Die Urne im See - Jürgen Seidler - E-Book + Hörbuch

Die Urne im See Hörbuch

Jürgen Seidler

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  • Herausgeber: AUDIOBUCH
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2024
Beschreibung

Ein Mann schwimmt durch den Untersee. In seinem Rucksack: die Urne mit der Asche seines Sohnes. Wenig später wird am Ufer seine Leiche gefunden … Nachdem Polizeioberkommissarin Emma Zähringer bei ihrem letzten Einsatz für die Kriminalpolizei Konstanz im Alleingang zwei Mafiosi verfolgt und einen erschossen hat, wurde ihr nahegelegt, sich in den Kriminaldauerdienst nach Singen versetzen zu lassen: Schichtdienst, Spuren sichern, Berichte schreiben. Kurzerhand zieht sie zurück in ihr Elternhaus – und wird noch vor offiziellem Dienstbeginn zu ihrem ersten Einsatz gerufen. Denn die Kollegen vor Ort wissen, dass Emma den Toten am Seeufer kennt: Volker Schwender war nicht nur umstrittener Chefredakteur der Bodenseezeitung, sondern auch Emmas Jugendliebe. Sein Sohn hat sich vor wenigen Wochen das Leben genommen, das Verhältnis zu Frau und Tochter ist angespannt. Wenige Tage später wird Paula Bajorath, Redaktionsassistentin derselben Zeitung und Affäre von Schwender, tot aufgefunden. Mussten die Journalisten sterben, weil sie etwas herausgefunden hatten, was im Verborgenen bleiben sollte? Emma Zähringer taucht tiefer in ihre Vergangenheit ein, als ihr lieb ist.

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Zeit:13 Std. 37 min

Sprecher:Martina Lechner
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Prolog

Der Mann, der einen schwarzen Schwimmanzug und eine gelbe Badekappe trug, watete schwer atmend durch das flache Wasser am Ufer. Als er sich aufrichtete, holte er tief Luft, wischte sich mit der Hand über das feuchte Gesicht. Unter seinen Augen waren dunkle Schatten, auch hatte er sich seit ein paar Tagen nicht mehr rasiert, aber für einen Moment war er stolz. Er drehte sich um, schaute zurück auf die deutsche Seite des Sees, stützte die Hände in die Hüften. Er hatte es wieder einmal geschafft, den Untersee zu durchschwimmen, von Wangen auf der deutschen Seite auf die schweizerische Seite, die dortige Ruine von Burg Neuburg in Mammern als Peilmarke vor Augen. Zunächst musste man Richtung Osten schwimmen, sonst trug einen die mächtige Strömung des Rheins weg, der hier durch den Ausläufer des Bodensees floss und gegen die man am Ziel nicht ankam. Er und sein Sohn hatten diese Strecke oft geschafft, meist früh am Morgen, wenn noch kein Schiffsverkehr war. Wenn die Sonne sich langsam über die Schweizer Hügel schob und ihnen ins Gesicht schien, hatten sie dieses Gefühl, eine magische Grenze zu überqueren.

Der Schweizer Bestattungsunternehmer, ein kleiner Mann mit glatt rasiertem Gesicht im schwarzen Anzug, wartete in seinem unscheinbaren Auto auf ihn und staunte nicht schlecht, als der Mann tropfnass auf ihn zukam. Er zeigte ihm seinen Ausweis. Sie wechselten nicht viele Worte, er hatte zuvor alles bezahlt, die Einäscherung, die Urne, den Papierkram. Er unterschrieb ein Formular, bestätigte, die Urne erhalten zu haben, steckte sie in die kleine Schwimmboje, die er hinter sich herziehen würde, und stapfte wieder zurück zum Seeufer. Der Mann vom Beerdigungsinstitut rückte seine Brille zurecht, kniff die Augen zusammen, schüttelte den Kopf über die Verrücktheiten der Deutschen, stieg in sein Auto und fuhr davon.

Die erste Wegstrecke über den See hin ging meistens ganz gut, für den Rückweg brauchte es Kraft, Geduld und Zähigkeit. Man konnte einen Krampf in den Waden oder Oberschenkeln bekommen, dann musste man sich umdrehen, ausruhen, sich treiben lassen und warten, bis der Schmerz nachließ. Wenn man mit einem Krampf in die Rheinströmung geriet, bestand die Gefahr, bis Öhningen oder gar bis Stein am Rhein abgetrieben zu werden. Wenn man hingegen zu zweit schwamm, konnte der andere Schwimmer so lange helfen, bis es wieder ging.

Er blickte zur anderen Seite, dort wo das gelbe Häuschen mit dem Walmdach stand, in dem er so viel Zeit verbracht hatte, früher mit seinen Eltern und später mit Sandra, seiner Frau, seiner Tochter Lisa und mit Marc, seinem Sohn. Irgendwo dort am Ufer wartete seine Mutter auf ihn, ob Sandra und Lisa kommen würden, wusste er nicht.

Langsam legte er sich wieder ins Wasser, kraulte ein paar Züge, ohne viel Krafteinsatz. Das Wasser war noch nicht richtig warm, aber auch nicht mehr kalt. Das getaute eisige Schneewasser aus den Alpen, das der Rhein im Frühjahr mit sich brachte, hatte den Bodensee schon wieder verlassen. Für den April war es bereits ziemlich warm.

Es würde das letzte Mal sein, dass er gemeinsam mit seinem Sohn den See queren würde. Die Urne mit Marcs Asche schwankte leicht, er spürte das Gewicht des Gefäßes. Wenn er auf der anderen Seite wieder aus dem Wasser stieg, würde er die Schwimmboje abnehmen, die Urne öffnen und die Asche in den See streuen. Dann konnte Marc seine letzte Reise über den großen Fluss antreten, seine Reste würden sich in den Rheinfall bei Schaffhausen stürzen und sich durch das ganze Land, bis nach Holland und in die Nordsee verteilen. Sie hatten davon geträumt, wie sie die große Rheintour angehen würden, lange bevor Marc den Kontakt zu ihm abgebrochen hatte.

Das Wasser vor ihm glänzte jetzt, die Sonne hatte die Wolken aufgerissen und tanzte auf den kleinen Wellen vor ihm. Böen von Wind zauberten raue Muster auf den See. Möwen hatten ihn entdeckt, segelten über ihm, aber er war keine interessante Beute für sie.

Es war merkwürdig, aber nach ein paar Hundert Metern hörte er Marc lachen. Er hatte völlig vergessen, wie heiter sein Sohn lachen konnte, wie warm es ihm dabei wurde, wie es ihm gelang, dass man sich frei und leicht fühlte. Einmal hatte er ein Holztablett in den Garten getragen, darauf eine Kanne mit Apfelsaft, Gläsern, zwei Tassen Kaffee und frisch gebackenem Kuchen, als sein Telefon klingelte, damals noch so ein Knochen von Gerät, das er auf das Tablett gelegt hatte. Also balancierte er das Tablett auf die rechte Hand, drückte mit der Linken auf die Sprechtaste und führte den Hörer ans Ohr. Eine Redakteurin meldete sich, fragte ihn, ob sie zu dem schweren Verkehrsunfall rausfahren und darüber berichten sollte oder ob es ausreichen würde, wenn sie die Polizeinachricht abdrucken würden. Er ärgerte sich über die Unselbstständigkeit der jungen Frau, die sich immer beim Chef – also ihm – absichern wollte, bevor sie auch nur eine Zeile schrieb. Als er so in den Garten trat, wo alle am Tisch saßen und auf ihn warteten, übersah er die Stufe und legte sich der Länge nach auf den Boden. Die Gläser klirrten, das Telefon zerschellte auf der Treppe, und der Kuchen flog im hohen Bogen durch die Luft, drehte sich und platschte in ein Blumenbeet. Wie herzlich Marc da lachte. Er steckte Lisa und ihn an, nur Sandra machte zuerst ein finsteres Gesicht, aber als sie die Kinder lachen gesehen hatte, konnte auch sie nicht anders und stimmte in das Gelächter über seine Ungeschicklichkeit mit ein.

»Ich weiß gar nicht, wann wir aufgehört haben zu lachen, Marc.«

»Als es nichts mehr zu sagen gab?«

»Ach komm! Mit Lisa spreche ich doch auch.«

»Ihr streitet. Sie hat dich einen Lügner genannt.«

»Hat sie das? Wirklich?«

»Sie hat es dir ins Gesicht gesagt.«

»Stimmt.«

»Vielleicht hättest du mich auch beschimpfen sollen.«

»Du warst irgendwann einfach nicht mehr da.«

»Es fühlte sich an wie ein Gefängnis.«

»Aber die ganze Welt …«

»… lag vor meinen Füßen. Ja, das hast du immer gesagt. Aber ich war eingesperrt.«

»Trotz deiner Musik.«

»Sie hat mir ermöglicht, aus dem Fenster zu schauen. Durch die Gitter.«

»Das wusste ich nicht.«

»Du wusstest vieles nicht, Papa.«

Die Erinnerung unterbrach ihn in seinen Schwimmbewegungen, er trieb einfach im Wasser, dann griff er die Schwimmboje mit der Urne, öffnete sie und nahm das ungewöhnliche Gefäß in die Arme. Es sollte die letzte Umarmung seines Sohns werden. Ursprünglich wollte er zusammen mit den drei Frauen, die auf ihn warten sollten, die Asche im See verstreuen. Doch es war ihm, als ob Marc zu ihm sprechen und ihn bitten würde, ihm ganz nah zu sein. Er öffnete den Deckel, und sogleich breitete sich eine graue, trübe Blase um ihn aus, mit der er im Wasser trieb. Der Vater schwamm mit der Asche seines Sohnes durch den See, ganz innig und verbunden.

