Die verschwundenen Kinder vom Reitinternat Brandenburg-Dame - Lonja Mandlik - E-Book

Die verschwundenen Kinder vom Reitinternat Brandenburg-Dame E-Book

Lonja Mandlik

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Beschreibung

Die Ketten klirrten. Der junge Mann im Keller hatte starke Schmerzen. Sein Hals und seine Arme sowie seine Füße waren in starken, rostigen Eisenketten an die Wand gekettet. Warum kam denn keiner und befreite ihn? Ein deutsches Reit-Internat für Eliteschüler in Brandenburg-Dame. Hier wird man Pferdewirt/in oder, wenn man die notwendige Größe hat, auch Jockette oder Jockey. Die anderen Schüler lernen Etikette, um den passenden Ehe-Partner zu finden. Aber, wer die Kleinsten ärgert, verschwindet. Der Roman spielt von 1871 bis 2026. Kommissarin Anja Fuchs ist auf der Suche nach den dreizehn verschwundenen Kindern. Wer übt hier Selbstjustiz aus? Wo sind die Unterlagen? Wer legt ihr Steine in den Weg?

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Seitenzahl: 261

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Das Thema, die Orte und die Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten sind möglich, aber nicht beabsichtigt.

Die Autorin hat sich das Wissen nur angelesen, war nie im Internat, saß nie auf einem Pferd und wird es auch in Zukunft nicht tun.

Selbstjustiz bezeichnet das illegale Vorgehen gegen eine Person durch dazu nicht Befugte. Selbstjustiz ist strafbar, da die Bestrafung einer Person im Rahmen des so genannten Gewaltmonopols des Staates nur durch den Staat selbst erfolgen darf.

Ich bedanke mich recht herzlich bei Manni, Irina und Christine für das Lesen und Korrigieren sowie für die nützlichen Tipps.

Ein geheimer Zugang zu den Verliesen befindet sich hinter dem Bücherregal.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1, das Internat wird vorgestellt

Kapitel 2, 2000, Matthias erzählt Geschichten

Kapitel 3, 2025, Opa Fuchs stirbt

Kapitel 4, 2025, Mia fängt an

Kapitel 5, Zeit 1871 bis 1939

Kapitel 6, Zeit 1939 bis 1989, Krieg und DDR-Zeit Ende 1947, Matthias kehrt aus der Kriegsgefangenschaft zurück

Kapitel 7, Zeit 1989 bis 2026

Kapitel 1, das Internat wird vorgestellt

Das Internat Brandenburg-Dame war 1871 speziell für die männliche Pferdeelite in Deutschland vom Unternehmer Otto Birnbaum gebaut worden. Die Familie Birnbaum züchtete bisher hauptsächlich Rennpferde.

Birnbaum ärgerte es, dass er immer soweit zur nächsten Rennbahn zum Üben fahren musste, um mit seinen Pferden zu trainieren. Das Reiten in der freien Natur barg Probleme, oft vertraten sich die Pferde in den Maulwurfshügeln. Auch fand er keine passenden Jockeys.

So überlegte er sich, ein Reitinternat mit Rennbahn für künftige Jockeys zu bauen.

Weiterhin sollten auf dem Gelände Pferdewirte eine Ausbildung machen können, die er dringend zur Pflege für seine kostbaren Pferde benötigte.

Kapitel 2, 2000, Matthias erzählt Geschichten

Aber da kamen sie ja, seine kleinen Vögelchen. Die kleinsten der Kleinen schauten angstvoll zu Opa Matthias, wie ihn die meisten der Schüler nannten. Andere sagten nur „der Alte“ und andere „der Uralte“ zu ihm.

Jede Schulklasse hatte bestimmt einmal pro Monat eine Wette zu laufen, wie alt er wohl wäre. Niemand erriet sein Alter, er bestätigte aber auch nie oder verneinte.

Opa Matthias erzählte hauptsächlich Geschichten von früher, wie es auf dem Internat war und welche berühmten Jockeys oder Pferde hier ausgebildet wurden.

Es gab eine Regel, die Kinder durften ihn nicht nerven oder unnütze Fragen stellen. Er erzählte eine Geschichte und beantwortete nie Fragen. Die Geschichten konnten ausgedacht sein oder wahr. Man konnte was draus lernen oder auch nicht.

Saß er um 15:00 Uhr auf der Bank, dann folgte eine Geschichte, die genau bis 15:50 Uhr ging.

Um 16:00 Uhr mussten alle Schüler zur Pferdepflege, ohne dass es eine Ausnahme gab. Das eigene Pferd zu füttern, pflegen und putzen war etwas, was nie ausfiel. Sollte die Geschichte länger gehen, dann sagte der alte Matthias vor Beginn, dass es eine lange Geschichte werden würde und dass er den restlichen Teil am Tag darauf weiter erzählen würde.

Saß er nicht auf seiner Bank, so war er verhindert, oder was immer öfters passierte, hatte er den Nachmittag verschlafen.

Heute war es heiß und er würde nur eine kleine Geschichte erzählen.

