Die UFO-AKTEN 20 - Mel Maroon - E-Book

Die UFO-AKTEN 20 E-Book

Mel Maroon

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Beschreibung

In Myrtle Beach, einem der beliebtesten Urlaubsorte an der Atlantikküste South Carolinas, werden immer wieder Wrackteile des Tankers Sea Oil 3065 angespült. Das Schiff war im Jahr 2015 in der Nähe des sagenumwobenen Bermuda-Dreiecks in einen Sturm geraten. Von der Besatzung und Fracht fehlt bis heute jede Spur. Seit geraumer Zeit kommt es aber auch unter den Strandbesuchern zu mysteriösen Todes- und Vermisstenfällen. Handelt es sich tatsächlich um Hai-Attacken, oder gibt es einen Zusammenhang mit der geheimen Ladung des verunglückten Tankschiffs?
Als eine skelettierte Frauenleiche mit Schwanzflosse und fischartiger Schuppenhaut im Sand entdeckt wird, machen schnell Gerüchte um unheimliche Meerjungfrauen die Runde. Das Aufsehen ruft sehr bald nicht nur Journalisten, sondern auch die NSA und Cliff und Judy auf den Plan ...


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Inhalt

Cover

Gesänge aus der Tiefe

UFO-Archiv

Vorschau

Impressum

Mel Maroon

Gesänge aus der Tiefe

Bermudadreieck, 660 Seemeilen bis New York City

Atlantischer Ozean, 07. Juni 2015, 03:35 Uhr

Der Sturm toste, und die Wellen brachen sich am Bug des maroden Tankers. Immer wieder ging ein Ruck durch die Sea Oil 3065. Den sonst so taffen Seemännern an Bord sah man deutlich die Verunsicherung an, als sie in völliger Dunkelheit das sagenumwobene Bermudadreieck kreuzten.

Auf der Brücke hatten Kapitän Isaac Stratton und sein Erster Offizier Edward Williams alle Hände voll zu tun, das rostzerfressene Tankschiff vor dem Kentern zu bewahren. Trotzdem war dies nicht ihre einzige Sorge. Immer wieder mussten sie an ihre mysteriöse Fracht denken, einen riesigen trüben Glaskasten im Rumpf des Schiffes. Sie wussten nichts über den Inhalt – nur dass er schnellstmöglich nach New York gebracht werden sollte. Doch es schien, als wollten die Gewalten des Meeres genau das verhindern ...

»Noch etliche Seemeilen, und wir haben es endlich in den sicheren Hafen geschafft. Der Sturm und Seegang sind heute aber echt ruppiger als erwartet. Das gefällt mir gar nicht. So dunkel war die See noch nie«, brummte Kapitän Isaac Stratton auf seinem riesigen rostigen Tanker namens Sea Oil 3065 mit rauer Stimme, die von einem langen Leben auf dem weiten, unbändigen Meer zeugte. Wenn man ihm zuhörte, wollte man sich am liebsten direkt räuspern. Er richtete seinen festen Blick aus hellen blauen Augen auf den nicht vorhandenen Horizont. Seine Miene war ernster als noch vor ein paar hundert Seemeilen. »Ich kann es kaum erwarten, diese verfluchte Ladung zu löschen. Die Oberen haben einen Aufriss deswegen gemacht, sag' ich dir!«

Der junge Offizier Edward Williams stand neben ihm auf der Brücke des alten Kahns. Er hatte blonde kurzgeschorene Haare, wie man sie oftmals beim Militär trug, warf einen nervösen Blick durchs Fernglas, konnte aber nichts als Dunkelheit über den aufbrausenden Wellen ausmachen, welche schwer gegen das lange, beladene Schiff drückten. Immer wieder musste er einen wackeligen Schritt zur Seite setzen. Ihm fehlte der feste Stand, den er seit seiner Arbeit auf dem Tankschiff eigentlich gewohnt war. Da draußen ging es also heftiger zu als gedacht.

