Band I
VON:
JAN NOWATSCHEK
Impressum:
Copyright © 2025 Jan Nowatschek
Instagram: @onewichteladay
Autor: Jan Nowatschek
Baumgartenweg 36, 91560 Heilsbronn
Coverdesign & Grafiken: nowadesign
Alle Rechte vorbehalten.
PROLOG
Die Nacht war kalt und dunkel, als ein düsterer Nebel über das Dorf Weidenwacht zog, das irgendwo in den nördlichen, kaum bewohnten Randgebieten des Grünen Gürtels in Richtung der Frostgrimm-Gebirgskette lag.
Die Straßen waren bereits verlassen und die Fensterläden der wenigen Häuser fest verschlossen, als würden die Bewohner die Dunkelheit fürchten, die sich über ihr kleines Dorf legte.
Am Ende einer schmalen, gepflasterten Gasse befand sich eine heruntergekommene Taverne, deren Schild längst verblasst und kaum noch zu entziffern war. Lediglich das schwach flackernde Licht, das durch die schmutzigen Fensterscheiben lugte, verriet, dass es hier noch Leben gab – wenn auch nur ein klägliches.
Im Inneren der Taverne herrschte eine bedrückende Stille.
Der Raum war klein und die Luft roch stickig nach altem Rauch und verschüttetem Bier, während die verwahrlosten Holzdielen unter jedem Schritt lauthals knarzten. Die Tische waren alt und verkratzt und die wenigen Lampen, die von der Decke hingen, spendeten nur ein fahles, gelbliches Licht, das die dunklen Schatten in den Ecken noch tiefer erscheinen ließ.
Hinter der Theke stand ein stämmiger Wichtel mit grauem Haar und einem buschigen Bart, dessen Gesichtszüge so hart wirkten, wie das Leben hier draußen sein musste. Der Wirt war damit beschäftigt, in einer endlosen Routine Gläser zu putzen, die nie wirklich sauber wurden. Der Schankraum war wie ausgestorben, bis auf eine einzelne vermummte Gestalt, die regungslos in einer dunklen Ecke hockte.
Es hatte den Anschein, als wollte sie ihr Äußeres vor neugierigen Blicken verbergen, denn sie hielt ihre Kapuze dicht über das Gesicht gezogen und schien sich kaum zu rühren. Die verwunderten Augen des Wirts glitten immer wieder misstrauisch zu ihr hinüber, doch er sprach kein Wort. Es war nicht seine Art, Fragen zu stellen, vor allem nicht zu solch später Stunde.
Die Minuten verstrichen wie zähflüssiger Sirup und die Uhr an der Wand tickte leise vor sich hin. In Gedanken vertieft legte der Wirt ein Glas beiseite und griff beinahe monoton nach dem nächsten, als die Tür der Taverne mit einem leisen Quietschen aufschwang. Ein kalter Windstoß drang in den Raum und ließ die wenigen Kerzen erzittern, bevor sie sich wieder beruhigten.
Eine zweite vermummte Gestalt trat ein, hielt den Kopf gesenkt und zog die Schultern weit nach oben in den Nacken, als wollte sie sich gegen die Kälte schützen, die sich von draußen an seine Fersen geheftet hatte. Zielgerichtet bewegte sie sich langsam auf die Theke zu und jeder ihrer Schritte hallte in der stillen Taverne wider. Der Wirt stellte verunsichert das Glas beiseite und musterte sie mit prüfendem Blick. Unter der Kapuze blitzten zwei Augen auf, die vor Entschlossenheit funkelten.
»Ich suche jemanden ...«, begann die Gestalt, mit leiser, aber bestimmter Stimme. »Es ist von ... äußester Wichtigkeit.«
Der Wirt kniff konzentriert die Augen zusammen, als würde er versuchen wollen, mehr von dem Gesicht unter der Kapuze erhaschen zu können. Er war schon viel zu lange in diesem Geschäft tätig, um solche Begegnungen deuten zu können – und die drohende Gefahr, die diese oftmals mit sich brachten.
»Heute ist niemand hier, außer ...«, hob er leicht den Kopf zur Seite und zeigte mit einer knappen Geste in die Ecke, in der die erste Gestalt gerade noch gesessen hatte. Doch bevor er den Satz vollenden konnte, brach er ab – denn die Ecke war nun leer.
Die Gestalt war verschwunden, als hätte sie sich in Luft aufgelöst. Der Wirt schluckte schwer und ein eiskalter Schauer lief ihm über den Rücken. Es war beinahe so, als hätte die Dunkelheit sie verschluckt. »Verdammt ...«, flüsterte er nervös und drehte sich um, nur um mit ansehen zu müssen, wie auch die zweite Gestalt sich bereits in Richtung Ausgang bewegte. Ein nagendes Gefühl der Unruhe ergriff ihn, als seine Augen sie fixierten. Ohne ein weiteres Wort verließ die Gestalt die Taverne und trat hinaus in die karge, eiskalte Gasse hinter der Bar, in der der Nebel so dicht war, dass man kaum die eigene Hand vor Augen erkennen konnte.
Dort, im Schatten der brüchigen Mauern, wartete die erste Gestalt, regungslos und unauffällig, als sei sie selbst ein Teil der Finsternis. Die zweite Gestalt trat langsam näher und ihre Augen suchten nervös die Umgebung ab, bevor sich ihr Blick in die verhüllten Züge ihres Gegenübers bohrte. Die angespannte Ruhe war beinahe erdrückend und nur ein leiser Schneefall durchbrach die Stille der Nacht.
»Du bist spät!«, zischte die erste Gestalt und ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
»Du weißt, die Umstände erfordern Vorsicht ...«, entgegnete die zweite Gestalt ebenfalls mit leiser Stimme. »Was hast du herausfinden können?«
Es waren zwei Wichtelagenten, die in diesem Moment in der dunklen Gasse verharrten und immer wieder mit unruhigen Blicken um sich warfen, bevor sie hastig weitersprachen. Ihre Stimmen klangen deutlich angespannt und ihre gekrümmte Körperhaltung verriet ihre panische Angst.
»Tarn, ich habe nicht viel Zeit. Es ist eigentlich viel zu gefährlich, dass wir uns hier treffen, aber ich habe Informationen, sehr wichtige Informationen, um genau zu sein, die alles verändern könnten. Es ist schlimmer, als wir dachten – viel schlimmer. Ich ... konnte herausfinden, wo die ... Verschwundenen sind. Sie ... sie sind nicht freiwillig gegangen!«, flüsterte Jaro voller Aufregung, die er kaum zu bändigen vermochte.
»Bist du wirklich sicher, Jaro? Das klingt ... das klingt unmöglich! Wie hast du das herausgefunden? Und was meinst du mit größer?«, erwiderte Tarn und konnte kaum glauben, was er da mit anhören musste. Jaro fuhr fort. »Keine Zeit, ins Detail zu gehen, aber ... die Spur führt in Richtung Nordpol! Alles dort hat sich verändert, es sieht beinahe aus wie ... wie eine Art Festung.« Dann packte er Jaro und zog ihn an sich heran, um ihm zu verdeutlichen, wie wichtig diese Informationen für ihn waren.
»D–Das ... kann nicht sein. Wir müssen es dem Obersten Hüter melden, Tarn. Wir müssen ...«, schüttelte Jaro ungläubig seinen Kopf.
Wie aus dem Nichts ertönte ein leises Knacken, das wie das Brechen eines Zweiges klang und sie erstarrten beide augenblicklich.
Ihre Augen zuckten durch die Dunkelheit.
Doch nur das flackernde Licht einer entfernten Laterne warf ihre langen Schatten voraus und schien ihre Ängste zusätzlich zu nähren.
Erschrocken drehte sich Jaro zu Tarn um.
»W–Was ist das? Kannst du etwas erkennen?«
»J–Ja, ich sehe etwas ... ich ... ich weiß nicht. Etwas ... scheint direkt auf uns zuzukommen!«
Tarn riss völlig panisch und voller Entsetzen die Augen auf.
Eine mysteriöse Gestalt wuchs rasch in Form und Größe, bis sie schließlich die gesamte Breite der Gasse einzunehmen schien.
Die Luft um sie herum begann zu flimmern, als würde die Realität selbst unter dem Druck dieser dunklen Präsenz verzerren.
Dann ertönte plötzlich ein tiefes, grauenerregendes Geräusch – ein Klang, der an das Grollen eines fernen Donners erinnerte, doch gleichzeitig irgendwie hohl und kalt, als käme er aus einer anderen Welt.
Die beiden Wichtel erstarrten vor Schreck.
Ihre beiden Körper zitterten jetzt nicht mehr vor Kälte, sondern vor unerklärlicher Furcht, die das Blut in ihren Adern gefrieren ließ. »Wir müssen hier weg, jetzt sofort!«, flüsterte Jaro heiser und seine Stimme war erfüllt von einer erstickenden Panik.
Bevor die beiden jedoch auch nur einen Schritt gehen konnten, intensivierte sich das dunkle Grollen und eine schattenähnliche Gestalt schien sich plötzlich zu materialisieren und gleichzeitig zu expandieren, bis sie die ganze Gasse mit Dunkelheit füllte. Die beiden Wichtel versuchten zu fliehen, doch es war, als ob die Dunkelheit sie umschlang und ihre Bewegungen verlangsamte. In einem Augenblick der schrecklichen Stille, der sich wie eine Ewigkeit anfühlte, verschwand das Geräusch, als wäre es nie da gewesen.
Die Dunkelheit löste sich auf und die Gasse lag wieder still und verlassen an Ort und Stelle, jedoch ohne ein Lebenszeichen von Jaro und Tarn.