Kapitel 3, 2025, Opa Fuchs stirbt

Im heißesten Juni der Temperaturaufzeichnung hatte Opa Ernst Fuchs einen Schlaganfall. Leider wurde er nicht gleich gefunden. Nun lag er im Kreiskrankenhaus von Brandenburg und wartete auf seine Enkelin Mia und auf seinen Tod.

Der Achtzigjährige war an mehreren Schläuchen angeschlossen.

Mia hatte vor zwei Wochen ihre Kommissariats-Ausbildung in Berlin abgeschlossen. 4 Jahre Studium waren eine harte Nuss. Viel Theorie und auch viel Sport, das mochte sie gar nicht. Vorher hatte sie die klassische Polizisten-Ausbildung absolviert und davor mit einem Einser-Abitur abgeschlossen.

An der FHVR wurde im letzten Jahr ein Sonderkurs angeboten, mit dem Thema: Wie findet und erkennt man nach Jahren vermisste Personen anhand von Knochen oder neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Mia hatte ihren Opa bestimmt 2 Jahre nicht gesehen. Er hatte ihre Karriere immer verfolgt und wusste, was sie tat. Er war sehr stolz auf sie.

Opa, oder Opa Popp Popp wäre auch einmal ein Polizist geworden. Weil er an einer Demonstration Steine gegen das Verwaltungsgebäude in Brandenburg warf und einen hohen Beamten traf, kam er für vier Wochen ins Gefängnis und er durfte den Beruf nicht erlernen.

Dafür wurde er nach dem Krieg Bauzeichner, er hatte an berühmten Gebäuden mitwirken dürfen, z. B. an der Planung der Stalinallee und des Bersarin-platzes in Berlin.

Opa Popp Popp hatte aber nie die Detektivarbeit aufgegeben. In seinem Schreibtisch waren immer Zeitungsausschnitte und Fotos von Vermissten.

Am liebsten forschte er nach den „Vermissten Kindern des Reitinternates in Brandenburg-Dame“, das 1871 eröffnet wurde und bis heute eine Institution war. In der DDR Zeit war es geschlossen.

Im Nachbarort von Dame wohnte seine und natürlich ihre Familie, alle der männlichen Familienmitglieder waren Schutzmann oder Polizist gewesen. Außer ihm. Das nagte sehr an ihm.

Seine Großeltern Walther und Edeltraut gingen als Dorfkinder bis 1939 noch in die Internatsschule von Brandenburg Dame.

Die drei Söhne von Opa waren natürlich auch Polizisten, wohnten aber in ganz Deutschland verstreut. Aber Enkelin Mia war die erste Frau, die Polizistin war und die studiert hatte und es zur Kommissarin geschafft hatte.

Nun deutete der alte Mann auf die Ablage. Dort lag ein Briefumschlag. Mia solle ihn öffnen und lesen.

Mit seinen letzten Atemzügen sagte er: „Finde die vermissten Kinder.“ „Einen Tipp habe ich noch. Der alte Matthias war immer unser Hauptverdächtiger.

Er ist natürlich lange tot. Finde sie!“

Er seufzte und starb. Mia war wie gelähmt.

Als nach einer Woche Opa Popp Popp begraben wurde, standen alle sechs Enkel mit Popcorn am Grab. Jedes Jahr in den Ferien wollten alle Enkel zum Opa Popp Popp.

Sie waren alle nahezu gleich alt. Ein Matratzenlager im alten Kinderzimmer oder ein Zelt wurde im Garten aufgebaut und der Opa erzählte Geschichten und brachte ihnen alles bei, was man so wissen musste. Feuer machen, Bogenschießen, wie man ein Huhn fängt, rupft und zerlegt.

Die Oma war für die Verpflegung und Wäsche zuständig.

Nach 1989 hatte er im Fernsehen eine Werbung mit Popcorn gesehen. Salziges und Süßes Popcorn konnte man in Öl mit Maiskörnern zubereiten. Ein paar Jahre später nahm er die Mikrowelle und noch später kaufte er es fertig im Supermarkt. Zuerst bereitete er ab 1990 Popcorn für sich und seine Frau zu, später auch für seine Enkel.

Nach 1989 kaufte er einen neuen Farb-Fernseher und eine neue Couch, wo man endlich bequem sitzen konnte. So saßen sie jeden Sonntag und guckten den Tatort. Am liebsten mochten sie Lörne, den Pathologen.

Dann kam regelmäßig „xy ungelöst“ im ZDF. Ziel der Sendung ist die Aufklärung realer Verbrechen. Ab der Erstausstrahlung 1967 hatte sich die Sendung mit über 5.000 Kriminalfällen beschäftigt, wovon rund 39 % aufgeklärt werden konnten.

Die Sendung ist eines der ältesten Sendeformate des ZDF. Opa Popp Popp konnte erst ab 1989 diese Sendung sehen.

Die DDR verbot Westfernsehen.

In Brandenburg stand auch ein Störsender, so dass er nur zwei, drei DDR-Fernsehsender rein bekam.

Darum hatte Opa Popp Popp immer Popcorn in der Speisekammer.

Waren die sechs Enkel-Kinder da, saßen alle kreuz und quer auf dem Sofa und diskutierten mit Oma und Opa die Sendungen. Zu Hause durften sie nie so was Interessantes sehen oder Popcorn essen.