Der Blondhaarige kontrollierte immer wieder die blinkenden und zeitweise auch ausfallenden Anzeigen auf den Armaturen. Dabei schwitzte er Blut und Wasser. Das Schiff befand sich immerhin seit geraumer Zeit im berühmt-berüchtigten Bermudadreieck, um das sich zahlreiche Legenden rankten. Genau hier waren diverse Flugzeuge wie die des Flug 19 und Schiffe wie die Marine Sulphur Queen spurlos verschwunden, als habe sie der Ozean einfach verschluckt. Die Monitore begannen erneut zu flackern. Er klopfte mehrmals dagegen, sodass sich das Bild fürs Erste stabilisierte. Angespannt blickte er daraufhin zu seinem Kapitän herüber.

»Warum, glauben Sie, war denen der schnelle Transport so wichtig? Wir mussten beinahe Hals über Kopf aufbrechen und waren kaum mit der Beladung der eigentlichen Fracht, dem Öl, fertig«, wollte Williams nun wissen. »Ich finde das mehr als seltsam. Zumal man auch einen Tanker hätte nehmen können, der mehr ausgebildete Crew an Bord hat und besser in Schuss ist. Die Sea Oil 3065 schafft kaum zwanzig Knoten und wirkt nicht gerade wie das Vorzeigeobjekt eines schnittigen, sicheren Tankers. Verzeihung, Captain.«

Schnell wendete er seine grünen Augen ab und senkte den Blick. Er war zu weit gegangen. Wie er wusste, hing sein Vorgesetzter an diesem Schiff. Der Kapitän presste seine rissigen Lippen aufeinander, bis sie weiß wurden. Die sonnengebräunte Haut des Alten zeigte zahlreiche kleine Narben und tiefe, dunkle Furchen, die sein Gesicht zerschnitten, das einmal recht attraktiv gewesen sein musste. Lange, bevor er sich mit dem Meer verheiratet und die meiste Zeit seines Lebens auf Krabbenbooten und Frachtschiffen verbracht hatte. Stratton war den rauen Ozean gewöhnt, doch selbst einem harten, vollbärtigen Seebären wie ihm verging der Spaß an der Arbeit – seiner Bestimmung – sobald er an die Durchfahrt des Teufelsdreiecks dachte.

»Das werden wir wohl nie erfahren, und mein sechster Sinn sagt mir, dass wir uns besser um unsere eigenen Angelegenheiten kümmern. Die Konkurrenz ist groß genug, um sich über sie Sorgen zu machen. Wir leben im Hier und Jetzt, von heute auf morgen. Jeder Tag kann dein letzter sein, also bleib' lieber bei der Sache, für die du geboren wurdest.« Isaac Stratton strich sich über seinen imposanten grauen Vollbart. »Diese Anzugträger waren mir außerdem nicht geheuer. Das Einzige, was für mich zählt, ist die gute Bezahlung, die man uns versprochen hat. Für so viel Geld kutschiere ich ihnen sogar die Queen auf meinem rostigen Schiff quer über den Atlantik. Also, frag' nicht nach, Junge. Wir leben länger, wenn wir uns aus den Angelegenheiten der oberen Zehntausend raushalten.«

Sein Erster Offizier musste sich mit dieser Stellungnahme zufriedengeben, auch wenn ihm nicht danach war. Zu gerne hätte er gewusst, was sich in dem riesigen trüben Glaskasten im Rumpf des Schiffes befand, der dort zwischen den Ölfässern und sonstigen Ladekammern lagerte. Auf ihm waren zahlreiche gelbe Dreiecke mit dem Symbol für Biogefährdung abgebildet. Zudem schien der Behälter steril verpackt zu sein. Den einzigen Zugang bildete eine luftdichte Tür, die mehrfach verschlossen worden war, bevor sie abgelegt hatten, als würde sich im Inneren ein gefährliches Tier befinden. Nur mithilfe des passenden Zugangscodes ließ sich der Kasten öffnen.

Einmal hatte sich der blondhaarige Offizier bereits nach unten geschlichen, um sich das Ganze aus der Nähe anzusehen. Die Frachtpapiere führten die geheimnisvolle Ladung jedoch nicht auf, als würde sie überhaupt nicht existieren. Es musste sich dabei also um einen geheimen Transport von Panama City nach New York handeln. Nur warum? Was war so wichtig und diskret zu behandeln, wurde dann aber ausgerechnet einem der rostigsten Schiffe des ganzen Hafens anvertraut?

