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Die Würfel sind gefallen – der mächtigste Feldherr der Antike überschreitet den Rubikon … und wird zur Legende. 54 v. Chr.: Kein Mann in der Geschichte Roms war je so verehrt und so gefürchtet wie Julius Caesar. Nach der Invasion Britanniens und inmitten zahlreicher Schlachten in Gallien scheint er wahrlich unbesiegbar und unzählige Männer lassen ihre Leben für seine glorreichen Siege. Doch in den Straßen Roms wächst das Misstrauen gegenüber seinem Machthunger und im Senat brodelt es. Um seine Stärke zu demonstrieren, überquert Caesar den Rubikon mit all seinen bewaffneten Truppen – und zieht gen Rom. Doch einer steht ihm noch entgegen: sein engster Freund und verbittertster Feind Pompeius … Dieser letzte Kampf wird sein Schicksal entscheiden: gewinnt Caesar die Alleinherrschaft – oder steht ihm der Tod bevor? Das fesselnde Finale der »Masters of Rome«-Reihe von Bestsellerautorin Colleen McCullough – ein Muss für Fans von Robert Fabbri und Simon Scarrow!
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Seitenzahl: 1302
Veröffentlichungsjahr: 2025
Über dieses Buch:
54 v. Chr.: Kein Mann in der Geschichte Roms war je so verehrt und so gefürchtet wie Julius Caesar. Nach der Invasion Britanniens und inmitten zahlreicher Schlachten in Gallien scheint er wahrlich unbesiegbar und unzählige Männer lassen ihre Leben für seine glorreichen Siege. Doch in den Straßen Roms wächst das Misstrauen gegenüber seinem Machthunger und im Senat brodelt es. Um seine Stärke zu demonstrieren, überquert Caesar den Rubikon mit all seinen bewaffneten Truppen – und zieht gen Rom. Doch einer steht ihm noch entgegen: sein engster Freund und verbittertster Feind Pompeius … Dieser letzte Kampf wird sein Schicksal entscheiden: gewinnt Caesar die Alleinherrschaft – oder steht ihm der Tod bevor?
Über die Autorin:
ColleenMcCullough (1937-2015) wurde in Wellington geboren und wuchs in Sydney auf. Nach einem Studium der Neurologie arbeitete sie in verschiedenen Krankenhäusern in Australien und England, bevor sie einige Jahre nach Amerika ging, um an der Yale University zu forschen und zu lehren. Hier entdeckte sie auch ihre Liebe zum Schreiben, wobei ihre ersten beiden Romane direkt zu internationalen Bestsellern aufstiegen.
ColleenMcCullough veröffentlichte bei dotbooks Ihre Romane »Die Frauen von Missalonghi« und »Die Stadt der Hoffnung«. Außerdem erschien von der Autorin das mitreißende Historienepos »Masters of Rome« mit den Einzeltiteln »Adler des Imperiums«, »Die Krone der Republik«, »Günstlinge der Götter«, »Das Blut des Spartacus«, »Caesars Frauen«, »Tochter des Adlers« und »Die Wasser des Rubikon«.
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eBook-Neuausgabe Mai 2025
Die englische Originalausgabe erschien erstmals 1997 unter dem Originaltitel »Caesar – Let the Dice Fly« bei William Morrow & Co., New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 1998 unter dem Titel »Rubikon« bei C. Bertelsmann Verlag GmbH, München
Copyright © der englischen Originalausgabe 1997 bei ColleenMcCullough
Copyright © der deutschen Erstausgabe Ausgabe 1998 bei C. Bertelsmann Verlag GmbH, München
Copyright © der Neuausgabe 2025 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von AdobeStock/Mr. Bolota
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ma)
ISBN 978-3-98952-748-5
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ColleenMcCullough
Die Wasser des Rubikon
Masters of Rome 7
Aus dem Englischen von Andrea Kann, Gaby Wurster und Wolfram Ströle
dotbooks.
Widmung
BRITANNIEN November 54 v. Chr.
Kapitel 1
Kapitel 2
DAS LAND DER LANGHAARIGEN GALLIER (Gallia Comata) Dezember 54 v. Chr. bis November 53 v. Chr.
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
ROM Januar bis April 52 v. Chr.
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
GALLIA CISALPINA, GALLIA NARBONENSIS UND DAS LAND DER LANGHAARIGEN GALLIER Januar bis Dezember 52 v. Chr.
