Die unbequemen Wahrheiten der Ökologie - Wolfgang Haber - E-Book

Die unbequemen Wahrheiten der Ökologie E-Book

Wolfgang Haber

4,5

Beschreibung

„Nachhaltigkeit kann nur gelingen, wenn wir die Ökologie nicht verklären.“ Diese Ansicht vertrat Wolfgang Haber in der ersten Carl-von-Carlowitz-Vorlesung. Der Doyen der wissenschaftlichen Ökologie erteilt mystifizierenden Bildern vom Wesen des Menschen und der Natur eine klare Absage: Der Weg in eine nachhaltige Zukunft könne nur gelingen, wenn wir uns auf die Wirklichkeit besinnen und unseren Blick auf die Schlüsselprobleme des 21. Jahrhunderts richten – auf die Endlichkeit der Ressourcen und das immense Bevölkerungswachstum. Dies als äußere Bedingung menschlichen Handelns zu begreifen und zu akzeptieren, ist Teil der human-ökologischen Perspektive, mit der Wolfgang Haber an die Einsichten von Carl von Carlowitz anknüpft. Der Band ist Auftakt einer Vorlesungsreihe des Rates für Nachhaltige Entwicklung, in der herausragende Wissenschaftler(innen) verschiedener Fachrichtungen ihre Gedanken und Konzepte zur nachhaltigen Entwicklung vortragen. Pate der Reihe ist Carl von Carlowitz; er lebte von 1645 bis 1714 in Sachsen – einem Gebiet, in dem drastischer Raubbau an Wäldern betrieben wurde. Carlowitz empfiehlt eine „nachhaltende Nutzung“ des Holzes mit dem Ziel, die Ressourcenzerstörung zu beenden – und gilt seither als Vater des Nachhaltigkeitsbegriffs.

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Wolfgang Haber

Die unbequemen Wahrheiten der Ökologie

Eine Nachhaltigkeitsperspektive für das 21.Jahrhundert

Carl-von-Carlowitz-Reihe Band 1 herausgegeben vom Rat für Nachhaltige Entwicklung

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Dieses Buch wurde klimaneutral hergestellt.

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detailierte bibliografische

Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

2. Auflage, 2011

© 2010 oekom, München

oekom verlag, Gesellschaft für ökologische Kommunikation mbH

Waltherstraße 29, 80337 München

Umschlaggestaltung: Sarah Schneider, oekom verlag

Umschlagabbildung: © RNE

Alle Rechte vorbehalten

eISBN: 978-3-86581-360-2

Erste Carl-von-Carlowitz-Vorlesung des Rates für Nachhaltige Entwicklung anlässlich seiner9. Jahreskonferenz in Berlin am 23. November 2009

Vortragstitel der Rede Wolfgang Habers:

Nachhaltige Entwicklung unter human-ökologischen Perspektiven im globalen Wandel

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Die Modernität der Bestandserhaltung von Günther Bachmann, RNE