Wo gerade noch zwei besorgte Wichtel gestanden hatten, war nun nichts mehr als der kalte Wind, der leise durch die leere Straße blies und das ferne Echo dieses unheimlichen Grollens, das langsam aber bestimmt in der dunklen Nacht verhallte.
KAPITEL 1
Einzig Legenden behaupteten, sofern man diesen glauben schenken mochte, dass ein mystischer Wald, umgeben von den Nebeln der Zeit und aus Geschichten, die nur das Flüstern des Windes zu erzählen vermochte, tief in einer uralten Welt verborgen lag. An diesem geheimnisvollen Ort harmonierten die Natur und das Übernatürliche in vollkommenem Einklang. Dieser Wald kam einem ganzen Reich gleich und trug den Namen Alruun.
Das Reich Alruun erstreckte sich, soweit das Auge reichte. Wie ein Lebewesen, das atmet, pulsiert und seine Geheimnisse nur denjenigen offenbart, die mutig genug sind, seine tiefsten Pfade zu durchschreiten. Die gewaltigen Baumkronen der dichten Wälder ragten hoch in den Himmel, während das dichte Unterholz wie ein grüner Teppich den Boden bedeckte.
Das Reich Alruun teilte sich in vier große Regionen auf.
Im Norden erhob sich die mächtige Frostgrimm-Gebirgskette, deren schneebedeckte Gipfel wie uralte Wächter über den Wald hinausragten. Diese Gegend war von einem eiskalten Wind und einem rauen Klima geprägt, das nur die widerstandsfähigsten Kreaturen und Pflanzen gedeihen ließ. Der harte Boden war nahezu immer zugefroren und die knorrigen Bäume, die in diesem Teil des Waldes wuchsen, erstreckten ihre Äste wie knöcherne Finger in den Himmel. Manche behaupteten sogar, dass in den dunklen Schluchten und versteckten Höhlen alte Geister oder Trickster ihr Unwesen trieben und nur darauf warteten, verzweifelte Abenteurer in die irre zu führen.
Der Osten Alruuns wurde von einem dichten, undurchdringlichen Wald dominiert, den man nur als den Dämmerwald bezeichnete. Hier lag ein ewiges Zwielicht der Dunkelheit über allem, denn die dicht miteinander verwobenen Baumkronen ließen nur flüchtige, schattenhafte Lichtstrahlen hindurch. Die Luft war feucht und kühl, durchzogen von einem immerwährenden Nebel, der den Wald in ein geheimnisvolles Dunstkleid hüllte. Hier wuchsen die uralten Schattenblumen, die nur bei Neumond erblühten und in der Mitte des Dämmerwaldes lag der geheimnisvolle Silbersee, still und klar, dessen ruhige Gewässer angeblich heilende Kräfte besaßen. Der Osten war außerdem von einer uralten Magie durchzogen, die hier ihren Ursprung zu haben schien.
Der Westen Alruuns dagen war deutlich offener und freundlicher, auch besser bekannt als der Grüne Gürtel. Hier erstrecken sich weite Wiesen und üppige Felder soweit das Auge reichte, durchzogen von sanften Hügeln und klaren Bächen. Der Grüne Gürtel war die am dichtesten bewohnte Region Alruuns, in der sich viele kleine Dörfer und Siedlungen befanden, die im Einklang mit der Natur errichtet wurden. Diese Region war äußerst fruchtbar und reich an Ressourcen, mit ausgedehnten Obstgärten und Feldern, auf denen verschiedenste Nahrungsmittel angebaut wurden. Mitten durch den Grünen Gürtel zog sich der Goldene Pfad, ein uralter Handelsweg, der die verschiedenen Siedlungen bis zur Hauptstadt Eldergrove miteinander verband. Im Zentrum trohnte die berühmte Eiche von Eilind, ein uralter Baum, der als heiliger Ort galt und unter dessen Zweigen bereits viele wichtige Entscheidungen getroffen wurden.
Der Süden dagegen war nahezu wild und ungezähmt, eine unwirtliche Region, die als Flammenwald bekannt war. Nahe am südlichen Meer gelegen mit einem trockenen und heißen Klima. Hier wuchsen hitzeresistente Pflanzen und Bäume, die dem rauen Wetter trotzen konnten. Die Rinde der Bäume im Flammenwald war schwarz wie Kohle und bekannt dafür, dass sie selbst die heftigsten Brände überstehen konnte. Die Gegend war rau und gefährlich und es wurde gemunkelt, dass tief im Flammenwald ein alter Vulkan schlummerte, der den Namen Feuerherz trug. Dieser Vulkan war seit Jahrhunderten inaktiv, doch seine Anwesenheit war im Flammenwald allgegenwärtig. Neben diesen Regionen gab es in Alruun allerdings noch viele weitere mystische und geheimnisvolle Orte.
Der Nebelfluss schlängelte sich durch den gesamten Wald und veränderte seine Gestalt je nach Region – vom rauschenden Gebirgsbach im Norden bis zum trägen, nebligen Strom im Osten.
Die Verlorene Lichtung war ein Ort, an dem die Zeit anders verlief und an dem Reisende sich leicht verirrenkonnten. Der Hain der Ewigen Flamme im Flammenwald war ein geheimnisvoller Ort, indem ein unsterbliches Feuer brannte und der Steinkreis von Alruun im Westen war ein alter Kultplatz, um den sich viele Legenden rankten.
Doch das Reich Alruun war auch voller Leben.
Hier existierten kleine geheimnisvolle Wesen, ein Volk das man Wichtel nannte, bereits seit Jahrtausenden. Diese Wichtel waren jedoch weit mehr als nur die allseits bekannten Weihnachtswichtel, mit denen sie heutzutage fast ausschließlich assoziiert werden. Ein ungerechtes Vorurteil, das sie insgeheim sogar meist etwas kränkte, auch wenn sie dies natürlich niemals offen zugeben würden. In Wahrheit waren sie ein mystisches und uraltes Volk mit einer reichen Kultur, voller einzigartiger Bräuche und Rituale.
Und genau hier, beginnt unser Abenteuer.
Im sanften Licht der Morgendämmerung, als die Welt gerade zu ihrem täglichen Leben erwachte, durchbrach ein unerwartetes Geräusch die Stille des Waldes.
Ein Reh und sein Kitz, die am Rand einer kleinen Lichtung grasten, hoben schlagartig die Köpfe – ihre Ohren zuckten und richteten sich auf die Quelle des Lärms aus, während ihre Augen groß und wachsam durch die Bäume blickten.
Aus dem dichten Unterholz erklang das Geräusch hastiger kleiner Schritte und von lautem Gekicher.
»Los, Faelan, schneller! Ich dachte, du wolltest heute gewinnen!«, tänzelten Lirin Silberblatts leichtfüßige Schritte über das Gras und seine Stimme triefte vor Hohn und Spott, während er geradewegs einen tief hängenden Ast übersprang. Faelan Sternenlied fühlte sich von seinen Worten sogleich deutlich angestachelt. »Ha! Wart’s nur ab! Ich lass’ dich nur vor, um dir ein gutes Gefühl zu geben!«, lachte sie, während sie einen schnellen Seitenblick zu ihm warf und ihr dunkelbraunes Haar wehte wie wild im Wind unter ihrer kleinen, bläulich gefärbten Zipfelmütze. Danach beschleunigte sie ihre Schritte nochmals, in der Hoffnung, ihn doch noch überholen zu können.
Lirin und Faelan waren zwei junge Wichtelkinder, die sich gerade einen freundschaftlichen Wettstreit lieferten und ihre tiefe Verbundenheit zur Natur und ihre Liebe zur Erde prägten ihr ganzes Leben auf eine wundervolle Weise.
Abseits des Weihnachtsklischees waren Wichtel vielmehr die Hüter der Wälder, Wissensbewahrer und Meister der Handwerkskunst. Jeder, der das Glück hatte, einmal ihre wahre Natur erleben zu dürfen, war überrascht und fasziniert von der Vielseitigkeit und Tiefe, die in ihrem Dasein verborgen lag.
Mit einer zierlichen Gestalt und meist nicht größer als ein menschliches Kind, funkelten ihre Augen in einer Vielzahl von Farben, die die Tiefe ihrer uralten Weisheit widerspiegelten. Ihre Haut schimmert leicht im Mondlicht, als wären sie ein Teil des Waldes, in dem sie lebten und selbst ihre Kleidung war eng mit ihrer naturverbundenen Lebensweise verwoben.
Sie trugen überwiegend einfache Gewänder aus weichem Moos, Blättern und Baumwollstoffen, die das vielfältige Farbenspiel der Natur verdeutlichte. Außerdem war diese Kleidung überaus praktisch und ermöglichte es ihnen, sich harmonisch in die Umgebung der Wälder einzufügen. Zu besonderen Anlässen schmücken sie sich mit Blumen- und Efeugirlanden sowie feinen Seidengewändern, die aus Spinnenseide gefertigt wurden und im magisch im Licht schimmerten.
»Pass auf, dass du nicht über deine eigenen Füße stolperst!«, rief Lirin der kleinen Faelan entgegen, während er einen knorrigen Baum umrundete und seine braunen Augen funkelten vor ausgelassener Freude. »Oh, du wirst gleich sehen, wer hier stolpert!«, keuchte Faelan trotzig und gab sich extra Mühe, ihre Geschwindigkeit nochmals zu steigern. Ihr Herz pochte vor Aufregung und die Anstrengung brannte leicht in ihren Gliedern, als sie mit ihren zierlichen Händen versuchte ihre Zipfelmütze festzuhalten, um diese nicht zu verlieren.
