Die Tage in Greetsiel - Marlis E. Hornig - E-Book

Die Tage in Greetsiel E-Book

Marlis E. Hornig

4,9

Beschreibung

NORDSEEKRABBEN - WIND - WEITE - MEER Felicitas fährt mit ihrer Tochter Julie und ihrem Parson Russell Terrier Felix nach Greetsiel an der Nordseeküste, um sich zu entspannen und über ihr Leben, ihre Ehe und ihren Beruf nachzudenken. Alessandro und Henrik wollten eigentlich mit ihrem roten Segelboot nach Irland segeln, um Abenteuer zu erleben. Irgendwie stranden sie im Fischer- und Künstlerdorf Greetsiel. Da entdeckt Felicitas am Hafen den Mann, den sie vor vielen, vielen Jahren einmal an der italienischen Blumenriviera geliebt hat. Katastrophe! "Wie ein warmer Sommermorgen bis zum furiosen Endpunkt!" Eine Leserin zu "Verliebt in Greetsiel"

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Namen, Personen und Handlung sind frei erfunden.

Greetsiel, das malerische Fischer- und Künstlerdorf, und die Nordseeinseln gibt es wirklich.

Für meine Familie

Ich weiß nicht,

wie lange ich am Hafen

gesessen und geträumt habe.

Ich weiß nur, dass es einen Ort

gibt, an den ich immer wieder

gerne zurückkehre.

Mitwirkende:

DIE FRAUEN:

Felicitas Wolf:

Journalistin, verheiratet, auf der Suche nach einem Traum

Julie:

Tochter von Felicitas, 24 Jahre jung, Studentin

Marietta Herbst: Sophie Sommer:

Ehemalige Kollegin von Felicitas Freundin von Marietta

DIE MÄNNER:

Alessandro Parole:

Junggeselle, im besten Mannesalter, Fotograf

Henrik:

Junger Mann Noch Weltenbummler

Mats Johansen:

Felicitas‘ Mann Kann sich nicht entscheiden

Ein Schäfer:

Philosoph, ohne Alter

Robin Schäfer:

Junger Schäfer

Erik Hansen:

Mariettas Mann

Ole Winter:

Sophies Traum-Mann

DIE KINDER:

Claire Sophie und Erik Ole

DIE TIERE:

Felix:

Felicitas‘ Parson Russell Terrier

Ariana:

genannt Jani, Sophies Parson Russell

Ophelia: Schafe

Ein Pferd

Inhaltsverzeichnis

Kapitel I: Am Strand des Lebens

Romeo und Julia

Ankommen —Wohlfühlen

Gestrandet

Besuch im Fischerdorf Greetsiel

Ein Abend wie damals

Auf einer Bank im Leeger Park

Julie und Henrik bei den Schafen

Reif für die Insel

Inselzauber

Weiße Düne

Die Bank unweit der kleinen Werft

Total aufgewühlt

Picknick am See

Aussprache

Aus der Sicht des Mannes

Was ist ein Dîner en Blanc?

Frauengespräche

Felicitas‘ Traum

Julie und Henrik in Norden

Dîner en Blanc — Der Unbekannte

Das Segelboot ist startklar

Abschied

Krise

Aussprache

Neubeginn

Greetsiel — wir kommen

Besuch bei Marietta

Schöpfwerk, Kanäle und Siele

Julie und der Schäfer

Dolce Vita

Der Schock

Freitag, 13. November 2015

Die Wende

Ein neuer Tag

Julie und die Schafe

Ein Mann und eine Frau auf einer Insel

Kapitel II: „Warum hast du nicht Nein gesagt?“

Wieder in Bonn

Die drei Zurückgebliebenen

Insel-Feeling

Freude

Abschied oder Neubeginn

Julie kommt nach Hause

Auf der Suche

In einem Eiscafé in Bad Godesberg sitzen Fee und Julie und träumen

Am Hafen von Greetsiel sitzt Fee und träumt

Julie geht zu dem Schäfer

Ophelia

Felicitas ist traurig

Überraschung

Zwei auf gleichem Weg

Nachwort

Kapitel I Am Strand des Lebens

Das Meer ist wie das Leben.