Kapitel 1

Carl von Carlowitz – gestern und heute

Kapitel 2

Die unbequemen Wahrheiten der Ökologie

Kapitel 3

Nachhaltige Entwicklung unter human-ökologischen Perspektiven

Ausblick

Bildquellen

Über den Autor und den Herausgeber

Vorwort

Die Modernität der Bestandserhaltung

Zur Einführung in die Carl-von-Carlowitz-Vorlesung 2009

Namensgeber dieser Vorlesungsreihe ist Hans Carl von Carlowitz, der Begründer des Nachhaltigkeitsbegriffes in Deutschland. Die Carl-von-Carlowitz-Vorlesungen sind dem wissenschaftlichen Diskurs über Grundlagen, Wege und Selbstverständnis nachhaltiger Entwicklung gewidmet. Ins Leben gerufen hat die Reihe der Rat für Nachhaltige Entwicklung, den die Bundesregierung 2001 eingesetzt und seither alle drei Jahre bestätigt, neu berufen und beauftragt hat. Als ein gesellschaftliches Beratungsgremium – berufen sind Personen des öffentlichen Lebens aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kirche, Gewerkschaft, Umweltbewegung und Medien – hat der Nachhaltigkeitsrat ein breites Profil an eigenen, weitergehenden Aktivitäten entwickelt. Dazu gehören spezifische politische Dialogprozesse zu wichtigen umstrittenen Themen wie auch die Kommunikation zu Nachhaltigkeitsfragen. Kommunikation ist für den Nachhaltigkeitsrat immer eine politische Konzeption, nie eine werbliche Aufgabe. Deshalb spielen Innovation, Bildung, Wissen und Wissenschaft für den Diskurs um Nachhaltigkeit eine bedeutende Rolle. Die Carl-von-Carlowitz-Vorlesungsreihe will insbesondere diese Verzahnung wissenschaftlicher und politischer Diskurse beleuchten.

Man findet das Wort »Nachhaltigkeit« immer öfter in politischen Reden und in Dokumenten aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft. Nicht immer wird es im Sinne seines eigentlichen politischen Gehaltes gebraucht, und noch öfter bleiben in diesen Beiträgen die historischen Wurzeln des Begriffes im Unklaren. Die moderne Definition der Nachhaltigkeit – nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generationen entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse und ihren Lebensstil zu wählen – stammt von der UN Welt kommission für Umwelt und Entwicklung aus dem Jahr 1987. Oder einfacher: Was kommt, soll so sein, dass es bleiben kann; nachfolgenden Generationen sollen Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten offenstehen und nicht durch Altlasten vordefiniert sein. Die Idee, den Bestand an Umweltgütern zu erhalten, statt ihn aufzubrauchen und zu verringern, ist modern, weil sie auf heutige Herausforderungen reagiert. Modernität ist immer auch Zukunftsoffenheit. Bestandserhaltung in diesem modernen Sinn erfordert nichts Geringeres, als eine grundlegende Veränderung unserer Art zu produzieren und zu konsumieren. Erhaltung und Veränderung erscheinen in neuem Licht: Erhaltung nicht als rückwärts gerichtete Erstarrung, und Veränderung nicht als selbstvergessene Fortschrittsgläubigkeit.

Nachhaltigkeitspolitik will nicht klüger sein als die, für die sie gedacht ist. Sie hält die Menschen im Allgemeinen für zumindest so klug, dass sie für ein paar einfache Wahrheiten empfänglich sind. Einfache Wahrheiten liegen dann richtig, wenn sie die Komplexität und Kompliziertheit der Sache nicht unterschätzen. Sie bauen darauf, dass man sich in der einen oder anderen Weise zu den angesprochenen Problemen verhalten muss. Die Carl-von-Carlowitz-Vorlesungen adressieren diese Wahrheiten aus der Sicht verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen. Erst dadurch kann die Vielfalt konkreter Handlungsoptionen für nachhaltige Entwicklung sichtbar werden.

In Deutschland liegen die historischen Wurzeln der Nachhaltigkeitsidee bei Hans Carl von Carlowitz, der 1645 in eine Ritterdynastie auf Burg Rabenstein bei Chemnitz geboren wurde. Nach seiner Ausbildung machte ihn der sächsische König August der Starke zum Beamten. Es war eine Zeit, die von einer Energiekrise geprägt wurde, die ein Ausmaß annahm, das bis dato kein Beispiel hatte. Diese Krise führte an die Grenzen des damaligen Wachstumsmodells. Das Sachsen von August dem Starken war eines der wichtigsten Montanreviere Mitteleuropas. Dort und anderswo brauchte man für die Gewinnung von Silber und Erz viel Holz, und dieser Reichtum war knapp. Es kam zum Raubbau. Mehr Holz wurde eingeschlagen als nachwachsen konnte. Das ging schief, ökologisch und ökonomisch. Vielerorts kam es zu drastischen Einbrüchen und Schäden an der Natur und à la longue auch am Reichtum der Gesellschaft und der Fähigkeit zu wirtschaften.