Erneut gab es einen heftigen Ruck, der ihn beinahe zur Seite schleuderte.

»Ich werde mal zur Toilette gehen«, behauptete der Blonde und wartete das Nicken seines Kapitäns folgsam ab, bevor er sich umwandte und nach unten schritt.

Ein paar Männer passierten ihn und grüßten anständig. Den Weg zum Waschraum nahm er nicht, sondern schlug stattdessen den zur Ladezone ein. Dafür musste er über die glitschigen Planken des Schiffes gehen. Mehrmals rutschte er beinahe aus, konnte sein Gleichgewicht jedoch im letzten Moment halten. Der stürmische Regen peitschte ihm brutal ins Gesicht, während er sich den gefährlichen Pfad bis zur nächsten Treppe erkämpfte. Jeder kleinste Tropfen fühlte sich wie ein Nadelstich auf der Haut an. Edward Williams blinzelte deutlich, um noch etwas durch die Gischt erkennen zu können. Dann stemmte er sich ein paarmal gegen den Wind, damit er nicht zurückgedrängt wurde.

Am Ziel hielten weitere muskulöse Herren Wache. Selbst jenen harten Kerlen stand die Angst ins bleiche Gesicht geschrieben.

»Ihr könnt Pause machen, ich passe so lange auf. Gebt acht da draußen, Männer. Es ist stürmischer als erwartet. Bleibt lieber in euren Kajüten oder in der Küche. Wir können hier draußen gerade niemanden retten, wenn er über Bord geht. Falls ich euch bis dahin brauche, funke ich euch an«, gab er eine Anweisung, der sofort und ohne Einwand Folge geleistet wurde.

Endlich war Williams allein. Der Blondhaarige atmete tief ein und erst spät wieder aus. Er versuchte, seinen Puls unter Kontrolle zu bekommen, was schwierig im Angesicht des wilden Bermudadreiecks war. Immer wieder wurden Wassermassen oder ganze Fischladungen an Deck gespült und in der nächsten Sekunde zurück ins Meer gerissen. Die Luft hier unten im Frachtraum war eiskalt, noch kühler als oben. Er atmete sogar kleine Wolken aus. Als er seine Nase an das eiskalte Glas drückte, glaubte er, einen weiteren, aber metallischen Behälter darin zu erkennen. Mehrmals rieb er an der Außenhülle und hauchte sie an, um die beschlagene Oberfläche anschließend frei zu wischen, die keinen klaren Blick zuließ. Und noch immer stellte sich die Frage, was zum Henker in diesem geheimnisvollen Kästchen im Inneren einer dicken Schutzhülle aus bruchsicherem Glas versteckt war.

Dieses Etwas ist besser gesichert als das gesamte Tankschiff, als es frisch aus der Werft kam, dachte er. Geradezu hermetisch abgeriegelt.

Seine Neugier wurde unbändig, sie zerriss ihn seit Beginn ihrer Odyssee regelrecht, doch nun brannte ein Feuer in ihm. Irgendetwas zog Williams fortwährend in die Nähe dieses Würfels. Er konnte sich dessen Anziehungskraft nicht länger erklären. Es handelte sich zwar um keine Ladung wie jede andere, aber dennoch bloß um eine Fracht, die ausgeliefert und abgeladen, also gelöscht werden musste. Demzufolge verhielt es sich nicht anders als bei den Tonnen von Öl im Ladebereich, die man ebenfalls in New York City erwartete. Was war es also, was ihn vor allem an dem Kasten derart faszinierte? Etwa das Unwissen und die Geheimniskrämerei? Dass hohe Tiere aus der Politik oder der Wissenschaft damit in Verbindung standen? Oder vielleicht die Tatsache, dass man selbst seinen Kapitän nicht über den Behälter ins Bild gesetzt hatte, was zuvor noch nie der Fall gewesen war?

