Die Wächterdämonen 2: Federschwingen - Lena Seidel - E-Book

Die Wächterdämonen 2: Federschwingen E-Book

Lena Seidel

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Beschreibung

Als Morton Rykers von zwei Engeln angegriffen wird, ist Wächterdämon Dantalion zur Stelle, um den Kampf aufzunehmen. Er ahnt nicht, was die Begegnung mit den Engeln für ihn bedeuten wird. Aus Rache für den Angriff nimmt Seere Erael, den Engel der Tugend, gefangen. Und während die alte Bruderschaft der Dämonenjäger wieder auf den Plan tritt, muss sich Dantalion seinen widersprüchlichen Gefühlen stellen.

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Lena Seidel & Simone Singer

Die Wächterdämonen 2

 Federschwingen

Impressum:

© dead soft verlag, Mettingen 2013

http://www.deadsoft.de

© the authors

Cover: © Andrei vishnyakov – fotolia.com

Graphische Gestaltung: Toni Kuklik

1. Auflage

ISBN 978-3-943678-90-1 (print)

ISBN 978-3-943678-91-8 (epub)

Federschwingen 

„Ins Wohnzimmer! Alle! Sofort!“

Zamael rollte mit den Augen. Musste seine Chefin jedes Mal so brüllen, wenn sie etwas von ihnen wollte? Diese schrille Stimme ging einem durch Mark und Bein. Seufzend rollte er sich aus dem Bett und überlegte dabei, warum Jelial grundsätzlich eine Besprechung einberief, nachdem er eine lange Nacht gehabt hatte. Nicht dass irgendeine Nacht bei ihm kurz gewesen wäre …

Während er sich anzog, hörte er auf dem Gang leichtfüßige Schritte, gefolgt von schwereren, hektischen. Yashiel und Erael, die dem Ruf ihrer Anführerin schneller folgten als er. Wie immer.

Brummend schloss er den Reißverschluss seiner Jeans, warf einen Blick in den Spiegel und grinste. Es war zwar absolut überflüssig, sich in die körperbetonten Kleider zu werfen, die er üblicherweise trug, aber man hatte einen Ruf zu verlieren, nicht wahr? Also schob er die Hüftjeans ein Stückchen tiefer, bis sie gerade noch den Ansatz seiner Schamhaare verdeckte, zog das bauchfreie Shirt ein wenig höher und wuschelte seine schwarzen Haare durch, bis die roten Spitzen gut sichtbar waren. Erst als er mit seinem Spiegelbild zufrieden war, verließ er sein Zimmer und machte sich auf den Weg ins Wohnzimmer.

Jelial begrüßte ihn mit ärgerlichem Stirnrunzeln, sagte jedoch nichts zu seinem verspäteten Erscheinen. Ihr Glück.

Zamael ließ sich auf die breite Couch fallen, streckte die Beine weit aus und betrachtete seine beiden Kollegen, ehe er gewillt war, seiner Chefin die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken.

Auf einem Stuhl, leicht angespannt, saß Erael, blond, hochgewachsen und schlank. Seines Zeichens Engel der Tugend war er dafür zuständig, Menschen die Chance zu geben, falsche Entscheidungen ungeschehen zu machen. Seine Zeitmagie war wirklich eine eindrucksvolle Sache. Schade, dass meist nur Erael selbst die Effekte seiner Fähigkeit sehen konnte und ihr Einsatz auf einmal pro Tag beschränkt war.

Neben ihm, in einem bequemen Sessel, hatte Yashiel Platz gefunden. Der Engel der Heilkunst besaß ein stilles, besonnenes Wesen und war ohne Frage der ruhende Pol ihrer kleinen Einheit. Mit zimtbraunen Haaren und Flügeln in der gleichen Farbe und ebenmäßigen Gesichtszügen sah er adrett aus, doch Zamael hatte sich mehrfach die Zähne daran ausgebissen, ihn in sein Bett zu bekommen.

Zu guter Letzt war da noch Jelial, der Engel der Leidenschaft. Die hübsche, aber kühle Frau mit den kristallblauen Flügeln war Anführerin per Geburt. Ihre hohe Herkunft war der Grund dafür gewesen, dass sie die Engelsdelegation in dieser Stadt leitete. Leidenschaft, wie Jelial sie verkörperte, war ein zweischneidiges Schwert, hatte Zamael feststellen müssen. Leidenschaft war eine gefährliche Sache, sobald sie für die falschen Ziele benutzt wurde. Jelial konnte grausam sein, wenn sie dafür ein größeres Übel verhindern wollte. Sie hatte Säuglinge getötet, um Schreckensherrschaften zu verhindern, oder verheerendes Unglück über ein Volk gebracht, zum Wohle eines größeren Reiches. Dabei hatte sie nie Reue gezeigt.

Viele Menschen hatten ein sehr verzerrtes Bild von ihrer Rasse. Das Klischee von langen weißen Roben erfüllte bei ihnen bestenfalls Erael, der sich gern in helle Tuniken kleidete und auch sonst mit seinem Erscheinungsbild genau in das Stereotyp des Engels passte.

Früher mochte das für sie alle gestimmt haben, aber heute … Für die Engel war die Zeit nicht stehen geblieben, sie bedienten sich moderner Technik und lebten unerkannt unter den Menschen, um sie in die richtigen Bahnen zu leiten und zu verhindern, dass Dämonen ihre schmutzigen Pakte mit ihnen schlossen.

„Ich hatte gestern Nacht eine Unterhaltung mit Leonard.“ Da Jelial nun leiser sprach, klang ihre Stimme klar und weich. Zu weich für Zamaels Empfinden, ihm sträubten sich die Haare ebenso wie die roten Federn an seinen Flügeln. Dieser Ton, er war ihm allzu bekannt. Er bedeutete nie etwas Gutes. Vor allem, wenn sie über Leonard sprach. In diesem Fall war es noch schlimmer: Sie hatte mit ihm gesprochen.

„Leonard? Seit wann unterhältst du dich mit den Dämonen?“ Yashiel war sogar leiser als Jelial, was seltsamerweise effektvoller war, als hätte er geschrien. Die gesammelte Aufmerksamkeit richtete sich auf ihn. Selbst er starrte ihn an, zumal ihn die Antwort auf die Frage brennend interessierte. Leonard war der Feind, der Anführer der hiesigen Wächterdelegation. Ja, auch die Dämonen lebten unter den Menschen und zwangen sie in Verträge, die oft mit illegalen Geschäften zu tun hatten. Ein Großteil der Verbrechen auf dieser Welt ging auf ihre Rechnung. Leonard war der Anführer der Gruppe, die diese Region, die den halben Staat umfasste, bearbeitete, sofern man es so ausdrücken konnte. Leider waren sie damit sehr erfolgreich. Das war der Grund, warum sie, die Engel, hier zu viert stationiert waren, anstatt wie sonst üblich zu dritt.