Ein dunkler Schatten tauchte unter ihm auf, eine Irritation aus der Tiefe, wie ein großer Fisch. Er begann wieder zu schwimmen, kurz dachte er an einen Wels, aber eigentlich war es hier nicht tief genug für die ganz großen Fische.

Plötzlich spürte er an einem Bein einen Stich. Er drehte sich, fasste an die Stelle, wischte darüber hinweg. Sein Handrücken streifte etwas Hartes, das sich löste. Der Schatten unter ihm verschwand, aber ein kalter, lähmender Schmerz begann sich in ihm auszubreiten. Es fühlte sich an, als ob eine Nadel in seinem Neoprenanzug steckte. Er griff hinter sich und zog an der Leine, mit der man den Reißverschluss des Schwimmanzugs am Rücken öffnen konnte. Seine Muskeln fühlten sich wie gelähmt an, es fiel ihm immer schwerer, sich überhaupt noch zu bewegen. Mit Mühe gelang es ihm, sich aus dem Anzug zu schälen, der von der Seeströmung erfasst wurde. Schon hatte er aufgehört zu schwimmen. Die völlige Bewegungslosigkeit ergriff ihn, er war komplett erstarrt, zwar konnte er noch atmen, aber auch das fiel ihm immer schwerer. Er lag auf dem Rücken, wie ein Treibholz, blickte in den Himmel über sich. Sein Gehirn arbeitete noch, konnte begreifen, dass er jetzt sterben würde, aber er konnte nicht schreien oder sich dagegen wehren. Nur der helle Himmel war über ihm. Eine leichte Welle drehte seinen Körper auf die Seite, dann auf den Bauch. Seine Augen glotzten in das grüne Wasser, seine Lungen füllten sich mit Wasser, dann setzte auch die Atmung aus. Sein Körper zuckte nicht mal mehr, als er einfach über den See trieb. Längst war ihm die Asche des Sohns davongeeilt und hatte sich mit dem Wasser vereint.

Mittwoch

Emma Zäringer bückt sich und hebt die Blätter der Erdbeeren an, aber die Früchte sind noch grün. Die Reihen der Pflanzen ziehen sich über die schwarze Erde. In einigen Wochen werden sich wieder Helfer in ihren kleinen Wagen, auf denen grüne Sonnendächer aufgebaut sind, tief bücken, die roten, süßen Früchte pflücken und in Schalen aus Pappe legen. Frisch vom Feld. Es sieht aus, als ob es in diesem Jahr eine gute Ernte wird.

Sie richtet sich auf und blickt über die Felder und über die Gewächshäuser ihres Vaters. Der Obst- und Gemüsehof Zäringer steht auf einer Anhöhe, Südlage. Unten verläuft die Hauptstraße, dann kommen weitere Pflanzungen, vor allem Apfelbäume, wenige Häuser, schließlich der See und auf der gegenüberliegenden Seite das Schweizer Ufer, mit einem sanften Landrücken wie hier. Als sie einmal in Berlin bei einer Freundin eingeladen war, die in einem fünfzehngeschossigen Hochhaus lebt, konnte man auf eine achtspurige Straße hinabschauen und auf der anderen Straßenseite eine weitere Ansammlung von Häusern in unterschiedlicher Höhe sehen. Sie standen nur etwas näher als die Schweizer Seite des Sees. Wie der Rhein, der durch den Untersee fließt, strömen Tag und Nacht die Autos über die Straße, und wie hier auch wechseln die Jahreszeiten von hell zu grau. Sie fand das damals faszinierender als die sanfte grüne Landschaft, in der sie aufgewachsen war. Die Härte der Stadt sprach sie an, weil sie zu den Kriminalfällen passte, mit denen sie täglich zu tun hatte. Die heitere Landschaft hier bezeichnet man als schön, ideal für Aquarelle. Das Obst schmeckt saftig und würzig, die Luft ist gut, aber das eigentliche Leben passt nicht immer dazu. Auch hier gibt es Tote, Morde, Einbrüche, Schießereien, Vergewaltigungen, Hunger, Vertreibung, auch hier war einst der Krieg nicht weit.

Emma stemmt die Hände in ihre Hüften, wie eine Bäuerin, die noch viel vor sich hat. Sie ist schlank, trägt weite Jeans, ein ausgewaschenes T-Shirt, die Füße stecken in Gummistiefeln, ihre schwarzen, lockigen Haare sind hinter dem Hinterkopf zusammengehalten. Sie hat die dunklen Augenbrauen und Wimpern über den großen braunen Augen heute nicht geschminkt. Das macht sie nur, wenn sie Dienst hat. Drüben werden von den Spargelfeldern die dunklen Plastikplanen abgewickelt. Sie sieht Bernhard, ihren Vater, wie er ein paar junge Männer anweist, die ihm zur Hand gehen. In den nächsten Tagen werden sie sich Handschuhe überziehen, die Erde um die hellen Stangen freilegen, die Eisen in die Erde schieben und den Spargel stechen. Ihr Vater hat ihr gesagt, dass er sich freut, weil sie ihre letzten Tage, an denen sie noch von ihrem Dienst freigestellt ist, bei ihm auf der Höri verbringt, der Halbinsel im Bodensee zwischen Radolfzell und Stein am Rhein, dem Grenzort in der Schweiz. Aber er muss, wie immer, jeden Tag hart arbeiten. Jedes Mal bietet sie ihm ihre Hilfe an, aber sie ist für ihn nur eine Handlangerin, keine Gemüsebäuerin. Sie geht zurück zur Halle, in der sich Kisten mit erdigem Gemüse stapeln. Er hat sie gebeten, den frischen Spinat zu waschen. Sie zieht sich die Gummischürze an, nimmt den Schlauch, steckt den Sprühkopf auf und beginnt mit der Arbeit. Das kräftige dunkle Grün leuchtet, die Blätter verbreiten einen intensiven Geruch. Ihr Geruchssinn hat sich spürbar verbessert, nachdem er nach einer Corona-Erkrankung nur langsam wieder zurückkam. Manchmal fühlt sie sich wie ein junger Hund, der die Welt mit der Nase erlebt.

Die Handarbeit tut ihr gut. Inzwischen kommt sie gerne zurück auf den Gemüsehof ihres Vaters. Sie genießt es, abends mit ihm draußen zu sitzen, wenn es Brot, Käse, Wurst und Bier gibt und sie zusammen über den See schauen.

Bei ihm muss sie sich nicht erklären, sie kann einfach bei ihm sein, die einfachen Dinge tun, ein wenig mithelfen, Brot schneiden, Teller abspülen. Manchmal kauft sie ein und kocht etwas. Seit ihre Mutter Klara vor zehn Jahren gestorben ist, sagt sie Bernhard zu ihm.

Sie hatten ihr, als sie zwölf Jahre alt war, gesagt, sie wären nicht ihre leiblichen Eltern. Ihre Mutter sei eine Frau, die in Italien lebe, und ihr Vater ein Mann in Deutschland. Diejenigen, zu denen sie »Mutti« und »Papi« sagte, würden Adoptiveltern heißen und sie Adoptivtochter. Sie haben damals versucht, sehr offen mit ihr zu sprechen, obwohl es sich sehr umständlich und schwierig anhörte, was sie zu sagen hatten. Aber das war es vermutlich auch für sie. Sie berichteten von der Arbeiterin aus Italien, die schwanger war, aber nicht mit einem Kind nach Hause kommen durfte, die Klara und Bernhard bat, die Emma zu adoptieren. Wo der Vater steckte, wussten weder ihre Adoptiveltern noch die Frau aus Italien.

Kurz vor ihrem Tod beschwor Klara sie, nach Italien zu fahren und die Frau, ihre leibliche Mutter, zu besuchen. Ein paar Monate nach der Beerdigung hatte sie sich dann aufgemacht und war nach Neapel gereist.

 

Bernhard fragte nicht, wie es auf der Reichenau war, in der psychiatrischen Klinik, gegenüber der Bodenseeinsel, wo sie zeitweise eine Therapie durchstehen musste. Zwangsweise, auf Anordnung des Polizeipräsidenten in Konstanz. Weil sie zwei italienische Mafiatypen von Konstanz bis Stuttgart verfolgt hatte, auf der Autobahn, mit hundertachtzig bis in die Stuttgarter Innenstadt, wo es dann eine Schießerei gab. Bis endlich das SEK auftauchte, hatte sie den einen der Männer erschossen, den anderen verletzt und verhaftet. Sie konnte nicht ahnen, dass es so ausgehen würde. Der schöne Antonio, der für einige Nächte ihr Liebhaber gewesen war, hatte das Feuer auf sie eröffnet, und sie hatte zurückgeschossen. Es war nie eine wirkliche Liebe zwischen ihnen, nur dieser erotische Reiz, ein Drängen und ein tiefes Verlangen. Wenn sie sich von seinem Körper löste, zog sie sich einfach an, nahm ihre Tasche und ging wieder. Da war kein Zögern bei ihr, die Pistole lag ohne Zittern in ihrer Hand. Vermutlich dachten die beiden Männer, sie würde sich aus Angst vor ihren Waffen verstecken. Eigentlich hätte Antonio es besser wissen müssen. Sie fürchtete sich nicht, sie war keine Frau, die Angst hatte. Sie stellte sich den Kämpfen, die auf sie zukamen. Meistens trug sie ihre Wut in eine Auseinandersetzung, aber schnell kam der klare Kopf zurück und sie handelte. Luigi, der andere, sitzt im Knast. Die Ballistik ergab, dass sie von den beiden Männern angegriffen worden war und sie zu Recht zurückgeschossen hatte, um sich zu verteidigen. Aber es würde ein Gerichtsverfahren geben, vermutlich würden Antonios Angehörige aus Süditalien anreisen. Davor fürchtet sie sich am meisten. Sie würde bald seiner schwarz gekleideten Mutter begegnen, die sie dann verfluchen wird.