Hastig wandte er sich ab. Er musste sich mit aller Kraft davon losreißen. War da nicht gerade ein helles Glühen im Kern gewesen, oder bekam er aufgrund des starken Seegangs bereits Halluzinationen? Seekrank kannte er sich bisweilen nicht. Allerdings zweifelte er auch ein bisschen an seinem Verstand, seit sie das Bermudadreieck im Atlantik erreicht hatten. Selbst wenn er neben seinem Chef stand und dessen Befehle ausführte, schien eine Stimme in seinem Kopf nach ihm zu rufen – ihn nahezu zu locken. Ohne Worte und ohne Geräusch. Es passierte ausschließlich in seinem Gehirn, und war für die restliche Crew anscheinend nicht hörbar, denn niemand außer ihm reagierte darauf.

Erneut presste er sein Gesicht gegen das dicke Glas. Seine Lippen bebten vor Erregung. Er ging einige Male auf und ab, um den inneren Zwang loszuwerden, den Glaswürfel doch noch zu öffnen, der ihm bis zur Scheitelspitze reichte.

Wem war der Inhalt nur so viel Geld wert? Und dass der Kapitän eine solch lange und beschwerliche Reise dafür antrat, blieb ihm ebenfalls ein schleierhaftes Rätsel.

Statt auf die Gefahrensymbole an der Außenseite zu achten, schritt der Offizier einmal um das Objekt seiner Begierde herum. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn, obwohl seine Hände vor Kälte zitterten. Je näher er dem Glas kam, desto mehr schien die Lufttemperatur abzusinken.

»Ich werde nie herausfinden, was du bist«, sprach er leise zu einer unsichtbaren Person.

Das Hämmern in seinem Kopf wurde auf einmal unerträglich. Etwas im Inneren des Metalls schrie nun glockenklar nach ihm. Es antwortete, ohne seine Sprache zu sprechen. Die Kraft des Behälters verlangte seine Hilfe und würde nicht nachgeben, bis der Mann im Frachtraum die Tür davon geöffnet hatte. Er presste sich seine Hände auf die Ohren, um die Geräusche zu unterdrücken, doch dafür hätte er wahrscheinlich bewusstlos werden müssen.

Vielleicht liegt es schlichtweg an den Magnet-Anomalien im Bermudadreieck. Jene erklären bestimmt auch die Ausfälle der elektronischen Geräte, versuchte er sich zu beruhigen.

Schlagartig kehrte Stille ein. Erstaunt öffnete Williams seine Augen und nahm die Hände von den Ohrmuscheln. Der Blondhaarige atmete auf und lächelte über seine eigene Furcht vor dem Unbekannten. Er lernte offenbar eine neue Seite an sich kennen.

Als sein Blick zur zuvor verriegelten und mehrfach abgesicherten Tür des Glasbehälters wanderte, erstarrte er zur Salzsäule. Sie stand nun sperrangelweit offen, und er selbst hielt noch immer das Schloss davon in den Händen. Dabei hatte er selbst keinen Zugangscode besessen. Noch furchterregender war die Tatsache, dass er ebenso die Ketten, mit denen der mysteriöse Behälter am Boden verankert gewesen war, gelöst hatte.

»Was zum ...«

Viel Zeit, um über sein unverständliches Tun nachzudenken, gab man ihm nicht. Ein heftiger Stoß wanderte durch das gesamte Schiff und schleuderte ihn nach draußen. Das moderne Schloss glitt ihm dabei aus der Hand. Er schlug hart auf dem nassen Boden auf, und wurde sogleich erneut mitgerissen. Dabei entzog man ihm die Orientierung. Dem Ersten Offizier wurde schwindelig, und sein Magen wollte sich mit sofortiger Wirkung entleeren. Angesichts der drohenden Lebensgefahr siegte jedoch das Adrenalin in seinem Körper. Er umklammerte das nebenstehende Metallgeländer fest, um nicht mit der nächsten Welle über Bord zu gehen. Der Tanker bäumte sich auf, als er einen riesigen Berg aus Wasser brach. Eine zweite, noch größere Welle folgte auf dem Fuß. Der Lärm war unerträglich. Irgendwo schrien seine Männer – oder schrie er inzwischen selbst? Seine Kehle schmerzte, seine Augen sahen kaum noch etwas in der Dunkelheit. Das salzige Wasser brannte darin, wenn auch nur kurz.