Denn die Zipfelmütze war das unverkennbare Markenzeichen eines jeden Wichtels und kam in unzähligen Variationen daher – von leuchtenden Farben bis hin zu aufwendigen Verzierungen mit Glöckchen oder Perlen. Sie war nicht nur ein modisches Beiwerk, sondern auch ein Symbol ihrer Identität – eine Verbindung, die tiefer ging als der älteste Baum im Wald.
Denn würde man einen Wichtel danach fragen, würde er antworten, dass er lieber seinen Bart abrasieren würde, als seine Zipfelmütze abzulegen – und dies galt sogar beim Schlafen. Selbst in den tiefsten Träumen blieb die Zipfelmütze fest auf dem Kopf. Denn was wäre, wenn man im Schlaf einen kühnen Gedanken bekäme oder spontan aus dem Bett hüpfen müsste? Ohne Zipfelmütze wäre man doch völlig hilflos! So fest verwachsen schien sie mit ihren Köpfen zu sein, dass man sich manchmal fragen konnte, ob sie vielleicht sogar mit einer Zipfelmütze geboren wurden – jedenfalls würde die Wahrheit niemanden überraschen.
Als Lirin und Faelan eine kleine Lichtung erreichten und das Reh und sein Kitz direkt vor ihnen auftauchten, hielten beide abrupt inne. Die Tiere waren aufgeschreckt und verwirrt durch das plötzliche und unerwartete Auftauchen der beiden und schnaubten leise, bevor sie davonsprangen und ihre schlanken Körper, geschmeidig zwischen den Bäumen verschwanden.
Lirin, war sichtlich außer Atem.
»Ohje, das ... das kam unerwartet!«, schoss es aus ihm heraus, als er sich vorbeugte und seine Hände auf die Knie stützte und zwischen den Atemzügen auflachte.
»Ja, wer hätte gedacht, dass wir so früh morgens nicht die einzigen sind, die hier Spaß haben wollen?«, grinste Faelan ihn an, während er neben ihr stand. Beide beobachteten, wie das Reh und sein Kitz in sicherer Entfernung anhielten und nocheinmal zurückblickten. Für einen Moment wurde es Stiller und nur das ferne Rascheln der fliehenden Tiere war noch zu hören. Der Wald schien innezuhalten, als wollte er ihnen eine Lektion von Achtsamkeit lehren.
Fast schon bedächtig antwortete Lirin.
»Ich glaube, wir sollten etwas vorsichtiger sein. Wir wollen ja niemanden erschrecken«, war seine Stimme nun weicher und fast etwas nachdenklich, als er sich mit seiner kleinen Hand seine zerzausten schwarzen Haare unter seiner kleinen Zipfelmütze zurechtrückte.
Faelan stupste ihn daraufhin leicht an.
»Du hast recht. Lass uns den Rückweg etwas ruhiger angehen.«
Lirin nickte zustimmend, und zusammen gingen sie den Weg zurück, den sie gekommen waren – diesmal langsamer, mit offenen Augen für die Schönheit der Natur und die Bewohner des Waldes.
Während sie den schmalen Waldpfad entlangschlenderten, der sanft durch das dichte Unterholz des alten Waldes von Alruun führte, ließ Lirin seinen Blick über das üppige Grün schweifen, das in der sanft strahlenden Morgensonne leuchtete. Die Luft war erfüllt von dem süßen Duft blühender Wildblumen und dem frischen, erdigen Geruch des Waldbodens nach einem kräftigen Regenschauer.
Beim Anblick des Waldes wurde Lirin fast schon etwas wehmütig.
»Weißt du, Faelan, ich glaube, es gibt keinen Ort, der mich so sehr erfüllt wie unser Wald«, hauchte er mit einem Lächeln. »Jedes Mal, wenn ich durch diese Wälder streife, fühle ich, wie mein Herz sich öffnet und all meine Sorgen verschwinden.«
Er strich sanft über die Rinde eines alten Ahornbaumes, dessen Blätter im Licht tanzten. Faelan lächelte ebenfalls.
»Ja, es ist wirklich magisch hier. Ich kann verstehen, warum du so fühlst. Aber sag, da fällt mir ein – denkst du, Elwin hat sich heute wieder Ärger eingebrockt? Du weißt ja, er ist immer auf der Suche nach einem neuen Abenteuer.« Lirin musste bei dem Gedanken laut auflachen. »Ohje, das würde mich wirklich nicht überraschen, so neugierig wie er immer ist. Hoffentlich hat er den Obersten Hüter Eichenbart nicht zu sehr auf die Probe gestellt. Am besten wir schauen später mal bei ihm Zuhause vorbei.«
Dann setzten sie ihren Weg fort und das Rauschen des naheliegenden Nebelflusses schien ihre weiteren Gespräche zu begleiten. Nach einer Weile führte der Pfad sie zu einer Stelle, an der das Dickicht sich lichtete und der Wald in eine weite, offene Lichtung überging. Lirin und Faelan hielten im Staunen inne. Im Herzen des mystischen Waldreiches von Alruun lag die große und prachtvolle Hauptstadt – Eldergrove.
Versteckt unter dem dichten Blätterdach der ältesten Bäume, die sich so majestätisch in den Himmel streckten, dass ihre Kronen die Sterne zu berühren schienen, thronte die Hauptstadt Alruuns wie ein funkelnder Schatz, den nur wenige Auserwählte jemals zu Gesicht bekommen hatten. Eldergrove war eine Stadt wie keine andere, ein Ort, an dem die Natur sich auf wundersame Weise mit der Architektur vereinte.
Inmitten der vier Regionen, im Herzen des Waldes von Alruun gelegen, wirkte Eldergrove wie ein lebendiges Wesen, das aus dem Boden herausgewachsen war. Die Gebäude waren in den uralten Bäumen und zwischen gigantischen Wurzeln eingebettet, deren knorrige Formen sich in harmonischen Bögen und Kurven wanden.
Doch das auffallendste Merkmal waren die übernatürlich großen, glühenden Pilze, die aus den Gebäuden selbst hervorsprossen. Sie leuchteten in warmen, sanften Farben – ein schimmerndes Gelb, ein tiefes Violett und ein glühendes Grün und tauchten die Stadt in ein unwirkliches, ätherisches Licht. Ihre gewaltigen Kappen breiteten sich wie schützende Dächer über den Straßen aus und ihre strahlenden Sporen schwebten wie winzige Glühwürmchen durch die Luft.
Eldergrove war in zwei Hauptbereiche unterteilt: Das Obere Viertel und das Untere Viertel, die jeweils ihre eigenen Besonderheiten und Charakterzüge aufwiesen. Das Obere Viertel, das auf einem sanften Hügel thront, beherbergt die wichtigsten Institutionen der Stadt.
Hier befand sich das eindrucksvolle Rathaus des Hohen Rates und die prachtvollen Anwesen der wohlhabenderen Bewohner. Das Obere Viertel war bekannt für seine breiten, mit Kopfstein gepflasterten Straßen und die kunstvoll geschnitzten Häuser, deren Fassaden von Blumen und Efeu überwuchert wurden. Im Zentrum des Oberen Viertels lag der Elderplatz – ein großer Platz aus weißen Steinen, mit einem prachtvollen Brunnen in der Mitte, auf dem die wichtigsten Versammlungen und Feierlichkeiten der Stadt stattfanden.
Das Untere Viertel hingegen war das geschäftige Herz von Eldergrove. Hier tummelten sich die Händler, Handwerker und einfachen Bewohner der Stadt. Die Straßen waren hier enger und die Häuser bescheidener, aber dennoch voller Leben. In den kleinen Werkstätten und Läden wurde gearbeitet, gehandelt und getratscht.
Der Nebelfluss, ein sanft plätschernder Fluss, zog sich durch das Untere Viertel und teilte die Stadt in zwei Hälften, während er den Bewohnern sauberes Wasser spendete.
An den Ufern des Flusses wuchsen bunte Blumen und auf den Brücken, die die beiden Viertel miteinander verbanden, waren immer zahlreiche Wichtel unterwegs, die eifrig miteinander plauderten oder Waren über den Fluss transportierten. Der Nebelfluss, der seinen Ursprung im mystischen Dämmerwald hatte, war nicht nur eine Quelle des Lebens, sondern auch der Magie, die sich hier allgegenwärtig sammelte.
Am Rande des Unteren Viertels lag der Elderpark, eine weitläufige grüne Oase mit alten Bäumen und verschlungenen Pfaden, die zu stillen Lichtungen führten. Hierher kamen die Wichtel, um sich auszuruhen und zu entspannen oder sich an den wichtigen Denkmälern zu versammeln. Der Duft von frischen Kräutern und Blumen erfüllte die Luft, während das Zwitschern der Vögel und das leise Plätschern des Nebelflusses das geschäftige Treiben auf den Straßen begleitete. Und doch konnte man an jeder Ecke spüren, dass Eldergrove mehr war, als nur ein Ort des Handels und der Politik – es war ein lebendiger Teil des Waldes von Alruun und durchdrungen von dem Äther der Magie, der die Stadt und ihre Bewohner seit Jahrtausenden beschützte.
Die Bewohner von Eldergrove gingen gerade ihren täglichen Verrichtungen nach, einige arbeiteten in den Gärten, andere saßen zusammen und schnitzten Holz oder webten Körbe – als Lirin und Faelan aus dem Wald zurückkamen und direkt in die Arme vom „alten Snorre“ liefen, wie sie ihn gemeinhin nannten. Snorre war in Eldergrove meist nur als der „Griesbärtige“ bekannt, da er mit einer dauerhaft gerunzelten Stirn und einem von tiefen Falten durchzogenen Gesicht durch die Gassen streifte und stets etwas zu bemängeln fand. Sei es das Wetter, das er nie leiden konnte, die Jugend, die laut seiner Meinung immer zu ungestüm war, oder die Suppe, die nie die richtige Temperatur hatte.