 

Sie hatte es geliebt, bei den beiden Pizza und Spaghetti zu essen, bis sie aufflogen, weil sie für die kalabrische ’Ndrangheta Drogengeld wuschen, wie schon so viele andere italienische Restaurants zwischen Konstanz und Singen. Als sie anrückten und sie verhaften wollten, den netten Luigi und den gut aussehenden Antonio, die eigentlich gar nicht wirklich so hießen, machten die beiden auf einmal einen auf Gangster, sprangen in ihren SUV und jagten davon. Nicht mit ihr. Sie ärgerte sich maßlos, fühlte sich von den Typen verarscht und setzte ihnen nach. Ohne Sören, ihren Ex und Vorgesetzten, den sie einfach neben dem Polizeiwagen stehen ließ. Ja, sie sah ein, sie hatte emotional reagiert, nicht nach Vorschrift gehandelt, sie hatte sich und andere gefährdet. Aber für die Polizei war es trotzdem ein Erfolg. Es konnte gezeigt werden, wie gefährlich die italienische Mafia war, die sich seit zwanzig Jahren in den netten italienischen Lokalen an der Grenze zur Schweiz festgesetzt hatte. Die Schießerei, von der groß berichtet wurde, lenkte davon ab, dass die Ermittler all die Jahre schlichtweg geschlafen hatten und die Mafia ihnen allen bis heute auf der Nase herumtanzte.

Ihr war klar geworden, welche Wut in ihr steckte, als sie den beiden nachjagte, die Waffe zog und zurückschoss. Da gab es keinen Zweifel in ihr. Die Therapeutin, mit der sie sprechen musste, stellte ihr alle möglichen Fragen zu ihren Beziehungen, zu ihren Eltern, die nicht ihre Eltern waren. Emma antwortete ehrlich zerknirscht. Aber es blitzte der Gedanke an ihre leibliche italienische Mutter auf. Es war mehr eine Ahnung, eine Frage, die sie sich in ihrem Leben bisher nicht gestellt hatte. Was wäre aus ihr geworden, wenn sie in Neapel aufgewachsen wäre? Auf welcher Seite hätte sie gestanden? Wäre sie auch Polizistin geworden oder eine reiche Gangsterbraut? Hatte sie vielleicht deswegen wie eine Wahnsinnige gehandelt und die beiden Männer verfolgt? Sie würde sich in den Griff kriegen. Die Therapeutin hatte ihr versprochen, eine gute Prognose zu schreiben.

Ihre Chefs schlugen ihr vor, sich freiwillig in den Kriminaldauerdienst nach Singen versetzen zu lassen. Der Schichtdienst und die tägliche Spurensicherung, meistens bei Einbrüchen und ungeklärten Todesfällen, sollten sie disziplinieren. Sie hatte zugestimmt, benommen und in einem Anflug von Reue, die ungefähr dreißig Minuten anhielt.

Bernhard fragte sie, ob sie schon eine Wohnung in Singen gefunden hatte. Sie verneinte, noch nicht, sie werde sich darum kümmern, aber eigentlich wollte sie auch weiterhin in Konstanz wohnen. Er bot ihr an, vorübergehend in ihr altes Zimmer zu ziehen. Sie bedankte sich, wollte es sich überlegen. Die Strecke von hier nach Singen ist tatsächlich kürzer als von Konstanz, von wo aus sie fünfundfünfzig Minuten brauchen würde.

 

Sie geht in die Küche, das Kaffeepulver duftet. Es erinnert sie an ihre Adoptivmutter, an Klara, die jeden Morgen als Erstes, wenn sie in die Küche kam, die Blechdose aus dem Schrank nahm, die Filtertüte in den Filtereinsatz steckte, Wasser auffüllte und den Schalter der Kaffeemaschine drückte. Kurz danach zischte und tropfte es. Die Kaffeemaschine ist längst kaputt, Bernhard brüht sich seine morgendliche Tasse Kaffee von Hand auf, so wie sie jetzt auch. Auf dem Küchentisch liegt Wahlwerbung für die Bürgermeisterkandidaten von Radolfzell. Bald soll ein neuer Rathauschef gewählt werden. Sie schaut auf das Foto des Amtsinhabers Gerhard Braun, ein Mann Anfang fünfzig, der versucht gewinnend zu lächeln, aber trotzdem angespannt wirkt. Er will die Stadt mit einer grünen Zukunft beglücken. Von den Gegenkandidaten gefällt ihr Ruth Wölzner, eine Frau, die in ihrem Alter sein dürfte. Sie trägt die blonden Haare offen, schaut der Leserin direkt in die Augen, sie wirkt verletzlich, freundlich, wirbt für einen Neuanfang, will anpacken und die Stadt verändern. Emma interessiert sich nur wenig für Politik. Die Bürgermeister in den Städten hier haben lange Amtsperioden, umweht von einer traditionellen Autorität, die sie aus den mittelalterlichen Rathäusern beziehen.

Als sie aus dem Fenster blickt, sieht sie, wie ein Kollege vom Polizeiposten Gaienhofen aus seinem Auto steigt. Emma ist noch im Nachthemd, macht das Fenster auf, ruft ihm zu, sich einen Moment zu gedulden, eilt nach oben, zieht BH sowie einen Pulli an und öffnet dem jungen Mann die Haustür.

»Ich mach Kaffee. Willst du auch einen?«, fragt Emma.

»Grad nicht so günstig«, sagt der Kollege mit dem schwarzen Bart, »ich wollte dich fragen, ob du mitkommen könntest. Wir haben da eine Leiche.«

Emma sieht den Mann staunend an.

»Am Seeufer. Unten in Wangen«, ergänzt er.

»Aber ich bin noch gar nicht im Dienst«, bringt sie hervor.

»Ja, schon, aber wir glauben, du kennst den.«

»Wen soll ich kennen?«, fragt Emma.

»Die Leiche, also den Toten.«

Emma schaut in das ernste Gesicht des jungen Mannes mit dem Bart, entscheidet sich. »Moment, zwei Minuten.«

Sie geht ins Badezimmer, bindet die Haare ordentlich zusammen, schüttet sich Wasser ins Gesicht. In der Küche nimmt sie die Tasse mit dem heißen Kaffee in die Hand, anschließend steigt sie in ihre Gummistiefel.

Dann setzt sie sich zu dem uniformierten Mann in den Einsatzwagen. Sie erfährt, dass der Polizist mit dem Bart Philipp Reiser heißt. Warum sie nicht den KDD, den Kriminaldauerdienst, verständigt haben, fragt sie, und woher sie wissen, dass sie auf dem Hof ihres Vaters ist. Philipp zuckt nur mit der Schulter.

»Man kennt dich halt«, meint er, »du gehst doch zum KDD nach Singen, oder?«

Emma lehnt sich zurück, trinkt von ihrem Kaffee, schaut aus dem Autofenster. Eigentlich wissen die Leute hier immer alles von allen. Deswegen wollte sie von hier weg, aus dieser geschwätzigen Enge, wo sich dunkle Geheimnisse, Bosheit und Neid in schöne, liebliche Landschaft einkleiden. Als junge Frau hat sie sich nach irgendeiner Erlösung gesehnt, nach großen Gefühlen, nach Offenheit, nach Klarheit, auch wenn diese sich als graue Kälte herausstellen würde. Aber sie ist nicht weit gekommen. Nach zwei Semestern Jura und Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin kehrte sie zurück. Sie war ziemlich beeindruckt von den historischen Gebäuden, von der alten Bibliothek, die man »Kommode« nennt, gegenüber dem Hauptgebäude, Unter den Linden. Das Fach rechtswissenschaftliche Fallbearbeitung gefiel ihr, weil es hier konkret um Praxis ging. Doch die Jura-Kommilitonen, die eigentlich nur um sich selbst kreisten, die schon bei Beginn ihres Studiums wussten, wie sie ihr Leben verbringen würden, irritierten sie. Interessanter waren die Philosophie-Studenten, die sich mit der Frage beschäftigten, was Wahrheit ist. Sie besuchte Seminare zu Recht und Angst und zu Rassismus. Sie lebte allein in einem kleinen Zimmer im Studentenheim, fand kein Zimmer in einer Wohngemeinschaft und verbrachte ihre Zeit mit dem Lesen von Fachbüchern für Zivilrecht, Strafrecht und Öffentliches Recht, mühte sich ab mit Hegel und Heidegger, schrieb Klausuren, bestand einige, fiel bei anderen durch. Sie ging öfters ins Kino, manchmal in einen Club. Sie merkte, wie ihr die Stadt die Energie aussaugte, wie sie sich zunehmend leer fühlte. Es war einfach öde. Bald begriff sie, ihr Ausflug in die große Stadt würde scheitern. Sie beschloss, den Kampf mit sich und ihrem Leben anders aufzunehmen. Emma war mit Menschen aufgewachsen, die jeden Tag mit den Händen in der Erde gruben. Sie war ebenfalls gut im Anpacken, wenn auch nicht unbedingt auf dem Gemüsehof, aber möglicherweise war sie besser darin, das Recht durchzusetzen und die Wahrheit selbst herauszufinden. Anstatt Theorie zur Tat schreiten, anstatt philosophische Phrasen dreschen Erfahrung sammeln. Der Entschluss, Polizistin zu werden, reifte ein paar Tage, dann ließ sie Berlin hinter sich.

