Die Technokraten - Der Weg in die kontrollierte Zukunft - Julia Jansen - E-Book

Die Technokraten - Der Weg in die kontrollierte Zukunft E-Book

Julia Jansen

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Beschreibung

Julia Jansen, geboren 1991 in Hamburg, ist eine deutsche Science-Fiction-Autorin, die sich intensiv mit den Auswirkungen von Technologie auf das menschliche Leben auseinandersetzt. Ihre Werke erforschen eine Zukunft, in der die Grenzen zwischen Mensch und Maschine immer mehr verschwimmen und die technologische Lenkung das tägliche Leben bestimmt. Bekannt wurde sie durch ihre außergewöhnliche Fähigkeit, gesellschaftskritische Themen in fesselnde Geschichten zu verpacken, die sowohl warnend als auch visionär sind.

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Seitenzahl: 197

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Titel: "Die Technokraten - Der Weg in die kontrollierte Zukunft"

Über die Autorin Julia Jansen

Biografie von Julia Jansen

Julia Jansen, geboren 1991 in Hamburg, ist eine deutsche Science-Fiction-Autorin, die sich intensiv mit den Auswirkungen von Technologie auf das menschliche Leben auseinandersetzt. Ihre Werke erforschen eine Zukunft, in der die Grenzen zwischen Mensch und Maschine immer mehr verschwimmen und die technologische Lenkung das tägliche Leben bestimmt. Bekannt wurde sie durch ihre außergewöhnliche Fähigkeit, gesellschaftskritische Themen in fesselnde Geschichten zu verpacken, die sowohl warnend als auch visionär sind.

Schon in ihrer Kindheit zeigte Julia eine außergewöhnliche Faszination für die Wissenschaft und die Frage, wie Technologie unser Leben verändert. Die Erzählungen über dystopische Zukunftswelten, die sie als junges Mädchen las, weckten in ihr den Wunsch, selbst Geschichten zu schreiben, die die Leser zum Nachdenken anregen. Nach ihrem Abitur studierte sie Literaturwissenschaften und Informatik an der Universität Hamburg, wo sie das Handwerkszeug erlernte, um komplexe technologische Konzepte in spannungsgeladene Prosa zu verwandeln.

In ihrer Erzählung schafft Jansen eine erschreckend realistische Vision einer Gesellschaft, die ihre Freiheit zugunsten von Effizienz und Sicherheit aufgibt. Das Buch erlangte internationale Anerkennung und wurde vielfach für seine gesellschaftliche Relevanz und seine tiefgründige Auseinandersetzung mit den ethischen Fragen, die moderne Technologien aufwerfen, gelobt.

Jansens Werke sind geprägt von ihrer kritischen Haltung gegenüber der scheinbar grenzenlosen Machbarkeit der Technik. Ihre Geschichten warnen vor den Gefahren, die entstehen, wenn der Mensch die Kontrolle über die von ihm geschaffenen Systeme verliert. Dabei gelingt es ihr, auf faszinierende Weise die Abhängigkeit des Einzelnen von Algorithmen und künstlicher Intelligenz in lebendige, oft beängstigende Geschichten zu verpacken.

Neben ihrem schriftstellerischen Schaffen engagiert sich Julia Jansen in verschiedenen Projekten, die sich mit den sozialen und ethischen Folgen der Digitalisierung beschäftigen. Sie ist eine gefragte Rednerin auf Konferenzen, die sich mit den Themen der technologischen Lenkung und der Rolle des Menschen in einer zunehmend von Maschinen dominierten Welt auseinandersetzen.

Mit ihrem unverwechselbaren Stil und ihrer tiefgründigen Perspektive hat Julia Jansen einen festen Platz in der modernen Science-Fiction-Literatur eingenommen. Ihre Werke sind sowohl eine Warnung als auch ein Appell, die Kontrolle über unsere Zukunft nicht leichtfertig in die Hände der Technologie zu legen, sondern bewusst die ethischen Grenzen zu ziehen, die unser Menschsein ausmachen.

