz legen, ist das in Ordnung?«

»Gut.«

Er holte ein kleines Multifunktionswerkzeug aus der Reißverschlusstasche seiner Shorts und begann, das Fahrrad schnell zu zerlegen. Seine geschickten Finger lösten die Schrauben und Muttern mit Leichtigkeit, und seine muskulösen Unterarme spannten sich an, als er die Einzelteile des Fahrrads zu einem kompakteren Gebilde zusammenfaltete, das er ordentlich auf einem Plastiksack mit Pferdefutter ablegte, der einen Großteil meiner Rückbank einnahm. Teddy schien sehr zufrieden mit dem Ergebnis seiner Bemühungen zu sein.

Ich rutschte auf die Fahrerseite. Teddy machte es sich neben mir bequem und schob den Beifahrersitz nach hinten, um Platz für seine langen Beine zu schaffen. Ich konnte nicht anders, als ihn anzustarren, bis er mich dabei ertappte und sein Gesicht sich zu einem schiefen Grinsen verzog. Das Auto schien plötzlich sehr klein und erdrückend eng zu sein.

»Da du ja Medizinerin bist, hast du vielleicht irgendwas in deinen Vorräten, um meine Verletzungen zu behandeln?« Er drehte sich mir zu und schaute mich an.

»Ich bin Tierärztin. Ich behandle keine Menschen.« Ich steckte den Schlüssel ins Zündschloss.

»Oh, okay. Aber du könntest mich doch einfach ein bisschen zusammenflicken, oder?«

»Nein.«

»Aber ich könnte gut ein paar Nähte gebrauchen.«

»Das muss nicht genäht werden.«

»Na bitte, du weißt ja doch, wovon du sprichst, Hannah. Bitte? Ich wäre dir wirklich dankbar. Stell dir vor, wie schuldig du dich fühlen würdest, wenn ich am Wundbrand sterbe.«

»Wundbrand?«

»Ja, oder an einer Ganzkörpersepsis.«

»Du bist so eine Drama-Queen.« Ich musterte ihn. Er schaute mich flehend an, mit kapitalem Dackelblick und einem schiefen, schelmischen Lächeln. Sein ganzes Auftreten war vollkommen entwaffnend. Und noch etwas anderes, das ich, wenn ich ganz ehrlich war, lieber nicht näher beschreiben wollte.

»Bitte …«

»Na gut. Im Handschuhfach ist ein Erste-Hilfe-Kasten für Menschen«, gab ich schließlich nach.

Warum lasse ich mich von ihm dazu überreden?

Ich stieg aus dem Auto und ging zur Beifahrerseite. Währenddessen hatte Teddy sich so lange durchs Handschuhfach gewühlt, bis er das kleine grüne Kästchen gefunden hatte und es mir überreichte. Ich säuberte all seine Schrammen mit antiseptischen Tüchern und zog mit einer Pinzette einige Dornen und Kieselsteine heraus. Es war schwierig, nicht auf die Wärme seiner Haut unter meinen Händen zu reagieren, besonders als ich mich an seinem Oberschenkel hinaufarbeitete und versuchte, seinen durchdringenden Blick zu ignorieren, der scheinbar ausschließlich auf das gerichtet war, was ich tat. Aber ich weigerte mich, mir diese Anwandlungen einzugestehen, und zwang meinen Verstand dazu, in den professionellen Modus zu wechseln und alle Gedanken an irgendetwas, das auch nur im Entferntesten persönlich war, zu verdrängen. Besonders die ans Küssen.

Mist, jetzt denke ich ans Küssen.

Konzentriere dich auf die Arbeit, Havens. Mach schon!

Nachdem ich ein paar Pflaster angebracht hatte, die kleinen »Autsch«-Laute ignorierend, die er dabei gelegentlich von sich gab, wagte ich einen Blick auf sein Gesicht.

»Fertig.«

»Danke.«

Ich sah, dass ein kleiner Blutstropfen an seinem Kinn heruntergeronnen und getrocknet war.

»Oh, warte, du hast dir auch den Mund angeschlagen.«

»Ach ja?«, erwiderte er ungewohnt leise, als ich mich näher vorbeugte, um seine aufgeplatzte Lippe zu untersuchen.

Wider besseres Wissen begann ich, sein Gesicht zu säubern, wobei meine Finger die Stoppeln an seinem Kinn berührten, während ich seinen Kopf stützte. Sein Atem war eine sanfte Liebkosung auf meiner Haut, die mich an einen bestimmten Rugbyplatz in einer lauen Sommernacht zurückversetzte und Erinnerungen weckte an den Geschmack und das Gefühl seines Mundes auf meinem, an seine Hände in meinem Haar, an ein leises, verführerisches Stöhnen an meinem Hals. Sie rauschten durch meinen Kopf, als wäre es vor fünfzehn Minuten passiert anstatt vor fünfzehn Jahren. Und wie so oft fragte ich mich, warum er mich in jener Nacht geküsst hatte und warum ich seitdem nie wieder etwas auch nur annähernd Ähnliches erlebt hatte.