Ihre Eltern hatten schon gehofft, sie würde es sich noch einmal überlegen und Gemüsebäuerin werden. Aber sie war in dieser schönen Erde nicht verwurzelt, nicht gelassen genug. So begann vor siebzehn Jahren ihre Laufbahn als Polizistin.

 

Am Morgen war eine Frau mit ihrem Hund an der lang gezogenen Bucht des Seeufers unterwegs gewesen, als es den Hund zum Ufer zog. Neben dem einzigen Pfahlbau, der in Erinnerung an die hiesigen Bewohner der Jungsteinzeit errichtet wurde, stehen einige dichte Büschel Schilf am Ufer.

Die Frau wollte ihr Tier zurückhalten, aber dann sah sie diese gelbe Kappe im Wasser und ein Stück Haut. Die Wellen spielten um einen Körper, der sich über den runden Kieseln leicht im Wasser bewegte. Sie erschrak, nahm ihr Telefon aus der Jackentasche und rief die Polizei an. Bald darauf trafen Philipp und sein Kollege David König ein. Die beiden schoben vorsichtig die Schilfhalme zur Seite, sahen den toten Körper im Wasser schaukeln, überlegten nicht lange und zogen den Mann an Land. Philipp erkannte ihn gleich. Es war der Vater von Marc, einem ehemaligen Schulkameraden, den er aus den Augen verloren hatte. Die beiden jungen Polizisten sperrten die Fundstelle mit Flatterband ab und entschieden sich, Emma Zäringer zu holen, die würde wissen, was zu tun ist. David sollte so lange Wache am Flatterband halten.

 

Emma drückt die leere Kaffeetasse David König in die Hand, Philipp reicht ihr blaue Gummihandschuhe. Dann tritt sie zu der Leiche, geht in die Hocke, neigt den Kopf und schaut dem Toten ins Gesicht. Mit einem Ruck richtet sie sich wieder auf, ihr Atem geht schnell. Das hat sie nicht erwartet. Es ist Volker. Mit einer idiotischen gelben Badekappe auf dem Kopf, auf der »Seequerung 2018« steht. Emma schließt für einen kurzen Moment die Augen, riecht das Seewasser und die schwarze nasse Erde im Schilf. Dann beugt sie sich noch einmal zu dem toten Mann. Ja, das ist er. Volker Schwendner, umstrittener Chefredakteur. Sie wendet sich zu den beiden Kollegen, die gebannt auf sie warten.

»Ihr habt alles richtig gemacht«, sagt sie leise. »Macht genügend Fotos, zertrampelt möglichst wenig. Philipp, ruf in Singen an. Die sollen kommen. Sofort. David, wir brauchen einen Arzt.«

David schaut sie an und nickt, weiß aber nicht, was er zuerst machen soll.

»Einen Arzt. Wen haben wir in der Nähe?«

»Ich glaub, Dr. Schwarz.«

»Ruf den an. Lass dich nicht abwimmeln. Er soll sofort kommen und sich die Leiche ansehen. Den Tod feststellen. Der liegt bestimmt schon seit gestern im Wasser«, sagt sie zu dem jungen Mann.

»Was glaubst du, was mit dem passiert ist?«, fragt Philipp.

Diese Frage stellt sie sich noch gar nicht. Das würde noch kommen.

»Woher wusstest du, dass ich den Mann kenne?«, will sie von ihm wissen.

»Na ja, ich bin mit seinem Sohn Marc in die Schule und war manchmal bei denen zu Hause«, berichtet Philipp.

Emma schaut ihn an, wartet, bis er weiterspricht.

»Der Marc mochte seinen Vater nicht besonders … er hat halt erzählt, dass sein Vater alle schönen Mädchen in der Gegend flachgelegt hat.« Er druckst herum. »Da ist, glaube ich, auch mal dein Name gefallen.«

»Erstaunlich, was man sich so erzählt«, bringt sie hervor, geht ein paar Schritte und sieht sich die Szenerie an. Das gekräuselte Wasser, das Schilf bewegt sich leicht. Daneben der Nachbau eines Häuschens auf Pfählen, die Wände aus Lehm, das Dach mit dichtem Schilf bedeckt. Zwei Schwäne schwimmen vorbei. Volker Schwendner in der Badehose mit der gelben Badekappe liegt auf den Kieseln am Ufer. Eine Schwere legt sich auf sie, sie atmet tief ein. Inzwischen haben sich einige Leute aus dem Dorf eingefunden, die neugierig tuscheln und zu ihr hinschauen. Ein Hund hechelt und zieht an seiner Leine, er würde gerne an der Leiche schnüffeln.

Ob alle im Dorf wissen, dass Volker der erste Mann war, mit dem sie geschlafen hat? Drei Jahre waren sie ein Paar, für Teenager eine ziemlich lange Zeit. Volker war vier Jahre älter, schon über zwanzig, sie hatte noch zwei Jahre bis zum Abitur. Für sie war es die erste Liebe, für Volker eine weitere Eroberung.

 

Sie winkt Philipp zu sich her. Er berichtet, dass die Kollegen in spätestens einer Stunde hier eintreffen werden. Sie weist ihn an, die Leiche mit einer Folie abzudecken. Als das getan ist, kommt er wieder zu ihr zurück. Sie nickt ihm zu, er soll mit ihr mitkommen, zum alten Haus der Schwendners, nicht weit von hier.

Sie setzt sich erneut neben ihn in das Polizeifahrzeug, dirigiert ihn die Hauptstraße zurück. Sie fahren an dem Gedenkstein vorbei, der an die zerstörte jüdische Synagoge erinnert. Das Gebetshaus der jüdischen Landgemeinde wurde 1938 von SS-Schergen aus Radolfzell zerstört, die Juden ins KZ Dachau deportiert oder gleich ermordet. Auf dem Grundstück, wo einmal die Synagoge stand, ist heute ein Campingplatz. Sie biegen auf eine schmale Straße ein.

Zum etwas abseits stehenden Haus der Familie Schwendner führt ein schmaler Weg. Wie eine dunkle Wollmütze sitzt das Walmdach auf dem gelblich verputzten, in die Jahre gekommenen Haus. Die Hecke zur Zufahrt hin ist geschnitten, dicht und grün. Sie schieben ein eisernes Gitter zur Seite, betreten das Grundstück, auf dem ein glänzender tiefblauer Porsche parkt. Einige Gartenbeete und ein Rasenstück erstrecken sich bis zum See. Ein flacher, schmaler Sandstrand ist rechts und links von Schilf begrenzt, die Krone eines umgefallenen Baums liegt dekorativ im Wasser. Die Hinterseite des Hauses wurde umgebaut und mit großen, bodentiefen Fenstern bestückt, die auf eine breite Holzterrasse führen. Zwei Liegestühle aus Mahagoni stehen einladend neben einem kleinen Tischchen, auf dem gerade ausreichend Platz ist für zwei Gläser und eine Flasche Champagner.

Emma war lange nicht mehr hier, über zwanzig Jahre nicht. Sie hat nur kurz, um die Umbauten des Hauses zu der Seeresidenz eines wohlhabenden Mannes zu verdauen, bevor sie von den Geräuschen einer Harke abgelenkt wird. Überrascht schaut Emma sich um, sie hatte nicht erwartet, jemanden anzutreffen. Aber hier sind immer irgendwo Menschen. Als Polizistin ist sie meistens froh darüber. In den Blumenbeeten steht eine ältere Frau mit geblümter Schürze, die den Boden bearbeitet. An ihren Händen trägt sie Gummihandschuhe, um die grauen Haare ein Kopftuch.

»Frau Schwendner?«, ruft ihr Emma zu, doch die Frau hört sie nicht, sie bückt sich und pult ein paar Steine aus der Erde. Erst als Emma und ihr Kollege nah bei ihr stehen, wendet sie sich den Besuchern zu. Ein Zeitsprung geschieht, ohne ein entsprechendes Geräusch zu machen.

»Emma! Ja, was machst du denn hier? Und der Polizist. Den kenn ich doch auch? Moment kurz, ich mach mal das Ding an.« Frau Schwendner zieht ihre Gummihandschuhe aus und fasst sich mit einer Hand an ihr Ohr.

»Ich höre schlecht, weißt du. Das ist ja eine Überraschung. Mensch, wie lang ist das her! Willst du zum Volker? Der ist nicht da.« Emma, die gerade begreift, dass sie jetzt die Todesbotin sein wird, blickt ernst in das offene Gesicht der alten Frau. Sie servierte ihr immer ein Glas frischen Apfelsaft, wenn sie mit dem Rad ihren Sohn Volker besuchen kam. Von den Blüten der Kirschbäume, die früher hier standen, ging immer in dieser Jahreszeit ein süßer Geruch aus. Volker roch auch so, nach den Kirschen in diesem Garten. Offenbar mussten die Bäume einer Liegewiese Platz machen.