Kapitel 1: Die perfekte Illusion

Die Morgensonne drang durch die Fenster des Apartments, ihre warmen Strahlen tanzten auf der glatt polierten Oberfläche der Küche. Die Stadt vibrierte mit einer stummen Perfektion, jeder Moment des Tages genau abgestimmt, jede Aufgabe effizient ausgeführt. Die Gebäude, die Luft, sogar die Geräusche wirkten wie durch einen Filter gezogen – makellos, harmonisch und auf eine beinahe unheimliche Weise beruhigend.

Livia saß am Küchentisch, ihre Augen noch müde vom Schlaf, während der automatische Ernährungsassistent ihr ein ausgewogenes Frühstück bereitstellte. Ein leises Summen erfüllte den Raum, als die Maschine eine heiße Tasse Kräutertee und eine perfekt arrangierte Schale mit Früchten auf den Tisch stellte. Alles war so, wie es jeden Morgen war. Kein unerwartetes Geräusch, kein Moment der Unsicherheit. Livia griff nach dem Löffel, ihre Finger glitten wie in einem vertrauten Rhythmus über den kühlen Metallgriff. Und doch – es fühlte sich anders an.

Ein leises Frösteln durchzog ihren Körper, das nicht von der Raumtemperatur herrührte. Sie spürte die Unruhe, die irgendwo tief in ihrem Inneren nagte, ein vages Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Es war wie ein Jucken, das sie nicht kratzen konnte. Alles war perfekt. Aber in dieser Perfektion lag etwas Beunruhigendes.

Während sie den Löffel hob, schauten ihre Augen aus dem Fenster. Die Menschen unten bewegten sich wie in einem gut choreografierten Ballett, ihre Schritte und Handlungen aufeinander abgestimmt, wie Zahnräder in einer großen Maschine. Es war eine Stadt der Ordnung, eine Welt ohne Unregelmäßigkeiten. Doch genau das machte Livia Angst. Jeder Tag fühlte sich gleich an, als wäre das Leben zu einer einzigen endlosen Wiederholung geworden.

Ihre Mutter betrat den Raum, ein sanftes Lächeln auf ihren Lippen, die glatten Züge ihres Gesichts beinahe zu perfekt. „Guten Morgen, mein Schatz“, sagte sie, während sie Livias Schulter tätschelte. Ihre Stimme hatte den warmen Klang von Vertrautheit, aber Livia fühlte die Distanz, die zwischen ihnen lag. Es war, als würde sie eine Rolle spielen – eine Rolle, die sie gut kannte, aber nicht mehr vollständig glaubte. Sie fragte sich, ob ihre Mutter sie je wirklich angesehen hatte. Ob sie je wirklich Livia gesehen hatte – oder nur das Bild, das ihr von diesem perfekten System vorgegeben wurde.

„Guten Morgen“, antwortete Livia leise und versuchte, das Gefühl der Leere in ihrer Brust zu ignorieren. Sie schaute ihrer Mutter nach, die nun damit beschäftigt war, die Frühstücksmaschine zu programmieren, während ein künstlicher Assistent die Tagespläne auf einem Bildschirm anzeigte. Alles war in bester Ordnung. Alles war geplant.

Livia stand auf, die Schüssel mit den Früchten unangetastet. Sie wollte frische Luft schnappen, weg von dieser Routine, die sie erdrückte. Auf den Straßen schien es so, als wäre die Welt in endloses, kontrolliertes Wohlbehagen gehüllt. Sie lief an den Hochhäusern entlang, sah die digitalen Anzeigen, die Menschen an ihre Aufgaben erinnerten. Niemand schien abzuweichen. Niemand schien zu zweifeln. Alle waren glücklich – oder spielten sie es nur vor?