„Er hat mich gerufen und mir einen Vorschlag gemacht.“ Jelial machte eine kunstvolle Pause, die vermutlich die Spannung erhöhen sollte. Mühsam hielt sich Zamael davon ab, die Augen zu verdrehen. Welche Vorschläge konnte ein Dämon schon machen? Allein dass Jelial in Betracht zog, mit diesen Dämonen zu verhandeln, grenzte haarscharf an Verrat.

„Ihr kennt doch alle Seere, oder?“

„Wer kennt ihn nicht, diesen Bastard?“ Yashiel gelang es, zugleich ärgerlich und ängstlich zu klingen. Er wusste um die Ereignisse, die dazu geführt hatten, dass sich die beiden abgrundtief hassten. Diese Angelegenheit lag Jahrtausende zurück, und Yashiels Zorn war noch nicht abgeflaut. Wer konnte es ihm verübeln, obwohl er sonst eigentlich kein nachtragender Typ war?

„Nun, Leonard hat mir verraten, dass Seere mit einem Menschen liiert ist.“

„Was ist daran besonders?“, fragte Zamael gelangweilt. „Es ist allgemein bekannt, dass er jeden ins Bett zerrt, mit dem er einen Vertrag schließt.“

„Diesmal ist es anders“, erwiderte Jelial mit einem unwahrscheinlich boshaften Grinsen, bei dem Zamael sich unwillkürlich fragte, ob sich eine solche Grimasse mit der menschlichen Vorstellung eines Engels deckte. Nein, sicher nicht.

„Seit er Morten Rykers unter Vertrag genommen hat, gibt es für ihn keinen anderen mehr. Was uns in die glückliche Lage bringt, ihm einen derben Schlag zu verpassen. Leonard wird mir mitteilen, wann Seere das nächste Mal in der Hölle weilt, um seine Kräfte zu regenerieren. In der Zeit holen wir uns seinen kleinen Liebling. Leonard hofft darauf, dass Seere nach seiner Rückkehr verzweifelt in seine Arme sinken wird.“

„Du willst mit Dämonen zusammenarbeiten?“, fragte Zamael entgeistert. „Warum?“

„Wenn er weg ist, ist Seere am Boden zerstört. Leonard wird ihn trösten und damit den Blick für das Wesentliche verlieren. Bleibt also nur noch Dantalion übrig, und der ist allein so gut wie handlungsunfähig. Damit hätten wir die Wächter eine Weile vom Hals. Wenn sie dann endlich wieder aus ihren Löchern kommen, haben wir ihre Verträge aufgelöst.“

„Das wird nicht klappen.“ Yashiels Prophezeiung klang düster. „Ihr kennt Seere nicht so gut. Der ist viel zu stur, um kampflos aufzugeben.“

„Jelial?“ Diesmal war es Erael, der um das Wort bat. „Du erwartest von uns, dass wir einen Menschen töten, nur um Seeres Position zu schwächen?“ Er schien schockiert zu sein.

Zamael biss sich auf die Lippe. Niemand durfte es wagen, einen Befehl von Jelial infrage zu stellen. Erael war inzwischen lange genug bei ihnen, um das verstanden zu haben. Erael war ein Menschenfreund, was an sich nichts Schlechtes war, immerhin waren sie ursprünglich zum Schutz von Gottes Ebenbild abgestellt worden. Allerdings hielten die meisten Engel die Menschen nicht für wertvoll, sondern für eine lästige Pflicht oder einen lustigen Zeitvertreib. Sicherlich keine besonders lobenswerte Sichtweise für Engel, aber durchaus eine gängige, seit der Allmächtige von der Bildfläche verschwunden war. Zumindest betraf das die Engel, die im Himmel residierten, auch wenn ihnen durchaus klar war, dass die Menschen allein wegen des Gleichgewichts zwischen Himmel und Hölle geschützt werden mussten. Der Einzelne war dabei nicht wichtig, es ging um die Menschheit im gesamten.

„Niemand redet von Töten“, erwiderte Jelial prompt kühl. „Das ist nicht der Deal. Wir schaffen ihn aus Seeres Reichweite, das ist alles.“

Zamael biss die Zähne zusammen. ‚Das ist alles‘. Als wäre das so einfach! Immerhin redeten sie hier von Seere. Leonard musste verzweifelt sein, sollte er glauben, dass sein Untergebener sich damit ohne Weiteres abfinden würde.

„Das klappt nicht“, murmelte Yashiel erneut. „Nie und nimmer. Seere lässt es sich nicht gefallen, dass wir Morten Rykers holen, sofern er ihn wirklich liebt. Er wird sich nicht schluchzend in Leonards Arme werfen, auch wenn der sich das vielleicht wünscht. Das wird nicht klappen, Jelial.“

Auch Zamael hatte dabei kein gutes Gefühl. Er wollte sich nicht vorstellen, was geschähe, falls Seere, ein Prinz der Finsternis, auf Kriegszug ging, um seinen Liebsten zurückzuholen. Nichts und niemand wäre vor ihm sicher. Ein liebeskranker Dämon, der Amok lief, war nicht unbedingt das, was Zamael erleben wollte. Besonders nicht, wenn dieser Dämon Seere hieß.

„Ich habe meine Entscheidung bereits getroffen, Yashiel. Es ist für ein höheres Ziel, das sogar für dich nicht uninteressant sein dürfte. Seere als emotionales Wrack zu sehen ist sicher süße Ambrosia für deine Rachegelüste.“

Yashiel verengte die Augen zu schmalen Schlitzen, während seine Hand zu seiner linken Schulter fuhr. Zamael verstand die Geste, bei der Yashiel sich offenbar daran erinnerte, wie er beinahe einen Flügel eingebüßt hatte. Kein Wunder, dass seine Wut auf Seere so groß war. Das war der Grund, warum Jelial ihn wegen persönlicher Befangenheit gern ausschloss, sobald der rothaarige Dämon ins Spiel kam.

„Ich beauftrage Zamael und Erael damit. Wir warten, bis Seere wieder in der Hölle ist, dann schlagen wir zu und holen uns diesen Menschen.“

Zamael ließ den Blick zu seinen Kollegen schweifen. Beide sahen nicht begeistert aus. Während Erael regelrecht blass wurde, wirkte Yashiel verkniffen. In seinem eigenen Magen rumorte es, doch Zamael hütete sich, die Beschlüsse ihrer Anführerin infrage zu stellen. Er hatte zu tun, was sie befahl. Ob es ihm schmeckte oder nicht.

~*~

„Da! Geh hier links hoch, da ist ein Rüstungsteil!“, rief Dantalion und wedelte wie verrückt mit den Armen.

„Wie soll ich denn da hochkommen?!“, fragte Morten entgeistert und neigte sich und seinen Controller zur Seite, während er unter wildem Knopfdrücken versuchte, seine Spielfigur an die gewünschte Stelle zu lenken.