»Können wir uns mal kurz setzen, Frau Schwendner?«, fragt Emma. Sie blickt sich zu dem jungen Polizisten hinter sich um, der sich am liebsten verkriechen würde. Eigentlich wäre es seine Aufgabe, die Todesnachricht zu überbringen, schließlich wurde die Leiche in seinem Abschnitt gefunden, und sie ist nicht im Dienst. Sie bereut es schon, hierhergekommen zu sein. Was für eine blöde Idee. Ihre Vergangenheit legt sich wie eine seifige Blase um sie. Die Frau hält die Harke fester, als sie merkt, dass Emma nicht auf eine Plauderei aus ist.

»Ist etwas passiert?«, fragt sie, »ich hab hier noch zu tun …«

Doch dann lässt sie das Gartengerät fallen und geht vor Emma her zu den Deckchairs auf der Terrasse. In einen lässt sie sich langsam seitlich hineingleiten. Es sieht unbequem aus, wie die Frau da sitzt, mit dem Po tiefer als die Knie. Emma nimmt ihr gegenüber Platz.

»Wir haben den Volker gefunden. Im Wasser. Er ist tot. Es tut mir sehr leid, Frau Schwendner.«

Sie hat die kurzen Sätze klar und präzise abgeliefert, wie sie es schon oft gemacht hat. Doch hier ist es anders, Emma greift spontan nach den Händen der Frau, die ganz warm sind. Sie spürt einige raue Stellen, dazwischen weiche Haut, wie kalte Seen in einem warmen Land. Es braucht einige Atemzüge, bis die schreckliche Information bei ihr ankommt. Ihr Herzschlag bleibt gleichmäßig und langsam.

»Was? Der Volker?«, fragt sie leise und schaut suchend in die Augen von Emma. »Bist du sicher? Im Wasser?«, erkundigt sie sich. Emma nickt. Philip hinter ihr atmet hörbar ein. Frau Schwendner zieht ihre Hände von Emma zurück und hält sie sich vors Gesicht. Als sie sie wieder wegnimmt, hat sie Tränen in den Augen und stemmt sich von dem Liegestuhl hoch.

»Kommt, wir gehen rein. Hier kann man ja nicht einmal richtig sitzen«, sagt sie. Es klingt verärgert, weil ihr Sohn die guten alten Klappstühle, die hier früher standen, ausrangiert hat. Frau Schwendner geht voraus, vorsichtig setzt sie einen Fuß nach dem anderen auf, Emma bleibt dicht hinter ihr, falls sie stolpert oder zusammenbricht, wird sie sie auffangen. Sie gehen durch eine Seitentür und betreten die Küche, wo sie ein graues Monstrum mit spiegelnden schwarzen Flächen empfängt. Frau Schwendner in ihrer alten Hausfrauenschürze und dem Kopftuch wirkt hier völlig aus der Zeit gefallen, als ob sie sich in einen Hochglanzkatalog verirrt hätte. Zum Glück gibt es noch einen hölzernen Küchentisch, um den vier Thonet-Freischwinger stehen.

Sie setzt sich schwer auf einen der edlen Stühle. Auch Emma nimmt Platz, nur Philipp bleibt stehen.

»Ist er ertrunken?«, fragt die Frau.

»Es sieht so aus«, antwortet Emma.

Frau Schwendner reagiert nicht, schaut durch das Fenster auf das Beet, wo sie gerade noch geharkt hat, und auf den See dahinter. »Ich kümmere mich ein wenig um den Garten.«

»Sie wohnen nicht mehr hier?«

»Du kannst ruhig Charlotte zu mir sagen. Wie früher.«

»Du wohnst nicht mehr hier, Charlotte?«

»Schon lange nicht mehr. Das Haus und der Garten waren mir zu viel. Die sind ja dann alle weg. Ich hab jetzt eine kleine Wohnung. Das ist gut so.«

»Und Volker? Wohnt der noch hier?«

»Nein. In Konstanz. Der kommt nur manchmal am Wochenende her. War gestern Freitag?«

»Gestern war Dienstag«, erklärt Emma.

»Stimmt. Er wollte am Dienstag kommen. Er hat sich wohl freigenommen. Wir waren verabredet.« Sie schüttelt den Kopf. »Ist es heute passiert?«

Emma dreht sich zu Philipp um.

»Das können wir noch nicht sagen. Die Leiche, also der Körper … Vermutlich gestern«, bringt er hervor.

»Eigentlich war er ein guter Schwimmer. Früher ist er immer mit meinem Enkel rüber in die Schweiz und zurück«, meint Frau Schwendner.

»Mit Marc«, kommentiert Philipp.

»Ja, mit dem Marc. Bist du mit ihm zur Schule? Jetzt sind beide tot. Furchtbar. Hast du es der Sandra auch schon gesagt?« Sie schaut in die erstaunten Gesichter von Emma und Philipp.

»Was ist mit Marc passiert?«, will Philipp wissen.

»Na, der ist an einem Berg abgestürzt. Vor zwei Wochen? In der Schweiz irgendwo. Das war ganz furchtbar für den Volker.«

Jetzt setzt sich auch Philipp auf einen der Küchenstühle.

»Das tut mir sehr leid, Charlotte. Die Familie, das ist seine Frau. Gibt es noch mehr Kinder?«, will Emma wissen.

Frau Schwendner nickt. »Die Lisa, die wohnt noch bei meiner Schwiegertochter. Sandra ist Tierärztin in Radolfzell. Warst du noch nicht bei ihr?«

»Nein, wir sind zuerst hierher gefahren.«

»Der war allein hier. Siehst du ja, so protzig alles. Es muss immer das Teuerste sein. Ich weiß nicht. Vermutlich, um seine Frauen zu beeindrucken. Er wollte sogar ein Motorboot kaufen, damit er direkt von Konstanz hierher kann, übern See. Verrückt, was das Geld mit manchen macht.« Charlotte Schwendner ist jetzt ganz verloren und zart, sie schaut aus dem Fenster, über die Wiese, auf das Schilf, das Wasser, auf die Hügel in der Schweiz.

Emma schaut sich um. Die moderne Küche öffnet sich zu einem Wohnraum, wo eine tiefe, moderne Ledercouch steht, dekoriert mit Kissen, die vermutlich aus Marokko stammen. Auf einem Glastischchen liegen Zeitschriften und ein schwerer Kunstband. An einer Wand steht ein schwarzes Klavier, wie ein Statement für die besondere Wertschätzung der Kultur. Als sie ihn noch kannte, spielte Volker kein Instrument, schon gar nicht Klavier. Ein breiter Bildschirm hängt dicht neben dem Instrument. Hier wurde eine mondäne Einrichtung in ein altes Haus gedrückt. Sei beeindruckt, sagt hier alles, du betrittst das Reich eines weltgewandten Mannes, der sich ein teures Wochenendhaus in der Provinz leisten kann. Ein Haus direkt am See.

Früher, als sie hier zu Besuch war, gab es eine hölzerne Eckbank mit grünen Polstern. Auf dem Tisch lag immer eine Tischdecke. Hier wurde zu Abend gegessen, es gab Brot, Tomaten, Gurken und Wurst, dazu Apfelsaft. Der alte Herr Schwendner, der bei der Raiffeisen Genossenschaft in Radolfzell tätig war, trank Bier. Volker mochte nicht mit Emma am Tisch seiner Eltern sitzen, das war ihm viel zu offiziell. Zwar galt sie als seine Freundin, aber für ihn war es eben nur eine Freundin, und es sollte nicht so aussehen, als ob sie so richtig zusammen wären. Emma mochte Frau Schwendner, die ihr gleich das Du angeboten hatte, weil sie die Tochter von den Zäringers war. Mit Emmas Mutter Klara war Charlotte zur Schule gegangen.

Emma drängt es nach oben zu gehen, wo Volker sein Zimmer hatte, wo das schmale Bett stand, auf dem sie oft mit ihm lag und knutschte. Mehr machten sie hier selten, aus Furcht, Charlotte könnte hereinplatzen und eine Aufgabe für Volker haben.

Sie steht auf, Philipp starrt auf den Tisch, die alte Frau ist in ihren Gefühlen und Gedanken versunken.

»Kann ich mal schauen, wie es jetzt oben aussieht?«, fragt sie Frau Schwendner, doch die reagiert nicht auf sie.

»Wenn ich mich hier umschaue, ist das rein privat«, sagt sie leise zu Philipp, der sie auch nur traurig ansieht.