Ihre Schritte führten sie zu einem kleinen Park, einem der wenigen Grünflächen, die es in der technologisch überwucherten Stadt noch gab. Sie setzte sich auf eine Bank, ihre Augen auf das entfernte Glitzern eines künstlichen Teiches gerichtet. Sie wusste nicht, warum sie sich so fühlte. Es war wie eine Traurigkeit, die keinen Ursprung hatte, eine Angst, die nicht benannt werden konnte. Sie erinnerte sich an ihre Kindheit, oder vielmehr, sie versuchte es. Doch jedes Mal, wenn sie in ihren Erinnerungen suchte, fand sie nur Bilder, die ihr seltsam fremd vorkamen. Wie Standbilder, die nicht ganz zusammenpassten.

„Livia?“

Die Stimme ließ sie zusammenzucken. Sie drehte den Kopf und sah Jorin, einen Jungen aus ihrer Schule, der ihr schon oft aufgefallen war. Seine Augen waren von einer Intensität, die selten in dieser Stadt war – sie wirkten lebendig, nicht nur angepasst. Er setzte sich ohne Einladung neben sie und sah sie aufmerksam an. „Du wirkst… abwesend“, sagte er, seine Stirn leicht gerunzelt.

Livia wollte zuerst abwinken, das Gespräch beenden, bevor es begann. Aber dann sah sie in seine Augen und erkannte etwas – eine Ahnung, dass auch er vielleicht diese Unruhe spürte. „Hast du jemals das Gefühl, dass… dass etwas nicht stimmt?“ fragte sie, ihre Stimme leise, fast ein Flüstern.

Jorin hielt ihren Blick fest, und in diesem Moment sah sie etwas Dunkles in seinen Augen aufblitzen – etwas, das sie sofort verstand. „Ja“, antwortete er nach einer kurzen Pause, seine Stimme voller Schwere. „Mehr als du denkst.“

Es war wie eine unsichtbare Brücke, die sich zwischen ihnen aufbaute, eine stille Übereinkunft. Livia spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Zum ersten Mal hatte sie das Gefühl, dass sie nicht allein war. Jorin sah sich kurz um, als wolle er sicherstellen, dass niemand sie beobachtete, dann beugte er sich vor, seine Stimme gesenkt. „Ich kann dir etwas zeigen. Aber du musst mir vertrauen.“

Livias Kehle schnürte sich zu. Vertrauen – in einer Welt, in der alles kontrolliert wurde, war Vertrauen das höchste Risiko. Aber sie nickte, bevor sie ihre Angst zulassen konnte. Sie wusste, dass dieser Moment bedeutungsvoll war, ein erster Schritt auf einem Pfad, der sie vielleicht in Gefahr bringen würde – oder zur Wahrheit. Ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass es keine Rückkehr gab, wenn sie diesen Weg einmal einschlug. Und genau deshalb wusste sie, dass sie es tun musste.

Jorin stand auf und streckte ihr seine Hand entgegen. Seine Augen hatten einen entschlossenen Ausdruck, und obwohl Livia Angst hatte, fühlte sie auch eine unbestimmte Hoffnung. Sie ergriff seine Hand und stand auf. Die Berührung seiner Finger fühlte sich warm an, real – etwas, das nicht von Maschinen oder Algorithmen vorhergesehen werden konnte. Ein Hauch von Freiheit, der in dieser sterilen Welt fremd war.

„Komm mit mir“, sagte er, und ohne ein weiteres Wort zog er sie mit sich, weg von der Bank, weg von der vermeintlichen Sicherheit. Livia fühlte, wie die Angst in ihrem Bauch sich mit Aufregung mischte, und zum ersten Mal seit Langem fühlte sie sich lebendig.

