Die Toten von Ascona - Karin B Redecker - E-Book

Die Toten von Ascona E-Book

Karin B. Redecker

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Beschreibung

Die Geschichte spielt in Frankfurt und in Italien. Der Frankfurter Anlageberater Philipp Sandter will sein Leben neu ordnen und zieht, gemeinsam mit seiner Frau Silvia, an den Lago Maggiore in eine große Villa mit traumhaft schönem Seeblick. Sein Büro in Frankfurt überlässt er seiner engsten Vertrauten Luisa, mit der ihm eine ganz besondere Beziehung verbindet. Luisa hat schlechte Nachrichten für ihn und bittet ihn, schnellstens nach Frankfurt zu kommen, weil die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen einem Börsengang ermittelt. Philipp, dessen Ehe schon seit Jahren nur noch auf dem Papier besteht, muss sich vor seiner Abreise noch Unterlagen aus seiner Villa holen. Dabei belauscht er ein Gespräch seiner Frau mit einem Unbekannten, das ihn doch sehr beunruhigt. Silvia, der Philipp bereits gesagt hat, dass er sich von ihr trennen will, versucht alles, um ihren hohen Lebensstandard beizubehalten. Sie hat auch schon einen Plan, wie sie an Philipps großes Vermögen kommen kann. Philipp spürt, dass Silvia etwas im Schilde führt und ist von nun an besonders wachsam. Die Ereignisse überschlagen sich……

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Veröffentlichungsjahr: 2017

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Karin B. Redecker

 

 

Buchbeschreibung

Die Geschichte spielt in Frankfurt und in Italien. Der Frankfurter Anlageberater Philipp Sandter will sein Leben neu ordnen und zieht, gemeinsam mit seiner Frau Silvia, an den Lago Maggiore in eine große Villa mit traumhaft schönem Seeblick. Sein Büro in Frankfurt überlässt er seiner engsten Vertrauten Luisa, mit der ihn eine ganz besondere Beziehung verbindet.

Luisa hat schlechte Nachrichten für ihn und bittet ihn, schnellstens nach Frankfurt zu kommen, weil die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen eines Börsengangs ermittelt.

Philipp, dessen Ehe schon seit Jahren nur noch auf dem Papier besteht, muss sich vor seiner Abreise noch Unterlagen aus seiner Villa holen. Dabei belauscht er ein Gespräch seiner Frau mit einem Unbekannten, das ihn doch sehr beunruhigt.

Silvia, der Philipp bereits gesagt hat, dass er sich von ihr trennen will, versucht alles, um ihren hohen Lebensstandard beizubehalten. Sie hat auch schon einen Plan, wie sie an Philipps großes Vermögen kommen kann.

Philipp spürt, dass Silvia etwas im Schilde führt und ist von nun an besonders wachsam. Die Ereignisse überschlagen sich ...

Silvia kauft ein

»Wie gefällt ihnen denn dieser Mantel?«, fragte die junge Boutique-Verkäuferin mit einem gequält süffisanten Lächeln und reichte ihn schwungvoll der eleganten Dame in die Umkleidekabine. Ohne jedoch den Vorhang zur Seite zu ziehen. Zugleich schaute sie mit einem verdrossenen Blick zu ihrer älteren Kollegin und verdrehte dabei genervt die Augen. Aber so, dass es die Kundin nicht sehen konnte. Dann machte sie ein paar eindeutige Faxen und tippte geräuschlos auf ihre Armbanduhr, um ihrer Kollegin zu signalisieren, dass bereits in wenigen Minuten Feierabend sei. Die amüsiert schauende Kollegin grinste sie mit einem Achselzucken nur verschmitzt an und war bereits dabei, die anprobierte und verstreut herum liegende Ware wieder ins Regal zu räumen. Konnten denn diese exzentrischen Kundinnen, die doch den ganzen Tag nichts anderes zu tun hatten, nicht früher einkaufen gehen? Aber nein, kurz vor Ladenschluss müssen ja diese verwöhnten Ladys unsereins drangsalieren, dachte sie ärgerlich. Denn sie wollte heute zügig fertig werden und den Laden sofort nach Ladenschluss verlassen. Sie hatte sich mit ihrem Mann in einem Restaurant verabredet.

Es war bereits der sechste Mantel, der herbeigeholt wurde und keiner wollte der anspruchsvollen Kundin so recht gefallen.

»Sehr wählerisch, die Dame«, zischte die jüngere Verkäuferin leise ihrer Kollegin im Vorbeigehen zu und zog einen weiteren Mantel aus dem Kleiderständer. »Bitte bringen Sie mir diesen eine Nummer kleiner«, tönte es gleich darauf arrogant aus der Kabine. Ein braun gebrannter ausgestreckter Arm, mit reichlich Schmuck behangen, reichte einen dunkelblauen Kaschmirmantel aus der leicht geöffneten Kabinentür heraus. »Sehr gern, Signora Sandter!«

Sie holte eilig den Mantel in einer kleineren Größe und gab ihn an die Kundin mit einem »Prego Signora« weiter. Kurz darauf öffnete sich mit einem Schwung die Kabinentür und Signora Sandter, eine gepflegte und elegante Mittvierzigerin, trat heraus und schaute sich selbstgefällig im Spiegel an.