Selbst als sich die gesamte Stadt vor einiger Zeit auf das alljährliche Marmeladenfest vorbereitete, bei dem jeder Anwesende seine selbstgemachte Marmelade anbieten und bewerten lassen konnte, fand der griesbärtige Snorre einen Grund zur Beschwerde.
»Diese Marmelade ist viel zu süß! Und schau dir nur diese Konsistenz an! In meiner Jugend wussten die Leute noch, wie man ordentliche Marmelade kocht«, murrte er griesgrämig wie immer, als er einen Löffel der Himbeermarmelade probierte, die Fräulein Lupin voller Stolz präsentierte und die aufgrund seines Kommentars fast rücklings über das Tischbein gestolpert wäre vor Bestürzung.
Auch Lirin und Faelan nahmen an diesem besonderen Fest teil und standen etwas abseits, um den griesbärtigen Snorre neugierig zu beobachten, während er mit seinem buschigen und dichten Bart, der fast die Hälfte seines Gesichtes bedeckte, von einem Stand zum nächsten zog, um seine unaufgeforderten Urteile zu verteilen. Faelan konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, als sie eine kurze Bemerkung über Snorres ewige Unzufriedenheit von sich gab. »Weißt du, Lirin ...«, hauchte sie leise, um sicherzugehen, dass nur er sie hören konnte. »Ich glaube, selbst an einem Tag, an dem das Regenwasser süßlich schmeckt und die Bäume Münzen statt Blätter tragen, wäre Snorre nicht zufrieden.«
Lirin kicherte, als er Snorre beobachtete, wie er gerade mürrisch eine weitere Marmelade probierte und angewidert das Gesicht verzog.
»Haha, Faelan, stell dir nur vor, Snorre als Wetterfrosch. Er würde vorhersagen, dass jeder sonnige Tag nur eine Vorwarnung auf einen richtig schlechten wäre.«
Faelan lachte ausgelassen und nickte ihm zu.
»Genau, er würde wahrscheinlich klagen, dass die Sonne zu hell scheint oder der Regen nicht rhythmisch genug fällt.«
Die beiden Wichtelkinder amüsierten sich köstlich, während sie weiter beobachteten, wie Snorre von Stand zu Stand zog. Schließlich erreichte er einen kleinen Stand, der von einer besonders einfallsreichen Wichteldame betrieben wurde. Es war der Marktstand von Fräulein Ida. Diese hatte eine neue Marmeladensorte aus Waldbeeren und einem Hauch Minze kreiert.
»Und was haben wir hier? Minze in der Marmelade? Wer hat sich denn sowas verrücktes ausgedacht? Absolut lächerlich!«, rief Snorre aus, noch bevor er sie probiert hatte.
Faelan flüsterte Lirin zu, während beide ihr Lachen mühsam unterdrückten.
»Ich wette, er beschwert sich gleich, dass ihm die Minze zu minzig schmeckt.«
Lirin stimmte in ihr Flüstern ein.
»Oder, dass die Beeren zu beerig sind!«
Doch zu ihrer Überraschung nahm Snorre einen vorsichtigen Bissen von der Marmelade und seine graublauen Augen weiteten sich. Ein langgezogener Moment schweigsamer Stille trat ein und alle erwarteten bereits eine weitere niederschmetternde Beschwerde. Doch dann, zum ersten Mal seit langer Zeit, erhellte ein zufriedenes Lächeln Snorres griesgrämiges Gesicht. »N–Nun, das ist ... das ist eigentlich, mhh gar nicht mal so schlecht«, grummelte er fast schon versöhnlich und alle Anwesenden waren ganz verblüfft, bevor sie gemeinsam in gellendes Gelächter ausbrachen.
Lirin liebte es, in diesen alten Erinnerungen zu schwelgen.
»Oh ja, das war vielleicht eine lustige Geschichte mit dem alten griesbärtigen Snorre, was Faelan?«
Wieder überkam ihn etwas Wehmut. »Aber schau, jedes Mal, wenn ich hierherkomme, fühlt es sich an, als würde ich zum ersten Mal ein Märchen betreten. Es ist einfach wunderschön.« Faelan nickte ihm zu, ein stilles Einverständnis für die Worte ihres besten Freundes, ehe sie ihm erwiderte.
»Ja, das ist es wirklich. Es ist unser kleines Paradies, versteckt vor der restlichen Welt. Komm, jetzt lass uns nachsehen, wie es wohl Elwin geht.«
Mit einem letzten bewundernden Blick auf das lebendige Panorama der Stadt, die sich vor ihnen entfaltete, traten sie in das Herz von Eldergrove ein, bereit, sich den Herausforderungen und Abenteuern zu stellen, die der Tag noch für sie bereithalten mochte.
KAPITEL 2
In einem ganz anderen Ort und zu einer ganz anderen Zeit existierte ein kleines friedliches Dorf, das wie aus einem Märchen wirkte und in eine winterliche Landschaft eingebettet war. Die mittelalterlichen Dächer der schlicht erbauten Häuser waren von einer dicken Schneeschicht bedeckt, die im sanften Licht des frühen Morgens hell glitzerte und die schmalen Wege, die sich zwischen den Gebäuden hindurchschlängelten, waren nur durch die Spuren von Fußstapfen und gelegentlich durchziehenden Schlitten markiert.
Aus den Schornsteinen stiegen kräuselnde Rauchschwaden empor, die sich mit der klaren, kalten Luft vermischten und den Duft von brennendem Holz und winterlichen Gewürzen in den Himmel trugen. Die kahlen Äste der winterfesten Bäume, die das urige Dorf umgaben, waren mit Frost überzogen und neigten sich schwer unter dem Gewicht des Schnees, als würden sie die andächtige Stille dieses winterlichen Schauplatzes bewahren wollen.
Ein frischer und kühler Luftzog erfasste den Raum, als sich die Tür eines kleinen Schlafzimmers öffnete und ein einfacher Mann mittleren Alters heraustrat. Sein Gesicht war von feinen Linien des Lächelns und der Sorge gezeichnet und seine blaugrauen Augen, klar und ruhig, spiegelten eine Tiefe wider, die von vielen eisigen Wintern und der hitze zahlreicher Sommer erzählten. Er streckte sich ausgiebig und ließ die Muskeln jeder seiner Bewegungen sanft spielen, als ein zufriedenes Lächeln seine Lippen umspielte, das von einem schwarzen Vollbart umrahmt waren. Leise schlich er sich aus dem Zimmer, um seine noch schlafende Frau nicht zu wecken. Die Holzdielen ächzten unter seinen behutsamen Schritten, während er sich auf den Weg zur Küche machte. Dort angekommen wollte er sich einen starken, aromatischen Kaffee zubereiten – eine einfache, aber wesentliche Morgenroutine, die ihm dabei half, den Tag gebührend zu begrüßen.
Kurz darauf erfüllte der Duft des Kaffees bereits die kleine Küche und mischte sich mit dem Aroma des frischen Holzes, das von den Wänden und Möbeln ausging. Nachdem der Kaffee köchelte, begann er damit einige Scheiben Brot zu schneiden und sie mit etwas Butter zu bestreichen. Es dauerte nicht lange bis seine Frau, mit leisen Schritten und halb geschlossenen Augen, als würde sie sich noch im Reich der Träume befinden, die Küche betrat.
»Guten Morgen, Liebling«, nuschelte sie liebevoll, während ihr langes blondes Haar wie wild in alle Richtungen abstand. Sie trat zögerlich an ihn heran und gab ihm einen sanften Kuss auf die Wange.
»Guten Morgen, mein Liebling«, erwiderte er ihr mit einem warmen Lächeln. »Hast du gut geschlafen?«
»Himmlisch!«, erwiderte sie ihm. »Aber es duftet danach, als hätte der beste Kaffeekocher weit und breit wieder Wunder gewirkt.« Sie lachte leise und ihre blauen Augen strahlten vor Freude, als sie sich ihm gegenübersetzte.
Während sie gemeinsam ihr Frühstück teilten, sprachen sie über die anstehenden Aufgaben des Tages – über die Dinge, die sie im Dorf zu erledigen hatten und über das bevorstehende Fest, das bald viele Besucher aus den umliegenden Dörfern anziehen würde. Es war ein einfacher, aber herzlicher Umgang miteinander, der die tiefe Verbindung und das gegenseitige Verständnis zeigte, das sie über die Jahre füreinander aufgebaut hatten.
Nach dem Frühstück verabschiedete er sich von ihr und trat hinaus in die kühle und frische Morgenluft. Er überquerte den kleinen Hof zu einer noch kleineren Werkstatt, die mit allerlei Werkzeugen und unfertigen Spielzeugen gefüllt war. Hier verbrachte er viele Stunden des Tages, vertieft in seine Arbeit, die für ihn viel mehr Kunst als Handwerk war. Mit geschickten Händen wählte er ein passendes Stück Holz aus, prüfte die Beschaffenheit und begann dann damit, es zu formen.
Gerade arbeitete er an einer kleinen Holzeisenbahn, deren einzelne Teile er liebevoll und präzise zusammensetzen musste. Jedes Stück Spielzeug, das seine Werkstatt verließ, war gefüllt mit Wärme und Liebe – kleine Geschenke, die Freude in die Augen jedes Kindes zaubern sollten.