„Mann, ganz einfach! Du machst da rechts einen Wallslide und springst mit einem Dashjump rüber.“

Seit Dantalion entdeckt hatte, dass er mit Seeres Lover die Leidenschaft für Videospiele teilte, trafen sie sich regelmäßig zum Zocken. So konnte er Seeres Bitte nachkommen, auf Morten achtzugeben, und gleichzeitig Spaß dabei haben. Derzeit spielten sie gemeinsam die Megaman-Reihe durch und Dantalion war schockiert, wie schlecht sich Morten dabei anstellte. Trotzdem versuchte sich Morten ihm zuliebe daran, denn Dantalion hatte auch Bioshock mitgespielt und dafür Mortens Spott auf sich gezogen. Ego-Shooter waren nicht sein Ding. Die Hintergrundstory war nicht schlecht, das musste er zugeben. Derzeit widmeten sie sich Dantalions Lieblings-Genre: Jump'n' Run. Diesmal war es Morten, der über die Story erstaunt war, er hatte das für sinnloses Herumgehüpfe gehalten, wie er zu Dantalions Belustigung zugegeben hatte.

Morten scheiterte einmal mehr am Sprung auf die andere Seite und fuhr sich entnervt durch die dunkelblonden Haare.

„Gib mir mal das Ding!“, maulte Dantalion ungeduldig und zuckte aufgeregt mit den Flügeln. Er entriss Morten den Controller und schaffte mit Leichtigkeit das komplizierte Manöver. „Siehst du?“, fragte er und warf im Triumph seine Locken zurück.

„Hattet ihr da bei der Entwicklung eure Finger mit drin? Das ist ja höllisch schwer!“, knurrte Morten, was bei Dantalion einen mittleren Lachanfall auslöste.

„Du und deine Wortspielereien!“

Er gab Morten das Joypad zurück, lehnte sich gemütlich nach hinten und streckte dabei die Beine aus. Einen Moment beobachtete er Morten bei seinen Bemühungen, das nächste Hindernis auf dem Bildschirm zu überwinden, dann hielt er dieses dilettantische Herumgehopse nicht mehr aus, stand auf und ging in die Küche, um sich von Mortens Biervorrat zu bedienen.

„Du auch eins?“, rief er ins Wohnzimmer hinüber.

„Da fragst du noch?“

Dantalion grinste, als im Anschluss an die Gegenfrage ein herzhafter Fluch ertönte. Allem Anschein nach ein Zeichen für Mortens neuerliches Versagen. Hätte sich der Dieb und Einbrecher in seinem Beruf genauso angestellt, wäre Seere sicher nie auf die Idee gekommen, ihn als Vertragspartner und Handlanger anzuwerben. Dantalion schmunzelte, als er daran dachte, dass Morten das Schloss zu Seeres Herz geknackt hatte. Eine Leistung, die in den letzten paar Jahrhunderten niemand sonst erbracht hatte. Inzwischen konnte er das nachvollziehen, Morten war ein netter und umgänglicher Kerl, mit dem man viel Spaß haben konnte. Außerdem war er stressresistent und unerschrocken im Kontakt mit Dämonen. Nicht einmal Leonard vermochte es, Morten einzuschüchtern. Dantalion erstaunte das ein wenig, zumal sein Chef sehr Angst einflößend sein konnte, bedachte er jemanden mit seinem patentierten Todesblick. Zwar brachte das keinen um, aber selbst Dantalion hatte manchmal ein unwohles Gefühl dabei. Falls Morten Leonard fürchtete – und Dantalion wusste, dass er das tat – so zeigte er es nie.

Er kehrte mit den beiden Flaschen ins Wohnzimmer zurück, stellte das Bier vor Morten auf den Tisch und ließ sich neben ihn auf die weiße Ledercouch fallen. Etwa zehn Sekunden sah er zu, wie Morten versuchte, die nächste Passage zu bewältigen, und verdrehte die Augen.

„Ein Glück, das du dich im richtigen Leben nicht so blöd anstellst“, sagte er uncharmant und riss Morten erneut den Controller aus der Hand.

„Paff!“

Dantalion gluckste vergnügt, warf einen kurzen Seitenblick auf Morten und widmete sich für die nächsten Minuten hoch konzentriert dem Spiel.

„Hat Seere eigentlich gesagt, wann er wiederkommt?“, fragte er, während sein Blick wie festgeklebt an dem breiten Bildschirm hing.

„Nein, aber ich schätze, er bleibt nicht länger weg als unbedingt nötig. Er müsste übermorgen zurück sein.“

Dantalion nickte beiläufig und ließ sich nicht anmerken, wie schade er es fand, seinen Kollegen so bald wieder hier zu wissen. Damit hatten sich solche Zockernachmittage nämlich erledigt – Seere teilte Mortens Gegenwart äußerst ungern. Was ein weiterer Grund war, weshalb Morten Leonard ein Dorn im Auge war.

Dantalion bekam leider viel zu viele Gedanken seines Chefs mit. Manchmal machte es keinen Spaß, ein Telepath zu sein, besonders in der Anwesenheit notorisch liebeskranker Dämonen. Zudem war ihm klar, dass er mit diesem Wissen vollkommen allein stand. Das war für Jahrhunderte kein Problem gewesen. Bis Morten aufgetaucht war. Seere konnte er nichts davon erzählen, der hätte unweigerlich gefragt, weshalb er nicht sehr viel eher etwas gesagt hatte.

Er seufzte unhörbar in sich hinein und konzentrierte sich erneut auf das Spiel. Geschickt sammelte er alle Bonusgegenstände und Leben ein und wollte gerade Morten den Controller zurückgeben, als hinter ihnen Mortens deckenhohes Fenster aus dem Rahmen krachte. Splitter flogen ihnen um die Ohren, erschrocken gingen beide sofort in Deckung.

„Bleib hinter mir!“, befahl Dantalion scharf, sprang auf und spreizte seine Flügel, um die Sicht auf Morten zu verdecken.

Er schnaubte abfällig, als er die ungebetenen Besucher identifizierte. Eine solche Dreistigkeit hätte er nicht erwartet, schon gar nicht von zwei Engeln. Zamael war ihm bereits öfter beim Abschluss diverser Verträge untergekommen. Dabei bediente sich Zamael seiner Fähigkeit mit einer Schamlosigkeit, die selbst manchen Dämon erröten ließe. Den blonden Engel in seiner Begleitung hatte Dantalion zuvor noch nie gesehen. Allerdings konnte er sich durchaus denken, mit wem er das zweifelhafte Vergnügen hatte. Immerhin hatte er von Eraels Versetzung auf die Erde vor einer Weile gehört.

„Zamael. Und Erael, wenn ich mich nicht irre.“ Sein spöttischer Ton sollte deutlich zeigen, was er von den beiden Besuchern hielt: gar nichts.

„Geh zur Seite, Dantalion, dann wird dir nichts passieren“, sagte Zamael, der die Unverschämtheit besaß, ihn breit anzugrinsen. Es würde schwierig werden, gegen beide zugleich anzutreten, aber nicht unmöglich. Erael war seines Wissens nach ein Frischling, der erst vor wenigen Jahren die Akademie verlassen hatte. Zamael dagegen stellte ein größeres Problem dar, er war kampferprobt und konnte ihm durch seine Fähigkeit gefährlich werden. Zumal Dantalion bereits von sich aus mächtigen Spaß am Sex hatte, da brauchte er nicht auch noch eine Verstärkung dieser Gelüste.