»Nun, was meinen Sie? Der sieht doch gut aus, oder?« Dabei drehte sie sich schwungvoll nach allen Seiten und lächelte ihrem Spiegelbild selbstgefällig zu. Ohne eine Antwort auf ihre Frage abzuwarten, meinte sie bestimmt: »Ja, der ist schön, den nehme ich. Bitte legen Sie ihn zu den anderen Sachen und schicken Sie mir alles zusammen nach Hause. Die Adresse haben Sie ja.«

»Sehr gern Signora. Da haben Sie sich ja wieder einmal das beste Stück ausgesucht. Wie immer haben Sie einen exzellenten Geschmack bewiesen«, säuselte die Verkäuferin und nahm den Mantel in Empfang, um ihn zu den anderen, nicht weniger teuren Kleidungsstücken, auf den Tresen zu legen.

Die Kundin reichte ihr ihre Kreditkarte und die übliche Bezahl-Prozedur wurde in der kleinen, exklusiven Boutique abgewickelt.

»Einen schönen Tag noch und beehren Sie uns bald wieder«, flötete sie der Kundin beim Öffnen der Ladentür hinterher und schaute noch einige Sekunden neidisch der eleganten Frau nach, bis diese die Straße überquert hatte.

»So ein Leben wie die möchte ich auch mal haben. Gerade mal so nebenbei viertausend Franken ausgeben. Und alles natürlich nur vom Feinsten«, seufzte sie neidisch und wiegte dabei ihren Kopf hin und her. Schnell schloss sie die Ladentür ab und schaute dabei ihre Kollegin, die bereits im Mantel vor ihr stand, mit einem bedauernden Achselzucken an.

Silvia Sandter war eine auffällige Erscheinung. Stets perfekt und teuer gekleidet, mit einer untadeligen Frisur und nie ohne eines ihrer wertvollen Schmuckstücke.

Dass sie der gehobenen Gesellschaftsschicht angehörte, sah man auf den ersten Blick und sie demonstrierte dies auch gern in der Öffentlichkeit.

Es war ihr wichtig, dass jeder hier in Ascona sie mit gebührendem Respekt behandelte. Niemals sollte man auch nur annähernd vermuten, dass sie vielleicht aus ärmlichen Verhältnissen stammen könnte. Dieser Gedanke war ihr unerträglich.

Für die Leute war sie die schöne Ehefrau von Philipp Sandter, dem erfolgreichen und äußerst betuchten deutschen Anlageberater, der mit ihr oben in Ascona, ganz in der Nähe des ›Monte Verità‹, dem Berg der Wahrheit, in einer Luxusvilla wohnte und ein sehr zurückgezogenes Leben führte.

Man tuschelte, dass er sich ganz vom Berufsleben zurückgezogen habe. Aber etwas Genaues wusste niemand so recht. Man war diskret in dieser noblen, italienischsprachigen Ecke der Schweiz, in der so einige Millionäre aus aller Herren Länder ihr Domizil aufgeschlagen hatten. Und alle lebten gut davon. Der Kanton, der die Steuern kassierte, die Handwerker, die immer gut zu tun hatten, wie auch die Geschäftsinhaber der teuren, exklusiven Läden, die gern die Fränkli der Reichen entgegennahmen. Und Habenichtse wollte man hier sowieso nicht haben, die sollten sich besser fernhalten und diesen exklusiven Ort am besten meiden.

Silvia schlenderte langsam durch die engen Gassen der Altstadt von Ascona, bevor sie sich zum Abschluss ihres Einkaufsbummels an einen der kleinen Restauranttische auf der ›Piazza Motta‹ setzte, um in der warmen Herbstsonne noch ein Glas Champagner zu trinken. Sie hatte noch keine Lust nach Hause zu gehen – in ihre Einöde – wie sie ihr neues Domizil gern nannte.

Seit ihrem Umzug vor einem Jahr von Frankfurt nach Ascona lebte sie mit ihrem Mann sehr zurückgezogen. Was sie aber so gar nicht freute.

Sie war eine gesellige Natur, die gern im Mittelpunkt gesellschaftlicher Ereignisse stand und ihr unfreiwilliger Rückzug aus dem Frankfurter Gesellschaftsleben entsprach überhaupt nicht ihren Vorstellungen. Sie nahm es Philipp übel, dass sie beide seit ihrem Umzug keine Einladungen mehr ausgesprochen hatten. Er sträubte sich auch gegen jegliche Versuche ihrerseits, Einladungen anzunehmen. Geschweige denn, selbst welche auszusprechen. Lediglich die umliegenden Nachbarn durfte sie nach längerem Lamentieren auf einen kleinen Begrüßungsschluck einladen. Aber es waren alles nur ältere Leute, die schon sehr lange hier wohnten und deshalb für sie nicht von Interesse. Sie verstand Philipp überhaupt nicht und sehnte sich zurück nach Frankfurt. Dort hatte sie ihren eigenen Freundeskreis, unabhängig von ihrem Mann, der fast immer nur in Geschäften unterwegs war.