Einige Zeit später öffnete sich die Tür seiner kleinen Werkstatt mit einem leisen Knarren und ein großer, kräftiger Mann trat herein, der die Tür im Anschluss direkt wieder hinter sich schloss, um die warme Luft im Inneren zu halten. Sein Gesicht war von der Kälte leicht gerötet und ein freundliches Lächeln umspielte seine Lippen. »Guten Morgen, Claus! Ich wollte nur nachsehen, wie es mit dem Spielzeug für meine Kleinen aussieht. Du weißt ja, wie sehr sie sich darauf freuen«, nickte er und deutete auf eines der fast fertigen Spielzeuge auf der Werkbank.
»Guten Morgen, Harald, ja natürlich, es ist fast fertig. Ich muss nur noch ein paar Kleinigkeiten erledigen. Deine Kleinen werden es pünktlich zum Fest in den Händen halten«, erwiderte Claus.
Harald lächelte dankbar.
»Das ist wunderbar. Du weißt, deine Spielzeuge sind jedes Jahr etwas ganz Besonderes für die Kinder.«
Claus nickte ihm freundlich zu, als sein Blick kurz aus dem Fenster wanderte und die ersten Schneeflocken des Tages vom Himmel fielen. Dann flackerte wieder dieser eine Tag in seinen Erinnerungen auf.
»Alles begann mit der Geschichte einer einfachen Holzfigur, wusstest du das?«, leitete er ein, um mit Harald eine ganz besondere Erinnerung zu teilen. »Vor einigen Jahren, kurz nachdem ich mit dem Schnitzen begonnen hatte, gab es einen besonders harten Winter. Kalt und gnadenlos, wie er nur selten vorkommt. Die Schneedecke lag schwer auf den Dächern der Häuser hier im Dorf, und viele Familien kämpften um ihr Überleben. Damals sah ich sie zum ersten Mal.«
Bei dem Gedanken daran zogen sich seine Fäuste zusammen.
»Ein kleines Mädchen, vielleicht fünf oder sechs Jahre alt. Sie lebte mit ihrer Familie am Rande des Dorfes, in einer kleinen, baufälligen Hütte. Ihre Eltern arbeiteten hart, aber sie konnten kaum genug zum Leben auftreiben. Sie hatten fast nichts und das Mädchen litt sehr unter der Kälte und dem ständigen Mangel.« Seine Stimme brach leicht und seine Hände umklammerten die schwere, alte Werkbank.
»Ich erinnere mich noch ganz genau an den Moment, als ich sie das erste Mal bemerkte. Ich war zufällig in der Dorfschule zu Besuch, um Handwerksarbeiten zu erledigen. Das kleine Mädchen saß allein in einer Ecke des Klassenzimmers, während die anderen Kinder laut lachten und freudig ihre Geschenke auspackten. Ich konnte sehen, wie ihr die Tränen in den Augen standen, denn ihre Eltern konnten nichts entbehren, um ihr etwas zu schenken. Sie hatte nichts, was sie hätte auspacken können, nichts, worüber sie sich hätte freuen können. Als die anderen Kinder das bemerkten, begannen sie damit, sie zu hänseln und zu verspotten. Sie lachten über ihre Armut und ihr trauriges Gesicht. Sie fühlte sich ausgeschlossen, gedemütigt und einsam, als wäre sie weniger wert als alle anderen.«
Harald nickte langsam und war tief bewegt von Claus’ Erinnerung, die er mit ihm teilte.
»Also ging ich zurück in meine Werkstatt und schnitzte die ganze Nacht hindurch. Es war eine kleine Figur, ein Pferd, nichts Besonderes, aber ich machte sie mit so viel Liebe und Sorgfalt, wie ich nur konnte«, erinnerte sich Claus daran, als wäre es gestern gewesen und fuhr fort. »Am nächsten Morgen, bevor das Dorf erwachte, legte ich das Spielzeug vor ihre Haustür und klopfte. Dann versteckte ich mich in der Nähe und wartete, damit ich den Ausdruck ihres Gesichtes sehen konnte, wenn sie ihr Geschenk in den Händen hielt. Als sie die Tür öffnete und das kleine Pferd fand, erhellten sich ihre Gesichtszüge in einer Weise, die ich nie vergessen werde. Die Freude und dieses reine Glück in ihren Augen ... es war einfach überwältigend.«
Er musste kurz innehalten, als ihn die Emotionen überkamen.
»Das war der Moment, Harald, in dem ich erkannte, welche Macht ein einfaches Geschenk haben kann. Es war mehr als nur ein Stück Holz – es war ein Lichtstrahl in ihrem sonst so von Entbehrung gezeichneten Leben. Von da an wusste ich, dass dies meine Bestimmung war. Ich wollte, dass kein Kind im Dorf jemals wieder so fühlen muss wie dieses Mädchen an diesen kalten Wintertagen.«
Harald legte eine Hand auf seine Schulter, die Bewunderung und der Respekt für seinen Freund waren tiefer denn je.
»Claus, du hast seitdem so vielen Kindern hier im Dorf Freude gebracht. All die Jahre, für alles, was du tust, sind wir dir unbeschreiblich dankbar.«
Claus lächelte und die Last der Erinnerung war nun deutlich leichter, da er sie mit jemandem teilen konnte.
»Danke, Harald. Solange ich schnitzen kann, wird jedes Kind in unserem Dorf immer ein Geschenk von mir erhalten. Das ist mein Versprechen!«
Die beiden Männer sprachen noch eine Weile miteinander, tauschten Geschichten und Gedanken aus, bevor Harald sich erhob, um wieder nach Hause zu gehen. Claus begleitete ihn zur Tür, umarmte ihn herzlich zum Abschied und versprach, das Spielzeug rechtzeitig fertigzustellen.
Als die Tür hinter Harald ins Schloss fiel, kehrte er mit einem Lächeln auf den Lippen zu seiner Werkbank zurück. Er wusste, dass seine Arbeit mehr war als Holz und Farbe – sie war wie ein Funke, der die Freude in der Dunkelheit entfacht, ein leuchtendes Licht in den Augen der traurigen Kinder, die in diesen Zeiten oft zu kurz kamen. Und das war für ihn die größte Belohnung.
Doch niemand konnte zu diesem Zeitpunkt ahnen, dass das Schicksal bald eine andere Wendung nehmen sollte, um sein ruhiges Leben auf eine Weise herauszufordern, die er sich nie hätte vorstellen können. Doch in diesem Moment, umgeben von Holzspänen und dem Geruch von gemahlenem Kaffee, der noch immer aus dem Haus wehte, war er einfach nur ein Mann, der tat, was er liebte, in der Stille seiner Werkstatt, im Herzen eines verschneiten Dorfes.
KAPITEL 3
Mit hastigen kleinen Schritten bewegte sich ein sichtlich nervöser Wichtel zielgerichtet und fokussiert geradewegs in Richtung des Rathauses im Oberen Viertel von Eldergrove. Die Tatsache, dass er etwas zu spät war, schien auch nicht dabei zu helfen, seine Nervosität etwas zu lindern, was ihn angesichts der Umstände auch noch in eine leichte Panik versetzte.
»Komm schon, reiß dich zusammen! Gleich hast du’s geschafft«, ermahnte er sich selbst zur Eile. Elwin Lichtwald war schon seit klein auf wissbegierig und mit 170 Jahren gerade im besten Wichtelalter, was in Menschenjahren etwa einem jungen Erwachsenen entsprach. Seine typischen Erkennungsmerkmale waren seine türkisfarbene Zipfelmütze, die gerade angesichts seiner Geschwindigkeit wie wild über seinem schwarz gelockten Haupt hin und her wippte und sein vornehmer langer Bart, den er meist sehr penibel pflegte. Denn was war schon ein Wichtel ohne Bart? Sicher kein sehr schöner Anblick! In Eldergrove war er bekannt für seine Neugier und seinen scharfen Verstand – Eigenschaften, die ihn oft in Schwierigkeiten brachten, aber auch zu wichtigen Entdeckungen führen konnten. So wie just in diesem Augenblick, als er gerade dabei war, eine Verabredung mit dem Obersten Hüter, Aelberic Eichenbart, wahrzunehmen.
Plötzlich ertönte eine energische, kindliche Stimme neben ihm.
»Elwin, was für ein Zufall! Ich habe hier die neuste Ausgabe der Eldergrove Times für dich!«, rief ihm der kleine Pipp entgegen, ein kleiner Wichteljunge mit zotteligen schwarzen Haaren und einer schief sitzenden Zipfelmütze, der am Elderplatz gerade dabei war, seine Zeitungen an den Wichtel zu bringen. »Danke Pipp, mein Kleiner, aber ich hab’s gerade wirklich eilig, ich komme später nochmal auf dich zurück, versprochen!«, haspelte Elwin sichtlich gestresst, als er nahezu im Vollsprint an ihm vorbeilief und nochmals die Schlagzahl seiner kleinen, tapsigen Schritte erhöhte.
Einen kurzen Augenblick später und völlig außer Atem hatte er schließlich sein Ziel erreicht. Elwin stand schweißüberströmt im Wartebereich des Rathauses, als die Sekretärin des Obersten Hüters mit einem maßregelnden Blick zu ihm hinüberlugte.
»Elwin Lichtwald, nehme ich an? Sie sind etwas spät dran! Der Hüter des Hains, Aelberic Eichenbart, erwartet Sie bereits«, wies sie ihm dann lediglich mit einer kurzen Handbewegung den Weg. Ohne zu zögern, nahm Elwin all seinen Mut zusammen und trat ein.