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
DAS LAND DER LANGHAARIGEN GALLIER Januar bis Dezember 51 v. Chr.
Kapitel 15
ROM Januar bis Dezember 50 v. Chr.
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
DER RUBIKON 1. Januar bis 5. April 49 v. Chr.
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
DER WESTEN, ITALIA, ROM UND DER OSTEN 6. April 49 v. Chr. bis 29. September 48 v. Chr.
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Lesetipps
Für Joseph Merlino, gütig, weise und integer,
einen wahrhaft guten Menschen.
Caesar hatte angeordnet, daß ihm, solange er mit dem Hauptteil seiner Armee in Britannien weilte, nur die allerdringendsten Mitteilungen nachgeschickt werden sollten. Sogar Weisungen des Senats hatten in Portus Itius auf dem gallischen Festland zu warten, bis Caesar von seiner zweiten Expedition zu der Insel am westlichen Ende der Welt zurückkehrte, einem ähnlich geheimnisumwitterten Ort wie das ferne Serica.
Doch dies war ein Brief von Pompeius dem Großen, dem Ersten Mann in Rom – und Caesars Schwiegersohn. Gaius Trebatius von Caesars Kanzlei, der den kleinen roten Lederzylinder mit Pompeius’ Siegel in Empfang nahm, steckte ihn deshalb nicht in eines der Fächer, wo die übrige Post auf Caesars Rückkehr wartete. Statt dessen hievte er sich ächzend auf die Füße, die wie seine Knöchel rundlich und gut gepolstert waren, da er den weitaus größten Teil seines Lebens sitzend oder essend verbrachte, und trat durch die Tür in die Siedlung hinaus, die auf den Überresten des Heerlagers vom letzten Jahr errichtet worden war. Wahrlich kein schöner Ort! Endlose Reihen hölzerner Häuser, Straßen aus gestampfter Erde, dazwischen vereinzelt Läden. Rechtwinklig, schnurgerade, baumlos.
Wenn das Rom wäre, dachte er, als er die lange Via Principalis entlangmarschierte, würde ich eine Sänfte rufen und mich ganz bequem tragen lassen. Leider gab es in Caesars Lagern keine Sänften, also mußte Gaius Trebatius, der junge, überaus vielversprechende Anwalt, laufen. Wie sehr er doch beides verabscheute, das Laufen und ein System, in dem er mehr für seine verheißungsvolle Karriere tat, wenn er einem Soldaten im Feld diente, als wenn er zu Fuß oder per Sänfte über das Forum Romanum flanierte. Er wagte nicht einmal, die Weiterbeförderung der Schriftrolle an einen Untergebenen zu delegieren. Caesar bestand so pedantisch genau darauf, daß man jede Lappalie persönlich erledigte, wenn auch nur die geringste Chance bestand, daß man sonst etwas versaute, wie die Soldaten in ihrer primitiven Art sagten.
Aber wie lästig es war, wie lästig! Trebatius wollte schon wieder umkehren, doch dann steckte er die linke Hand in die Falten seiner über die linke Schulter drapierten Toga, hob gewichtig das Kinn und watschelte weiter. Da vorn lehnte, die Zügel eines geduldigen Pferdes um den Ellbogen geschlungen, Titus Labienus an der Wand seines Hauses und sprach mit einem hünenhaften, mit Gold und grellbunten Kleidern behängten Gallier. Mit Litaviccus, dem kürzlich ernannten Anführer der Reiterei der Haeduer. Die beiden bejammerten wahrscheinlich immer noch das Schicksal von Litaviccus’ Vorgänger, der lieber geflohen war, als Caesar über das wogende Meer nach Britannien zu folgen. Und dafür dann von Titus Labienus erschlagen worden war. Ein bizarrer, fremdländischer Name – wie hatte er gleich geheißen? Dumnorix. Dumnorix ... Konnte es sein, daß dieser Name mit einem Skandal um Caesar und eine Frau zu tun hatte? Leider war Gaius Trebatius noch nicht lange genug in Gallien, um über alles genau informiert zu sein.
Bezeichnend für Labienus, daß er lieber mit einem Gallier sprach. Er war ein Barbar durch und durch! Kein Römer, o nein. Dichte, schwarze Locken, dunkle, fettige Haut mit großen Poren, kalt und böse funkelnde schwarze Augen und eine semitische Nase, krumm und mit Nasenlöchern, die aussahen, als hätte man sie mit dem Messer vergrößert. Ein Adler, jawohl, Labienus war ein Adler. Er gehörte unter die Standarten.