„Träum weiter, Engel!“, erwiderte er ruhig und ließ in diesen drei Worten das verächtliche Lächeln deutlich werden, das auf seinen Lippen erschien. „Du kommst an mir nicht vorbei.“

„Das werden wir ja sehen“, antwortete Zamael amüsiert.

Dantalion ließ einen gewaltigen Plasmaball über seiner nach oben gekehrten Handfläche entstehen, um zu zeigen, wie ernst er es meinte. Diese Waffe stand sowohl Dämonen als auch Engeln zur Verfügung und stammte noch aus Zeiten, in denen sie sich offen bekriegt hatten. Die beiden Engel stoben auseinander und Dantalion entlud seine Wut auf Erael, der auf Morten zuhielt. Morten zweckentfremdete eine Stehlampe, um sich den Mistkerl vom Leib zu halten. So von beiden Seiten angegriffen zu werden, lenkte Erael ab, und Dantalion landete einen Treffer. Viel Zeit zum Feiern blieb ihm jedoch nicht, er musste sich vor einer roten Energiekugel, die auf ihn zusteuerte, durch einen gekonnten Hechtsprung zur Seite retten.

„Los, hol ihn dir, ich kümmere mich um den Kleinen!“, befahl Zamael vergnügt.

Dantalion hörte das Krachen der Stehlampe hinter sich und ein schmerzerfülltes Zischen, das nicht von Morten kam. Er konnte bloß hoffen, dass sein Freund lange genug durchhielt, bis er mit Zamael fertig war. Er vernebelte den Geist des schwarzhaarigen Engels und feuerte von einer anderen Position auf ihn, als der vermutet hätte. Keuchend ging Zamael in die Knie, doch er grinste ihn von unten herauf an.

„Nicht schlecht, wirklich.“

„Dan!“, schrie Morten hinter ihm. Ein Blick über die Schulter zeigte, dass Morten seinen Kampf verloren hatte und von Erael in den Schwitzkasten genommen wurde.

„Bleib, wo du bist, Dämon, oder er stirbt“, zischte Mortens Peiniger, der ihm ein kleines Messer an die Kehle hielt. Dabei verzog er keine Miene und Dantalion hätte auch gewusst, dass er es ernst meinte, wenn er keine Gedanken lesen könnte.

Ganz automatisch bildete sich der nächste Energieball über seinen Handflächen, lediglich Eraels warnender Ausdruck hielt Dantalion davon ab, ihn abzuschleudern. Knisternd pulsierte die Kugel im Takt seines Herzschlags in der Luft. Diese besondere Waffe war für Menschen ungefährlich und würde nur den Engel verwunden. Das kleine Messer jedoch, dessen Klinge kalt auffunkelte, konnte Morten durchaus verletzen. Oder mehr.

Blitzschnell wirbelte Dantalion herum und feuerte die violett schimmernde Kugel auf Zamael ab, der auf dem Boden kniete. Dieser Angriff reichte aus, um ihn bewusstlos zusammensacken zu lassen.

Kaum erkannte er, dass er einen Treffer gelandet hatte, fuhr er zu dem anderen Engel herum und starrte ihn wütend an. Ihre Blicke trafen sich – und Dantalion hatte für einen Moment das Gefühl, als bekäme er keine Luft mehr. Stattdessen hatte er Mühe, seine Wut auf die Engel aufrechtzuerhalten.

Er versuchte, in Eraels Gedanken einzudringen, allerdings fehlte ihm die treibende Kraft seiner Wut, um echten Schaden anzurichten. Überrascht beobachtete er, wie sich ein verwirrend anziehendes Lächeln den Weg auf Eraels Gesicht bahnte. Insgesamt war der blonde Mann wunderschön mit seinen hüftlangen Haaren und den schneeweißen Flügeln, ein richtiger Bilderbuchengel.

Morten schien nicht so gefangen von diesem Charme und wand sich in Eraels Griff, was zur Folge hatte, dass sein Hals angeritzt wurde. Dantalion registrierte die dünne rote Spur überdeutlich, sie lenkte seine Aufmerksamkeit zurück auf das Wesentliche: Morten war in Gefahr. Egal, wie gut Erael aussah, er griff verdammt noch mal den Freund seines besten Freundes an. Dantalion fokussierte die violette Energie, die neuerlich über seiner Handfläche knisterte. Kalt lächelnd drehte er sich zu Zamael um.

„Lass Morten los!“, raunte er heiser vor grenzenloser Wut, die endlich in ihm aufbrandete, über seine Schulter zu Erael. „Sonst geht dein Kumpel zur Hölle!“

Erael schaute ihn mit einer solchen Intensität an, dass er glaubte, die blauen Augen leuchteten von innen heraus. Heller und heller schien das Licht in ihnen zu strahlen, und als er zu sehr geblendet wurde, kniff Dantalion die Lider zu.

„Geh zur Seite, Dantalion, dann wird dir nichts passieren“, sagte Zamael, der die Unverschämtheit besaß, ihn weiterhin breit anzugrinsen.

Dantalion erstarrte. Was ... was war das denn? Plötzlich stand Zamael in sicherer Entfernung, munter und bei vollem Bewusstsein, und er selbst befand sich da, wo er vor einer Minute gestanden hatte.

„Zamael, weich nach links aus!“

Dantalion klappte die Kinnlade herunter, erst allmählich verstand er. Zeitmagie. Dieser verfluchte Weißkopfadler konnte die Zeit manipulieren! Bis diese Erkenntnis in seinem Verstand einrastete, verschenkte Dantalion wertvolle Sekunden, in denen es Erael gelang, Morten wie beim ersten Mal zu packen und ihm das Messer an den Hals zu halten. Der wesentliche Unterschied lag darin, dass Zamael dem Plasmaball, den er auf ihn abfeuerte, spielend auswich. Dafür wurde er von der roten Energie getroffen und mit einer solchen Wucht nach hinten geschleudert, dass erst eine Wand seinen Flug stoppte.

„Von dem großen Dantalion hätte ich aber mehr erwartet.“ Zamael verhöhnte ihn!

Allein die Wut und sein Stolz waren es, die Dantalion auf die Beine halfen.

„Du verfluchter Mistkerl!“ Sein Knurren wurde von einer weiteren Kugel unterstrichen, die sich rasend schnell über seinen Händen bildete.

Zamael bereitete einen Konter in Form eines eigenen Energieballs vor. Eigentlich hatte Dantalion vorgehabt, mit seinem Ball auf Erael zu zielen, um ihn von Morten wegzuschleudern. Von Zamael ging jedoch die größere Bedrohung aus, entschied er im Bruchteil einer Sekunde und schoss seine Energie auf ihn ab. Im selben Moment warf Zamael seine Plasmakugel.