Kapitel 2: Die Begegnung

Jorin führte Livia durch die Straßen der Stadt, ihre Finger immer noch fest ineinander verschlungen. Livia spürte den drängenden Puls in ihren Schläfen, die Erregung vermischte sich mit einer aufkommenden Angst. Die Stadt um sie herum wirkte plötzlich weniger vertraut, als hätte sich ein Schleier gehoben und ihre wahre, kalte Natur offenbart. Das Schweigen zwischen ihnen war schwer – kein Wort wurde gewechselt, aber sie spürte, dass dies kein gewöhnlicher Spaziergang war. Es war ein Weg ins Ungewisse.

Jorin bog um eine Ecke, führte sie in eine enge Seitengasse, die zwischen den riesigen, glatten Gebäuden fast verloren wirkte. Die metallischen Wände schimmerten im blassen Licht der Straßenlaternen. Hier war kein Leben, keine Überwachungskameras, keine Maschinen, die surrten. Es fühlte sich fremd an – unbehaglich und gleichzeitig befreiend.

"Wo gehen wir hin?" fragte Livia schließlich, ihre Stimme klang brüchig, fast wie ein Flüstern, das die Stille kaum durchdrang.

Jorin drehte sich zu ihr um, sein Blick fest. "Dorthin, wo du beginnst, die Wahrheit zu sehen." Er schob eine Metallplatte zur Seite, die in der Wand verborgen war, und öffnete eine schwere Tür. Dahinter erstreckte sich ein dunkler Tunnel, dessen Ende in tiefes Schwarz gehüllt war. Livia zögerte, spürte, wie sich ihr Herz zusammenzog. Alles in ihr schrie nach Vorsicht – nach Flucht. Doch Jorin hielt ihre Hand, und in seinem Blick sah sie eine Entschlossenheit, die sie ebenfalls fühlte.

"Wir müssen da durch," sagte er leise. "Es ist der einzige Weg."

Livia nickte, ihre Kehle fühlte sich trocken an, während sie seine Hand noch fester drückte und ihm durch die dunkle Öffnung folgte. Der Tunnel war feucht, die Wände kalt, und das einzige Licht kam von einem kleinen Taschenlicht, das Jorin hervorholte. Das schwache Licht tanzte über die Wände und erzeugte verzerrte Schatten, die wie drohende Gestalten wirkten. Livia schluckte die aufsteigende Panik hinunter. Jeder Schritt hallte hohl durch den Tunnel, als wäre der Boden ein Echo ihrer wachsenden Angst.

Nach einer Weile kamen sie an eine weitere Tür, die Jorin vorsichtig öffnete. Sie traten in einen Raum, der überraschenderweise hell erleuchtet war. An den Wänden hingen Bildschirme, Monitore, Kabel, und überall lagen Geräte, deren Zweck Livia nicht begreifen konnte. Eine Gruppe Jugendlicher stand inmitten der technischen Gerätschaften, jeder von ihnen schien angespannt, als wäre die Luft selbst geladen mit Unsicherheit.

Ein Mädchen mit kurzen schwarzen Haaren kam auf sie zu, ihre Augen waren von einem misstrauischen Glanz erfüllt. "Das ist also sie?" fragte sie und musterte Livia eindringlich.

Jorin nickte. "Ja, das ist Livia. Sie sucht nach Antworten, so wie wir alle."

Livia fühlte, wie sich der Blick des Mädchens in ihre Haut bohrte, als würde sie jede Unsicherheit und jede Angst erkennen. "Ich hoffe, sie ist bereit dafür," sagte das Mädchen schließlich und wandte sich ab. Livia spürte, wie ihr Puls raste. Was meinte sie damit? War sie wirklich bereit?

Jorin drehte sich zu ihr, seine Hand legte sich beruhigend auf ihre Schulter. "Keine Sorge. Wir sind hier, weil wir alle etwas verloren haben," sagte er leise. "Wir alle wissen, dass unsere Erinnerungen verändert wurden. Wir wurden belogen. Und es wird Zeit, dass wir die Wahrheit herausfinden."