Das Arbeitszimmer des Obersten Hüters war ein Raum voller Geschichte und Tradition. Die Wände waren mit Regalen bedeckt, die bis zur Decke reichten und beinahe mit alten, ledergebundenen Büchern, Schriftrollen und verschiedenen Folianten überquollen, die das kulturelle Erbe der Wichtel repräsentierten. Das Zimmer wurde umrahmt von kleinen, runden Fenstern, die gerade noch genug Licht hindurchließen, um den Raum in einen warmen, einladenden Bernsteinschimmer zu tauchen. In der Mitte stand ein großer, rustikaler Schreibtisch aus Eichenholz, der übersät war mit Papieren und alten Karten des Waldes und dahinter saß der Oberste Hüter in einem gemütlichen Sessel.
Elwin wischte sich leichte Schweißperlen von der Stirn und nahm einen tiefen Atemzug, bevor er damit begann, seine einstudierte Rede vorzutragen.
»Ehrwürdiger Hüter Eichenbart, bitte verzeiht meine Verspätung und habt Dank, dass ihr euch Zeit für mein Anliegen nehmt. Ich habe Bedenken, dass etwas Merkwürdiges in Eldergrove vor sich geht«, sprach er langsam und bedächtig, während seine Nervosität jedoch immer weiter stieg. »Es gibt Gerüchte und seltsame Beobachtungen, die mich etwas beunruhigen. Wichtel verschwinden spurlos und kehren nicht zurück. Ich bin der Meinung, dass wir der Sache nachgehen sollten.« Eine angespannte Stille legte sich wie ein schwerer Mantel über den Raum und sein Blick musterte den Hüter des Hains nachdenklich, während er auf seine Reaktion wartete.
Aelberic Eichenbart war eine beeindruckende Persönlichkeit und als Hüter des Hains die höchste Instanz in Eldergrove. Er hob seinen Kopf und seine tiefen, dunkelbraunen Augen blickten ihn scharf und aufmerksam an. Doch hinter ihrer Strenge schien auch eine tiefe Güte und eine unermessliche Weisheit verborgen zu liegen.
»Elwin, wie du weißt, steht der Besuch von Santa Claus in Eldergrove kurz bevor und es ist von größter Wichtigkeit, dass sich jeder auf seine eigenen Aufgaben konzentriert. Diese Gerüchte sind bisher nichts weiter als das, was sie sind – Gerüchte. Punkt!«
Seine Stimme ertönte klar und deutlich und ließ keinen Raum für irgendeinen Widerspruch.
»Aber ... Hüter Eichenbart, ich bin mir sicher, dass es eben nicht nur Gerüchte sind! Es gibt Familien, die ihre Angehörigen vermissen. Sollten wir nicht zumindest versuchen, mehr darüber in Erfahrung zu bringen?«, erwiderte Elwin nahezu ungläubig, während sich Eichenbarts Augen zu schmalen Schlitzen verengten. Dann stützte er seine Hände bedächtig auf den rustikalen Schreibtisch, um sich anmutig zu erheben und in Richtung eines naheliegenden Fensters zu schreiten. Sein langes Haar, einst tiefbraun, war nun schneeweiß und sein langer, gepflegter Bart, der ihm fast bis zum Boden reichte, erzitterte leicht, als er Elwin autoritär und unmissverständlich entgegnete.
»Elwin, ich befehle dir, deine Nachforschungen einzustellen! Im Augenblick möchte ich nichts mehr davon hören. Als Oberster Hüter ist es meine Pflicht, das Gleichgewicht unseres Reiches im Auge zu behalten und ich kann es nicht zulassen, dass du mit deinen Gerüchten Unruhe und Misstrauen verbreitest – oder dass du dich am Ende noch selbst in Gefahr bringst.«
Elwin konnte es nicht fassen. »Aber die Sicherheit der Wichtel—«
Eichenbart unterbrach ihn direkt. »Ist genau das, was ich zu schützen versuche, Elwin!«, drehte er sich dann zu ihm um und ließ seine faltigen Hände auf seinem knorrigen alten Eichenstab ruhen. »Santa Claus und das anstehende Fest zu seinen Ehren haben im Moment oberste Priorität. Daher erwarte ich, dass du dich ab sofort wieder deinen normalen Pflichten widmest und jede weitere Nachforschung in dieser Angelegenheit mir überlässt. Verstehen wir uns, Elwin?«
Unmissverständlich spürte er die Wucht von Eichenbarts Autorität und die Ernsthaftigkeit seiner Warnung. Trotz seines Wunsches, das Verschwinden seiner Freunde aufzuklären, wusste er, dass er vorerst nachgeben musste.
»Jawohl, Oberster Hüter Eichenbart. Ich verstehe ...«, erwiderte er ihm mit einem gesenkten Blick voller Enttäuschung, während er schließlich eine leichte Verbeugung andeutete. Mit einem zusätzlichen Nicken ließ er Aelberic Eichenbart daraufhin allein in seinem Arbeitszimmer zurück.
Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss und er stand einen Moment lang nachdenklich und besorgt in einem langen Korridor. Erneut spürte er den Blick der Sekretärin auf ihm ruhen, doch diesmal war es keiner, der ihn maßregelte, sondern vielmehr ein mitfühlender. Sie wusste scheinbar nur zu gut, wie aufbrausend Aelberic Eichenbart manchmal werden konnte.
»Keine Zeit um Trübsal zu blasen«, dachte er kurz und verabschiedete sich mit einem kurzen, höflichen Nicken von der Sekretärin des Obersten Hüters, um aus den schweren, hölzernen Türen des Rathauses hinaus auf den Elderplatz zu treten.
Dort angekommen wurde er sofort von dem täglichen Trubel der pulsierenden Stadt empfangen und die pralle Sonne brannte hoch am Himmel, um den Elderplatz in ein warmes, goldenes Licht zu tauchen. Überall wuselten Wichtel umher und wie in einem aufgeschrekten Bienenstock war jeder von ihnen mit seinen täglichen Besorgungen beschäftigt: Händler riefen lautstark ihre Waren aus und die Kinder jagten sich spielerisch zwischen den Marktständen, während die Älteren in kleinen Gruppen beisammenstanden, um den täglichen Klatsch und Tratsch auszutauschen. Geschickt schob sich Elwin durch die Menge, wobei er hin und wieder einem besonders eiligen Wichtel oder einem kleinen Karren ausweichen musste, der mit frischem Obst oder Gemüse beladen worden war und von kleinen Moorponys gezogen wurde.
Als er sich in Gedanken vertieft seinen Weg durch die lebendige Stadt bahnte, versuchte er intensiv über seine nächsten Schritte nachzudenken. Das Treffen mit dem Obersten Hüter ließ ihn grübelnd zurück, denn ihm war völlig klar, dass irgendjemand etwas dagegen unternehmen musste – notfalls auf eigene Faust.
»Vielleicht sollte ich die Ratsmitglieder in meine Nachforschungen miteinbeziehen?«, dachte er fieberhaft, während ihn seine kleinen Schritte unvermittelt weitertrugen.
Das Reich Alruun wurde seit beinahe drei Jahrhunderten von einer der ältesten und bedeutendsten Institutionen gelenkt: Dem Obersten Hüter als führende Instanz und dem Hohen Rat, der ihm unterstellt war. Dieses Gremium bestand aus vier einflussreichen Ratsmitgliedern, die jeweils über einen zentralen Bereich des öffentlichen Lebens wachten – Borin Dunkelschmied, Seraphina Flügelglanz, Lysandra Blattgold und Thorin Weisblatt.
»Vielleicht könnte einer der Ratsmitglieder ihn unterstützen und sogar Aelberic Eichenbart überzeugen …«, kreisten seine Gedanken weiter wie wild, als er plötzlich das vertraute Bedürfnis nach einem Moment der Ruhe verspürte und was könnte besser dafür geeignet sein als ein beruhigender Zug aus seiner geliebten Tabakpfeife?
Er hielt kurz inne und seine Fingerspitzen kramten in seiner Tasche, bis sie auf das glatte, geschnitzte Holz der Pfeife stießen. Dann zog er sie vorsichtig heraus, doch als er sie genauer betrachtete, musste er enttäuscht feststellen, dass er seinen geliebten Pfeifentabak nahezu aufgebraucht hatte.
Ein leises Seufzen entfuhr seinen Lippen, doch er wollte sich davon nicht entmutigen lassen. Daher beschloss er kurzerhand, einen Abstecher zum „Kupfernen Kessel“ zu machen, einem kleinen, urigen Laden am Ende der Vier-Klee-Promenade im Oberen Viertel, der von einem schrulligen Ladenbesitzer namens Halibut Blätterzweig geführt wurde.
Der Kupferne Kessel war ein wahrer Schatz für Tabakliebhaber und ein für ihn vertrauter Ort, den er immer wieder aufsuchte, wenn seine Vorräte zur Neige gingen. Der kleine Laden war in einem charmanten, leicht schiefliegenden Gebäude untergebracht, dessen kupferfarbene Fassade im Sonnenlicht glänzte. Über der Eingangstür hing ein altes Holzschild, das von kunstvoll geschnitzten Blättern und Ranken umrahmt wurde und einen lachenden Kessel darstellte, auf dem in geschwungener Schrift „Kupferner Kessel“ stand.
Kaum hatte er den Laden betreten, begrüßte ihn der warme, würzige Duft von Tabak und Kräutern, der allgegenwärtig in der Luft hing. Der Innenraum war klein, aber gemütlich und bespickt mit Ablageflächen, die mit Gläsern und Beuteln in allen erdenklichen Formen und Größen vollgestopft waren. Kostbare Tabakdosen und antike Pfeifen zierten die Auslage und das Licht fiel durch die runden, verglasten Fenster und ließ die kupfernen Dekorationen glanzvoll erstrahlen.