Sie war Mitglied im Golf- und Tennisklub, wenn auch in beiden Sportarten nicht besonders erfolgreich. Aber das Klubleben bot ihr zwangsläufig die gesellschaftliche Abwechslung, die sie brauchte. Die vielen Feste und die kleineren Flirts mit den männlichen Mitgliedern waren für sie das Lebenselixier, das sie beflügelte. Auch die eine oder andere Affäre hatte sich hier angebahnt. Sie brauchte die Bewunderung der Männer und eine Bestätigung dafür, begehrt zu werden. Das alles vermisste sie schmerzlich, seit sie hier an den See gezogen waren. Aber sie hatte keine andere Wahl, wollte sie nicht auf all den Luxus verzichten.

Philipp hatte sich schon seit einiger Zeit sehr verändert. Er konnte und wollte ihr das alles nicht mehr bieten. Sie verstand ihn immer weniger.

Als sie Philipp kennenlernte, war sie vierundzwanzig Jahre alt und anfangs tatsächlich in ihn verliebt. Wenn sie auch heute nicht mehr genau sagen konnte, wen sie mehr geliebt hatte, ihn oder sein Geld.

Er war zwanzig Jahre älter als sie, war damals vierundvierzig Jahre alt und sah wirklich sehr gut aus. Groß, leicht ergraute Schläfen, schöne braune Augen und stets sehr gepflegt. Wenn er sie mit seinem Jaguar von ihrer damaligen Firma abholte, in der sie als zweite Sekretärin beschäftigt war, spürte sie die neidischen Blicke ihrer Kolleginnen, die ihr vom Fenster aus nachsahen. Zur anfänglichen Verliebtheit kam jedoch schon bald die Berechnung und ihr war klar, dass sie sich diesen Mann unbedingt angeln musste. Sie hatte sicherheitshalber ein bisschen nachgeholfen und heimlich die Pille abgesetzt. Deshalb war es nicht verwunderlich, dass sie kurz darauf schwanger wurde. Genauso hatte sie sich das vorgestellt. Und ihr Plan sollte aufgehen.

Philipp fiel anfangs aus allen Wolken und war sehr überrascht. Ja fast schockiert. Natürlich hatte er vorausgesetzt, dass Silvia die Pille nahm. Trotzdem machte er ihr, wie von ihr kalkuliert, einen Heiratsantrag und es gab für sie kein Halten mehr. Diesen Mann wollte sie heiraten und endlich so leben, wie es sich für sie gehörte. Luxuriös und ohne Sorgen für die Zukunft.

Dass sie im sechsten Monat eine Fehlgeburt hatte, konnte sie schließlich nicht vorhersehen, aber es kam ihr nicht ungelegen, da sie eigentlich überhaupt keine Kinder haben wollte und ihre Schwangerschaft nur ein Mittel zum Zweck war. Und dieser Zweck war erfüllt. Philipp hatte sie aus Anstand geheiratet, wie sie anfangs dachte.

Nach ihrer Fehlgeburt merke sie aber sehr schnell, dass auch ihm Kinder unwichtig waren. Mittlerweile wusste sie, das hatte er ihr in einem Streit gesagt, dass er sie nur geheiratet hatte, weil er ein junges, hübsches und repräsentatives Aushängeschild als Geschäftsmann brauchte, das er auf Veranstaltungen und Partys vorzeigen konnte. Sozusagen als schmückendes Beiwerk zu seiner Person. Schließlich war sie damals, wie auch heute, eine wunderschöne Frau, nach der sich nicht nur die Männer umdrehten. Seine Liebe zu ihr hielt sich demnach in Grenzen und sie war sich nicht sicher, ob er sie überhaupt jemals geliebt hatte. Er sah in ihr die attraktive Frau an seiner Seite, die ihm den ganzen unangenehmen Kleinkram der unvermeidlichen privaten Dinge abnahm.

Sie bekam ein großzügiges Budget, um den Haushalt zu führen und die Villa, mit nobler Frankfurter Adresse, zu einem gesellschaftlichen Treffpunkt für wichtige und einflussreiche Leute zu machen. Das erwartete Philipp von ihr. Sie musste funktionieren und repräsentieren, und das tat sie auch.

Er dagegen lebte bis zu ihrem Umzug nach Ascona ganz und gar für seinen Beruf. Er kam immer sehr spät nach Hause und war nur darum bemüht, immer noch mehr Geld zu machen, was ihm auch reichlich gelang.

Obwohl Silvia sehr eitel war und es an ihrem Image kratzte, dass er ihr nicht restlos verfallen war, war es ihr mehr und mehr egal, was er für sie empfand. Solange sie nur tun und lassen konnte, was sie wollte. Hauptsache es ging ihr gut und sie konnte all die schönen Dinge kaufen, die ihr gefielen. Nie wollte sie, wie früher, jeden Pfennig dreimal umdrehen. Sie war vaterlos aufgewachsen.