Und jetzt kann ich nur noch daran denken, ihn zu küssen. Verdammt!

Abgelenkt, wie ich war, tupfte ich nicht gerade sanft mit Handdesinfektionsmittel auf die Platzwunde an seiner Lippe anstatt mit der antiseptischen Creme, die ich eigentlich verwenden wollte.

»Aua!« Teddy zuckte zusammen, seine langen Finger umschlossen mein Handgelenk und rissen meine Hand weg. »Ich glaube, das reicht schon, Hannah.«

»Du stellst dich aber ganz schön zimperlich an wegen ein paar Kratzern.«

Ich stand auf und wich seinem hellen, klaren Blick demonstrativ aus. Ich registrierte absolut nicht, wie seine Augen funkelten, als wären sie aus Sommerhimmel gemacht, umgeben von einem dunkleren Ring aus Mitternachtsblau. Ich musste meinen hämmernden Herzschlag absolut nicht beruhigen, als ich mich wieder auf den Fahrersitz setzte. Auch musste ich meine klammen Handflächen nicht an meiner Reithose abwischen, damit ich keine Schweißflecken am Lenkrad hinterließ.

Das ist lächerlich.

Ich war eine erwachsene Frau, die sich nicht von blumigen, romantischen Vorstellungen aus der Bahn werfen ließ. Ich war im Leben erfolgreich, weil ich immer vernünftige, logische Entscheidungen getroffen hatte. Und das würde ich auch weiterhin tun, selbst wenn mir das Antlitz eines griechischen Gottes in meinem eigenen Auto schief zulächelte.

»Also, ich hatte deutlich mehr Mitgefühl für dich übrig, als ich dachte, du hättest dir in diesem Graben den Rücken gebrochen«, beschwerte er sich.

»Du übertreibst gerne, nicht wahr, Teddy?« Ich schob die Brille, die ich zum Fahren trug, auf meinem Nasenrücken nach oben, startete den Motor, und wir fuhren einen Moment lang schweigend.

»Die Brille steht dir gut, Hannah. Du siehst aus wie eine heiße Bibliothekarin«, bemerkte Teddy und biss lässig in einen Proteinriegel, den er aus seiner Tasche gezogen hatte.

Ich trat hart auf die Bremse, und wir beide wurden nach vorne gegen das Armaturenbrett geschleudert. Meine Medikamentenflaschen klapperten bedrohlich hinten im Auto, und ich umklammerte das Lenkrad so fest, dass meine Knöchel weiß wurden, die Haut fast durchscheinend. Zum Glück waren wir noch auf der Landstraße, und niemand knallte aufgrund meines improvisierten Notstopps von hinten in mein Auto.

»Was?!« Ich starrte ihn entsetzt an.

»Was?!«, sagte Teddy gleichzeitig. Seine Miene wirkte schockiert, sein Mund war leicht verzogen, während er kaute.

»Eine heiße Bibliothekarin?«, murmelte ich und startete das Auto wieder.

»Das war als Kompliment gemeint, Hannah.« Teddy wischte sich Krümel aus dem Schritt, wo der Proteinriegel gelandet war.

»Ich nehme an, es ist besser, als mit einem Pornostar verglichen zu werden.«

»Ach, damals war ich jung und dumm. Meine Kommentare waren nicht immer gut durchdacht.«

»Aber über die heiße Bibliothekarin hast du wirklich lange und gründlich nachgedacht?«, fragte ich ungläubig.

Teddy lehnte sich in seinem Sitz zurück und seufzte. »Vergiss einfach alles, was ich dir je gesagt habe.«

»Gute Idee.«

Mein Gehirn war völlig hinüber. Ich durfte mich nicht an diesen Kommentar klammern. Ich durfte ihn nicht einatmen und mental verarbeiten, denn er bedeutete mir nichts. Absolut nichts. Teddy war ein notorischer Flirter – das wusste ich noch aus der Schulzeit –, und das Erwachsenwerden schien diesen Aspekt seiner Persönlichkeit nicht gerade verbessert zu haben. Er ließ vermutlich beiläufige Bemerkungen wie »heiß« fallen, um arme, ahnungslose Frauen zu blenden und zu verwirren. Aber er meinte es nicht ernst, jedenfalls nicht mit mir. Der gemeine Kobold in meinem Kopf, der immer angeschlichen kam, sobald ich einen Funken Selbstvertrauen verspürte, drängte sich in den Vordergrund und erinnerte mich daran, dass ich mich mit meinem Aussehen gar nicht erst zu beschäftigen brauchte, dass Männer wie er sich nicht zu Frauen wie mir hingezogen fühlten. Männer wie er, wie Jonathan, hatten mich mit jungen, schönen Frauen betrogen. Mehr als einmal.