Eilig fummelte er mit ungelenken, steifen Fingern sein Funkgerät aus der Tasche, um Hilfe zu ordern, doch alles, was er vernahm, war ein Knirschen und Knacken aus dem Lautsprecher. Der Kontakt zu seinen Leuten brach daraufhin komplett ab. Das grausame Erlebnis nahm eine monströse Gestalt an, als das riesige Schiff zur Seite kippte und sich die Wassermassen des tiefen, dunklen Meeres darüber ergossen, bis es sich nicht mehr aus eigener Kraft aufstellen konnte.

Wir sinken!, war Williams einzig verbliebener, panischer Gedanke.

Die Kälte des Sturms spürte er schon lange nicht mehr. Um ein Vielfaches eisiger war das Gefühl, das ihn erfasste, als er zurückblickte und eine metallische, heiß glühende Kiste auf sich zufliegen sah. Eine chemische Reaktion mit der Luft oder pure Einbildung aufgrund seiner Sehnsucht nach Licht? Ihm blieb keine Zeit mehr, um darüber nachzudenken.

Es hatte sich aus seinem sterilen Gefängnis befreit!

Der von selbst erhitzte, innere Behälter traf ihn gnadenlos an der Schläfe, sodass er die Besinnung verlor. Danach fielen beide über Bord in die reißenden, fordernden Wellen des Atlantiks.

Grand Strand, Myrtle Beach

South Carolina, 26. Mai 2022, 06:30 Uhr

Bobby Carmichael streifte wie gewöhnlich am morgendlichen Strand entlang, auf der ewigen Suche nach Essensresten und halb geleerten Getränkeflaschen, die die reichen Touristen ungeachtet in die Natur warfen. Dies war gar nicht so ungewöhnlich, schließlich räumte man hinter ihnen auf und verbat ihnen nicht die Einreise in das beliebte Urlaubsparadies, das ausschließlich vom Tourismus lebte – und Bobby lebte nun von ihren Hinterlassenschaften wie ein räudiger Köter aus der Gosse. Anfangs hatte er sich dafür geschämt, sich sogar versteckt, bis er bemerkt hatte, dass er für diese Menschen unsichtbar blieb. Sie blickten ihm absichtlich nicht in die vom Alkohol getrübten Augen. Allein sein schwankender Gang und der bestialische Geruch seines verletzten, entzündeten Beines ließen die meisten davoneilen, ehe er überhaupt in ihre Nähe kam.

Myrtle Beach hatte keine eigene Industrie, sondern hauptsächlich Hotels mit Wellnessbereichen und Golfplätzen. Hier ging es einzig um Spiel, Spaß, Geld und Sex. Gäbe es nicht so viele Highschools und stattdessen mehr Casinos in der kleinen Stadt, könnte man Myrtle Beach als das Las Vegas der Ostküste bezeichnen.

Bobby sah auf, weil er leise Stimmen vernahm. Er konnte es sich nicht leisten, schon wieder von einem Polizeibeamten davongejagt zu werden oder in einer Ausnüchterungszelle zu versauern, während ihm die Zeit davonlief und sich die Strände mit trinkenden, feiernden Urlaubern und Familien mit lauten Kindern füllten. Bobbys Leben fand für gewöhnlich in der Nacht und am frühen Morgen statt, solange die Reichen und Schönen in ihren weichen Betten schliefen. Eine fremde Welt für einen vergessenen Menschen wie ihn, der in seiner ausgeleierten, schmutzigen Hose und dem alten, zerschlissenen Hemd einen schäbigen Eindruck hinterließ. Die Touristen rümpften ihre hohen Nasen, sobald sie ihn doch einmal zu Gesicht bekamen. Und Bobby streckte ihnen dann zu gerne die bleiche Zunge heraus. Manchmal kam er auch näher, bis sie angstvoll zurückwichen. Bevor der Wachtmeister bei ihm wäre, war Bobby längst weitergezogen und außer Sichtweite. Niemand würde sich ernsthaft mit einem Obdachlosen abgeben, erst recht nicht in Myrtle Beach.