Ein Wellengang:

Mal wild und stürmisch,

mal ruhig und sanft —

immer spannend und aufregend

und weit, unendlich weit…

Marlis E. Hornig

Romeo und Julia

An einem kleinen Hafen in einem Fischerdorf irgendwo am Mittelmeer saß Felicitas mit ihrer Freundin Franziska. Beide Freundinnen schauten aufs Wasser und träumten…

Sie waren in diesen wunderschönen Küstenort gereist, um ihren Berufsalltag in dem etwas verstaubten Büro in einem großen Gebäude am Rhein zu vergessen. Eigentlich wollte Franziska einen netten Italiener kennen lernen. Vielleicht so einen wie Adriano Celentano. Sein Lied „Una festa sui prati“ gefiel ihr so sehr, dass sie eines Tages sagte: „Ich fahre nach Italien und suche mir so einen Mann wie Adriano Celentano! Denn einen Bürohengst möchte ich nicht heiraten!“

„Da komme ich mit!“, meinte Felicitas spontan.

Und nun saßen sie hier am Meer, mit ihrem Strickzeug gewappnet, und waren gespannt auf das Leben. Franziska hatte ihr blondes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden; Felicitas trug ihr langes dunkelblondes Haar offen. Beide hatten halbweite Röcke und rosa T-Shirts an. Das war im Jahr 1983.

Auf einmal schlenderten zwei coole junge Männer vorbei und schauten sich um. Dann blieben sie stehen, gingen 3 oder 4 Schritte zurück und sprachen die beiden jungen Frauen frech an:

„Tedesca? – Inglesa? - Svedesa?“

So begann ein prickelnder Flirt damals in den 80er Jahren.

Franziska verliebte sich in Francesco, der mit seinem schwarzen Haarschopf, den dunkelbraunen Augen und der römischen Nase sehr süditalienisch aussah, und Felicitas in Alessandro, ihren Romeo mit mittelbraunem Haar, blaugrünen Augen und einer schönen klassischen Nase.

Das waren herrliche Tage am Meer, und die beiden jungen Frauen vergaßen ihren Büroalltag. Endlose Spaziergänge, endlose Gespräche am kleinen Hafen, italienische Feste mit den Freunden und Freundinnen der beiden Italian Lover. Spaghetti-Essen im Kreise der Familie. Bei leiser italienischer Musik von Abano und Romina Power „Felicitá“ und… Und es gab Sommerwein! Dieser Wein mundete wie Kirschen und Brombeeren zugleich. Und fühlte sich an wie ein wilder Kuss mit einem unendlichen Versprechen! Mit seinem sanften Bouquet verführte er zum zweiten Glas. Felicitas schaute Alessandro tief in die Augen und fühlte sich im siebten Himmel!

Felicitas und Alessandro verliebten sich von Tag zu Tag immer mehr ineinander. Zärtliche Stunden – leidenschaftliche Küsse. Er war erst 17 Jahre und sie war 27 Jahre alt. Doch das hatte keine Bedeutung. Fallen lassen, den Augenblick genießen. Alles schien so leicht in dieser Umgebung! Am blaugrünen Meer…

Dann kam der Tag des Abschieds. Am Ufer des Meeres saßen die beiden frisch Verliebten, schauten in die Ferne und träumten jeder auf seine Art…

Der junge Mann hatte einen letzten Wunsch:

Jede Liebe ist anders.

Diese Liebe war etwas ganz Besonderes.

Am Strand lagen sie und liebten sich, das Meerwasser überspülte sie. Er spürte ihren ganz besonderen Duft. Duft von Bitter-Orange.

Wie Romeo und Julia konnten sie nicht zusammenkommen…

Ankommen —Wohlfühlen

Felicitas und Julie, die neuen Gäste aus Bonn, stürmen mit ihrem Hund Felix, einem wilden, verspielten Parson Russell Terrier, in ihre Ferienwohnung Skipper Asterix in Greetsiel. Julie, die junge aufgeweckte Studentin, schaut als erstes in die Küche und entdeckt sofort die schwarze Kaffeemaschine.

„Da mache ich uns erst mal einen Kaffee, und wir genießen das schöne Ambiente. Das rote Sofa finde ich einfach toll!“

Schnell stellt Felicitas Felix‘ Körbchen in die Ecke neben dem Sideboard, damit der kleine Racker gar nicht erst in Ermangelung eines eigenen Platzes in Versuchung kommt, das rote Sofa auszuprobieren. Mutter und Tochter freuen sich an dem Duft des Kaffees und sind gespannt auf die Tage im kleinen malerischen Fischerdorf!

Es ist Anfang September im Jahre 2014. Beide Frauen brauchen eine Auszeit vom Alltag. ‚Es sind nicht immer die großen Krisen, die es zu meistern gilt, nein es ist oft der Alltag, der Probleme schafft…‘, das denkt Felicitas so für sich.