Alle Kinder kannten das Internat vom Vorbeilaufen. Man durfte auf das Gelände, wenn man keinen Blödsinn machte. Auch die Pferde durfte man füttern und striegeln, wenn ein Pferdewirt da war. Manchmal durfte man auch reiten.

Bis 1989 war das Internat geschlossen und es wurde von 1992 bis 1994 wieder aufgebaut. Danach wurde es sehr berühmt, weil viele gute Jockeys und Pferde von Dame kamen.

Er begann seine Geschichten immer so: „Ein Junge, der im Internat Schüler war, hörte jeden Tag eine Geschichte vom alten Matthias. Sie konnte wahr sein oder auch nicht.“

Opa Popp Popp fragte immer nach der Geschichte, ob seine Enkel alles glauben würden. Ist das gerecht, was den Kindern geschah? Wie würdet ihr die Raudies bestrafen? Darf man Selbstjustiz ausüben?

Nach dem Tod von Opa Popp Popp ging Mia in sein Arbeitszimmer und nahm alle Unterlagen und Fotos und Notizen mit.

Sie hatte sich direkt nach dem Studium in Brandenburg beworben. Mia hatte gehört, dass es eine SOKO, eine Sonderkommision „Benett“ geben würde.

Vor zwei Wochen wurden wieder Knochen von Dame gefunden. Allerding 300 km entfernt und wieder im Wald. Wildschweine hatten im Boden gewühlt und ein Pilze-Sammler in Zwickau hatte die Knochen gefunden. Nach erster Besichtigung lagen sie dort ca. 50 bis 60 Jahre. Merkwürdigerweise war es kein vollständiges Skelett, nur einzelne Knochen.

Dank der DNA Probe, wurde sie dem jungen Soldaten Roland Meier zugesprochen, der 1960 in der DDR auf dem Gelände des ehemaligen Internates als Wachsoldat gearbeitet hatte und einfach so verschwunden war.

Von 1949 bis 1989 war das Gelände in sowjetischer Hand und niemand, der nicht zur Armee gehörte, hatte Berechtigung, das Gelände der Militäradministration Brandenburg zu betreten.

Hauptkommissar Berlinger bekam die Bewerbung von Mia auf den Tisch und war froh. Die Familie Fuchs war auch schlau und gerissen wie Füchse, die verbissen sich fest. Außerdem kam sie aus der Gegend und kannte jeden Mann und jede Maus.

Kapitel 4, 2025, Mia fängt an

Am 01.06.2025 bezog Mia ihr Büro um 07:00 Uhr, das so klein war, dass die Tür nicht richtig zuging, weil der Tisch im Weg war. Der Hauptkommissar versprach ihr ein größeres Büro, sobald die erste Etage renoviert war. Das Brandenburger Kommissariat war seit 1950 nicht mehr gestrichen worden.

Die Toilettenanlage funktionierte manchmal, oft aber auch nicht, so dass sie eine Etage höher auf das WC gehen musste. Sie fing gerne vor 08:00 Uhr an, denn dann klingelte oft das Telefon und sie kam zu nichts mehr.

Mia war zufrieden. Sie hatte einen Schreibtisch und eine Kaffeemaschine, das war ihre eigene. Sie hatte letzten Freitag einen Kaffee aus dem Automaten gezogen und war beinahe blind geworden, so schlecht war der Kaffee. Manchmal kamen Kollegen und fragten nach Kaffee.

Mia hatte sich aus dem Raum für Büromaterial einen recht bequemen Stuhl und dann noch ein Regal mitgenommen. Auf dem Rückweg fand sie eine alte Pinnwand. Da waren sogar die alten Fotos noch dran, die sie sichtete und wegwarf.

In Ihrer Tasche waren ein Apfel und der Briefumschlag von Opa Popp Popp. Die Materialien aus seinem Haus waren in einem Karton, wild zusammengewürfelt, wie sie es eingepackt hatte.

Zu Feier des Tages gönnte sie sich einen Donut mit Erdnusscreme und Blaubeermarmelade. Sie öffnete den Briefumschlag von Opa und fand eine mit Schreibmaschine geschriebene Aufstellung. Sie pinnte die Aufstellung in die Mitte der Leinwand.

Die Jagd konnte beginnen.

Notiz Ernst Lissek:

Bis heute sind die meisten Kinder, Personen bzw. Skelette nicht gefunden worden. Laut der Kinderkrankenschwester Edith Meissner, das Gespräch fand 1970 statt, waren alle verschwundenen Jungen auffällig und/ oder gewalttätig zu kleineren Mitschülern.

Der vorletzte, Benno Bäcker war besonders aufgefallen, weil er sich an den kleinen Mädchen vergriff.

Weiterhin 2016 Tod durch Erschießen. Jochen Freiherr von der Reyen wurde in einem Café in Paris von einer Kugel getroffen und war sofort tot.

Der Schütze fuhr mit einem Mercedes davon. Von der Reyen machte seine Ausbildung im „berüchtigten Brandenburger –Reitinternat“ und war dafür bekannt, besonders die Kleinsten zu quälen.

Ihm wurde die Entführung des heutigen Großindustriellen Duncan Potter zugeschrieben, was man ihm aber nicht nachweisen konnte.