Obwohl Dantalion gar nicht die Zeit gehabt hatte, richtig zu zielen, traf sein Geschoss genau auf Zamaels, vermischte sich mit ihr, blähte sich auf und explodierte. Der Engel wurde von der Druckwelle nach hinten geschleudert, selbst Dantalion konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten und fand sich quer über die Couch geworfen wieder. Stöhnend schlug er die Augen auf und blinzelte desorientiert. Sein Blick fiel auf Erael, der Morten zum Fenster gezerrt hatte und soeben mit ihm über die Kante sprang.

Dantalion wollte sich mit Mortens Geist verbinden, doch er scheiterte kläglich. Was nichts anderes bedeuten konnte, als dass dieser mistige Engel Morten bewusstlos geschlagen haben musste. Klar, sonst hätte sich Morten sicher gewehrt, anstatt einfach so davongeschleppt zu werden.

Mit einem Satz war Dantalion auf den Beinen und stürmte zum Fenster. Gerade wollte er die Verfolgung aufnehmen, als er Zamael hinter sich vernahm: „Hey, ich bin auch noch da!“

Dantalion wirbelte herum. So angeschlagen, wie Zamael wirkte, würde es nicht viel brauchen, um ihn aus dem Verkehr zu ziehen. Verächtlich schnaubend wandte er sich erneut dem zerstörten Fenster zu.

Bring Morten zurück, Erael! Tust du es nicht, wird dein Freund leiden!, donnerte er in den Geist des flüchtenden Engels. Erael ließ nicht den kleinsten Gedanken verlauten, geschweige denn eine Antwort. Das durfte ja wohl nicht wahr sein!

Dantalion drehte sich betont langsam zu Zamael um und grinste ihn falsch und zähnefletschend an. „Sieht aus, als hättest du schlechte Karten, mein Freund.“ Er baute sich vor Zamael auf, der sich verzweifelt bemühte, auf die Beine zu kommen. „Dein Kollege ist mit Morten abgehauen, und ich will wissen, wohin er ihn bringt. Übrigens nicht gerade nett von ihm, dich einfach im Stich zu lassen.“

Zamael setzte zu einer Erwiderung an, doch Dantalion ließ ihm keine Chance dazu. Rücksichtslos drang er in Zamaels Geist ein. Er brauchte dringend Informationen! Er hatte sich noch nicht einmal richtig mit ihm verbunden, da zischte er auf und zog sich hastig zurück. Sengende Lust schlug ihm wie eine Flutwelle entgegen und machte jedes andere Vorhaben unmöglich. Es war reiner Reflex, der ihn eine neue Plasmakugel entstehen und aus nächster Nähe auf Zamael abfeuern ließ. Mit einem Ächzen sank Zamael in sich zusammen, das wilde Verlangen erlosch. Dantalion fluchte. Na, jetzt hatte er erst ein Problem! Es war unmöglich, in einen bewusstlosen Verstand einzudringen. Und er hatte Zamael mit seiner Energie für unbestimmte Zeit außer Gefecht gesetzt.

Als Zamael zu sich kam, stöhnte er gequält.

Dantalion beobachtete amüsiert seinen Kampf gegen die Fesseln. Der Engel wand sich auf Mortens rundem Bett, auf dem er ihn fachmännisch an allen vieren fixiert hatte. Mangels Handschellen hatte er geflochtene Kevlarseile verwendet, die Zamael nicht zerreißen konnte. Mortens Ausrüstung war wirklich Gold wert. Grinsend lauerte Dantalion auf den Moment, in dem Zamael begreifen würde, dass er ihn in seiner Gewalt hatte. Just in dem Augenblick, in dem in Zamael die Erkenntnis aufkeimte, setzte er sich zu ihm auf das Bett. Lässig schlug er die Beine übereinander und schaute neugierig in das vor Anstrengung und wahrscheinlich auch Empörung gerötete Gesicht. Es war praktisch, dass Zamael lange genug bewusstlos gewesen war, bis Dantalion ihm die Flügel ausgebreitet und die Arme darüber gelegt hatte. Damit hatte er ihn so fixiert, dass die Ellbogen bei jeder Bewegung über die empfindlichen Flügel schrammten. Das war schmerzhaft, wie Dantalion aus eigener Erfahrung wusste. Schmerzhaft genug, um Zamaels Widerstand schnell zu brechen.

„Du kannst es dir leicht machen, Zamael, oder schwer. Ich will nur eine Ant...“ Weiter kam Dantalion nicht. Ein Schwall atemberaubender Lust traf ihn und ließ ihn unbeherrscht aufstöhnen. Dantalion kam gerade noch dazu, sich zu fragen, wie er so naiv hatte sein können, zu glauben, Zamael würde sofort aufgeben.

Nun, wenn er die Information, die er suchte, nicht direkt aus Zamaels Geist holen konnte, musste er die Antwort auf andere Weise aus ihm herauspressen. Ein weiteres Mal konnte er nicht versuchen, in seinen Geist einzudringen, ohne der hinterhältigen Gabe des Engels zu erliegen. Also musste er sich darauf konzentrieren, sich vor ihm abzuschirmen. Zamael war sehr ansehnlich und seine Fähigkeit, sexuelle Gelüste zu intensivieren, zu bündeln und auf ein Ziel zu lenken schien das noch zu verstärken. Andererseits war er selbst alles andere als ein Novize auf sexuellem Gebiet und was sollte ihn daran hindern, bei seinem Verhör ein wenig Spaß zu haben? Zamael war bestens verschnürt und würde ihm nichts anhaben können. Er beschloss, Feuer mit Feuer zu bekämpfen und zumindest zum Schein auf Zamaels Verlockungen einzugehen.

„Lass mich gehen“, befahl Zamael mit kratziger, müder Stimme.

Fast hätte Dantalion ihn ausgelacht, so lächerlich wirkte diese Forderung von einem wehrlos gefesselten Mann. Allerdings hielt ihn Zamaels Drohung davon ab: „Du wirst mich gehen lassen, sonst wirst du den Menschen nicht lebend wiedersehen.“

Dantalion stellte fest, dass Zamaels scheinbare Erschöpfung ihn nicht daran hinderte, ihn mit funkelnden Augen zu fixieren. Augen, die ihn ein wenig an Seere erinnerten. Sie hatten eine intensiv grüne Farbe und trotz seiner misslichen Lage wirkte Zamael unbeeindruckt. Wütend presste Dantalion die Lippen zusammen. Gut, wenn er nicht freiwillig reden wollte, musste er ihn dazu bringen.

„Ich denke, du bist nicht in der Lage, um irgendwelche Forderungen zu stellen. Sag mir, wo ihr Morten versteckt haltet.“

Er nahm ein scharfes Messer in die Hand, das er auf dem Nachtschrank deponiert hatte. Demonstrativ drehte er es zwischen den Fingern. Außer, dass sich Zamaels Atem beschleunigte, zeigte er keine Regung. Dafür durfte sich Dantalion ein weiteres Mal mit einem plötzlich wild brennenden Gefühl zwischen seinen Beinen herumschlagen.