»Ein wenig Fett abschwitzen, Trebatius?« fragte der barbarische Römer und entblößte grinsend Zähne so groß wie die eines Pferdes.
»Ich gehe zum Hafen«, erwiderte Trebatius würdevoll.
»Warum?«
Am liebsten hätte Trebatius Labienus gesagt, daß ihn das überhaupt nichts angehe. Doch Labienus war der Stellvertreter des abwesenden Feldherrn, also lächelte er säuerlich und sagte: »Ich hoffe, das Nagelboot ist noch nicht abgefahren. Ein Brief für Caesar.«
»Von wem?«
Der Gallier Litaviccus folgte dem Gespräch mit aufmerksamen Augen. Also verstand er Latein. Nicht ungewöhnlich bei den Haeduern, sie standen schon seit Generationen unter der Herrschaft Roms.
»Gnaeus Pompeius Magnus.«
»Aha!« Labienus räusperte sich und spuckte aus, eine Angewohnheit, die er in zu vielen Jahren freundschaftlichen Umgangs mit den Galliern angenommen hatte. Abscheulich.
Doch hatte Labienus, sobald Pompeius’ Name fiel, das Interesse verloren und wandte sich mit einem Schulterzucken wieder Litaviccus zu. Ach ja, richtig! Labienus hatte eine Affäre mit Pompeius’ damaliger Frau Mucia Tertia gehabt, zumindest hatte Cicero das kichernd versichert. Nach der Scheidung hatte Mucia dann doch nicht Labienus geheiratet. Nicht gut genug. Stattdessen hatte sie den jungen Scaurus genommen. Zumindest war er damals jung gewesen.
Schnaufend marschierte Trebatius weiter, bis er durch das Tor am Ende der Via Principalis das Dorf Portus Itius betrat. Ein großer Name für ein Fischerdorf. Wie hieß es eigentlich bei den Morinern, den Galliern, auf deren Gebiet es lag? Caesar hatte es einfach als »Ende der Reise« in die Bücher der Armee eingetragen – oder »Anfang der Reise«, wie man wollte.
Der Schweiß floß Trebatius in Strömen den Nacken hinunter und tränkte die feine Wolle seiner Tunika. Man hatte ihm gesagt, im jenseitigen Gallien sei das Wetter mild und angenehm kühl, aber nicht in diesem Jahr! Drückend heiß war es und schwül, und ganz Portus Itius stank nach Fisch. Und nach Galliern. Er haßte sie, und er haßte seine Arbeit. Und wenn er vielleicht auch nicht Caesar haßte, so doch beinahe Cicero, der sich dafür eingesetzt hatte, seinem lieben Freund Gaius Trebatius Testa die allseits heißbegehrte Stelle zu verschaffen.
Portus Itius hatte nichts gemein mit den malerischen kleinen Fischerdörfern an der Küste des tyrrhenischen Meeres mit ihren von Weinlaub beschatteten Schenken, Dörfern, in denen man das Gefühl hatte, daß es sie gab, seit König Aeneas vor tausend Jahren von Troja kommend dort an Land gegangen war. In denen man sang, lachte, einander nah war. Während es hier nur Wind und Sand gab, Büschel ledrigen Grases auf den Dünen und das dünne, wilde Klagegeschrei Tausender von Möwen.
Doch da lag noch die schlanke, rudergetriebene Pinasse, die Trebatius vor der Abfahrt hatte erreichen wollen. Geschäftig lud die römische Besatzung das letzte eines Dutzends kleiner, mit Nägeln gefüllter Fässer ein, welche die gesamte Fracht des Bootes darstellten – das auch gar nicht mehr hätte befördern können.
Für Britannien schien Caesars sagenhaftes Glück nicht zu gelten. Bereits im zweiten Jahr hintereinander waren seine Schiffe von einem Sturm zerstört worden, der schrecklicher gewütet hatte als jeder Sturm, der je das Meer vor Rom heimgesucht hatte. Dabei war Caesar diesmal überzeugt gewesen, einen sicheren Platz für seine achthundert Schiffe gefunden zu haben! Doch der Wind und die Gezeiten – eine merkwürdige Erscheinung – hatten die Schiffe durcheinandergewirbelt wie Spielzeug. Alle kaputt. Doch Caesar ließ einfach nur die Trümmer einsammeln und die Schiffe instandsetzen. Weder Zeit noch Personal ließen aufwendige Reparaturen zu, die Armee mußte vor Wintereinbruch wieder in Gallien sein.