Ihr Erzeuger hatte sich schon vor ihrer Geburt aus dem Staub gemacht und sich nie wieder sehen lassen. So flossen auch keine Alimente. Und ihre Mutter, die damals noch sehr jung war und nur eine schlecht bezahlte Stelle als Sachbearbeiterin in einer Versicherung hatte, musste sehen, wie sie mit ihrem unehelichen Kind über die Runden kam. Sie lebte mit ihr in einer kleinen Sozialbauwohnung am Rande der Stadt.

Stets war das Geld knapp und die schönen Dinge, für die sie sich schon immer begeistern konnte, waren unerreichbar. Nie konnte sie mit ihren Klassenkameradinnen mithalten, die fast ausnahmslos aus einem guten Elternhaus stammten und stets die angesagten Klamotten trugen. Das war wohl mit einer der Gründe, warum sie zwei Jahre vor dem Abitur die Schule verließ und eine Sekretärinnen-Schule besuchte, um möglichst schnell an eigenes Geld zu kommen.

»Sieh zu, dass du mal reich heiratest und dass es dir nicht so wie mir ergeht«, war der Standardsatz ihrer Mutter, seit Silvia in die Pubertät kam. Deshalb war ihre Freude besonders groß, als Silvia ihr Philipp als zukünftigen Schwiegersohn vorstellte. Das war genau das Leben, das sie sich für ihre Tochter gewünscht hatte. Und ein bisschen profitierte sie ja auch davon, denn Philipp überwies ihr ein monatliches Taschengeld, von dem sie allein schon ihre Miete bezahlen konnte. Und nun waren sie schon genau zwanzig Jahre verheiratet. Langweilige Ehejahre, wie sie sich eingestand.

Philipp entpuppte sich von Jahr zu Jahr mehr zum Eigenbrötler, der lieber in einer Ecke saß und irgendwelche Wirtschaftsnachrichten oder wissenschaftliche Abhandlungen las, als sich um seine junge Frau zu kümmern. Offensichtlich hielt er recht wenig von ihrer Gesellschaft und Meinung und sein häufigster Satz war: »Das verstehst du doch sowieso nicht.« So hatten sie sich im Laufe der Jahre immer mehr voneinander entfernt und lebten nebeneinander her. Jeder machte einfach das, was er wollte. Dann kam Philipp plötzlich völlig unerwartet mit seinen Umzugsplänen nach Ascona. Ohne sie vorher zu fragen, hatte er bestimmt, dass sie demnächst in den italienischen Teil der Schweiz umziehen würden. »Wenn du nicht mitkommst, kannst du ja allein hierbleiben«, war seine lapidare Antwort auf ihr Gejammer.

Das käme einer Scheidung gleich, das war ihr sofort klar. Er sagte das ohne Emotionen, knallhart. Und dies nach all den vielen Jahren; in denen sie ihm ihre Jugend geopfert hatte.

Das Dumme an der Sache war nur, dass sie vor ihrer Heirat einen Ehevertrag abgeschlossen hatten und ihr demnach nach einer Scheidung nur ein monatliches Almosen zustand. Auf jeden Fall würde sie von diesen Zahlungen ihren derzeitigen Lebensstandard nicht halten können und drastische Abstriche machen müssen. Das passte ihr natürlich überhaupt nicht in den Kram und sie wollte eine Scheidung auf jeden Fall verhindern. Also fügte sie sich seinen Plänen und zog mit ihm in den Süden der Schweiz.

Philipp und Luisa

Der lange Klingelton ertönte nun schon zum fünften Mal und niemand nahm den Hörer ab.

Merkwürdig, dachte Philipp Sandter und legte enttäuscht auf. Luisa müsste eigentlich um diese Zeit zu Hause sein. Er wollte ihr mitteilen, dass er am Mittwochabend wieder in Frankfurt sein werde und sie am Abend noch gern sehen wollte. Seit er in Ascona wohnte, trafen sie sich in regelmäßigem Rhythmus in Frankfurt in seiner neuen Maisonettewohnung, die er als deutschen Wohnsitz gekauft hatte und von der Silvia nichts wusste. Er hasste Hotels und das ganze Brimborium, das in diesen Häusern herrschte. Er wollte in Ruhe gelassen werden und ungestört seinen Geschäften nachgehen. Ohne von übereifrigen Bediensteten belästigt zu werden. So hatte er sich alles Notwendige für ein gut funktionierendes Büro in dieser luxuriösen Wohnung einbauen lassen. Luisa kümmerte sich um die Reinigung, füllte seinen Kühlschrank nach und bereitete alles für einen angenehmen Aufenthalt vor.

Silvia hatte nach ihrem Umzug nach Ascona nie danach gefragt, wo eigentlich seine neuen Büroräume lagen. Es interessierte sie nicht die Bohne.

Was Luisa anbetraf, hatte er große Schuldgefühle, die ihn einfach nicht losließen und deren er sich mächtig schämte. Luisa war die Tochter seiner ehemaligen Freundin Eva, die als angesehene Journalistin arbeitete. Sie hatten vor vielen Jahren eine kurze, aber stürmische Affäre, die Eva plötzlich abrupt abbrach, als sie das Angebot eines bekannten Modemagazins aus Hamburg erhielt. Seine Trauer war nur von kurzer Dauer, denn damals ging auch seine Karriere steil nach oben und die Auswahl an schönen Frauen war groß. Er tröstete sich schon bald mit einer anderen und Eva war schnell vergessen.