Livia nickte, ihre Augen wanderten über die Gesichter der Jugendlichen. Sie sah Angst, aber auch Hoffnung, und diese Mischung ließ etwas in ihr erwachen – ein Gefühl von Zusammenhalt. Sie war nicht allein in ihrem Zweifel, in ihrer Verwirrung. Sie war nicht die Einzige, die spürte, dass etwas gewaltig schief lief.

"Was genau machen wir hier?" fragte Livia, ihre Stimme brüchig, aber bestimmt.

Eleni, das Mädchen mit den schwarzen Haaren, trat vor, ihre Augen kühl und direkt. "Wir werden die Schleife hacken," sagte sie. "Wir werden in das System eindringen, das unsere Gedanken kontrolliert. Wir werden herausfinden, wer wir wirklich sind."

Livia fühlte, wie ihr Herz einen Moment lang aussetzte. Das war es also – der Beginn eines Widerstands, der Beginn einer Rebellion. Aber es war nicht einfach nur ein Spiel. Es war gefährlich, und das wusste sie.

Plötzlich ertönte ein lauter Knall, und die Tür hinter ihnen wurde aufgebrochen. Eine Welle von Schrecken durchfuhr den Raum, als mehrere uniformierte Männer hereintraten. Die Jugendlichen reagierten instinktiv – sie verstreuten sich, suchten nach Deckung. Jorin packte Livia und zog sie hinter einen Tisch. Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust, und sie fühlte, wie ihr ganzer Körper zu zittern begann.

"Nicht bewegen!" rief eine tiefe Stimme, und Livia sah, wie einer der Männer auf Jorin zielte. In diesem Moment schien die Zeit stillzustehen. Sie sah die Panik in Jorins Augen, die Entschlossenheit in seinem Gesicht. Sie wusste, dass sie handeln musste – jetzt oder nie. Ohne nachzudenken, griff sie nach einem Metallrohr, das auf dem Boden lag, und schlug dem Mann mit aller Kraft gegen den Arm.

Ein Schrei – das Geräusch von brechendem Metall. Der Mann ließ seine Waffe fallen, und Jorin stieß ihn zur Seite. "Lauf, Livia!" schrie er, während er sich den anderen zuwandte, seine Augen wild vor Entschlossenheit.

Livia rannte, ihr Atem ging schnell, ihre Beine fühlten sich an wie Blei. Sie hörte Schreie, das Geräusch von Schlägen, und die dumpfen Aufpralle von Körpern, die aufeinandertrafen. Sie konnte nichts anderes tun, als zu rennen, während sich ihr Magen zusammenkrampfte und ihre Augen von Tränen brannten. Angst, Wut, Schuld – all diese Gefühle wirbelten in ihr durcheinander.

Sie wusste nicht, wie lange sie gerannt war, bis sie schließlich ins Freie gelangte. Sie blieb stehen, lehnte sich keuchend gegen die kalte Wand eines verlassenen Gebäudes, während ihr Herz noch immer raste. Sie dachte an Jorin, an die anderen, an den Kampf, den sie zurückgelassen hatte. In ihrem Kopf wiederholte sich immer wieder die gleiche Frage: Was war, wenn sie es nicht geschafft hatten? Was war, wenn sie gefangen genommen worden waren?

Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag. Dies war keine harmlose Suche nach Antworten – es war Krieg. Und es gab keine Garantie, dass sie alle heil aus dieser Sache herauskommen würden.

Kapitel 3: Dunkelheit und Verlust

Livia saß in einer Ecke eines heruntergekommenen Gebäudes, das wie ein verlassenes Lagerhaus aussah. Ihre Knie waren bis zur Brust gezogen, die Arme fest darum geschlungen. Ihre Kleidung war schmutzig, ihre Haare zerzaust, und ihr Blick starrte ins Nichts. Die Zeit schien stillzustehen, während die Schreie, die sie im Versteck gehört hatte, immer noch in ihren Ohren nachhallten.