„Du scheinst es unglaublich nötig zu haben, so wie du versuchst, mich in dieser Weise zu beeinflussen. Also schön.“ Er nahm das Messer und setzte es am Ausschnitt von Zamaels Lederweste an. Die Kleidung erinnerte ihn eher an einen Rockstar als an einen Engel. Schwarzes Leder, das Dantalion selbst so liebte. Ein wenig bedauerte er es, das schöne Oberteil seines Gegners zu zerstören. Dabei ritzte er oberflächlich die Haut.

Dantalion war nicht überrascht, bei dieser Aktion Zamael dunkel keuchen zu hören. Er hätte sich eher gewundert, wäre es nicht der Fall gewesen. Zamael schien ihm ähnlicher zu sein, als er bislang angenommen hatte. Nicht nur, was den Kleidungsstil betraf.

Geistesabwesend strich er mit den Fingerspitzen über die klar definierten Bauchmuskeln und entdeckte in Zamaels Augen ein winziges Glitzern, das ihm sehr gut bekannt war.

„Anscheinend hast du es selbst nötig“, konterte Zamael. „Was für eine Art von Verhör soll das werden, Dämon?“

„Sei froh, dass du es mit mir zu tun hast. Wenn Seere von eurer Aktion erfährt, wird er nicht so sanft mit dir umgehen. Es wäre also klüger, mir alles zu erzählen, was du weißt.“ Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, ließ er seine Fingerspitzen neckend über Zamaels Haut fahren. Sie fühlte sich weich und seidig an und war leicht gebräunt. Darunter bebten feste Muskeln unter seiner Berührung.

„Von mir wirst du nichts erfahren“, murmelte Zamael heiser.

„Das werden wir ja sehen.“ Erneut strich Dantalion ihm über die Brust und drehte eine Brustwarze zwischen zwei Fingern, bis Zamael schmerzerfüllt Luft einsog. Dantalion erkannte dank seiner Erfahrung, dass Schmerz längst nicht alles war, was ihn bewegte. Zwar wagte er nicht, direkt in Zamaels Geist einzutauchen, doch das war gar nicht nötig. Die Lust spiegelte sich in Zamaels Gesicht, war in dem leisen Keuchen hörbar, sprach aus jeder winzigen Bewegung des geschmeidigen Körpers.

„Wo ist …?“ Der Rest ging in haltlosem Stöhnen unter. Jeder Nerv in seinem Körper glühte vor Verlangen. Dantalion war klar, dass er für die nächste Zeit keine Kraft mehr hatte, nach Morten zu fragen. Erst musste er dieses Brennen in sich loswerden, damit er klar denken und handeln konnte.

„Also schön“, sagte er atemlos. „Ich gebe dir, was du willst. Und ich schwöre dir, es wird der letzte Fick deines erbärmlichen Lebens sein, wenn du mir danach nichts zu sagen hast.“

Dantalion strich mit beiden Händen über Zamaels entblößten Oberkörper nach unten, bis er am Hosenbund angekommen war. Er selbst spürte, dass seine Lederhose seine Härte schmerzhaft einengte.

„Fick mich erst, dann reden wir weiter“, raunte Zamael heiser.

Dantalion war klar, dass er Zeit schinden wollte, bis Erael Morten an einen Ort gebracht hatte, wo sie ihn nicht finden konnten. Dagegen er konnte nichts tun. Er würde sich hüten, jetzt in Zamaels Verstand einzudringen. Vielleicht wäre Schmerz der Schlüssel zu seinem Geist. Das würde er spätestens feststellen, wenn er dem Engel die erbärmlichen Eier abschnitt, nachdem Zamael sie ein letztes Mal benutzt hatte. Um ihm einen kleinen Vorgeschmack zu geben, packte Dantalion ihm hart in den Schritt und drückte brutal zu. Statt des erwarteten Aufschreis ließ Zamael ein Stöhnen hören, das eindeutig lustvoller Natur war. Auch das noch, masochistische Tendenzen! Unwillkürlich fragte sich Dantalion, ob dieser Kerl die Erfüllung all seiner feuchten Träume war. Er hörte sich selbst verlangend aufwimmern, und bevor er begriff, was er tat, war Zamaels Hose offen. Eilig zog er sie ihm bis in die Kniekehlen. Wann war er zum letzten Mal derart erregt gewesen? Er hatte häufig Sex, sogar erstklassigen, aber das hier übertrumpfte alles. Dabei war er sich sicher, dass das nicht nur von Zamaels Kraft initiiert war.

Zamael machte sich hervorragend als wehrloses Opfer auf Mortens dunklen Laken, die einen wundervollen Kontrast zu den Flügeln und der Haut abgaben. Er ließ es sich nicht nehmen, über den gefesselten Körper zu streichen, der sich unter seinen Händen anspannte. Eine Hand vergrub er in den weichen Federn von Zamaels Flügelinnenseiten und zerrte eine Handvoll davon aus seinen Flügeln. Der Schrei des Engels ließ ihn erschaudern. Die Kiele der Federn waren ebenso rot wie ihre weichen Fahnen, allerdings rot von Zamaels Blut. Eine der längeren Federn nahm er wie ein Schreibwerkzeug und malte rote Muster um eine von Zamaels Brustwarzen, was ein weiteres erregtes Stöhnen bei dem Engel auslöste. Dantalion grinste atemlos. Das war zu gut, um wahr zu sein!

„Willst du spielen oder willst du mich ficken?“, flüsterte Zamael lüstern.

Dantalion atmete scharf ein. Mit einer raschen Handbewegung öffnete er seine Hose und riss sie sich von den Beinen. Es war eine Erleichterung, seinen harten Schwanz nicht mehr von dem festen Leder eingeengt zu haben.

„Ich will beides“, antwortete er und verließ Zamael zeitweilig, um im Flur nach etwas zu suchen. Er lieh sich ein dünnes Lederband aus einem von Mortens Schuhen und band damit fachmännisch Zamaels Glied und seine Hoden ab.

Das Warten hatte Zamael nur noch ungeduldiger werden lassen. Sein Schwanz sonderte bereits erste Tropfen ab, die sich zu einem kleinen See auf seinem Bauch sammelten. Dantalion war gespannt, ob die Freude anhalten würde. Bis jetzt genoss Zamael diese Behandlung sichtlich mehr, als er sollte. Aber ihm war es egal. Er selbst würde auf jeden Fall auf seine Kosten kommen.

Grinsend warf er einen letzten Blick auf sein Kunstwerk, dann schwang er sich in einer eleganten Bewegung rittlings über Zamael, beugte sich vor, bis seine Nasenspitze fast die des Engels berührte.

„Willst du immer noch so dringend von mir gefickt werden?“, fragte er rein rhetorisch. Die Antwort irrlichterte wild in Zamaels Augen. Dantalion griff hinter sich und umfasste Zamaels abgebundene Länge, richtete sich auf und ließ sich mit einem harten Ruck auf ihm nieder. Zwar bestimmte Dantalion gern, wie es zu laufen hatte, aber er bevorzugte es dennoch, Bottom zu sein. Er liebte es einfach, einen harten Schwanz in sich zu spüren und ihn zu reiten. Trotzdem war er derjenige, der den Ton angab. Nie würde er sich jemandem unterwerfen.