»Nagelt sie zusammen!« hatte Caesar gesagt. »Sie brauchen nur dreißig Meilen über den Oceanus Atlanticus zu fahren, dann können sie meinetwegen untergehen.«
Günstig für die Kanzlei war, daß die Pinasse, die mit zwölf Nagelfässern zwischen Portus Itius und Britannien hin- und herruderte, auch Post mitnehmen konnte.
Zu denken, daß auch ich da drüben sein könnte, sagte Trebatius zu sich und erschauerte trotz der schwülen Hitze und seiner schweren Toga. Caesar hatte einen guten Mann für die Schriftarbeit gebraucht und ihn schon für die Expedition aufgestellt. Erst im letzten Moment hatte plötzlich Aulus Hirtius gehen wollen, mochten die Götter ihm dafür in alle Ewigkeit gewogen sein!
Das Boot hatte heute einen Passagier. Trebatius wußte, wer der Gallier oder genauer Brite war, da er und Trogus die Reise organisiert hatten. Mandubracius, König der britannischen Trinobanten, durfte als Dank für die Hilfe der Trinobanten zu seinem Volk zurückkehren. Der König war eine schauerliche Erscheinung. Seine sämtlichen Kleider waren in Moosgrün und düsteren Blautönen kariert und kaum zu unterscheiden von seiner mit einem verschlungenen Muster aus blauer Farbe bedeckten Haut. Die Briten, hatte Caesar gesagt, tarnten sich damit in ihren tiefen Wäldern; man konnte wenige Meter vor einem stehen und ihn trotzdem nicht sehen. Und sie machten einander damit in der Schlacht Angst.
Trebatius übergab den kleinen, roten Zylinder dem – Kapitän? – sagte man so? – und machte sich auf den Rückweg in sein Büro. Das Wasser lief ihm auf einmal im Mund zusammen, als ihm der Gänsebraten einfiel, der ihn zum Mittagessen erwartete. Viel ließ sich nicht zugunsten der Moriner sagen, aber ihre Gänse waren die besten der Welt. Die Moriner mästeten sie mit Schlangen, Schnecken und Brot und ließen die armen Geschöpfe so lange durch die Gegend marschieren – marschieren! –, bis ihr Fleisch so zart war, daß es im Mund zerfiel.
Die Besatzung der Pinasse ruderte in perfektem Einklang, obwohl ihr kein hortator den Rhythmus vorgab. Alle Stunde machten die Männer Pause und tranken einen Schluck Wasser, dann beugten sie wieder die Rücken und stemmten die Füße gegen die Querstreben im Spritzboden des Bootes. Der Kapitän saß am Heck mit dem Steuerruder und einem Schöpfeimer und teilte seine Aufmerksamkeit geschickt zwischen beidem.
Als die steil aufragenden, weißen Felsen Britanniens näherkamen, wurde König Mandubracius, der steif und stolz am Bug saß, noch steifer und stolzer. Er kehrte heim, obwohl er nicht weiter weg gewesen war als in der belgischen Festung Samarobriva, wo man ihn zusammen mit anderen Geiseln festgehalten hatte, bis Caesar über einen sicheren Aufbewahrungsort entschied.
Das römische Heer hatte in Britannien einen ausgedehnten Sandstrand besetzt, der landeinwärts in die cantischen Marschen überging. Die zerstörten Schiffe – unzählig viele! – lagen oberhalb des Strandes, auf Pfähle gestützt und umgeben von den gewaltigen Verteidigungsanlagen eines römischen Feldlagers. Gräben, Wälle, Palisaden, Brustwehren, Türme und Schanzen schienen sich viele Meilen weit zu erstrecken.