Von einem Flur im Zentrum des Hauses gehen die Türen in den Wohnraum und die Küche ab. Von hier kommt man auch zu der hölzernen Treppe ins obere Stockwerk. Das Knarren der Stufen erinnert sie daran, wie Volker meistens versuchte, sie direkt in sein Zimmer zu schleusen, ohne dass seine Mutter oder sein Vater Wind davon bekamen. Als sie vor seinem früheren Zimmer steht, zieht sie den Ärmel ihres Pullovers über ihre Hand und öffnet die Tür. Aus dem Zimmer des Jungen, in den sie verliebt war, ist ein Gästezimmer geworden, wie in einem Hotel, ziemlich unpersönlich. Sie schaut durch die kleine Dachgaube in den grauen Himmel, auf das Polizeiauto vor dem Haus und die Landstraße weiter oben am Hang. In diesem Zimmer hat er sie mit Musik beschallt, die ihr zunächst ziemlich fremd war. Hier hörte sie zum ersten Mal Black Eyed Peas, Linkin Park und Eminem. Er bewegte sich in dem kleinen Raum wie ein Hip-Hopper zu dieser Musik, was sie meistens ziemlich lächerlich fand. Aber die treibenden Rhythmen gefielen ihr, auch wenn sie von den Texten nicht so viel verstand. Bis er dann von Pink »Get the Party Started« spielte, was sie sofort begriff. Er machte das Fenster auf, zündete einen Joint an und rauchte – und dann bewegten sie sich eng aneinander vor dem schmalen Bett zu der Musik, die von jungen Frauen erzählt, die ihr eigenes Ding machen und tanzen gehen. Das Tollste an Volker war sein Auto, was ihre Möglichkeiten, von den Dörfern und den Obstwiesen wegzukommen, enorm steigerte. Zwar gab es in dem alten Peugeot nur ein Radio, auf dem sie SWR3 hörten, aber manchmal nahmen sie einfach seinen tragbaren CD-Player mit, stellten ihn auf die Rückbank und fuhren los. Sie überquerten den Schweizer Zoll bei Stein am Rhein, kurvten über schmale Straßen bis nach Zürich, wo er ein paar Leute in einem besetzten Haus kannte. Wie sich herausstellte, waren diese »Leute« zwei Frauen, beide in Lederjacken. Die eine hieß Lenya, den Namen der anderen hat sie vergessen. Die beiden schauten sie an wie ein exotisches Tierchen, das er aus einem Zoo befreit hatte. Sie grinsten sie herablassend an, strichen sich ihre verfilzten Haare hinter die Ohren, an denen mehrere Piercings glänzten, und gaben Volker links und rechts Küsschen, so wie Schweizer es machen. In den besetzten alten Fabrikanlagen wurde Kultur ohne Kommerz gefeiert, seltsame Bands traten auf, es gab Ausstellungen und eine Volksküche, wo man für wenig Geld Kürbissuppe und Brot bekam. Sie tanzten stundenlang, bis sie verschwitzt auf ein altes Sofa fielen und sich küssten. Emma erinnert sich, wie sie einmal nebeneinander in einer improvisierten Bar eingeschlafen waren, und als sie aufwachte, wurde es draußen hell. Sie erschrak, sie musste unbedingt zur Schule. Schon zweimal hatte sie eine Verwarnung kassiert, weil sie unentschuldigt gefehlt hatte. Sie rüttelte Volker wach und drängte ihn, sie sofort nach Radolfzell ins Gymnasium zu bringen. Er gab mächtig Gas und fuhr bei geöffnetem Fenster, um wach zu bleiben. Es fühlte sich an, als ob sie zusammen wie nach einem Banküberfall flüchten würden. Tatsächlich schafften sie es rechtzeitig zu Schulbeginn anzukommen. Ihre Haare waren verklebt, sie roch ganz verwegen nach Rauch und Bier. Ihre Freundin Maja schaute sie misstrauisch an, quetschte sie aus, und sie gab bereitwillig Auskunft, genoss das tiefe Gefühl von Freiheit, das sich in ihr ausbreitete. Volker hatte ihr die Tür zu einer anderen Welt aufgestoßen, die es in Städten gab, die weit weg von hier lagen. Aber bald machte er diese Tür wieder zu. Er erklärte ihr, nach Frankfurt ziehen zu müssen, um Literaturwissenschaften zu studieren. Hey, wir sind beide noch so jung, sagte er ihr. Bald erfuhr sie, dass er mit der Frau aus Zürich zusammenlebte, der Lenya mit den verfilzten Haaren, die bei der FAZ ein Volontariat absolvierte. Emma fuhr ihm sogar nach Frankfurt hinterher, um ihn zur Rede zu stellen. Aber als sie endlich die Adresse gefunden hatte und vor der Haustür stand, kam sie sich völlig lächerlich vor. Sie starrte auf das Klingelschild, auf dem »Schwendner« neben einem anderen Namen stand. Wenn sie klingeln würde und zu den beiden in die Wohnung ging, würden die sich vermutlich kaputtlachen über sie, die Provinzmaus. Sie drehte sich um, stand einige Minuten völlig erstarrt, wie eingefroren, dann schüttelte sie sich und machte sich zurück auf den Weg zum Frankfurter Hauptbahnhof. In der riesigen Bahnhofshalle lief sie an den vielen Gleisen vorbei, las die Ziele der Züge, die nach Berlin, nach Mailand, nach Paris, nach Köln fuhren, und stieg dann in den nach Stuttgart mit Anschluss nach Singen. Erst heute hat sie Volker wiedergesehen. Als Leichnam.

Sie geht aus dem kleinen Zimmer, schaut durch die offen stehende Tür des Schlafzimmers. Hier riecht es muffig. Es sieht vernachlässigt aus, in den Ecken knäueln sich Staubflusen; unaufmerksam, traurig und lieblos. Auf dem breiten Bett liegen Männer-Unterwäsche und ein paar Socken, auf dem Boden Sneakers. Die Tür eines Kleiderschranks steht offen. Dort hängen Hemden und Hosen. Sie geht näher, schaut hinein und entdeckt ganz hinten zwei bunte Sommerkleider. Über einer Stuhllehne hängt eine Anzugjacke. Am Fenster steht ein kleiner Schreibtisch, darauf eine ältere Spiegel-Ausgabe, ein Kriminalroman von Patricia Highsmith, Kassenbons, eine Uhr mit metallenem Armband und ein schwarzer Laptop. Der Computer liegt auf einer Schreibunterlage aus schwarzem Kunststoff. Irgendwie steht der Laptop etwas schräg, leicht angekippt, als würde etwas darunter liegen. Sie hebt das Gerät hoch, klappt das schwarze Rechteck aus Plastik um und entdeckt darunter eine Ansammlung von beschriebenen Notenblättern. Offenbar sind es Briefe, die an Volker gerichtet sind. Die Seiten sind fast alle auf die Größe von schmalen DIN-A5-Briefumschlägen gefaltet. Zwischen den Blättern stecken lose Kopien von Überweisungsträgern, alte Eintrittskarten zu Konzerten, Kinobesuchen und Quittungen von Abendessen in Restaurants.

Um Fingerabdrücke zu vermeiden, fasst sie den Fund erneut nur mit dem Ärmel ihres über die Finger gezogenen Pullovers an. Ein Foto kommt ihr entgegen. Es zeigt Volker neben einem Jungen im Alter von etwa fünfzehn Jahren. Volker und der Junge, vermutlich sein Sohn Marc, tragen schwarze Neoprenanzüge, bei denen die Beine und die Arme frei sind. Auf dem Kopf eine gelbe Schwimmkappe mit der Aufschrift »Seequerung 2018«, die sie ja bereits kennt. Sie haben eine Art Medaille umhängen, die vermutlich ihre Teilnahme bestätigt. Beide strahlen in die Kamera. Erstaunlich, dass es so ein richtiges Foto auf Papier gibt, vermutlich wurde es von den Veranstaltern aufgenommen. Emma nimmt einen der älteren Briefe in die Hand.

Lieber Papa,

Chopin und Schumann gingen mir gut von der Hand, aber das Publikum im Hörihotel war nicht begeistert. Haben sie sich gelangweilt? Ich habe mich nicht verspielt, war nicht zu langsam, nicht zu schnell. Die Musik floss wie der Rhein durch unseren See. Du hast mich anschließend gelobt, vielen Dank dafür. Aber es fühlte sich falsch an. Ich wurde betrogen, weiß aber nicht genau, um was …

Dein Marc

Beklemmend, wie sie in diese Welt gezogen wird. Warum schreibt ein Sohn seinem Vater Briefe auf Notenblättern? Will er ihm damit zeigen, dass er die linierten Seiten nicht mehr braucht?

Das Badezimmer gleich nebenan ist wie in einem französischen Hotel gestaltet. Das Waschbecken besteht aus einer Granitschale, die Armaturen sind ein Imitat aus dem neunzehnten Jahrhundert. In den Zahnputzgläsern aus Kristall stecken eine blaue und eine rote Zahnbürste; in einem Holzschrank, der so tut, als wäre er alt, warten Kosmetika. In der Haarbürste einer Frau haben sich braune glatte Haare um die Borsten gewickelt. Die Glastigel mit den Cremes sind nicht gerade billig. Sie beugt ihre Nase etwas tiefer, aber sie kann den Geruch der Frau, die hier zu Gast ist, nicht richtig einordnen. Irgendwie riecht es leicht nach Holz. Als sie sich aufrichtet, sieht sie sich im Spiegel. Sie hält sich erschrocken eine Hand vors Gesicht und schaut zwischen den gespreizten Fingern durch. Ihre dunklen Haare sind von einigen weißen Strähnen durchzogen. Sie sollte dringend zur Friseurin und vielleicht beginnen, sich die Haare zu färben. Auf ihrer Stirn zeigen sich zwei kleine Falten, erste Querstriche, wie mit einem Messer eingeritzt. Unter den Augen prangen matte dunkle Stellen. Ihre Lippen haben heute noch keine Farbe. Sie überlegt, sieht sich nach einem Lippenstift um, lässt es dann aber. Das Strahlen der jungen Frau, die hier vor über zwanzig Jahren in den Spiegel geblickt hat, wäre trotzdem erloschen. Den Mann aus diesem Haus, in den sie sich verknallt hatte, gibt es nicht mehr. Die Frau, in deren Gesicht sie blickt, hat ihren ersten Liebhaber überlebt und den letzten erschossen. Vielleicht ist sie ja so eine Art Todesengel für Männer, die sich mit ihr einlassen. Oder es liegt einfach daran, dass sie heute Vormittag ganz ungeschminkt und ungewaschen aufgebrochen ist. Das angemessene Gesicht, um einen toten Mann zu finden.