So war er sehr überrascht, als sich Eva nach so vielen Jahren wieder bei ihm meldete. Er hatte ihren Werdegang sporadisch verfolgt und wusste, dass sie die Karriereleiter steil nach oben geklettert war und an der Spitze einer großen Redaktion stand.

Sie erzählte ihm von ihrer Tochter, die nach ihrem Wirtschaftsstudium gern an der Börse arbeiten würde und einer Anlaufstelle suchte. Da sei er ihr wieder eingefallen. Deshalb fragte sie unverbindlich an, ob er eventuell etwas für Luisa, so hieß die Tochter, tun könne.

Es wurde ein langes, freundschaftliches Telefonat, in dem all die vergangenen Jahre in Kurzform abgehandelt wurden und Philipp zum Schluss gern seine Bereitschaft signalisierte, Luisa helfen zu wollen. Sie machten einen Termin für Luisa in seinem Büro aus und versprachen, sich bald einmal zu treffen.

So trat Luisa in sein Leben und wurde schon bald seine beste Mitarbeiterin und rechte Hand, auf die er sich hundert Prozent verlassen konnte. Mit ihrer freundlichen und verbindlichen, und vor allen Dingen kompetenten Art war sie auch bei allen Mitarbeitern eine sehr beliebte und angesehene Kollegin.

Als er Luisa auch privat etwas näher kam, war sie schon über ein Jahr bei ihm angestellt. Er mochte diese hübsche Person von Anfang an. Ihr frisches und natürliches Wesen gefiel ihm und er schätzte ihre Diskretion, Zuverlässigkeit und Intelligenz. Eines Tages, sie hatten gerade einen ganz besonders lukrativen Coup gelandet, feierte er mit seinen Mitarbeitern diesen äußerst erfolgreichen Tag. Luisa ließ für alle vom gegenüberliegenden Italiener kleine Leckereien mit Champagner anliefern. Alle beglückwünschten sich gegenseitig zu dem guten Geschäft und prosteten sich ausgelassen zu. Es war wieder einmal ein Siegertag für sein Büro, so ganz nach seinem Geschmack.

Luisa war an diesem großartigen Ergebnis nicht unbeteiligt. Sie hatte ihm wertvolle Informationen erarbeitet und gute Vorarbeit geleistet. Er fand es deshalb angemessen, sie an diesem Abend in ein teures Restaurant einzuladen. Zuvor teilte er ihr mit, dass er ihr Gehalt ab nächsten Ersten deutlich erhöhen wolle.

Luisa freute sich sehr und reagierte allerdings unerwartet. Sie lud ihn stattdessen kurz entschlossen zu sich nach Hause ein und wollte ihm bei dieser Gelegenheit ihre neue Wohnung zeigen und für sie beide etwas kochen. Sie habe alles im Haus und sei eine ausgezeichnete Köchin, versprach sie lächelnd.

»Einverstanden – ich rufe nur noch kurz meine Frau an und sage, dass ich etwas später komme«, sagte er und freute sich über die Einladung.

Sie waren mittlerweile schon so vertraut im Umgang miteinander, dass es ihn wirklich interessierte, wie Luisas Privatleben aussah. Schließlich verbrachte er mit ihr die meiste Zeit in seinem Büro und Luisa wusste mehr über ihn, als seine Frau je über ihn wusste. Der Abend entwickelte sich jedoch völlig unerwartet. Zuerst zeigte ihm Luisa ihre kleine, gemütlich eingerichtete Zwei-Zimmer-Wohnung in einer schicken Wohnanlage, ganz in der Nähe ihres Büros, und schaute sich dann den Inhalt ihres gut gefüllten Kühlschrankes an.

»Ich könnte uns Saltimbocca mit Fettuccine machen. Dazu einen Salat, und zum Nachtisch hätte ich Zitroneneis. Magst du das?«

»Bestens – ich mag italienisches Essen sehr«, freute sich Philipp.

Während sie in Windeseile mit geschickten Handgriffen ein köstliches Mahl zubereitete, füllte er die bereitstehenden Gläser mit Rotwein und schaute ihr beim Kochen vom Tresen aus zu.

Die ungezwungene Atmosphäre, das gute Essen und der reichlich geflossene Wein, waren wohl ursächlich dafür verantwortlich, dass der schöne Abend in Luisas Armen endete. Aber nein, es war mehr. Es war die Wärme und echte Zuneigung, die er bei Luisa spürte und ihr schöner, junger Körper, der sich ihm bedingungslos hingeben wollte.

Aber trotz seines großen Begehrens verlief der Abend anders, als er es sich gewünscht hatte. Sein kleiner Freund verweigerte sich aus unerklärlichen Gründen, sodass es nur zu ein paar Zärtlichkeiten zwischen ihnen kam, was ihm damals natürlich sehr peinlich war.