Jorin. Eleni. Die anderen. Sie hatten gekämpft, während sie gerannt war. Ihr Magen drehte sich bei dem Gedanken um, dass sie sie im Stich gelassen hatte. Doch Jorin hatte es ihr befohlen – "Lauf, Livia!" – seine Worte hallten in ihrem Kopf wider. Es fühlte sich an, als würde ihr Herz zerreißen, als die Schuld und der Schmerz in ihrer Brust sich ausbreiteten.

Sie hatte keine Wahl gehabt. Sie musste fliehen. Aber das bedeutete nicht, dass sie sich damit abfinden konnte.

Plötzlich hörte sie Geräusche – Schritte, die sich näherten. Livias Atem beschleunigte sich, ihre Muskeln spannten sich an. Sie war bereit, erneut zu rennen, wenn es sein musste. Doch als die Gestalt durch die Tür trat, erblickte sie ein vertrautes Gesicht. Eleni.

Elenis Haar war zerzaust, ihr Gesicht voller kleiner Schnittwunden, und ihre Augen trugen den Ausdruck von jemandem, der viel zu viel gesehen hatte. Sie wirkte erschöpft, aber auch entschlossen. Als ihre Blicke sich trafen, brach Livia in Tränen aus, eine Mischung aus Erleichterung und Schmerz überkam sie. Eleni ging auf sie zu, kniete sich nieder und umarmte sie fest.

"Du hast es geschafft", flüsterte Livia durch ihre Tränen, ihre Stimme brach mehrmals.

"Ja... aber nicht alle", antwortete Eleni mit zitternder Stimme. Ihre Augen wurden feucht, und Livia konnte den Schmerz in ihnen sehen. "Jorin... sie haben ihn erwischt."

Die Worte trafen Livia wie ein Schlag. Ihr Atem stockte, und es fühlte sich an, als würde der Boden unter ihr verschwinden. Sie schüttelte den Kopf, als könnte sie die Realität so einfach abweisen, doch Elenis trauriger Blick machte ihr klar, dass es keinen Zweifel gab. Jorin war weg.

"Nein... das kann nicht sein", flüsterte Livia, ihre Stimme kaum hörbar. "Er war stark... er hätte kämpfen können."

"Er hat gekämpft", sagte Eleni leise. "Er hat gekämpft, damit wir fliehen können." Sie sah Livia direkt in die Augen, Tränen liefen ihr über die Wangen. "Er hat sich geopfert."

Livia spürte, wie ihr Körper taub wurde. Die Schuld und der Schmerz über Jorins Verlust schnürten ihr die Kehle zu, und ein verzweifeltes Schluchzen entkam ihr. Sie fühlte sich wie gelähmt, als die Erkenntnis sie durchdrang – Jorin war fort, und er hatte sein Leben für sie gegeben. Sie konnte sich nicht an den Gedanken gewöhnen, dass sie ihn niemals wiedersehen würde. Dass sie niemals die Gelegenheit haben würde, ihm zu danken, oder ihm zu sagen, wie viel er ihr bedeutete.

Elenis Griff um ihre Schultern wurde fester, als sie spürte, wie Livia zu zittern begann. "Wir müssen weitermachen", sagte sie leise, ihre Stimme brüchig. "Wir können jetzt nicht aufgeben, Livia. Jorin hat sein Leben gegeben, damit wir eine Chance haben. Wir dürfen das nicht vergeuden."

Livia schluchzte und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Ihr ganzer Körper bebte, und sie konnte nicht aufhören, an Jorin zu denken. Sein Lachen, sein entschlossener Blick, die Art, wie er sie immer beruhigt hatte. Er war so viel mehr als nur ein Freund gewesen – er war derjenige, der ihr gezeigt hatte, dass sie nicht allein war. Und jetzt war er fort, und sie musste irgendwie ohne ihn weitermachen.