Liegt hier Selbstjustiz vor? Durch wen?

Folgende Kinder bzw. Personen sind aus dem Internat verschwunden oder merkwürdig zu Tode gekommen:

1

1927

Andreas von Tübingen

evtl. ertrunken

2

1929

Benjamin Brecht

evtl. ertrunken

3

1933

Michael Meier

Tod durch Sturz vom Dach

4

1939

Arnold von Drachenstein

Verlies

5

1960

Roland Meier

Bunker

6

1992

Johannes Müller

Tod durch Hornissen

7

1994

Benett von Lohengrin

Tod im Verlies

8

1995

Helge Anders- son

Vergiftung durch rote Heckenkirsche (Verwechslung mit roter Johannisbeere)

9

1995

Timo Reuschlein

verrückt?

10

2000

Steffen Zürmer

ertrunken?

11

2010

Tim Thule

vom Trecker überfahren

12

2022

Benno Bäcker

Tod im Schiffshebewerk

13

2025

Paul von Sydow

verschwunden

Mia setzte sich auf den Tisch. Dank der Aufstellung wusste sie nun, wo sie anfangen musste. Sie würde die Schulunterlagen einfordern und eine Praktikantin zur Brandenburger Allgemeinen schicken, die es schon über 200 Jahre gab.

Viele Zeitungsartikel wären seit den Achtzigern schon digitalisiert worden. Sie sollte aber auch in den alten Artikeln nach Interessantem suchen. Das würde seine Zeit brauchen. Mia würde erst einmal das Material vom Opa sichten und sortieren.

Wie sie es im Sonderkurs gelernt hatte, musste sie auch die DNA-Unterlagen sichten und vergleichen. Und sie musste mit den Menschen sprechen, die vielleicht noch Matthias gekannt hatten.

Warum hatte ihr Opa explizit von Matthias gesprochen? Welchen Verdacht hatte er?

Als erstes suchte sie im PC nach Matthias.

Matthias Schneider war 1900 in Polen geboren und starb 2001 auf dem Internatsgelände in seiner Hütte. Er war der Hausmeister und Pferdewirt bis 1939 gewesen und nach dem Krieg 1947 bis 1965 der Hausmeister in der Militäradministration Brandenburg.

Seine eigentliche Adresse war das Haus am Weiher, das er zu DDR-Zeiten nicht mehr benutzen durfte, weil es im militärischen Bereich lag. Nach 1989 hatte er das Haus baufällig wieder zurückbekommen.

Junge Männer aus dem Dorf halfen, das Haus wieder herzurichten. Ab 1990 lebte er von nun an wieder an dort. Er konnte in 5 Minuten im Internat sein, wo er auf einer Parkbank Geschichten erzählte.

2025, Anna Holzapfel

Im Oktober 2025 besuchte eine studentische Klasse der FHVR Berlin des Faches Kriminalistik die Sonderkommission „Benett.“ Den Studenten sollte gezeigt werden, wie und mit welchen technischen Mitteln eine SOKO arbeitet.

Die leitende Kommissarin Mia Fuchs erklärte nur grob, denn sie durfte ja keine Indizien verraten, was derzeit gemacht wurde, um den in 2025 verschwundenen Jungen Paul von Sydow zu finden bzw. die gefundenen Knochen anhand von DNA-Spuren ihren Familien zuzuordnen.

Mia Fuchs hatte einen kleinen Vortrag vorbereitet. Ab wann ist man genetisch verwandt?

In der nächsten Woche würde sie mit Kriminaltechnik-Assistenten alle dreizehn Familien besuchen und mit den nächsten Verwandten einen DNA-Test machen. Diese DNA-Proben wären dann das Vergleichsmaterial. Je mehr DNA man mit einer Person teilt, desto näher ist die gemeinsame Abstammung.

50%: Eltern und Kinder.

25%: Großeltern und Enkelkinder.

12,5%: Cousins, Onkel, Tanten, Neffen und Nichten.

3% oder mehr: Für genealogische Zwecke als potenziell relevant angesehen.

Für einen Vaterschaftstest eignen sich z. B. verschiedene Proben wie Blut, Speichel oder Schleimhautabstriche, wobei Speichelproben oft bevorzugt werden, da sie leicht zu gewinnen sind.

Schwieriger wäre das bei den ersten drei Familien auf der Liste, da die direkten Verwandten schon tot waren. Hier mussten sie z. B. auf Cousins und Enkel und Urenkel zurückgreifen. Die ersten Verschwundenen waren:

1927, Andreas von Tübingen

1929, Benjamin Brecht

1933, Michael Meier

DNA-Tests sind bei der Bestimmung von Verwandtschaft, insbesondere der Vaterschaft, sehr genau und erreichen oft eine Genauigkeit von 99,99% oder höher, wobei die Ergebnisse auf der Analyse von genetischen Markern basieren.

Viele Labore verwenden für Vaterschaftstests 16 bis 27 Marker oder mehr, um eine höhere Genauigkeit zu erzielen. Für einen sicheren Vaterschaftsnachweis werden in der Regel zwischen 15 und 40 DNA-Marker analysiert.

Wenn das Kind in mindestens drei Markern keine Übereinstimmungen mit dem möglichen Vater zeigt, kann die Vaterschaft sicher ausgeschlossen werden.