Seine zierliche Gestalt führte seine Gespielen oft in die Irre und viele seiner Opfer fühlten sich überrumpelt, wenn er plötzlich die Führung übernahm. Dantalion war sich dessen voll bewusst und nutzte sein androgynes Äußeres gern aus, um Menschen und andere Dämonen auf eine falsche Spur zu locken. Und jetzt hatte er sogar einen Engel unter sich. Diese Tatsache löste einen besonderen Kick in ihm aus, sodass er sich zusätzlich verengte, in dem Wissen, dass Zamael nicht so schnell kommen konnte.

Dantalion hatte das Gefühl, seine Lust intensiver und stärker zu fühlen als sonst. War das Zamaels Fähigkeit oder lag es vielleicht daran, dass er hier ein Tabu brach? Verbindungen zwischen Dämonen und Engeln standen zwar nicht unter Strafe, solange sie die Geschäfte der eigenen Seite nicht störten, waren aber nicht unbedingt gern gesehen. Allerdings war dies hier lediglich eine ausgesprochen eigenwillige Foltermethode. Zumindest versuchte Dantalion, sich das einzureden. Wirklich gequält wirkte Zamael nicht, wie er sich unter ihm wand und sich ihm entgegen bewegte.

Doch er wusste, dass sich das sehr bald ändern würde, wenn sie erst fertig waren. Bis dahin galt es, zu genießen. Den harten Pfahl in sich, die geschmeidigen Bewegungen, die ansteigende Lust, den herrlichen Anblick des erregten Engels. All das kostete Dantalion aus, schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Er spürte die sinnlichen Regungen unter sich, hörte das willige Stöhnen, unter das sich gelegentlich sein Name mischte. Ohne in seinem Ritt innezuhalten, nahm er seinen restlichen noch funktionierenden Verstand zusammen und startete einen weiteren Versuch, Zamaels Bewusstsein zu infiltrieren. Die Verbindung stand noch nicht richtig, da riss ihn ein neuer Schub vernichtender Lust mit sich.

Nein, es hatte keinen Sinn, in Zamaels Verstand vordringen zu wollen. Zwar war er der stärkste Telepath, den die Niederhöllen zu bieten hatten, doch Zamaels Macht unterwanderte seine Kraft. Sie stieß seine niedersten, instinktivsten Triebe an, die jedes bewusste Denken und Handeln ausschalteten. Dagegen war selbst er machtlos, zumindest solange Zamael seine Konzentration beibehalten konnte.

„Oh Gott, Dantalion!“, murmelte Zamael keuchend, was bei Dantalion ein unwilliges Knurren auslöste.

„Gott hat damit rein gar nichts zu tun.“

Zamael schrie auf, als er sich zur Unterstreichung seiner Worte extra hart auf ihm niederließ und seine Muskeln fest anspannte.

Mit einem Mal drangen Ekel und Entrüstung in Dantalions herrlich erregtes Gemüt und dämpften seinen Höhenflug gewaltig. Als er sich umdrehte, entdeckte er den Ursprung dieser Störung: Erael, dieser verfluchte Zeitmanipulator.

„Nimm deine Finger von ihm!“, schrie Erael.

Dantalion konnte die Hilflosigkeit und Überforderung spüren, mit der Erael die Fäuste ballte.

„Bist du irre?“, fauchte Zamael, der anscheinend gar nicht gerettet werden wollte.

Durch diesen entsetzten Ausruf wachgerüttelt, schaffte es Dantalion, eine violette Lichtkugel entstehen zu lassen und auf Erael abzufeuern. Der konnte nicht ausweichen und sank getroffen zu Boden. Viel hatte der Kerl nicht auf dem Kasten, wenn er sich sogar von einem fast gänzlich abgelenkten Dämonen niederstrecken ließ.

Im ersten Moment glaubte Dantalion, dadurch die Lust auf die Fortsetzung verloren zu haben, doch nach einem Blick auf Zamael spürte er einen neuerlichen Schub der kaum erträglichen Hitze in sich. Dantalion stieß ein animalisch klingendes Knurren aus, biss Zamael lustvoll in den Hals. Eine Sekunde lang schwebte sein Gesicht über dem des Engels, als wollte er ihn küssen. Tatsächlich war dieses Bedürfnis sogar enorm und wuchs beständig, gleich darauf hatte er sich wieder unter Kontrolle, änderte den Kurs und senkte seine Lippen auf die weiche Haut des Halses. Küsse waren etwas Zärtliches, Intimes und Vertrautes, das er nicht mit Zamael teilen wollte.

Erael war für den Moment vergessen – er würde nicht aufwachen. Falls doch, würde er ihn sicher ein weiteres Mal überwältigen können. Dantalion fuhr fort, sich rhythmisch auf Zamael zu bewegen und sie beide in einen Strudel grenzenloser Lust zu treiben.

Sein Ritt auf Zamaels Schoß wurde zunehmend härter. Zamael stöhnte sinnlich unter ihm und versuchte, seine Stöße zu kontern. Es war ein Fest für alle Sinne, die ihm allerdings langsam aber sicher schwanden. Sein Geist wurde überspült mit einer Ekstase, die selbst ihm fremd war, obwohl er bisher jede Menge Sex mit unterschiedlichsten Partnern gehabt hatte. Es ging so weit, dass er begann, die Kontrolle zu verlieren und sich selbst zu streicheln, während er sich auf Zamaels Schwanz pfählte.

Unter halb gesenkten Lidern hervor beobachtete Dantalion, wie Zamaels Gesichtsausdruck verführerischer und weicher wurde.

„Ich will dich anfassen, Dantalion“, hauchte er rau. „Mach mich los.“

Oh ja, er wollte so dringend berührt werden, er hielt es kaum aus. Es zählte ausschließlich diese allumfassende, gleißende und verzehrende Lust, die ihn beherrschte und seine Hände an Zamaels Fesseln führte.

Während seine Finger mit den komplizierten Knoten beschäftigt waren und Dantalion sich auf das konzentrieren musste, was er tat, lichtete sich sein Denken ein wenig. Er wurde misstrauisch. Es war nicht normal für ihn, derart hingerissen von jemandem zu sein, mit dem er das Bett teilte. Zwar hatte er nie zuvor einen Engel unter sich gehabt, trotzdem blieb es außergewöhnlich, dass er sich so gehen ließ.

Als er die zweite Fessel gelöst und Zamael somit zumindest die Hände freihatte, griff Dantalion in dessen Geist und nistete sich dort ein, um jederzeit einschreiten zu können, sollte er einen Fluchtversuch oder Ähnliches starten. Allerdings blieb er dabei an der Oberfläche, um nicht von der Lust übermannt zu werden, die Zamael ihm entgegensetzte. Jetzt war ohnehin alles zu spät, sie trieben es ja längst wild miteinander.

Er griff nach Zamaels Hand, um sie an seinen hoch aufgerichteten Schwanz zu legen.