Eleni stand schließlich auf und half Livia auf die Beine. Ihre Bewegungen waren schwerfällig, ihre Augen immer noch rot von den Tränen, aber in ihnen lag auch ein Funke Entschlossenheit. "Komm", sagte Eleni sanft. "Es gibt noch mehr zu tun. Wir sind noch nicht am Ende."

Livia nickte schwach, ihre Beine fühlten sich an, als wären sie aus Blei. Jeder Schritt schmerzte, und ihr Herz fühlte sich an, als wäre es in tausend Stücke zersprungen. Doch irgendwo tief in ihr war auch der Wille, weiterzumachen. Der Wille, Jorins Opfer nicht umsonst sein zu lassen. Sie war ihm das schuldig.

Gemeinsam verließen sie das Gebäude und machten sich auf den Weg zu einem weiteren Versteck. Die Straßen der Stadt wirkten nun noch bedrohlicher – die Kameras schienen ihnen zu folgen, die Maschinen lauerten in jeder Ecke, und Livia fühlte die Gefahr in jedem Schatten. Jeder Schritt erinnerte sie daran, dass sie nichts anderes als Flüchtlinge waren, auf der Flucht vor einem System, das unerbittlich jede Form von Widerstand auslöschen wollte.

Eleni führte sie zu einem versteckten Zugang, der in eine weitere unterirdische Anlage führte. Dort, in der Dunkelheit, trafen sie auf ein paar der Überlebenden aus ihrer Gruppe. Es waren nur wenige – zu wenige. Livia sah die erschöpften Gesichter, die Augen, die so viel mehr gesehen hatten, als sie je hätten ertragen sollen. Sie sah die Trauer und die Angst, aber auch die Entschlossenheit, die trotz allem nicht erloschen war.

Ein Junge namens Kai trat vor, seine Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepresst. "Eleni, Livia", sagte er, seine Stimme voller Schmerz, aber auch mit einem Hauch von Hoffnung. "Wir müssen zusammenhalten. Wir müssen weiterkämpfen. Für Jorin. Für alle, die wir verloren haben."

Livia nickte, obwohl ihr Herz schwer war. Sie wusste, dass sie nicht aufgeben konnten. Es gab zu viel zu verlieren, und zu viele, die bereits geopfert worden waren. Sie konnte den Schmerz nicht verdrängen, der sich in ihr ausbreitete, aber sie wusste, dass sie weitermachen musste – für Jorin, für all die anderen, die alles gegeben hatten.

Die Nacht zog sich endlos hin, während die Gruppe Pläne schmiedete und versuchte, neue Hoffnung zu finden. Doch in der Dunkelheit der unterirdischen Anlage lag auch eine unausgesprochene Wahrheit – sie waren auf sich allein gestellt, und der Feind war übermächtig. Jorins Verlust war ein harter Schlag, und Livia wusste, dass es noch viel mehr Opfer geben würde, bevor dieser Kampf enden konnte.

Als sie schließlich die Augen schloss, die Kälte des Bodens unter sich spürend, sah sie Jorins Gesicht vor sich. Sie erinnerte sich an seine Worte, an sein Lächeln, und ein leises Flüstern entkam ihren Lippen: "Für dich, Jorin. Ich werde nicht aufgeben."

Und mit diesem Gedanken, so schmerzhaft er auch war, fand Livia einen Hauch von Trost. Sie war nicht allein – sie trug Jorins Willen, seine Hoffnung in sich. Und solange sie weiterkämpfte, würde auch er weiterleben.