Aber Luisa zeigte sich sehr verständnisvoll und versuchte, der Situation alle Peinlichkeit zu nehmen. Für Philipp war das eine völlig neue Erfahrung, denn bei seinen bisherigen Affären, und da kamen schon einige zusammen, war ihm das noch nie passiert. Es kratzte schon sehr an seinem Ego. Schließlich war er noch in den besten Jahren. Mit seinem Geld und seinem Einfluss flogen ihm die Frauen nur so zu, denn nichts war für ein bestimmtes Klientel von Frauen anziehender als Macht und Geld. Sie umschwärmten ihn wie Motten das Licht.

»Wenn du mich nur fest im Arm hältst, bin ich schon glücklich«, sagte sie und schmiegte sich zärtlich an ihn.

Sie gestand ihm, bereits seit Längerem hoffnungslos in ihn verliebt zu sein, und verstand es durch ihre liebevolle Art, ihn ganz für sich zu gewinnen.

Sie war so anders als Silvia, die großen Wert auf Äußerlichkeiten legte, von einer Party zu anderen wanderte und stets den großen Auftritt suchte. Luisa war frei von solchen Oberflächlichkeiten. Sie hatte eine sehr natürliche Schönheit und Ausstrahlung, war klug und belesen und war – trotz aller Professionalität im Beruf – ein Mensch, der das einfache Leben und den Sinn hinter den Dingen suchte. Philipp konnte sich bei ihr völlig gehen lassen. Er schätzte es, ungezwungen und ohne irgendwelche Verpflichtungen und Ansprüche mit ihr die Abende zu verbringen.

Obwohl seine Potenzprobleme anhielten und er bereits einen Arzttermin vereinbart hatte. Er war Luisa dankbar für Ihre verständnisvolle Art und wollte ihr unbedingt eine Freude bereiten.

»Ich habe für dich eine hübsche 3-Zimmer-Wohnung im Westend gekauft«, überraschte er sie eines Tages. Luisa verschlug es die Sprache. Sie freute sich wie ein Kind. Trotzdem machte es sie sogleich traurig, denn damit war für sie klar, dass er in ihr immer nur die Geliebte sehen würde und mehr – vielleicht eine Scheidung – nicht in Betracht zog. Obwohl er, da war sie sich sicher, seine Frau nicht liebte. Er hatte ihr selbst einmal gesagt, dass er überhaupt nicht mehr wisse, warum er Silvia eigentlich geheiratet habe.

In dieser erst kurz währenden wunderbaren Zeit der Verliebtheit folgte dann plötzlich die Katastrophe, die er bis heute nicht verarbeitet hatte.

Der Fremde

Silvia schaute auf ihre kostbare Armbanduhr. Es war kurz nach Ladenschluss. Sie zahlte und wollte noch im Zeitschriftenladen, der meistens etwas länger auf hatte, ein paar Klatschmagazine einkaufen. Sie las die Storys in diesen Zeitschriften mit Vorliebe, zumal sie einige der sogenannten Promis persönlich kannte und so wenigstens aus der Ferne etwas am Schickimicki-Leben teilhaben konnte.

Sie rückte ihren Stuhl beiseite und stieß versehentlich mit der Lehne an den Rücken des Herrn vom Nachbartisch.

»O, entschuldigen Sie bitte«, sagte sie höflich und erschrak nicht wenig, als sich der sportlich gekleidete und gut aussehende Mann zu ihr umdrehte.

»Das macht doch gar nichts, gnädige Frau«, lächelte ihr Peter Struwe entgegen und man konnte ihm seine Bewunderung für ihre Erscheinung an den Augen ablesen.

Silvia stand für einige Sekunden völlig regungslos da und starrte ihn an.

»Äh, o, ich ...«, stotterte sie. »Entschuldigen Sie, aber mir hat es im Moment die Sprache verschlagen. Sie müssen nämlich wissen, dass sie meinem Mann zum Verwechseln ähnlich sehen. Nur ihre Haare sind wesentlich dunkler und länger und vielleicht ihre Nase, die dürfte etwas länger sein.«

»Dann sind Sie ja ganz besonders zu beglückwünschen, gnädige Frau – zu so einem attraktiven Mann«, ulkte Peter Struwe und lächelte sie verschmitzt an.

»Darf ich Sie vielleicht auf einen Drink einladen, damit wir feststellen können, ob ich auch noch anderweitig Ihrem Mann ähnlich bin?«

Silvia schaute etwas unschlüssig auf ihre mit Diamanten besetzte Uhr und nickte. »Warum eigentlich nicht«, sagte sie und kam auf ihn zu. Sofort sprang er auf und hielt ihr einladend, ganz Gentleman, den nebenstehenden Stuhl hin.

Sie bestellte noch einmal ein Glas Champagner und prostete dem Unbekannten freundlich zu, nicht ohne ihn verstohlen genau zu mustern.

»Salute, vielen Dank für die Einladung. Darf ich fragen, was Sie hier in Ascona machen?«

Peter Struwe lächelte sie gewinnend an. Er war bestens für derlei Fragen gewappnet. Schließlich war er seit langer Zeit auf ähnliche Situationen vorbereitet und hatte deren Antworten aus erprobter Praxis umgehend parat.