Neugierig, wie Julie nun einmal ist, schaut sie sich zunächst im „Skipper Asterix“ um. „Alles sieht so modern aus und ist total passend, liebevoll zusammengestellt und gepflegt. Selbst die langen Cappuccino-Löffel liegen ordentlich hintereinander!“ – Das ist Julies Kommentar. Und dann schaut sie sich die beiden Schlafzimmer an und meint: „Ich schlafe unter dem Foto mit dem hellbraunen Fohlen, das auf einer saftig grünen Wiese sitzt!“

Auf einmal hört sie ziemlich laute Geräusche, die wohl von draußen kommen müssen… Wer oder was ist das wohl? Die Studentin schaut aus dem Fenster ihres Schlafzimmers und…

Gestrandet

Eigentlich wollten Alessandro und Henrik nach Irland segeln. Eigens dafür hatten sie sich dieses tolle rot angestrichene Segelboot mit dem zartblauen Segel von einem Tüftler anfertigen lassen. Sie sind in Bremen gestartet, über Emden gesegelt und landen nun an diesem Sonnentag im September in Greetsiel, ohne dass sie es wollen.

„Hier gibt es auch herrliche weite Wiesen und Schafherden! Fast wie in Irland. Sollen wir nicht bleiben?“, meint Alessandro — vielleicht mit einer Vorahnung.

„Eine prima Idee! Ich bin dabei!“, so die kurze Antwort von Henrik, der immer für etwas Neues offen ist. Die beiden Männer beschließen, ihr Segelboot in der kleinen Werft an der Einfahrt in den Greetsieler Hafen erst einmal überholen und prüfen zu lassen, bevor sie die große Fahrt übers Meer nach Irland starten. Das wird einige Tage dauern, wie der Werftmeister ihnen verkündet. Irgendwie haben die beiden das Gefühl, dass die Uhren in Ostfriesland nicht so schnell ticken wie anderswo in Deutschland. Doch das macht nichts! Wer weiß, welche Abenteuer die beiden hier erwarten?

Nun stehen sie mit ihren großen, dunkelblauen Seesäcken vor der Ferienwohnung mit dem spannenden Namen Piratennest und fühlen sich direkt selbst wie Piraten… Fragt sich nur, was sie erbeuten wollen. Alessandro erzählt alte Geschichten über Piraten — ausgedacht oder wahr — Seemannsgarn: das weiß man nicht. Auf jeden Fall sind die Erzählungen so lustig, dass beide Männer schallend lachen und allmählich immer lauter sprechen.

„Die Herren da draußen vor dem Haus sind aber laut!“, äußert Felicitas etwas indigniert, weil sie wohl müde von der Zug- und Busfahrt ist. Eigentlich will sie nichts hören und nichts sehen, sondern nur entspannen!

,„Solche aufdringlichen Typen können mir gestohlen bleiben!“, sagt sie und verzieht sich in ihr Schlafzimmer. Dort befindet sich über dem großen Bett ein schönes Bild, das einen kleinen Hund am Strand der Nordsee zeigt. Der süße Hund muss wohl ein Parson Russell Terrier sein wie ihr Felix. Das passt!

Im anderen Schlafzimmer beginnt Julie ihren roten Koffer auszupacken und schaut dabei ständig aus dem Fenster in Richtung der beiden Piraten, die wohl auf die nette Hausdame warten, die auch zuvor den beiden Frauen die Ferienwohnung Skipper Asterix gezeigt und alles erklärt hat. Da kommt die Hausdame schon, und die beiden Herren folgen ihr holterdiepolter ins Piratennest. Während ihre Mutter das eher als störend empfindet, findet die Tochter das total lustig! ‚Hier scheint was los zu sein! ‘, denkt sie so bei sich. Dabei hatte sie schon Angst, dass es in dem kleinen Fischerdorf zu langweilig sein wird.

Und es wird noch spannender. Der eine der beiden Herren, ein Georges Clooney-Typ, kommt aus der Tür der gegenüber liegenden Erdgeschosswohnung, mit einer Riesenkamera und einem Stativ gewappnet. Ist er ein Fotograf? Was will er wohl fotografieren? Georges Clooney baut sich gegenüber von der skandinavischen Häuserreihe, bestehend aus fünf rot-weißen Doppelhaushälften, auf und macht mehrere Aufnahmen. Im Vordergrund Zweige eines Baumes, welche das Bild wunderschön einrahmen. Julie beobachtet ihn aufmerksam! Sie ist gespannt auf die neuen Nachbarn!