Kapitel 4: Schatten der Vergangenheit

Die Stille der unterirdischen Anlage war bedrückend, nur durch das gelegentliche Tropfen von Wasser und das gedämpfte Gemurmel der Jugendlichen unterbrochen. Die Luft war kühl und roch nach Feuchtigkeit und Staub. Livia saß auf dem kalten Boden, ihren Rücken gegen die raue Wand gelehnt. Ihr Blick glitt durch den Raum, blieb auf den anderen Überlebenden hängen. Jeder von ihnen hatte seine eigenen Dämonen, seine eigene Geschichte – und in dieser trostlosen Dunkelheit fühlte Livia, dass es an der Zeit war, diese Geschichten kennenzulernen.

Eleni saß ihr gegenüber, das Gesicht im Halbdunkel. Ihr Blick wirkte leer, aber Livia wusste, dass sich dahinter so viel mehr verbarg. Sie wollte etwas sagen, den stillen Raum durchbrechen, als Eleni plötzlich zu sprechen begann, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern.

"Ich erinnere mich kaum noch an meine Eltern", begann sie, ihre Augen auf einen unsichtbaren Punkt in der Ferne gerichtet. "Es ist seltsam, aber ich weiß, dass ich sie geliebt habe. Ich erinnere mich an ihre Gesichter – zumindest glaube ich das. Es sind nur Fragmente, wie alte Fotos, die immer weiter verblassen." Eleni lachte bitter, der Klang war voller Trauer. "Ich war zwölf, als sie... als sie einfach verschwanden."

Livia sah sie verwirrt an. "Verschwanden? Was meinst du damit?"

Eleni senkte den Kopf, ihre Hände lagen verkrampft in ihrem Schoß. "Ich kam eines Tages von der Schule nach Hause, und sie waren weg. Keine Erklärung, kein Hinweis, nichts. Als ich zur Behörde ging, sagten sie mir, dass meine Eltern auf eine Reise geschickt wurden, eine, die wichtig für die Gesellschaft sei. Aber ich wusste, dass das eine Lüge war." Ihre Augen füllten sich mit Tränen, die sie verzweifelt zurückhielt. "Sie wurden aus dem System gelöscht. Ihre Existenz wurde einfach... entfernt. Ich habe es nicht verstanden, bis ich älter wurde und die Wahrheit erkannte."

Livia fühlte den Schmerz in Elenis Worten, spürte die Einsamkeit, die sie über all die Jahre getragen hatte. Sie hatte immer gewusst, dass Eleni stark war, doch nun sah sie, wie zerbrechlich sie eigentlich war, wie viele Risse ihre Fassade verdeckten. Livia beugte sich vor, legte ihre Hand auf Elenis. "Du bist nicht allein", sagte sie leise, ihre Stimme vor Emotionen brüchig. Eleni sah auf, ihre Augen trafen Livias, und für einen Moment schien es, als würde die Mauer, die sie um sich errichtet hatte, ein Stück weit bröckeln.

In einer Ecke des Raumes saß Kai, der die beiden beobachtete. Sein Blick war nachdenklich, als er schließlich aufstand und zu ihnen hinüberging. Er ließ sich neben Eleni nieder, seufzte und lehnte den Kopf gegen die Wand. Seine Augen waren trübe, die Müdigkeit in ihnen unübersehbar. "Weißt du, manchmal frage ich mich, warum wir das überhaupt tun", sagte er schließlich, seine Stimme schwer von den unausgesprochenen Fragen.

Livia sah ihn an, und Kai lächelte schwach, bevor er fortfuhr. "Ich erinnere mich an meinen älteren Bruder, Marc. Er war immer derjenige, der gegen die Regeln verstoßen hat. Während wir alle brav waren und das getan haben, was von uns erwartet wurde, wollte er immer mehr. Er war so voller Leben, immer neugierig, immer bereit, Dinge zu hinterfragen. Und genau das hat ihm das Leben gekostet." Kai schloss die Augen, und seine Stimme brach, als er weitersprach. "Eines Tages kam die Überwachung, sie holten ihn mitten in der Nacht. Er hatte sich Informationen besorgt, die er nicht haben sollte. Sie haben ihn mitgenommen, und er kam nie wieder zurück."