Als arbeitsloser Schauspieler, mit nur wenig Aussicht auf ein Engagement, war er noch vor einigen Jahren fast permanent pleite gewesen. Unbeabsichtigt und völlig unvorbereitet geriet er jedoch in ein außergewöhnliches Fahrwasser, das ihm neue Geldquellen und ganz neue Perspektiven für die Zukunft erschloss.

Er besuchte damals die Vernissage eines Freundes, der Maler war und seine erste Ausstellung hatte. Dort lernte er Elisabeth, eine reiche, nicht gänzlich unattraktive achtundfünfzigjährige Witwe kennen. Ihre Blicke waren eindeutig. Er spürte sofort, dass sie sich sehr für ihn interessierte, nicht als Künstler, sondern als Mann, und er ließ sich schon sehr bald auf eine Liaison mit ihr ein. Nicht zuletzt deshalb, weil er damals ziemlich verzweifelt war und nicht wusste, wie er seine nächste Miete bezahlen sollte. So griff er nach jedem Strohhalm, der sich ihm bot, um seine brenzlige Situation zu entschärfen. Und Elisabeth stellte keine großen Ansprüche an ihn. Sie war froh und glücklich, dass Peter sich für sie interessierte und er etwas Abwechslung in ihre Einsamkeit brachte. Sie überschüttete ihn mit teuren Geschenken, denn endlich hatte sie wieder einen Mann an ihrer Seite, der nicht nur das Bett mit ihr teilte, sondern mit dem sie auch wieder am gesellschaftlichen Geschehen teilhaben konnte.

Es entwickelte sich schon bald eine vertraute und kameradschaftliche Beziehung zwischen ihnen, die ihm am Ende ein kleines Vermögen einbrachte. Nicht nur, dass er kostenlos in der gemeinsamen Zeit bei ihr wohnen konnte. Nein, er hatte es schließlich problemlos geschafft, dass sie ihm ein größeres Darlehen für eine angebliche Theaterproduktion vorstreckte. Die hatte er ihr in den schillernsten Farben anschaulich ausgemalt. Zum Glück alles ohne Vertrag, denn Elisabeth verunglückte in Norditalien auf tragische Weise tödlich, als sie mit einem voll besetzten Reisebus zu einer Studienreise nach Rom unterwegs war. Mit ihr starben zwanzig weitere Personen und viele Schwerverletzte wurden in die umliegenden Krankenhäuser eingeliefert.

Die Gazetten berichteten tagelang von diesem furchtbaren Ereignis. Da alles so plötzlich passierte, gab es niemanden in der weitläufigen Verwandtschaft, der von der geliehenen Summe etwas wusste, geschweige denn, sie von ihm zurückverlangte. Dieses Aha-Erlebnis war für ihn der Beginn einer erfolgreichen und recht rentablen Gigolo-Karriere. Sie ermöglichte es ihm immerhin, heute hier in Ascona in der Herbstsonne zu sitzen und in einem der teuren Hotels an der Piazza zu wohnen. Seine letzte Affäre mit Eleonore Grütter allerdings verursachte ihm noch etwas Magenschmerzen, denn auch diese Geliebte hatte ihm ein angebliches Theaterprojekt finanziert. Eines Tages wollte sie doch tatsächlich Einblick in alle Unterlagen haben. Das musste er natürlich verhindern. So sah er nur einen unvermeidbaren Ausweg aus dieser brenzligen Situation.

Er vereinbarte einen romantischen Abend mit Eleonore. Mit Kerzenschein und reichlich Alkohol, von dem sie meist schon morgens ihren üblichen Level intus hatte. Diese Tatsache nutze er schamlos aus und es war ein Leichtes für ihn, sie gezielt und relativ schnell völlig betrunken zu machen. Dieser Zustand führte dazu, dass sie, mit einem Tablett in der Hand, unglücklich stolperte und die steile Treppe hinunterstürzte und sich dabei das Genick brach. Welch ein Pech für die Dame, dachte er boshaft und entfernte sich schnellstens ungesehen vom Ort des Geschehens. Aber zuvor entfernte er noch jegliche Indizien seines Besuches und durchsuchte zur Sicherheit noch ihren Aktenschrank nach seinem Schuldschein, den er ihr vor Übergabe des Geldes unterschreiben musste. Damit war für ihn die Sache erledigt.

Aber so langsam wurde es wieder Zeit, dass er sich nach einer neuen Geldquelle umsah. Denn seine Spesen waren hoch und sein Kontostand war bedenklich geschrumpft.

Diese Dame, die ihm hier gegenüber saß, war nicht nur besonders attraktiv, sie sah außerdem auch nach sehr viel Geld aus und war einem kleinen Flirt offenbar nicht abgeneigt. Er konnte förmlich ihr Geld riechen und das Jagdfieber, das ihn in letzter Zeit jedes Mal vor einem neuen Abenteuer erfasste, erregte ihn auf eine merkwürdige Art und Weise. Er verspürte ein Kribbeln bis in die Haarspitzen. Kein Drehbuch konnte in ihm eine solche Spannung hervorrufen und ein erfolgreich verlaufener Coup verschaffte ihm eine ganz ungewöhnliche Befriedigung; so ganz ohne Folgen für ihn.