„Dann fass mich an!“, raunte er lüstern und stöhnte auf, als die kühlen Finger sein hartes Fleisch zu massieren begannen.

„Dein Wunsch ist mir Befehl“, flüsterte Zamael, während er sein Geschlecht langsam rieb, entgegen dem harten Rhythmus, mit dem Dantalion sich auf ihm bewegte.

Bald wusste Dantalion nicht mehr, wo er sich befand. Er spürte sein eigenes schier unstillbares Verlangen und das Zamaels, dem es nicht anders zu gehen schien, hörte die mentalen Lobpreisungen auf seinen schlanken Körper. Dieses unglaubliche Begehren, die Gier nach Erlösung wurde zu mächtig und entriss ihm jegliche Kontrolle. Im Augenblick eines überwältigenden Höhepunkts, der ihn mit brachialer Gewalt mit sich riss, vernahm er kurz Zamaels Absicht, ihn zu töten. Ehe er dagegen steuern konnte, schnellte Zamael nach oben und packte seinen Hals mit beiden Händen.

Der Engel war stark, in seiner Körperkraft war er ihm klar überlegen. Dantalion versuchte, die Hände von sich zu zerren, doch es hatte keinen Sinn. Obwohl er brutal gewürgt wurde, durchfluteten ihn die Glückshormone seines Höhepunkts, die dadurch bestärkt wurden, dass Zamael sich ihm entgegen bog und sich in ihm ergoss. Schwarze Punkte tanzten vor Dantalions Sichtfeld. Ironischerweise durchzuckte ihn der Gedanke, dass das nicht die schlechteste Art zu sterben war. Zum ersten Mal verstand er, was den Lustgewinn beim Choking ausmachte. In die schwarzen Sterne, die vor seinen Augen kreiselten, mischte sich ein grellgrüner, schwoll an und wischte an ihm vorbei auf Zamael zu. Den Schrei, den Zamael diesmal ausstieß, hörte Dantalion wie durch Watte und beobachtete irritiert, wie der Engel rückwärts auf die Matratze geschleudert wurde.

Seere stand hinter ihm wie ein Rachegott, eine weitere gleißend grüne Kugel auf Erael abfeuernd, der reglos auf dem Boden lag. Die langen, knallroten Haare schwangen bei seinem ungläubigen Kopfschütteln mit.

Genauso zornig zuckte sein Dämonenschwanz hin und her. Als er von den Engeln keine Gefahr mehr zu erwarten schien, wandte er sich Dantalion zu. Seere war nicht besonders sanft zu ihm, er zerrte ihn grob von Zamael herunter.

„Was zur Hölle tust du?“, fauchte er. „Ich dachte, gerade du kennst ihn und weißt, wozu dieser Kerl in der Lage ist! Bist du vollkommen übergeschnappt? Eine Minute später und du wärst tot gewesen!“

Dantalion sank in sich zusammen.

„Ich wollte doch nur ...“, sagte er, brach ab und biss sich auf die Unterlippe. Es war sicher keine gute Idee, Seere gerade jetzt zu erzählen, dass die Engel seinen Freund entführt hatten. Seere war bis in die Haarspitzen mit dämonischer Energie angefüllt. Kaum auszudenken, was er anstellen mochte, wenn er loszog, um Morten zu befreien. Es würde den fragilen Frieden gefährden, auf den Engel und Dämonen sich geeinigt hatten. Sie konkurrierten miteinander um die Menschen und ihre Geschicke, aber sie ließen sich gegenseitig in Ruhe. Zumindest offiziell. Mortens Entführung war ohne Frage ein gefährlicher Stich in ein Wespennest.

Was wäre geschehen, wäre er nicht zufällig hier gewesen? Auf der anderen Seite hatte er nichts gegen Mortens Entführung tun können.

„Was tun zwei Engel hier und wo ist Morten?“, fragte Seere kalt.

Dantalion senkte gequält die Lider, als ihn das Schuldgefühl übermannte. Seeres Hände gruben sich hart in seine Oberarme, er forderte eine Antwort.

„Es ... tut mir leid. Ich ... Sie waren zu zweit. Ich konnte nichts tun. Ich wollte Zamael verhören, da kam er dazu und ...“

Dantalion verstummte, als Seeres urangrüne Iriden zornig aufleuchteten und für den Bruchteil einer Sekunde sogar dämonisch rot wurden.

„Zieh dich an. Von hier an übernehme ich“, befahl Seere, obwohl ihm das eigentlich nicht zustand. Sie waren gleichgestellte Kollegen. Dennoch gehorchte Dantalion ihm ausnahmsweise. Er war zu entkräftet und zu sehr von seinem schlechten Gewissen geplagt.

Er sah zu, wie Seere in Eraels lange Haare griff und den Bewusstlosen spielend leicht daran in die Höhe zerrte. Seere streckte die freie Hand aus, die Handfläche nach oben, seine Augen leuchteten für eine Sekunde wild auf. Ein schwarzer Dolch mit geflammter Klinge erschien aus dem Nichts in seiner Hand.

„Erael!“ Seeres Ton jagte eine Gänsehaut über Dantalions Rücken. Er hatte Seere oft wütend erlebt, aber sobald es um Morten ging, kannte Seere weder Gnade noch Grenzen.

„Erael! Wach auf!“

Matt ächzend blinzelte Erael und wandte den Kopf in Seeres Richtung. Dantalion beobachtete, wie er die Lage zu begreifen versuchte, und erkannte den Moment, in dem seine Situation in seinem Denken einschlug. Diesen Augenblick nutzte Dantalion, um ihn mental zu infiltrieren. Es dauerte knapp fünf Sekunden, bis er wusste, wo Morten war, doch er zog sich nicht aus Eraels Geist zurück. Eraels Gedankenströme waren so warm und friedlich, wie es Dantalion bisher selten erlebt hatte. Das hatte nichts mit den bewussten Gedanken zu tun, die sich wild in Eraels Kopf überschlugen und allesamt von Zorn, Angst und Hass erfüllt waren. Die Ströme konnte man nicht beeinflussen, sie waren wie eine Aura, die den Verstand umgab und die jeweilige Persönlichkeit reflektierte. Erst als Seere ein scharfes „Dante!“ ausstieß, löste er die Verbindung, atmete durch und fokussierte seine Aufmerksamkeit auf Seere.

„Morten ist im Haus der Engel.“

„Halt den Kleinen fest“, befahl Seere, warf das schwarze Messer zu Dantalion und schubste Erael in seine Arme.

Dantalion reagierte instinktiv und sofort. Einen Arm schlang er ihm um die Brust, mit seiner Waffenhand hielt er ihm das Messer an die Kehle. Das fiel ihm leicht, schließlich kniete Erael auf dem Boden, während er sich hinter ihm befand. Hätte Erael aufrecht gestanden, hätte er das nicht gekonnt, denn Erael war gut einen Kopf größer als er selbst.

Genau das gleiche hast du mit Morten gemacht, wage ich mich zu erinnern, raunte er in Eraels Geist.