Mit ihrem Temperament gelingt es ihr schließlich, ihre müde, faule Frau Mama zu überreden, den Abend in einem gemütlichen Restaurant namens Festland, direkt am Hafen gelegen, bei schmackhaften Pasta-Gerichten mit frisch angelandeten Krabben und Rotwein ausklingen zu lassen. Sie beschließen, sich das pittoreske Fischer- und Künstlerdorf morgen in Muße anzuschauen und anschließend auf dem Alten Deich in Richtung Pilsumer Leuchtturm spazieren zu gehen, soweit ihre Füße sie tragen und soweit Felix mitläuft.

Als die beiden Frauen und ihr Russell Felix nach dem letzten Gassigang auf dem Alten Deich wieder an ihrer Ferienwohnung ankommen, entdecken sie die beiden Herren von der Wohnung gegenüber, die auch gerade von ihrem Spaziergang zurückkehren.

Da plötzlich stutzt Felicitas, tritt vor Schreck drei Schritte zurück, wird rot auf den Wangen und stürzt in das Haus. „Uff!“, flüstert sie.

Das ist die ÜBERRASCHUNG des Tages! — Katastrophe!

,Da ist er wieder dieser prickelnde Augenblick wie damals, als wir in dem kleinen, italienischen Küstenort am Strand saßen und Sommerwein tranken. Es ist, als sei keine Zeit vergangen! Als sei die Zeit stehen geblieben. Mein Sommermädchen lächelt genauso wie damals! ‘ Das sind die ersten Gedanken des Mannes aus dem Piratennest, als er die Dame von gegenüber zum ersten Mal sieht.

Besuch im Fischerdorf Greetsiel

Am nächsten Tag schlendern Mutter und Tochter mit dem lebhaften Russell Felix gemütlich durch die Straßen und engen Gassen von Greetsiel. Sie sind begeistert. Die süßen Friesenhäuser und auch die anderen Häuschen, weiß und blau sowie rot-weiß, kleine Boutiquen und urige Restaurants lassen sie schnell das hektische Leben in Bonn vergessen. Wie ein Bilderbuchdorf! Sie werden noch einige Tage damit verbringen, jeden Winkel zu erkunden. Ihr Parson Russell Terrier zieht die beiden immer wieder zum Hafen. Warum wohl? Da an den Netzen der Krabbenkutter scheint sich für Felix ein wahrer Hundenasentraum zu erfüllen. Duften die Netze der soeben angelandeten Kutter doch besonders nach frischen Krabben und gerade gefangenem Fisch, dem sogenannten Beifang.

Plötzlich kommen ihnen die beiden Bewohner des Piratennestes entgegen.

„Was führt euch hierher nach Greetsiel?“, fragt Julie dreist und duzt die beiden ganz unkompliziert.

„Wir sind gleichsam in Greetsiel gestrandet!“, entgegnet Henrik. „Da hinten auf der kleinen Werft liegt unser Segelschiff zur Überholung. Das rote Boot ist eigentlich unser Zuhause für einige Wochen…!“

Traurig schaut Felicitas Alessandro in die Augen, so als wolle sie sagen: ‚Dann bleibt ihr ja nicht lange in Greetsiel‘. Alessandro scheint darüber auch traurig zu sein. Hat er sie erkannt? Nach all den Jahren.

Die vier Menschen und der Hund gehen einen kleinen Weg hinauf auf den Alten Deich. Der Deich führt die kleine Gruppe mit Hund um eine Kurve nach links und dann eröffnet sich ihnen ein einmaliger Blick über eine weite Landschaft. Dahinten liegt irgendwo die Nordsee…

Felicitas‘ Gedanken schweifen zurück zu der Zeit damals in dem kleinen italienischen Hafen am Mittelmeer. Damals und heute ein Blick in die Weite. Warum ist alles so gekommen? Warum nicht anders? Wie wäre ihr Leben sonst verlaufen? Und dann gehen ihre Gedanken zurück an den Tag und die Nacht in Berlin im Jahre 1989…

Das war am 9. November 1989. —

Da auf einmal entdeckt Julie eine Herde grasender Schafe und dahinter den kleinen Leuchtturm, der rot-gelb angestrichen ist und oben ein grünes Rondell mit einer Turmspitze hat.