Eine der Studentinnen trat vor und fragte: „ob sie den vermissten Jungen Paul von Sydow noch auf dem Gelände vermuteten oder ob er eventuell verschleppt wurde.“

„Konnte er nicht einfach in er Havel ertrunken sein?“ Die Kommissarin drehte sich um. „Wer hatte das gefragt?“

Eine schüchterne junge Frau trat noch weiter vor, „stolperte“ über den Papierkorb. Alle lachten. Anna Holzapfel stand auf und war jetzt hinter dem Schreibtisch. „Na ja“ „die anderen Kinder hätten ja eigentlich das Gelände auch nicht verlassen.“

Anna stand jetzt direkt vor dem Bord und hatte endlich den Blick frei. Ja, sie hatte richtig gesehen. Ein Blatt Papier mit allen Daten und Namen der verschwundenen Kinder.

Mia: „Woher haben Sie diese Informationen?“ Anna schüttelte den Kopf. „Das wären ihre eigenen Gedanken.“ Anna müsste jetzt aufpassen, nicht dass sie zu viel verriet.

Zwei Wochen später war Mia immer noch nicht weiter. Die Unterlagen vom Opa Popp Popp aus dem Büro waren so unsortiert und nichtsagend.

Als hätte er eine Finte für jemanden gelegt und er hätte woanders mehr und bessere Unterlagen. Sie wohnte immer noch in einer Pension in Brandenburg. Sie hatte einfach keine Zeit zur Wohnungssuche gehabt.

Kommissarin Mia Fuchs ließ einen Zettel in der FHVR in Berlin aushängen.

Studentische Aushilfe gesucht für Soko „Benett“ in Brandenburg. Tätigkeiten hauptsächlich Recherche im Polizeiarchiv, Museen, Zeitungsverlage, Ortskennnisse von Brandenburg erforderlich.

Schon zwei Stunden später hatte sie eine E-Mail von einer gewissen Anna Holzapfel auf dem Tisch.

Anna Holzapfel, Studentin im 3. Jahr, 27 Jahre alt, kommt aus Görden bei Brandenburg und hat viele Verwandte in Brandenburg und Umgebung. Studiert Kriminalistik und kann das Geld gut gebrauchen.

Sie war bei der Exkursion dabei. Spricht gut Englisch, weil sie in England einige Jahre zur Schule ging und auch ihr Abitur hier absolviert hatte (General Certificate of Education Advanced Level).

Während der Abiturzeit verdiente sich Anna Geld als Babysitterin bei einer Großindustriellen-Familie in Exeter.

Mia Fuchs bestellte die junge Frau für den nächsten Montag ein. Merkwürdigerweise meldete sich sonst niemand mehr auf die Anzeige.

Sie veranlasste in der Zwischenzeit die DNA-Analyse der Knochen aus dem Archiv und verabschiedete sich ins Wochenende.

Das Haus von Opa Popp Popp war an alle sechs Enkel-Kinder vererbt worden. Sie hatten sich nie groß gestritten. Mandy, die Älteste, wohnte zwei Häuser weiter und hatte sich die letzten Jahre um Opa gekümmert.

Nach dem Tod hatte Mandy langsam angefangen das Haus auszuräumen. Sie hatte die Schlüssel bekommen. Sie durfte auch alleine entscheiden, was sie mit dem Haus machen wollte, außer verkaufen. Das Haus lag direkt an der Havel, völlig abgeschnitten vom Verkehr. Oma Hiltrud war schon vor längerer Zeit gestorben.

Opa Popp Popp (Ernst Fuchs) war 1945 in dem kleinen Nachbarort geboren und 2025 gestorben. Außer seinen Enkeln, die ihn auch als Rentner regelmäßig besuchten, hatte er keine Hobbys. Das Haus war quasi fast leer. Mia´s Handy klingelte. Es war ihre Cousine Mandy.

„Mia, du musst so schnell wie möglich herkommen, ich habe was gefunden. Ich glaube Opa hat das extra für dich hinterlassen.“

Mandy wollte partout nicht sagen, um was es geht.

Am Abend fuhr sie gleich zu Opas Haus und brachte eine Tüte Streuselschnecken mit. Alle sechs Kinder liebten das klebrige Gebäck von Kleinauf.

Überraschenderweise waren auch die anderen Cousins da, bis auf Martin, er war Fotograf und gerade für ein Jahr in Australien. Egal, teilten sie eben die Schnecken, so wie früher. Ein paar Kekse und Waffeln fanden sich auch noch.

Dann stand Mandy auf und es wurde still. „Könnt ihr euch noch erinnern, dass Opa für Oma nach der Wende eine neue Waschmaschine kaufen wollte? Er wollte nicht mehr, dass Oma Treppen steigen musste.“

Deswegen baute er die Speisekammer um und da stand jetzt seit 30 Jahren eine Miele, die immer noch funktionierte.

Alle nickten. „Na dann kommt mal mit.“ Unten war ein normaler Vorraum, daneben ein Kellerverschlag, wo früher die Kohlen lagerten.