Sie geht noch einmal zurück in das Schlafzimmer, nimmt das Konvolut von Briefen und Erinnerungszetteln an sich, steckt es sich hinten in ihren Hosenbund und zieht den Pulli darüber. Sie ist nicht im Dienst, und es gibt keine Ermittlung zu Volker Schwendners Ableben. Es verstößt gegen alle Vorschriften, aber die Neugier, mehr über diesen Mann und seine Kinder zu erfahren, ist einfach größer.

Als sie wieder zurück an den Tisch kommt, hat Charlotte Schwendner Tränen in den Augen. Langsam dreht sie ihr den Kopf zu.

»Du bist doch Polizistin, Emma. Ich glaub nicht, dass der Volker einfach so ertrunken ist. Der war doch völlig gesund. Seit drei Jahren hat er auf einmal viel Geld und hier alles umgebaut. Das passt doch nicht. Da stirbt man doch nicht einfach. Oder?«

»Das kann ich dir nicht sagen, Charlotte.«

»Vielleicht wegen Marc? Dass ihn das so mitgenommen hat?«

»Es tut mir sehr leid«, sagt Emma. Sie stimmt Charlotte zu, es passt nicht zusammen, aber sie sagt es nicht.

»Sollen wir dich nach Hause bringen?«

»Nein, nein. Ich hab noch im Garten zu tun. Den Pflanzen ist es egal, ob einer stirbt. Es wäre schön, wenn du mal bei mir vorbeikommst. Und grüß deinen Vater.«

Emma verspricht es und macht sich mit dem jungen Polizisten wieder auf den Weg.

 

Am Fundort der Leiche sind inzwischen zwei Kollegen vom Kriminaldauerdienst eingetroffen. Ein Mann und eine Frau in Uniform stehen mit David zusammen, Philipp geht gleich auf sie zu und berichtet ihnen. Die vier Polizisten drehen sich zu Emma um, die sich abseits hält, am Auto lehnt und auf die Folie schaut, unter der der Leichnam von Volker liegt. Durch den Besuch in seinem alten Zimmer ist er wieder lebendig geworden, zumindest ein wenig. In ihrem Rücken spürt sie die Briefe an Volker auf ihrer Haut. Ein Leichenwagen kommt angefahren, zwei Männer laden einen Metallsarg aus und gehen zu den Polizisten. Sie tragen schwere Schuhe, damit sie nicht ausrutschen, wenn sie einen Menschen zur letzten Ruhestätte abholen. David und Philipp müssen die Folie als Sichtschutz hochhalten, hinter der der tote Volker in den Sarg gelegt wird. Noch immer stehen ein paar Leute zusammen, die das Geschehen aufmerksam beobachten und besprechen. Bestimmt weiß schon das ganze Dorf, dass hier Volker Schwendner ans Ufer gespült wurde. Die schwarz gekleideten Männer tragen den Metallsarg zurück und schieben ihn in ihr Fahrzeug. Würdevoll und mechanisch sind ihre Bewegungen. Emma schaut ihnen zu, als die Frau vom KDD neben sie tritt.

»Sie bringen ihn nach Singen. Kühlkammer«, sagt sie und streckt Emma eine Hand hin. »Ich bin die Anne. Anne Koskowick«, stellt sie sich vor.

»Emma Zäringer. Dann sind wir Kolleginnen. Ab Morgen.«

»Ich hab dich mir ganz anders vorgestellt«, meint Anne.

»Aha«, antwortet Emma irritiert.

Anne lacht. »Man hat uns erzählt, dass du einen Italiener abgeknallt hast.«

»Da dachtest du, da kommt ’ne Irre. Ich hab noch nicht gefrühstückt und bin nicht geschminkt. Im Lauf des Tages lauf ich dann zu voller Form auf und treib alle in den Wahnsinn«, versucht es Emma, und Anne lacht erneut.

»You are welcome! Du hast auch gleich die Mutter des Toten informiert?«

»Das war Zufall. Ich wollte eigentlich nur sehen, ob er da noch wohnt. Mehr privat.«

»Der Kollege Reiser war ja dabei.«

»Philipp«, bestätigt Emma.

»Du kennst die Familie?«, will Anne wissen.

»Ich kenn die Mutter und weiß, dass Volker Schwendner mit einer Tierärztin in Radolfzell verheiratet ist. Sie haben zwei Kinder, also nur noch eins, eine Tochter. Der Sohn, Marc, ist wohl vor Kurzem in der Schweiz tödlich verunglückt.«

»Na, da bist du doch schon richtig drin im Fall.«

»Ist es denn ein Fall?«, fragt Emma nach, »was hat der Arzt gesagt.«

»Der hat nur den Tod bestätigt. Der ist hier Hausarzt. Ich kenne mich nicht so aus mit Wasserleichen, aber ich schätze, der Mann treibt seit gestern im See. Waschhautbildung, Totenflecke am Bauch. Keine sichtbaren äußeren Verletzungen.«

»Die Mutter sagte, er wäre gestern angekommen. Sie wollten sich treffen«, erzählt Emma.

»Und was denkst du? Du kommst doch von der Kripo.« Emma fühlt sich wie erwischt und herausgefordert, obwohl sie der Kollegin nur ganz sachlich berichtet. Anne Koskowick ist eine kräftige Frau, durchtrainiert, etwa in ihrem Alter, kurze helle Haare, die hochstehen. Die Uniform liegt eng an ihrem Körper an, wie eine zweite Haut. In der Nase steckt ein kleines Piercing, ein schmaler Ring. Am Hals ist ein Tattoo zu sehen, drei kleine Tauben flattern hintereinander her, als ob sie wegfliegen wollten. Emma schaut auf die Vögel. Wenn die Haut am Hals pulsiert, bewegen sich die Tauben.

»Vermutlich ist er einfach ertrunken, als er über den See geschwommen ist. Er hat das früher mit seinem Sohn zusammen gemacht.«

»Deswegen die Badekappe.«

»Ja, aber … Seine Mutter meint, es würde nicht passen, dass er das Haus da ausbaut und dann plötzlich stirbt. Er scheint Geld zu haben.«

»Er war Chefredakteur bei unserer geliebten Regionalzeitung.«

»Aber da verdienst du nicht so viel …«

»Anyway. Ich muss nur wissen, ob ich die Leiche freigeben kann.«

»Es gibt ja noch eine Leichenschau«, meint Emma.

»Du meinst, das dauert noch? Hm … Sag mal, wo du da schon so drinsteckst. Könntest du auch bei seiner Frau vorbeifahren und sie informieren?«, fragt Anne, »mit ihm hier. Mit Reiser.«

Emma schaut in das klare Gesicht von Anne, auf der Stirn stehen zwei senkrechte Falten, wie Ausrufezeichen.

Emma nickt. »Aber ich muss erst mal …«

»Cool. Dann sehen wir uns morgen zweiundzwanzig Uhr. Du beginnst in der Nachtschicht. Ich freu mich auf die Zusammenarbeit.« Sie streckt Emma erneut ihre Hand hin. Der Händedruck ist trocken und hart. Dann dreht Anne sich um, geht auf Philipp Reiser zu, sagt ihm, was als Nächstes für ihn ansteht. Ihre Bewegungen haben etwas Zackiges. Ob sie mit ihr gut arbeiten kann?

 

Sie sitzen wieder im Auto. Philipp lässt den Kollegen David König beim Polizeiposten in Gaienhofen aussteigen und fährt mit Emma weiter. Sie will noch kurz beim Obsthof vorbei.

Die Briefe auf den Notenblättern verstaut sie in ihrem Zimmer. Nachdem sie sich umgezogen, etwas Wimperntusche aufgetragen und ihrem Vater Bescheid gesagt hat, sitzt sie wieder neben Philipp. Sie trägt eine schwarze Jeans, einen dunklen Pulli, dunkle Sneakers, keinen Lippenstift.

»Kennst du Anne gut?«, fragt Emma.

Philipp betrachtet sie einen Augenblick, bevor er den Wagen startet. »Wir haben manchmal miteinander zu tun«, antwortet er.

»Sie wirkt tough.«

»Ich glaub, sie macht Kampfsport.«

»Aha.«

»Und du?«

»Ich halt mich auch fit, danke der Nachfrage«, meint Emma. Vielleicht war das schnippisch, fällt ihr auf. Egal, er soll sie zu dieser Sandra Schwendner fahren, sie will das hinter sich bringen. Sie hat keine Lust, über sich zu reden. Das hat sie eigentlich nie, aber sie blickt zu ihm hin, ob er vielleicht eingeschnappt ist. Sein Bart, am Hals ausrasiert und gepflegt, steht ihm gut. Dunkle Augenbrauen, die Haare an den Seiten sehr kurz geschnitten und oben etwas länger, so wie die meisten Männer das jetzt tragen. Sie schätzt ihn auf etwa fünfzehn Jahre jünger.

»Lebst du allein?«, durchbricht sie das Schweigen.