Der Lagerkommandant Quintus Atrius empfing sie und nahm die Nägel, den kleinen, roten Zylinder von Pompeius und König Mandubracius entgegen. Es würde immer noch einige Stunden hell sein; der Sonnenwagen fuhr in diesem Teil der Welt viel langsamer über den Himmel als in Italia. Auch einige Trinobanten erwarteten sie. Außer sich vor Freude, ihren König wiederzusehen, schlugen sie ihm auf den Rücken und küßten ihn, wie es bei ihnen Brauch war, auf den Mund. Der König und Pompeius’ Zylinder sollten sofort weiterbefördert werden, denn bis zu Caesar waren es noch einige Tage. Pferde wurden gebracht, und die Trinobanten und ein römischer Reiterpräfekt schwangen sich in den Sattel und ritten durch das Nordtor. Dort schlossen sich ihnen fünfhundert Reiter der Haeduer an und nahmen sie in die Mitte einer fünf Pferde breiten und hundert Pferde langen Kolonne. Der Präfekt sprengte an die Spitze der Kolonne, so daß der König und seine Gefolgsleute sich ungestört unterhalten konnten.
»Man weiß nie, ob sie nicht eine ähnliche Sprache sprechen und uns verstehen«, sagte Mandubracius und sog die feuchtwarme Luft genußvoll ein. Sie roch nach Zuhause.
»Caesar und Trogus ja, aber gewiß nicht die anderen«, sagte sein Vetter Trinobellunus.
»Man weiß nie«, wiederholte der König. »Sie sind jetzt seit fast fünf Jahren in Gallien und davon die meiste Zeit unter Belgen. Sie haben Frauen.«
»Huren! Soldatenprostituierte!«
»Frauen sind Frauen. Sie reden ununterbrochen, und die Worte sinken ins Bewußtsein.«
Der große Eichen- und Buchenwald nördlich der cantischen Marschen wurde immer dichter, und die ausgetretene Spur, der die Reiterkolonne folgte, verlor sich in der Ferne in der einbrechenden Dämmerung. Die Soldaten der Haeduer blickten mit erhöhter Aufmerksamkeit um sich, hoben die Lanzen, legten die Hand an ihre Schwerter und hoben ihre kleinen Rundschilde vor die Brust. Nach einer Weile kamen sie auf eine große Lichtung, die einmal ein Weizenfeld gewesen war. Aus der braunen Ödnis ragten die verkohlten Gerippe einiger Häuser.
»Haben die Römer das Getreide bekommen?« fragte Mandubracius.
»Im Gebiet der Cantier alles.«
»Und Cassivellaunus?«
»Hat alles verbrannt, was er nicht ernten konnte. Nördlich der Tamesa hungern die Römer.«
»Und wir?«
»Wir haben genug. Die Römer haben bezahlt, was sie von uns genommen haben.«
»Dann laß uns dafür sorgen, daß sie als nächstes das essen, was Cassivellaunus in seinen Speichern hat.«
Trinobellunus wandte ihm den Kopf zu, und die blauen Kringel und Spiralen auf seinem Gesicht und seiner nackten Brust leuchteten im goldenen Licht der Abendsonne, die tief über der Lichtung stand, gespenstisch auf. »Als wir Caesar baten, dich zurückkehren zu lassen, haben wir ihm unser Wort gegeben, daß wir ihm helfen würden. Doch einem Feind zu helfen bringt keine Ehre. Wir haben beschlossen, die Entscheidung dir zu überlassen, Mandubracius.«
Der König der Trinobanten lachte. »Selbstverständlich helfen wir Caesar! Das Land der Cassier ist groß, und wenn Cassivellaunus stürzt, gehört ihr Vieh uns. Wir lassen die Römer für uns arbeiten.«
Der römische Präfekt kam angetrabt. Sein Pferd tänzelte und schnaubte ungeduldig, da sie nur langsam ritten. »Nicht weit vor uns kommt ein Lager, das Caesar zurückgelassen hat«, sagte er langsam im Belgisch der Atrebaten.
Mandubracius sah seinen Vetter mit erhobenen Augenbrauen an. »Was habe ich dir gesagt?« An den Römer gewandt, fuhr er fort: »Ist das Lager intakt?«
»Alles zwischen hier und der Tamesa ist intakt.«
Die Tamesa, der größte Fluß Britanniens, war tief, breit und wasserreich, doch gab es dort, wo die Gezeiten sich nicht mehr bemerkbar machten, eine Furt. Am nördlichen Ufer begann das Gebiet der Cassier, doch waren weder an der Furt noch auf den verbrannten Feldern jenseits davon Angehörige dieses Stammes zu sehen. Die Reiterkolonne hatte im Morgengrauen die Furt durchquert und ritt dann in nordöstlicher Richtung durch hügeliges Land, dessen Anhöhen mit kleinen Wäldchen besetzt waren, während die Täler als Acker- oder Weideland genutzt wurden. Rund vierzig Meilen später erreichten die Reiter das Gebiet der Trinobanten. Dort im Grenzland stand auf einem breiten Bergrücken Caesars Lager, die letzte römische Bastion im fremden Land.