„Das ist sicher der Pilsumer Leuchtturm, der kleinste Leuchtturm der Krummhörn. So ein Bild mit dem kleinen dicken Turm und vielen Schafen davor habe ich irgendwo im Internet gefunden, und dann bekam ich Lust, den kleinsten Turm zu besichtigen“, ruft Julie und steckt mit ihrer Fröhlichkeit die anderen an. Henrik gesellt sich zu ihr und dem lebhaften Felix, der im Gras rechts und links vom Weg auf dem Deich schnuppert und ab und zu nach anderen Hunden Ausschau hält. Und bisweilen eifrig bellt.

Felicitas und Alessandro bleiben zurück, schauen sich an und Alessandro lächelt ihr entgegen:

„Du siehst noch genauso aus wie damals am kleinen Hafen an der italienischen Blumenriviera. Und wie damals in jener Nacht am Strand!“ —

„Du bist ein Charmeur, wie du es damals schon warst! Wie ist es dir inzwischen ergangen? Du wolltest doch nach dem Abitur Pilot werden?“

„Nein, das war nur ein Jugendtraum. Doch die Sehnsucht nach der Ferne blieb. Ich habe auf der Mailänder Universität Journalismus und Sprachen studiert. Auch Deutsch, weil ich durch dich meine Liebe zu dieser für einen Italiener schwierigen Sprache entdeckt habe! Und du, Fee? Bist du nach Frankreich gegangen?“ —

„Nein, es kam alles anders, als geplant. Doch das ist eine andere Geschichte!“, antwortet Felicitas, die sich tief im Innern freut, dass er sie wieder ‚Fee‘ nennt. Wie damals in dem romantischen Fischerdorf in Italien.

„Warum hast du dich nach unserem Sommer nicht mehr gemeldet?“, wagt Alessandro die entscheidende Frage, die ihn schon seit Jahren quält. —

„Du hast dich ja auch nicht gemeldet!“ —

„Doch, ich habe dir einen langen Brief geschrieben und nie eine Antwort bekommen…“

„Das kann nicht sein. Auf einen Brief habe ich dir geantwortet, doch danach habe ich nie mehr etwas von dir gehört. Ich hatte das Gefühl, dass unsere Liebe für deine Eltern ein Problem war. Sie wollten sicher nicht, dass du dich so früh an eine Frau bindest und dann noch an eine ältere Frau.“

Während dieses ernsten Gesprächs berühren sich beim Gehen ihre Hände ganz zufällig. Wie ein Blitzschlag durchzieht es Fees Körper. Und sie ist wieder so aufgewühlt wie seinerzeit als junge Frau am Strand. Das war vor 30 Jahren!

Da drehen sich Julie und Henrik zufällig um, vielleicht, um nach ihnen beiden zu schauen.

„Es ist besser, wenn die beiden jungen Leute nichts von uns merken“, flüstert Felicitas und zieht ihre Hand aus der Hand Alessandros, die dieser vor einigen Minuten spontan ergriffen hatte.

Plötzlich entdeckt Julie eine Schafherde mit einem betagten Schäfer in der Mitte. Schnell gibt sie die Leine von Felix an Henrik weiter, läuft wie von einer Tarantel gestochen zu dem Schäfer mit dem langen Bart und spricht ihn unverfangen an:

„Ich mag Schafe. Kann ich Ihnen irgendwie helfen? Ich möchte gerne einen Einblick in Ihre Arbeit mit Schafen haben. Und ich bin gerne draußen in der Natur!“ —

„Mädchen, komm morgen einmal vorbei. Dann sehen wir weiter…“

Hocherfreut läuft Julie wieder auf den Deich zurück zu den anderen.

„Was hast du vor? Was wolltest du bei den Schafen und dem Schäfer?“, fragt Henrik. Julie entgegnet mit einem geheimnisvollen Blick:

„Das ist mein Geheimnis! Vielleicht erzähle ich dir das später einmal…Ich finde es wichtig, dass man im Leben nicht festgefahren ist, sondern vielmehr oft etwas Neues ausprobiert! Lebenslang lernen! Was meinst du?“ —

„Das ist genau der Grund, warum wir nach Irland fahren wollen!“ Nach diesem bedeutungsträchtigen Satz laufen die jungen Leute mit dem Russell zu den anderen zurück.