So war er in diesem Moment Schauspieler und Regisseur zugleich und rezitierte überzeugend den Text seiner Rolle als Gigolo, die nun schon seit einigen Monaten auf seinem privaten Spielplan stand.

»Ich möchte mich einige Tage hier erholen, gnädige Frau. Sie müssen wissen, ich bin Schauspieler und hatte in letzter Zeit einfach zu viele Engagements«, log er. »Ich nehme mir eine kurze Auszeit von der Bühne. Da erschien mir Ascona, auch wegen des schönen Wetters und der schönen Umgebung, genau die richtige Wahl. Und wenn man dann noch so einer schönen Frau gegenüber sitzt, ist das bereits die reinste Erholung«, schmeichelte er.

»Schauspieler – das ist ja sehr interessant. Sind Sie am Theater oder bei Film und Fernsehen?«

»Mal hier mal da. Zuletzt habe ich unter Claus Peymann in Berlin gespielt«, log er erneut und betonte dies mit einem gewissen Stolz in der Stimme, die auch Unwissenden klar machte, dass es sich hier um ganz große Kunst handelte.

Silvia nickte begeistert, obwohl sie sich in Theaterfragen nicht besonders gut auskannte. Einen Schauspieler hatte sie bisher noch nicht persönlich kennengelernt. Aber irgendwie fand sie das äußerst interessant und es schmeichelte ihr, mit einem Künstler an einem Tisch zu sitzen. Und wie charmant er war. Kein Vergleich zu Philipp, wenn auch die Ähnlichkeit frappierend war.

»Darf ich fragen, was Sie nach Ascona verschlagen hat? Sie sind doch offensichtlich auch Deutsche. Ich vermute aus dem Hessischen?«

»O, mein Gott! Hört man das leider immer noch«, lachte Silvia. »Natürlich, Sie als Schauspieler haben da bestimmt ganz feine Ohren. Richtig. Ich komme aus Frankfurt und bin vor einem Jahr mit meinem Mann fest hier nach Ascona gezogen. Dort oben auf dem Hang haben wir unser Haus.« Dabei deutete sie auf die exklusiv bebaute Hanglage ganz oben am Berg.

»Dort oben, rechts am Steilhang, ziemlich weit oben am ›Monte Verità‹.«

»Da haben Sie sicher einen wunderschönen Blick. Ich bin erst gestern hier angekommen und kenne die Gegend noch nicht. Aber, was ich bis jetzt gesehen habe, begeistert mich sehr.«

»Ja es ist wunderschön hier. Und meistens schönes Wetter. Aber ich vermisse Frankfurt trotzdem arg. Einfach wegen der alten Freunde, wissen Sie. Wir leben hier leider sehr zurückgezogen. Mein Mann möchte das so«, sagte sie achselzuckend mit einem bedauernden Lächeln.

»Wie machen Sie das denn mit Ihren Kindern, mit Schule und so weiter?«

»Wir haben keine Kinder, es sollte wohl nicht sein.«

»Ach so. Und ihr Mann, der wird doch sicher noch berufstätig sein. Darf ich fragen, welchen Beruf er hat?«

»Mein Mann ist Anlageberater. Er hat sein Büro in Frankfurt aber fast ganz aufgegeben und arbeitet jetzt nur noch von hier aus. Alles per Computer, verstehen Sie. Er ist online mit allen wichtigen Partnern verbunden und arbeitet nur noch für ganz wenige Klienten. Sie müssen wissen, er ist schon vierundsechzig Jahre alt und will so allmählich aufhören und nur noch privat etwas spekulieren.«

»O, da haben Sie ja einen wesentlich älteren Mann. Das dürfte für Sie als junge Frau vielleicht etwas langweilig sein, ohne Freunde und Ablenkungen der Großstadt?«

»Du meine Güte, sieht man mir die Langeweile schon an!«, lachte Silvia.

»Wenn Sie erlauben, stehe ich Ihnen jederzeit gern für Unternehmungen zur Verfügung.«

Peter lächelte sie vielversprechend an und schaute ihr dabei tief in die Augen. Silvia, die seinen Blick, ohne verlegen wegzuschauen, erwiderte, verspürte endlich wieder dieses prickelnde Gefühl, das sie schon so lange Zeit vermisst hatte. Warum denn nicht, dachte sie erregt. Endlich wieder eine Gelegenheit, der Tristesse des Alltags zu entfliehen und ihre langsam verkümmernde Liebeslust neu zu beleben. Und eine Affäre mit einem Schauspieler, die hatte für sie etwas Verruchtes, ja Unkonventionelles. Philipp würde bestimmt nichts merken. Sollte er doch hinter seinen blöden Börsenkursen und Büchern verschimmeln!

»Wirklich«, antwortete sie deshalb, »das wäre natürlich ein verlockendes Angebot.

---ENDE DER LESEPROBE---