Dann der Keller für die Vorräte. Mandy sagte: „wem fällt was auf?“ Alle guckten hin und her. Früher waren die Kinder auch oft im Keller gewesen und hatten sich hier versteckt.

Hannes sagte, „Warum machst du denn kein Licht an? Hier ist es ganz schön dunkel..“ Mandy sagte: „aha.“ Mia überlegte ganz angestrengt: „Sagt mal, war hier nicht früher ein Fenster?“

Alle sahen sich um. Kein Fenster. Aber da war früher sicher ein Fenster, ungefähr da rechts oben, ganz bestimmt. Das war ja zugemauert.

Mandy nickte. „Und jetzt zeige ich euch was.“ Sie ging im leeren Kohlenkeller bis zur Wand, drückte und eine geheime Tür ging auf. Ein automatisches Licht ging an.

„Ich wollte die letzten Kartoffeln holen, bin gestolpert und gegen die Wand gefallen. Und dann hat es geknackt und die Tür ging auf.“

Ein riesiger Raum tat sich auf. Vier Schreibtische, viele Regale, viele solcher Apparate, die man aus den Filmen der 1930-Jahre kennt. „Das ist doch eine Verbindungsanlage für Telefone?“ rief Johannes.

Mia blickte sich um. „Das ist viel mehr, das ist ein Abhörraum. Ich hatte das in Polizeigeschichte.“ Alle staunten.

Und was noch richtig interessant war, auf dem Schreibtisch, der an der Wand stand, lagen 13 bunte Aktenordner mit den Namen der verschwundenen Kinder von Brandenburg-Dame.

Johannes schaute in die Ordner rein und blätterte. Manche Namen kamen ihm bekannt vor, von Erzählungen von Opa Popp Popp. Die anderen Cousins nickten.

An der Pinnwand an der Wand waren 13 Fotos der Kinder nach Jahr sortiert. Darunter standen Opas Vermutungen über Todesursache oder warum sie gestorben oder verschwunden waren und wer vermeintlich daran beteiligt war.

Opa hatte wirklich viel recherchiert. Das dreizehnte Kind, Paul von Sydow könnte noch lebend gefunden werden. Er war erst vor 6 Monaten verschwunden und nur ein Bild mit seinem Namen war angepinnt.

Ernst Lissek hatte oben in seinem Arbeitszimmer tatsächlich eine Finte gelegt, für Leute, die das Haus ohne Zustimmung betraten oder neugierig waren. Alle sechs schauten sich an. Opa Popp Popp hatte wirklich nach den Kindern gesucht.

Stille.

Mia kratzte sich am Kopf. „Leute, ich wohne ja in einer Pension und die Wirtin geht mir ganz schön auf den Keks. Kann ich hier wohnen? Vielleicht nicht bei Opa im Zimmer, aber im alten Kinderzimmer, bis ich Zeit habe, mir eine Wohnung zu suchen.“

Alle stimmten zu und sicherten Mia zu, sie zu unterstützen. Acht weitere Augen und Ohren würden für Mia eine Hilfe sein. Mia durfte eigentlich nicht über ihre Arbeit sprechen. Aber die vier hatten Recht. Alle waren hier aus Brandenburg und würden unauffällig mit den älteren Menschen der Gegend sprechen können.

Sie verabredeten eine Whats-App-Gruppe, wo jeder Neuigkeiten reinstellen konnte. Und sie würden sich regelmäßig einmal im Monat treffen. Mia würde einziehen und anfangen, alle Unterlagen im Keller zu sichten.

Die wichtigsten Papiere, Fotos und die Landkarten würde sie in ihrem Büro lagern. Warum Landkarten? Auf den Karten waren mit Reißzwecken verbundene Fäden befestigt. Mia hatte vieles zu bedenken.

Sie waren sich einig, dass die Abhörstation nicht vom Opa eingebaut worden war, sondern noch von der Militäradministration der DDR stammte, oder vielleicht noch älter war.

So wie der Raum aufgebaut war, die Wände waren aus Beton und mit bestimmtem Dämm-Material verkleidet, musste er vor dem Bau des Hauses dagewesen sein.

Das Haus selbst war vom Uropa solide aus Stein gebaut worden. Beim Ausheben des Kellers hatte man vermutlich den Bunker gefunden und für praktisch befunden.

Der Krieg nahte und ein privater Betonbunker konnte Schutz bieten. Vielleicht wollte er ja die Kabel entfernen, kam aber nicht mehr dazu, weil er in den Krieg ziehen musste.

2025 ein merkwürdiges Gerät

Johannes hatte ein Faible für alte technische Geräte. Also schaute er sich das Gerät auf dem Tisch genauer an. Er suchte nach einer Steckdose und schloss das Gerät an.

Dann drückte er auf den grünen Pfeil am Gerät. Das Gerät ratterte, aber man hörte nichts. Er drückte auf den roten Pfeil, es schnurrte eine Weile, dann klackte es. Hannes drückte wieder auf grün.

Nichts, dann ein Schnarren und dann Opas Stimme. Mandy schrie auf. Hannes hatte ein Aufnahmegerät aus der DDR gefunden.