Als die vier wieder vor dem Piratennest und dem Skipper Asterix ankommen, macht Alessandro einen Vorschlag: „Ich möchte euch gerne heute zum Abendessen einladen, vielleicht in dem ansprechenden Restaurant mit den Korbstühlen draußen, das direkt am Hafen liegt. Habt ihr Lust mitzukommen? Heute Abend gegen 19.00 Uhr. Was meint ihr?“ — „Du meinst das Festland!“, stellt Felicitas fest und zeigt ihre Zustimmung durch eifriges Kopfnicken, obwohl sie gestern Abend bereits mit ihrer Tochter in eben diesem Restaurant war. Und obwohl sie im Stillen befürchtet, dass ihr Geheimnis irgendwie ans Tageslicht kommt. Dieses lange gehütete Geheimnis, das niemand bisher kennt…

Ein Abend wie damals

In der Wohnung angekommen, schaut Julie ihre Mutter fragend an. Seit der Begegnung mit den beiden Herren auf dem Deich kommt sie ihr so verändert vor, was sie aber nicht äußert. Doch umso mehr wundert sie sich, dass ihre Mutter, die sich sonst eher sportlich kleidet, in einem besonderen Outfit aus ihrem Schlafzimmer tritt. Felicitas trägt eine schwarze enge Jeans und einen schwarzen Blazer, darunter eine Bluse in einem zarten Puderton. Sie trägt eine silberne Kette mit einem kleinen Steigbügel-Ring als Anhänger, die Julie noch nie zuvor an ihrer Mutter gesehen hat. Dazu schwarze Ballerinas. Ihr Gesicht ist hellbraun getönt, die Lippen hellrosa, die Wimpern sind sorgfältig schwarz getuscht.

„Du siehst wirklich toll aus, Mama!“, sagt sie zu ihr und gibt ihr spontan einen Kuss auf die Wange.

Auch Julie sieht in ihrer weißen Baumwollhose, der hellblauen Bluse mit einer mittelblauen, modernen Daunen-Weste und passenden hellblauen Sneakers total gestylt aus. So ziehen die beiden Damen mit dem lustigen Russell Felix die Treppe am Restaurant Dolce Vita hinauf zum Alten Deich.

Inzwischen sind fast alle Krabbenkutter von ihrer Fischfang-Tour in den pittoresken Hafen von Greetsiel zurückgekehrt. Ein einmalig stimmungsvolles Bild im beginnenden Abendlicht! Weiße Wolken am Himmel, wie mit einem Pinsel gemalt. Vier Möwen fliegen vom Alten Deich über den Hafen zum Neuen Deich und setzen sich auf die Rückenlehne einer Bank schön nebeneinande, als hätten sie das miteinander abgestimmt. Viele Feriengäste und auch Einheimische stehen am Hafen oder vor der dänischen Eisdiele mit einem großen Eis im Hörnchen in der Hand. Das Eis dieser Eisdiele ist wohl in fast ganz Deutschland bekannt und auch über die Grenzen des Landes hinaus! Die Niederländer schwärmen ebenfalls davon.

Schon von weitem entdeckt Felicitas ihre Jugendliebe und den jungen Mann daneben. ‚Ist das sein Sohn? ‘, fragt sie sich in Gedanken und beginnt zu rechnen... Wie alt mag er wohl sein? Jünger oder älter als ihre Tochter?

Im Festland finden die vier einen schönen Tisch auf der mittleren Empore. Parson Russell Felix nimmt direkt seinen Platz unter dem Tisch ein und setzt sich so, dass er den Eingang des Restaurants gut im Auge hat, wie er als aufmerksamer Hund es liebt.

Leise Musik im Hintergrund. Was für ein Zufall. Ein italienischer Song, von Abano und Romina Power gesungen. Alessandro schaut Felicitas tief in die Augen. Woran mag er wohl denken? An die leise Musik in der kleinen Hafenbar in dem italienischen Fischerdorf? So manch einen Abend haben sie dort verbracht, eng aneinander sitzend und Händchen haltend. Das wird jetzt nicht gehen. Trotzdem wählt Fee den Platz neben Alessandro. Vielleicht, um sich ihm ganz nahe zu fühlen. Und so sitzen ihnen Julie und Henrik gegenüber.

„Hier gibt es ja Bruschetta!“, stellt Henrik begeistert fest, „und meine Lieblingspasta mit Garnelen! Super!“

Das Menu ist schnell zusammengestellt: Alle entscheiden sich für Bruschetta und Pasta mit Garnelen.

„Was trinken wir?“, fragt Fee total gespannt. —