»Na ja, meistens. Ich hab eine Wohnung, seit ich hier den Polizeiposten leite.«

»Manchmal besucht dich deine Freundin.« Sie schaut, wie er reagiert, ob er unsicher wird.

»Ähm. Ja.«

»Was macht sie? Ist sie auch Polizistin?«

Ihre direkten Fragen verwirren ihn.

»Nein. Sie studiert in Freiburg. Physik.«

»Wirklich? Das ist gut. Dann ist sie ziemlich schlau.«

Er grinst. »Das ist sie.«

Es klingt ein wenig stolz.

»Ich wollte hier immer weg. Hat nicht geklappt«, sagt sie.

»Du bist doch in Konstanz.«

»In Berlin ist man weg oder in Kiel. Aber doch nicht in Konstanz. Außerdem, ab morgen bin ich in Singen, also fast zurück«, hält sie ihm entgegen.

Auf der anderen Seeseite ist Radolfzell zu sehen, eine kleine Stadt, die sich um ein großes Münster schart. Sie fahren durch das Dorf Moos, kommen auf die lange Allee mit den Pappeln, dann durch die Außenbezirke der Stadt, vorbei an zahlreichen Einfamilienhäusern, die alle irgendwie gleich aussehen und doch ganz individuell wirken wollen.

Sie halten vor einem Haus, eine Art zu große Schuhschachtel mit Giebeldach. Die Fenster, die bis zum Boden reichen, sind zur Hälfte mit Gardinen verhängt, damit niemand einen Blick darauf werfen kann, was in der Tierarztpraxis Dr. Sandra Schwendner vor sich geht. Auf dem breiten Parkplatz vor dem Haus stehen fünf kleine blaue Schilder mit der Aufschrift »Tierarzt«, doch kein einziges Auto parkt davor. Heute keine Sprechstunde für Hunde und Katzen. Sie klingeln mehrmals, ein Gesicht erscheint über einer der Gardinen, und eine junge Frau in T-Shirt und grauen Jogginghosen öffnet. Als sie Philipp in Polizeiuniform vor sich stehen sieht, zögert sie einen Moment, dann ruft sie ohne Begrüßung ins Haus: »Mama!«

»Bist du Lisa Schwendner?«, fragt Emma, um das Mädchen aufzuhalten.

»Ja«, kommt von ihr, »meine Mutter kommt gleich.« Sie ist genervt, weil sie nach dem wiederholten Klingeln an die Tür gegangen ist und jetzt Fragen beantworten muss. Hinter ihr erscheint Sandra Schwendner im offenen weißen Arztkittel, um den Hals eine Perlenkette, ihre Füße stecken in flachen Schnürschuhen. Sie lächelt verbindlich, nickt ihrer Tochter zu, die sich umdreht und weggehen will.

»Warte, wir müssen mit Ihnen beiden reden«, hält Emma die junge Frau zurück.

»Reiser, Polizei Gaienhofen. Meine Kollegin Kommissarin Zäringer. Könnten wir kurz reinkommen? Wir müssten Ihnen etwas, äh, mitteilen.«

»Guten Tag. Eigentlich haben wir gerade geschlossen«, antwortet Frau Schwendner lächelnd. Emma geht auf die Frau zu, betritt den Flur, Philipp folgt ihr.

»Lassen Sie uns bitte reingehen«, sagt Emma, jetzt etwas freundlicher. Sandra Schwendner geht nun voraus, ihre Tochter folgt ihr mit finsterer Miene. Sie kommen in einen Wohnraum, der hinter den Praxisräumen liegt und sich zu einem weiten Garten öffnet. Hier wachsen Bambusgräser und Ginkgobäume. Das Mädchen fläzt sich auf eine moderne Couch, mehr eine Sitzlandschaft, wie aus einer Werbebeilage. Die Frau setzt sich konzentriert auf einen der drei kleinen Sessel davor. Emma nimmt ihr gegenüber Platz, Philipp bleibt wieder neben ihr stehen.

»Wir müssen Ihnen mitteilen, dass wir heute Vormittag die Leiche von Volker Schwendner an einem Seeufer in Wangen aufgefunden haben«, überbringt Emma ihre traurige Botschaft. Sie hat sich den Satz nicht vorher überlegt, aber er klingt, als ob ein Messer auf einen Steinboden fällt.

»Es tut mir sehr leid«, sagt sie noch.

»Was?! Scheiße!«, kommt von Lisa. Sandra Schwendner springt auf, setzt sich zu ihrer Tochter, legt einen Arm um sie.

»Das ist ja … furchtbar«, sagt sie. »O Gott!«

»Was heißt denn am Ufer? Im Wasser?«, will Lisa wissen. Ihre Fragen sind aggressiv.

»Ja, er ist angeschwemmt worden. Es könnte sein, dass er ertrunken ist«, erklärt Emma ruhig und sachlich.

»Scheiße. Das gibt’s doch nicht!«, ruft Lisa aus.

»Ach, meine Arme«, tröstet ihre Mutter. Emma kommt der Verdacht, dass sie Kinder, denen ihr Meerschweinchen gestorben ist, genau gleich tröstet.

»Dann waren es nur noch zwei. Fuck, ey!«

Lisa ärgert sich über den Tod ihres Vaters, zeigt aber keine Trauer. Emma wundert sich nicht nur darüber, sondern auch über ihre laute Art. Eine seltsame Weise, den Tod des Vaters aufzunehmen. Frau Schwendner steht auf, stellt sich vor eines der hohen Fenster und schaut in den gepflegten Garten. Sie atmet hörbar tief ein, sehr beherrscht.

»Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen, Frau Schwendner?«, erkundigt sich Emma.

»Vor etwa zwei Wochen? Wann war er hier, Lisa?«

Lisa hält sich an ihren Knien fest, krümmt sich, ihre Anspannung lässt nach. Sie legt sich auf die Seite.

»Wohnt er denn nicht hier?«, möchte Philipp wissen.

»Nein, er ist meistens in Konstanz, bei der Zeitung«, erklärt die Frau.

»Oder bei einer seiner Freundinnen«, fügt Lisa an. Sie spricht jetzt leise, mehr zu sich.

»Wir, äh, leben nicht mehr zusammen.«

»Sind Sie noch verheiratet?«, fragt Emma nach.

»Das schon«, ergänzt Sandra Schwendner.

»Jetzt kriegst du das Haus am See«, fügt Lisa hinzu.

»Ich bitte dich, Schatz. Das ist nicht passend.«

»Und du brauchst dich nicht mehr scheiden zu lassen.«

»Entschuldigen Sie bitte meine Tochter.«

Emma dreht sich zu Philipp um. Sie würde gerne seine Hand nehmen, um sich an ihm hochzuziehen, aber sie steht einfach auf.

»Der eine stürzt sich vom Berg runter. Der andere ersäuft im See. Passt zu dieser Familie«, sagt Lisa leise. Erneut setzt sich ihre Mutter zu ihr, streichelt die Tochter ungelenk. Das hat sie länger nicht mehr gemacht. Lisa schlägt die Hand der Mutter weg.

Emma gibt Philipp ein Zeichen, sie verabschieden sich, gehen zusammen zur Tür, durch den stillen Flur der Tierarztpraxis. Es riecht nach Hundefutter und Desinfektionsmittel, an den Wänden hängen Fotografien von spielenden, glücklichen Tieren.

Emma dreht sich zu Sandra Schwendner um, bevor sie aus dem Haus tritt. Sie kann nicht sehen, wie sehr der Tod ihres Mannes die Frau berührt. Das Gesicht der Witwe ist undurchdringlich. Ob sie froh ist, dass es zu Ende ist? Bestimmt hat sie viele Kämpfe mit Volker ausgetragen. Wie stark quält sie der Tod des gemeinsamen Sohnes?

»Ich melde mich wieder«, sagt Emma.

Dann dreht sie sich um, hinter ihnen wird die Tür geschlossen.

Als sie im Auto sitzen, starren sie vor sich hin. Philipp schüttelt den Kopf. »Was war das denn?«, fragt er Emma.

»Familie?«, fragt sie zurück.

»Was hat das Mädchen über Marc gesagt?«

»Dass es Suizid war«, antwortet Emma, »es klang, als hätte sie dafür Verständnis.«

Philipp streicht sich mit der rechten Hand mehrmals über seinen Bart. Emma stellt sich vor, wie seine Hand ihr übers Gesicht streicht. Dann lässt er das Auto an.

Es tut mir leid, Papa. Ich war voll drauf. Zu. Aber ich habe geliefert. Oder? Ich weiß schon, du hast dich echt reingehängt für diesen Auftritt. Dir war es so wichtig, dass ich da auftrete. Aber eigentlich war es mir egal. Scheißegal. Ich habe das den Leuten im Saal gesagt. Man beschimpft sein Publikum nicht. Ich weiß das auch. Aber es waren doch wirklich alles Hackfressen. Stinkende reiche Arschlöcher. So möchte ich nie werden, und ich möchte auch nicht von ihnen abhängig sein. Nicht von ihrem Geld. Und auch nicht von deinem Geld.

 

Ein Kontoauszug, der die Überweisung an den Lieferanten eines Klaviers festhält. Die Summe: 2400 Euro.

Mit Bleistift wurde auf der Rechnung eines Tauchclubs in der oberen Ecke der Name »Lisa« vermerkt. Es wurden 420 Euro für einen PADI Open Water Diver Kurs, fünf Tage am roten Meer, bezahlt.

Donnerstagabend

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