»Ah, Elwin! Guter Junge, schön, dich mal wiederzusehen!«, rief Halibut Blätterzweig mit einer leicht heiseren Stimme, als er ihn erblickte. Der ältere Wichtel trat hinter einem hohen Tresen hervor, an dem er gerade damit beschäftigt war, eine neue Lieferung Tabak zu sortieren. Sein buschiger Bart und die großen, runden Brillengläser, hinter denen seine wachen, grünlichen Augen funkelten, verliehen ihm ein leicht verschmitztes Aussehen.
»Halibut, mein Bester!«, begrüßte ihn Elwin mit einem Lächeln. »Wie es aussieht, ist mir mal wieder der Tabak ausgegangen. Scheinbar kann ich einfach nicht ohne deinen Laden auskommen.«
Halibut ließ ein trockenes, aber freundliches Lachen erklingen, das den ganzen Raum erfüllte.
»Tja, du hast Glück, ich habe gerade eine neue Lieferung aus dem Hafen der Grauschattenbucht im Grünen Gürtel erhalten. Herrlich aromatisch und vielleicht genau das Richtige für einen feinen Samtzipfel wie dich.«
Die Bezeichnung „Samtzipfel“ war vielmehr ein gut gemeintes Kompliment anstatt einer herabwürdigenden Beleidigung und beschrieb meist einen besonders freundlichen, gutherzigen Wichtel, der für seine Sanftmütigkeit und Großzügigkeit bekannt war und nicht selten mit der Fähigkeit einherging, stets ein warmes Lächeln auf den Lippen zu tragen.
Während Halibut hinter dem Tresen nach dem entsprechenden Tabak suchte, ließ Elwin seinen Blick durch den schrulligen Laden schweifen. Er liebte es, die eigenwillige Sammlung von Gegenständen zu betrachten, die Halibut in all den Jahren zusammengetragen hatte – von exotischen Pfeifen aus fernen Ländern bis hin zu alten Karten, die längst vergessene Pfade durch die Wälder zeigten. Es war ein Ort, an dem die Zeit stillzustehen schien, wie eine gemütliche Zuflucht inmitten des immer moderner werdenden Trubels.
Dann reichte ihm Halibut schließlich einen kleinen Beutel, aus dem der Duft von frisch gemischtem Tabak stieg.
»Hier, ich hoffe, er gefällt dir. Lass mich bitte wissen, wie er dir schmeckt!«
Dankbar nickend bezahlte Elwin rasch und verstaute den Beutel in seiner Tasche.
»Vielen Dank! Das werde ich, Halibut. Bis bald!«
Mit diesen Worten verabschiedete er sich und trat wieder vor die Tür hinaus in das wärmende Sonnenlicht. Für einen kurzen Moment verweilte er still und in sich gekehrt vor dem „Kupfernen Kessel“ und sog die ruhige Atmosphäre in sich auf. Hier war es deutlich angenehmer im Gegensatz zu dem geschäftigen Treiben auf dem Elderplatz des Oberen Viertels.
Mit einem zufriedenen Seufzen öffnete er den Beutel und nahm eine kleine Prise des frischen Tabaks zwischen seine Finger. Ein Hauch von Pinienharz, kombiniert mit einer süßen Untermalung, die an getrocknete Beeren erinnerte, stieg ihm in die Nase. Dann füllte er mit einem geübten Handgriff seine Pfeife und stopfte den Tabak sanft hinein, während er ein kleines Feuerzeug aus seiner Tasche zog, eine kunstvoll verzierte, kupferne Apparatur, die er einst von einem reisenden Händler erstanden hatte. Die Flamme entzündete sich mit einem schnellen Schnippen und er hielt sie an den Rand der Pfeife. Daraufhin begann der Tabak leise zu knistern und ein dünner Rauchfaden stieg empor, der sich zu einer dichten, aromatischen Wolke ausdehnte. Ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er die Pfeife an die Lippen führte und daran zog – es war genau das, was er gerade gebraucht hatte.
Schließlich setzte er seinen Weg danach gemächlich fort, ließ das Obere Viertel hinter sich und schlenderte die breiten, gepflasterten Straßen hinunter, die sich langsam in Richtung des Unteres Viertels von Eldergrove neigten, nach Hause.
Seine kreisenden Gedanken waren zwar immer noch von einer Schwere durchzogen, doch die wohlige Wärme der Pfeife und der Rauch, der sich in sanften Schwaden um seinen Kopf kräuselte, schienen ihn fürs Erste ein wenig zu beruhigen.
KAPITEL 4
Riiiinnnng, erklang das schrille Kreischen eines Weckers, das den Raum durchdrang und die friedliche Stille in dem kleinen, gemütlichen Zimmer zerriss. Maelin Sturmwind, eine junge, aber sichtlich übermüdete Wichtelin, lag tief in ihre warme Bettdecke gekuschelt und rührte sich erst, als sie das unaufhörliche Klirren aus ihren angenehmen Träumen schüttelte.
Sie schreckte auf, völlig verwirrt – ihre blaugrünen Augen waren noch halb geschlossen und ihr roter, langhaariger Schopf stand zerzaust in alle Richtungen ab.
»W–Was ... ist denn jetzt schon wieder?«, brummte sie, immer noch schlaftrunken und blinzelte träge zu ihrem Wecker hinüber. »Es ist doch gerade mal ...«
Die Erkenntnis traf sie wie ein Blitzschlag und ihre Augen weiteten sich.
»Oh nein, was für ein Zipfelschlamassel ... meine Schicht fängt gleich an!«
Ohne weitere Zeit zu verlieren, hechtete sie sich direkt aus dem Bett und stolperte dabei fast über ihre eigenen Füße, als sie durch ihr kleines Zimmer eilte, um ihre Sachen zusammenzusuchen. Maelin war bekannt für ihre charmante, kecke Art und trug immer ein Lächeln auf den Lippen, dem nicht selten ein frecher Spruch folgte. Außerdem war sie fast immer dazu in der Lage, sich selbst aus den kniffligsten Situationen mit einem Augenzwinkern herauszuwinden.
Ein schneller Griff in den Schrank, dann zog sie ihre übliche Arbeitskleidung hervor – einen schlichten Rock und eine bestickte Schürze, die typisch für ihre Arbeit im Wirtshaus „Zum bärtigen Zipfelhut“ war. Maelin war zwar nicht besonders groß, doch sie hatte eine zierliche Figur, die von einem Hauch von Muskeln geprägt war, die sie sich durch die tägliche Arbeit mit dem Hantieren zahlreicher Bierkrüge antrainiert hatte. Mit flinken Händen band sie sich rasch die Schürze um, schnappte sich ihre Schuhe und lief zur Tür, während sie gleichzeitig versuchte, ihre abstehenden Haare zu bändigen.
Kaum hatte sie das Haus verlassen, sprintete sie durch die belebten Gassen von Eldergrove. Auf ihrem Weg grüßte sie keck ihre Nachbarn, warf hier und da ein freundliches: »Guten Tag!« über die Schulter und entschuldigte sich sofort, als sie einem älteren Wichtel fast über die Füße lief.
Sie war ein regelrechter Wirbelwind, immer in Bewegung, immer in Eile und doch gelang es ihr, in jeder Situation einen Hauch von Leichtigkeit zu bewahren. Unterwegs stolperte sie noch über einen Marktstand, an dem sie ein Korb mit glänzenden, roten Äpfeln anzwinkerte. Während sie mit kleinen, flinken Schritten daran vorbeilief, stibitzte sie sich einen der Äpfel, setzte ein verschmitztes Lächeln auf.
»Entschuldigung, ich bring’ ihn später wieder zurück, versprochen! Der Verkäufer hingegen schüttelte nur lächelnd den Kopf. »Typisch Maelin, immer in Eile!«, brummte er, denn niemand konnte ihr wirklich böse sein.
Mit dem Apfel in der Hand eilte sie weiter, als sie einen kräftigen Bissen nahm und die letzten Schritte zum bärtigen Zipfelhut zurücklegte. Ihre tapsigen Schritte hallten über das Kopfsteinpflaster, als der Duft des Wirtshauses, der nach frisch gebrautem Birkenbier und knusprig geröstetem Fleisch roch, in ihre Nase stieg.
Maelin wusste, dass sie es nun gleich geschafft hatte.
Das Wirtshaus „Zum bärtigen Zipfelhut“ war der Blickfang im Herzen des Unteren Viertels von Eldergrove. Bereits von außen versprach es Wärme und Gemütlichkeit, denn die prächtige Eichenfassade war mit reichlich Blumen und Pilzen unterschiedlichster Art verziert. Die Holzbalken waren kunstvoll geschnitzt und schienen bereits einige unterschiedlichste Epochen durchlebt zu haben. Die runden Fenster, die in verschnörkelte Rahmen eingefasst waren, gaben einen ersten Ausblick auf das warme, flackernde Licht im Inneren frei. Durch sie konnte man oft fröhliche Wichtel erkennen, die sich um die Tische versammelten und ausgelassen feierten – wie sie ihre Birkenbierkrüge in die Höhe streckten, bei klangvoller Musik und grölendem Gelächter.
Das Wirtshaus selbst lag direkt am Marktplatz des Unteren Viertels, einem Knotenpunkt des täglichen Lebens in Eldergrove. Dort, wo die Händler ihre Waren anboten und die Wichtel sich zu Gesprächen und allerlei Geschäften trafen. Das prachtvolle Schild über der Tür zeigte einen stolz gezwirbelten Zipfelhut, unter dem ein freundlicher, wenn auch etwas verschmitzter Wichtelbart hervorlugte – das unverkennbare Markenzeichen dieses beliebten Gasthauses.