„Meine lieben Kinder, wenn ihr das hört, bin ich wohl gestorben.“

Mandy und Mia hielten sich im Arm, die Tränen liefen die Wangen herunter. „Meine lieben Kinder, ihr habt das Geheimversteck gefunden. Ich wusste es, denn wir Fuchses sind wie Füchse, wir haben noch jeden Fall gelöst.“ „Mia allein kann den Fall nicht alleine lösen, bitte helft ihr.“

„Wie ihr seht, habe ich oben eine Finte für Herumschnüffler gelegt und hier ist die richtige Polizeiarbeit. Ich habe für alle Kinder einen Ordner angelegt.

Mein Hauptverdächtiger war und ist Matthias Schneider. Aber, er ist nun 25 Jahre tot und die Kinder verschwinden immer noch aus dem Internat.“ „Vielleicht ist es doch ein anderer?“

„Weiterhin habe ich für jedes Kind eine Audiodatei angelegt. Ich hatte einen Ohrenzeugen, der mir regelmäßig die Geschichten vom Matthias erzählt hatte. Viele fehlen natürlich, weil der junge Mann nicht bei allen Erzählstunden dabei war.“

„Matthias sagte immer, die Geschichten seien wahr, oder auch nicht. Ich glaube, es war noch viel schlimmer. Die verschwundenen Kinder waren Raudis oder schlimmer und alle waren froh, dass sie nicht mehr da waren.“

Die Studentin Anna Holzapfel stellte sich am Montag vor und Mia Fuchs erkannte sie gleich und stellte sie für die Recherchen ein. Sie sollte am nächsten Tag mit dem Polizeiarchiv anfangen und danach zur Brandenburger Allgemeinen gehen und dort weitersuchen.

Mia selbst würde bei den dreizehn DNA-Tests mitmachen. Sie würden sich in vierzehn Tagen wieder im Büro treffen.

Vierzehn Tage später nach den DNA-Tests hörte sich Mia Fuchs die ersten Kassetten von ihrem Opa im Büro an. Die DNA-Analysen würden ca. sieben Tage benötigen. Anna war auch da und hatte erste Fotos und Zeitungsausschnitte dabei.

Anna legte ihr Handy sehr offensichtlich auf den Tisch. Sie müsse jetzt in das Polizeiarchiv. Mia holte sich einen Kaffee und sah aus dem Blickwinkel ein wunderschönes Bildschirmschonerfoto von zwei frisch Verheirateten am Strand. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass Anna einen Ehering trug. Wenn Anna wieder da wäre, würde sie Anna danach befragen.

Anna und Duncan 2023 Mauritius

Kapitel 5, Zeit 1871 bis 1939

Audiodatei 1, Aufnahme Ernst Fuchs, von einem Internatsschüler frei nach erzählt. Erzähler Matthias Schneider ca. 2000

Der alte Matthias saß auf seiner hölzernen Bank in der Nähe des Apfelbaums und sinnierte. Gleich war es 15 Uhr und die meisten der jüngeren Schüler hatten Schulaus.

Die heutige Geschichte heißt: Rosa Damascena Trigintipetala und spielt 1927

Die Kinder schauten sich an. „Eine Blumengeschichte?“

Balazs Kovács war zehn Jahre alt und kam aus Ungarn. Seine Familie züchtete Blumen, vor allem Duftrosen. Als Gastgeschenk brachte der Junge Balazs 1927 Otto Birnbaum, dem Eigentümer des Internates vier Rosenstämme mit.

Diese waren dunkelrosa, pink, cremeweiß und blutrot. Im Sommer dufteten sie so stark, dass man sie vom Internatsgebäude bis zum Gutshof roch. Doch Otto Birnbaum konnte damit nichts anfangen.

Aber Matthias fragte, ob er sie vor seine Hütte pflanzen könne. Jeder der vom Gutshaus zum Internat lief, würde daran vorbei kommen und würde sich erfreuen. Von seiner Mutter wüsste er, wie man mit Rosen umginge. Otto Birnbaum war einverstanden.

Matthias pflanzte die vier Stöcke mit großem Abstand vor sein Haus.

Matthias hatte nämlich eigentlich etwas anderes im Sinn. Die Rosen wuchsen jedes Jahr ein bisschen mehr. Sogar ein Reporter kam einmal vorbei, um Fotos zu machen.

Der Junge Balazs lebte sich gut ein und er und gewann mit seiner Stute Kincsem viele Preise.

In der elften Klasse war ein junger Mann namens Andreas von Tübingen, der neidisch auf den Jungen Balazs war. Der Vater von Balazs hatte neben der Rosenzucht auch eine berühmte Pferderennbahn in Budapest. Die ganze Familie von Balazs waren Jockeys.

Andreas hatte ein altes, lahmes Pferd, musste im Jungenschlafsaal schlafen und fand alles doof und ungerecht. Er wollte lieber umherziehen, in der Kneipe Bier trinken und am liebsten gar nichts machen.

Wenn er konnte, schlug er auf Balazs ein und nannte Ihn „Fräulein Rose“ oder ärgerte sein Pferd Kincsem. Da Balazs nur wenig Deutsch und Englisch sprechen konnte, konnte er sich kaum wehren.

Der Vater von dem Jungen Balazs wollte unbedingt die gute Jockey-Ausbildung für seinen Sohn. Balaszs erzählte ihm von Andreas, der ihn schon mehrmals geschlagen hatte, aber der Vater ließ sich nicht beirren.