Unser heutiges Geflecht aus Zertifizierungen von Biomasse, Ökostandards, Abkommen und Gesetzen gab es damals nicht. Aber was es gab, war das strenge und nachdenkliche Wirken von Carl von Carlowitz. Jean Baptiste Colbert, sein Bruder im Gedanken, erließ im absolutistischen Frankreich absolute Verordnungen. Carlowitz schrieb ein Buch und machte sich dran, die Praxis aus Einsicht zu verändern. »Sylvicultura oeconomica, oder haußwirthliche Nachricht und Naturmäßige Anweisung zur wilden Baum-Zucht«, so nannte Carl von Carlowitz seine Veröffentlichung. Er kritisierte die kurzfristige Ausrichtung der Wirtschaft. Er beschrieb die Grenzen des Wachstums und rechnete vor, dass Beschränkung und Freiheit zusammengehörten. Er sprach von der nachhaltenden Nutzung des Waldes.

Der Grundgedanke der Nachhaltigkeit ist nicht auf Deutschland beschränkt. Er lässt sich im mitteleuropäischen Kulturraum und auch für andere Kulturen wie zum Beispiel Japan oder Java zurückverfolgen. In Europa ist die Entstehung des forstlichen Nachhaltigkeitsgedankens im zeitgenössischen, merkantilistischen Denken der europäischen Frühmoderne verankert. Für Deutschland wird der Stellenwert der forstlichen Wende zu einer nachhaltigen Produktion in den Zusammenhang mit der Natur- und Produktionsgeschichte in Mitteleuropa gestellt. Was für das 21. Jahrhunderts das Erdöl ist, war zu Beginn der Industrialisierung der Forst. Die Wirtschaft war süchtig nach Holz, weil es vielfältig einsetzbar und eine dominierende Energiequelle war. Die Industrialisierung hing vielerorts zunächst vom Energieträger Holz ab. Zwar war die natürliche Kapazität der Wälder zur Lieferung von Brennstoff und Baumaterial in einigen mitteleuropäischen Bergbau- und Montanregionen bereits seit dem späten Mittelalter überschritten. Aber die Herstellung von Metall, Glas, Salz, Ziegeln und Drähten und das Bevölkerungswachstum verstärkten dies jetzt bis hin zu einer dramatischen »Holznot« und zu Wüstungen durch den Raubbau an Torf und Plaggen. Die wachsenden Städte verbrauchten mehr Bauholz als je zuvor. Die Waldweide für die Schweinezucht leistete der Übernutzung weiteren Vorschub. Es drohten ein unwiederbringlicher Verlust der Wälder und die Beeinträchtigung der Böden. Der Import von Tropenholz nahm mit all seinen problematischen Folgen zu.

Der erste Impuls zur Nachhaltigkeit blieb zunächst Episode. Der Wald verlor kurz nach der Entstehung der ersten forstlichen Nachhaltigkeitskonzeption seine wirtschaftsstrategische Bedeutung als Ressourcenlieferant für die Industrialisierung. Aber gerade heute wird die Konzeption forstlicher Nachhaltigkeit fortentwickelt und findet sich in der Praxis und an den Hochschulen wieder.

Der Rat für Nachhaltigkeit etabliert die Carl-von-Carlowitz-Vorlesung im Sinne der akademischen Tugend des Redens und Zuhörens. Wir meinen, dass dieses Format einer akademischen Vorlesung ein richtiges Signal gegen die mediale Invasion der Talk-Formate setzt. Denn auch das muss man wieder in Erinnerung rufen: Nachhaltigkeit hat etwas mit Wissenskultur zu tun.

Die Vorlesungsreihe kommt zur richtigen Zeit, denn Carl von Carlowitz ist modern: Er hat wirtschaftliche Nutzung und Umwelt zusammengedacht. Er war ein früher Wissensmanager. Er hat integriert gedacht, wo andere – damals und heute – nur in Zuständigkeiten und Umwelt und Wirtschaften als Antagonisten denken.