Im Inneren setzte sich das heimelige Ambiente nahtlos fort.
Der erste Eindruck kam einer warmen Umarmung gleich, sobald man die Schwelle überschritt. Die Wände waren mit dunklem Holz vertäfelt, an denen alte, reichlich verzierte Gemälde und Gegenstände hingen, die alle ihre eigene Geschichte erzählen konnten. Über den Tischen schwebten kleine, buntfunkelnde Laternen, deren Licht das Wirtshaus in ein weiches, farbenfrohes Leuchten tauchte. Die Tische selbst waren aus robustem Holz gefertigt, einige klein und intim für vertrauliche Gespräche, andere groß genug, um eine ganze Gruppe fröhlicher Wichtel zu beherbergen.
Der Duft von frisch gebrautem Birkenbier, dem besten der gesamten Stadt, lag allgegenwärtig in der Luft und vermischte sich mit dem Aroma von gebratenem Fleisch, frischem Brot und süßen Leckereien, die in der Küche zubereitet wurden.
Das Birkenbier wurde in großen, verzierten Krügen serviert, mit einem feinen Schaumrand, der einen erfrischenden Genuss versprach. Es war das Lieblingsgetränk vieler Wichtel, das ihre kleinen Herzen höherschlagen ließ und die Gespräche belebte – kräftig, aromatisch und mit einem Hauch von Waldbeeren. Die Gäste dieses Etablissements waren eine bunte Mischung aus allen Ecken des Wichtelreichs: Reisende, die sich von ihren Abenteuern erholten, Händler, die den Erfolg ihrer Geschäfte feierten, Einheimische, die einfach die Geselligkeit suchten, oder die Stadtgarde der Eichhornreiter, die nach getaner Wache hier oft ausgelassen feierte. Jeder Winkel besaß seinen eigenen Charme, zu dem selbst die knarzenden Holzdielen beitrugen, indem sie leise unter den Schritten der Gäste sangen. Das zum bärtigen Zipfelhut war nicht nur ein Ort des Essens und Trinkens, sondern ein lebendiger Teil der Wichtelkultur – ein Ort, an dem die Geschichten lebendig wurden, an dem man Freundschaften schloss und die Sorgen des Alltags für eine Weile vergessen konnte.
An diesem Tag war das Wirtshaus besonders belebt, da eine Lieferung seltener Gewürze aus Grünwald, einem nahegelegenen Dorf im Herzen des Grünen Gürtels, eintraf und der Koch kurzerhand beschloss, ein wahres Festmahl damit zu veranstalten.
Nun war auch Maelin Sturmwind endlich bereit für ihre Schicht.
Mit einem freundlichen Lächeln wirbelte sie in ihrer raschen Art zwischen den rustikalen Holztischen hin und her und trug die dampfenden Mahlzeiten und das frisch gezapfte Birkenbier, während sie ihre Haare zu einem praktischen Zopf geflochten hatte. Trotz ihrer oft hektischen Arbeit genoss sie die lebhafte Stimmung, die es ihr ermöglichte, mit fast jedem in Eldergrove in Kontakt zu bleiben und immer über den neuesten Klatsch und Tratsch Bescheid zu wissen.
Während sie geschickt zwischen den Gästen navigierte, ihre Bestellungen aufnahm und freundlich plauderte, konnte sie nicht umhin, lose Gesprächsfetzen aufzuschnappen, die durch den Raum schwirrten.
An einem der kleineren Tische nahe dem Kamin saßen zwei ältere Wichtel – Thimble und Rindle. Ihre Gesichter wurden von den lodernden Flammen in ein warmes Licht getaucht. Sie sprachen leise und ihre Stimmen klangen ernst und besorgt. Als Maelin gerade an ihnen vorbeiging, um ein frisch gezapftes Fass an den Tresen zu bringen, hörte sie einen von ihnen aufgeregt plappern.
»... und dann ist er einfach verschwunden. Kein Wort, keine Nachricht. Er war letzte Woche noch hier und sprach davon, zu Santa Claus zu gehen, um bei den Vorbereitungen zu helfen, und nun ... kein Lebenszeichen mehr von ihm.«
Es war Thimble, der sich ganz nah zu seinem Gesprächspartner Rindle vorbeugte. Dieser lauschte ihm gespannt und erwiderte.
»Das klingt wirklich beunruhigend! Du sprichst von Larel Flinkfuß, dem Cousin fünften Grades deiner Frau?«
Thimble hob seine Hand und machte eine abfällige Bewegung.
»Genau der! Ich meine, eigentlich konnte ich ihn sowieso noch nie ausstehen. Erinnerst du dich an das Erntedankfest letztes Jahr?«
Rindle wusste natürlich sofort, worauf Thimble anspielen wollte.
»Oh ja, wie könnte ich das vergessen? Das war das Fest, bei dem Larel beschlossen hat, uns allen zu zeigen, wie man 'richtig' tanzt ...«
Thimble lachte direkt laut los, als er sich erinnerte.
»Ganz genau! Er hat sich demonstrativ in der Mitte der Tanzfläche aufgestellt, als wäre er der König des Wichtelwalzers. Und dann, ach, und dann hat er angefangen, seine eigenen Tanzschritte zu erfinden. Er nannte es den 'flinken Farn'.«
Rindle konnte sich vor Lachen kaum noch zurückhalten. »Ha! Der flinke Farn! Das sah mehr aus wie ein tollpatschiger Dachs im Blaubeerstrauch. Ich kann mir das Bild immer noch nicht aus dem Kopf schlagen, wie er da herumgehüpft ist. Alle anderen Tänzer um ihn herum haben versucht, nicht umgerannt zu werden«, versuchte Rindle mit ulkigen Bewegungen, das Gesagte bildlich zu untermalen, während Thimble sich fast in Rage redete.
»Oh, und vergiss nicht, wie er dabei die ganze Zeit über versucht hat, jedem seine 'überlegenen' Tanztechniken zu erklären. Er trug immer dieses selbstgefällige Grinsen im Gesicht, als hätte er das Tanzen persönlich erfunden.« Thimble hob erneut eine Hand zu einer nicht ganz jugendfreien Geste und Rindle konnte sich ein Kichern nicht verkneifen. »Ich glaube, das Schlimmste war, als er probierte, meiner Milda zu zeigen, wie man sich 'elegant' dreht und dabei versehentlich in den Festkuchen fiel, den deine Frau so liebevoll gebacken hatte.«
Thimble riss die Augen auf, als er sich an dieses verhängnisvolle Ereignis erinnerte.
»Ohje, das Kuchen-Desaster! Meine Frau spricht bis heute nicht über diesen Tag, ohne dass ihr die Zornesröte ins Gesicht steigt. Sie hat Wochen gebraucht, um das Rezept von einer wandernden Back-Fee zu bekommen und Larel hat den ganzen Kuchen in weniger als einer Minute ruiniert.«
Dann brachen beide in einhelligem Gelächter aus.
Maelin jedoch blieb einen Moment lang unbemerkt stehen – ihre Neugier geweckt. Das Gespräch traf einen Nerv, denn es war nicht das erste Mal, dass sie von verschwundenen Wichteln hörte. Mit einem besorgten Blick setzte sie ihre Arbeit fort, während sie unentwegt über die Worte der beiden Wichtel nachdenken musste.
KAPITEL 5
Aelberic Eichenbart lief nervös in seinem Arbeitszimmer auf und ab und hielt seine Hände hinter dem Rücken verschränkt, während seine Gedanken unaufhörlich um die kürzliche Auseinandersetzung mit Elwin Lichtwald kreisten.
»War ich zu streng zu ihm? Habe ich Elwins Wissbegierde und seinen Tatendrang zu sehr unterdrückt?«
---ENDE DER LESEPROBE---
Table of Contents
PROLOG
KAPITEL 1
KAPITEL 2
KAPITEL 3
KAPITEL 4
KAPITEL 5
KAPITEL 6
KAPITEL 7
KAPITEL 8
KAPITEL 9
KAPITEL 10
KAPITEL 11
KAPITEL 12
KAPITEL 13
KAPITEL 14
KAPITEL 15
KAPITEL 16
KAPITEL 17
KAPITEL 18
KAPITEL 19
KAPITEL 20
KAPITEL 21
KAPITEL 22
KAPITEL 23
KAPITEL 24
KAPITEL 25
KAPITEL 26
KAPITEL 27
KAPITEL 28
KAPITEL 29
KAPITEL 30
KAPITEL 31
KAPITEL 32
KAPITEL 33
KAPITEL 34
KAPITEL 35
KAPITEL 36
KAPITEL 37
KAPITEL 38
KAPITEL 39
KAPITEL 40
KAPITEL 41
KAPITEL 42
KAPITEL 43
KAPITEL 44
KAPITEL 45
KAPITEL 46
KAPITEL 47
KAPITEL 48
KAPITEL 49
KAPITEL 50
KAPITEL 51
KAPITEL 52
KAPITEL 53
KAPITEL 54
KAPITEL 55
KAPITEL 56
KAPITEL 57
KAPITEL 58
KAPITEL 59
KAPITEL 60
KAPITEL 61
KAPITEL 62
KAPITEL 63
KAPITEL 64
KAPITEL 65
KAPITEL 66
KAPITEL 67
KAPITEL 68
KAPITEL 69
KAPITEL 70
KAPITEL 71
KAPITEL 72
KAPITEL 73
KAPITEL 74
KAPITEL 75
KAPITEL 76
KAPITEL 77
KAPITEL 78
KAPITEL 79
EPILOG
CHARAKTER-ÜBERSICHT
Landmarks
Cover