Balazs vertraute sich einem Pferdewirt aus Österreich an, der auch ungarisch sprach. Dass Andreas ihn ärgerte war ihm egal, aber wenn es gegen sein Pferd Kincsem ging, verstand er keinen Spaß.

Der Pferdewirt sprach mit Matthias. Matthias war der Pferdemeister und somit für das Pferd Kincsem und seine Gesundheit verantwortlich. Er duldete so etwas nicht im Internat und beobachtete von jetzt ab Andreas.

Niemand wollte mit Andreas zusammen sein. Weil er immer ein gemeiner Kerl war. Im Garten saß er abseits und hatte panische Angst vor Bienen und Wespen.

Matthias schickte ein Küchenmädchen mit süßem Bienenstich in den Schlafsaal. Sie solle den Kuchen ein bisschen abdecken und auf das Bett von Andreas stellen. Und weil es so warm wäre, solle sie die Fenster aufmachen. (Rezept ganz hinten im Buch)

Der Geruch vom Kuchen zog Bienen und Wespen an. Andreas wollte sie verscheuchen und schlug nach ihnen.

Am nächsten Tag kam Andreas total zerstochen in die Schule. Alle lachten ihn aus. Matthias wollte gerade mit den Kindern zum See gehen und fragte Andreas, ob er nicht mitkommen wolle. Er wollte nicht.

Ab dann ließ er zunächst Balazs in Ruhe. Andere Kinder wurden weiter von ihm geärgert. Matthias sagte zu ihm er solle die Kinder in Ruhe lassen, sonst lägen das nächste Mal Bienen in seinem Bett.

Jetzt wusste er, wer ihm die Bienen mit dem Kuchen geschickt hatte und sann auf Rache. Ab sofort nannte er Balazs wieder „Rose“ und schlug auf ihn bei jeder Gelegenheit ein.

Und da sah er die vier schönen Rosenbüsche, die bei Matthias vor dem Haus wuchsen. Diese waren dunkelrosa, pink, cremeweiß und blutrot. Er besorgte sich zwei Petroleumlampen, goss das Öl nachts über die Rosen und zündete sie an. Dann rannte er so schnell, wie er konnte zum Internatsgebäude.

Matthias wachte vom Rauch auf, rannte raus und löschte mit einer Decke die Rosenstöcke. Andere waren auch aufgewacht und löschten mit. Es war zu gefährlich. Das Feuer würde schnell auf die anderen Gebäude überschlagen.

Matthias wusste genau, wer das Feuer gelegt hatte. Zum Glück waren die Rosenstöcke nicht ganz verbrannt. Er schnitt sie herunter und hoffte, dass sie im nächsten Jahr wieder wachsen würden.

Zwei Monate später war Andreas verschwunden. Seine Sachen lagen an der Havel an der Badestelle ordentlich zusammengefaltet. So richtig schwimmen konnte er nicht.

Die Polizei hatte keine Lust zu suchen, es war der heiße Sommer 1930, es waren 37 Grad und sie hatten zu wenig Personal. Sie gingen davon aus, dass er ertrunken war und beendeten die Suche.

Im nächsten Jahr wuchsen die Rosen wie verrückt. Matthias nahm sich Stecklinge und pflanzte sie auf dem ganzen Gelände ein. „Schaut euch um, es sind jetzt 70 Jahre vergangen, aber überall auf dem Internatsgelände wachsen die Rosen von Balazs Kovács.“

Und wirklich, die Kinder sahen sich um, überall waren riesige, duftende Rosenbüsche. Diese waren dunkelrosa, pink, cremeweiß und blutrot.

Matthias rief aus, wer bis zum nächsten Mal weiß, wie viele Rosenstöcke auf dem Gelände sind, bekommt eine Überraschung.

16.50 Uhr, Ende der Geschichte, morgen gib es eine andere Geschichte.

Pauline, 1927 und 1929

Pauline war 15 Jahre alt, aus dem Dorf in der Nähe des Internates und blitzgescheit. Sie konnte am besten Lesen und Schreiben. Und Pauline konnte gut schwimmen, so dass sie den Jüngeren das Schwimmen beibringen konnte.

Alle hörten auf sie. Sie kümmerte sich vorwiegend um die Kleinsten. Aber wenn ein größeres Kind kam, war sie auch da. Mit Ihrer Hilfe lernten die Kleinsten freiwillig das Lesen und Schreiben.

1929, nach zwei Jahren, alle Kinder konnten Lesen und Schreiben und ein bisschen bzw. ausreichend rechnen, nahm Matthias Pauline mit zum Schulleiter Ingmar Hohenfeld und schlug ihm vor, das Pauline mit ihren siebzehn Jahren eine Hilfslehrerin für die Dorfkinder werden könnte.

Ingmar Hohenfeld, der Schulleiter des Internates, hatte bereits die wichtigsten Aufgaben von Otto Birnbaum übernommen.

Der Sohn, Karl-Heinz Birnbaum war nicht an dem Internat interessiert und überließ Ingmar Hohenfeld die Geschäfte. Bis 1938 war die Schule eine der besten Reitinternate der Welt.