Tagsüber sonnten hier die Schönen ihre aufgespritzten Hintern und botoxverseuchten Gesichter in der prallen Sonne des herrlichen Strandes, abends zog es die Älteren und die Familien aus dem südlichen Teil namens Surfside Beach ins Bett, während die Jugendlichen gen Norden nach North Myrtle Beach weiterzogen, um sich dort ins aufregende Nachtleben zu stürzen. Ein Luxus, den sich Bobby Carmichael nicht leisten konnte. Auch dem Rummel mit dem großen Riesenrad blieb er mittlerweile fern. Und vor den Shoppingmalls wollte man einen »Vergessenen« wie ihn ohnehin nicht sehen. Demzufolge blieb dem Obdachlosen nichts weiter übrig, als nachts den langen Grand Strand abzulaufen und nach Resten zu suchen, die andere als Müll bezeichneten. Für ihn waren es Schätze. Das Essen war zwar vorrangig, aber Bobbys Wangen glühten freudig, wenn er auf ein paar alte Flip-Flops, einen vergessenen Strandball oder eine Sonnenbrille stieß.

Als Bobby jede Menge scharfe Glasscherben entdeckte, spuckte er verächtlich in den Sand. Er verabscheute die arrogante Art der Hotelbewohner. Nicht einmal an ihre eigenen Kinder und Haustiere konnten sie denken! Diese Leute waren eine Pest für den schönen Strand und die Artenvielfalt im Meer. Wo sie hingingen, wuchs bald kein Gras mehr.

Er schlenderte weiter, darauf bedacht, nicht in Glas oder scharfe Metalldosen zu treten. Sein Hinken wurde mittlerweile schlimmer, bald würde ihm das Bein sicher abfaulen, doch Bobby war guter Dinge. Die Angst um seine Gesundheit war bereits vor Jahren einer Zufriedenheit gewichen, die ihm niemand nachempfinden konnte. Er war sogar glücklich. Bobby brauchte sich nicht um eine Frau, eine Familie, den Job, die Steuern oder weiteren Kram zu kümmern, welcher die anderen tagtäglich beschäftigte. Das Buckeln und Betteln war Teil seiner Vergangenheit, als er noch jeden Morgen ins Büro gefahren war, um sich anschreien und beschimpfen zu lassen. Geradezu niedergemacht hatte man ihn damals. Bobbys Leistung war nie genug für die fordernde Gesellschaft gewesen – weder für seinen Chef noch für seine Exfrau. Sein Alltag hatte ihn abstumpfen lassen und beinahe aufgefressen. Tagtäglich hatte der Mann nach seiner Bestimmung gesucht, die er nie gefunden hatte. Jetzt sagte ihm niemand mehr, wo es langging.

Er genoss den ruhigen, fast verlassenen Strand trotz der paar Schaulustigen. Ein verliebtes Pärchen wartete im immer noch warmen Sand auf den romantischen Sonnenaufgang. Beinahe hätte Bobby laut gelacht. Liebe war für ihn ein Hirngespinst. Er hielt sich besser von ihnen fern, damit es keinen Aufschrei des Entsetzens gab. Im Morgengrauen wirkte seine zerfurchte Visage nämlich noch erschreckender. Außerdem wäre zu viel Aufmerksamkeit schlecht fürs »Geschäft«.

Langsam folgte er seiner Route bis zu einer Stelle, an der niemand mehr saß. An Ort und Stelle ruhte er für einen Moment und schaute auf das scheinbar endlose Meer hinaus. Er genoss das leise Rauschen der Wellen wie immer in der Frühe.

Der kleine Sturm von letzter Nacht war vorüber und hatte augenscheinlich viele Schätze an Land gespült. Neugierig kam Bobby näher und beugte sich zu einem großen Bündel hinab. Er durchsuchte die vermoderten Bretter auf Besonderheiten. Manchmal klebten auch leckere Muscheln an ihnen, die er sich als Nachtisch gönnte. Enttäuscht warf er die modrige Schiffsplanke beiseite und wühlte weiter durch Seetang und abgestorbene Korallen.