Mandubracius war dem großen Mann nie persönlich begegnet. Er war zwar auf Verlangen Caesars als Geisel nach Samarobriva geschickt worden, hatte bei seiner Ankunft aber feststellen müssen, daß Caesar im italischen Gallien jenseits der Alpen weilte, eine Ewigkeit entfernt. Von dort war Caesar direkt nach Portus Itius marschiert, um unverzüglich überzusetzen. Ein ungewöhnlich heißer Sommer hatte sich angekündigt, ein gutes Vorzeichen für die Überquerung der tückischen Meerenge. Doch nichts war nach Plan verlaufen. Die Treverer suchten die Germanen jenseits des Rheins für ein Bündnis zu gewinnen, und die beiden obersten Magistraten der Treverer, die Vergobreten, waren untereinander zerstritten. Der eine, Cingetorix, hielt es für besser, sich dem römischen Diktat zu beugen, während Indutiomarus einen Aufstand mit Hilfe der Germanen während Caesars Abwesenheit in Britannien für die beste Lösung hielt. Doch dann war Caesar, wie immer in einer für Gallier unglaublichen Schnelligkeit, mit vier Legionen in leichter Marschordnung aufgetaucht. Zum Aufstand kam es nicht mehr, und die beiden Vergobreten mußten einander die Hand geben. Caesar nahm weitere Geiseln, darunter Indutiomarus’ Sohn, und marschierte nach Portus Itius zurück. Fünfundzwanzig Tage ohne Unterbrechung blies dort ein heftiger Wind aus Nordwest. Schließlich machte noch der Haeduer Dumnorix Schwierigkeiten – wofür er mit dem Leben bezahlte –, so daß der große Mann reichlich verstimmt war, als seine Flotte mit zweimonatiger Verspätung endlich die Überfahrt antrat.
Er war auch jetzt noch verstimmt, wie seine Legaten genau wußten, doch als er heraustrat, um Mandubracius zu begrüßen, merkte ihm das niemand an, der nicht täglich mit ihm zu tun hatte. Ungewöhnlich groß für einen Römer, sah er Mandubracius in die Augen, ohne den Kopf heben zu müssen. Doch war er schlanker, ein graziler Mann mit den ausgeprägten Wadenmuskeln offenbar aller Römer – vom vielen Laufen und Marschieren, wie die Römer sagten. Er trug einen einfachen Lederpanzer mit einem Rock aus Lederstreifen und anstelle von Schwert und Dolch kunstvoll verknotet und über den Panzer geschlungen die scharlachrote Schärpe als Zeichen seines hohen Imperiums. Er war hell wie ein Gallier! Dünne, blaßgoldene Haare, vom Scheitel nach vorn gekämmt, Augenbrauen von derselben Farbe, die Haut wettergegerbt wie altes Pergament, der Mund voll, sinnlich und humorvoll, die Nase lang und höckerig. Doch am aufschlußreichsten, dachte Mandubracius, waren seine Augen: blaßblau mit einem dünnen schwarzen Rand und durchdringend, weniger kalt als allwissend. Caesar wußte genau, welche Hilfe er von den Trinobanten erwarten konnte, dachte der König.
»Ich heiße dich nicht in deinem eigenen Land willkommen, Mandubracius«, sagte Caesar in gutem Atrebatisch, »aber ich hoffe, du heißt mich willkommen.«
»Von Herzen, Gaius Julius.«
Caesar lachte und zeigte dabei seine guten Zähne. »Nein, nur Caesar«, sagte er. »Man kennt mich überall als Caesar.«
Auf einmal stand Commius neben ihm, grinste Mandubracius an und trat vor, um ihm herzhaft auf die Schulter zu schlagen. Als Commius ihn allerdings auf die Lippen küssen wollte, wandte Mandubracius den Kopf ab, gerade so viel, daß der Kuß unmöglich wurde. Wurm! Marionette der Römer! Schoßhund Caesars! König der Atrebaten, aber Verräter aller Gallier. Tat alles, was Caesar verlangte. Commius hatte ihn Caesar als geeignete Geisel empfohlen, so wie er auch Zwietracht unter den britannischen Königen gesät und bewirkt hatte, daß Caesar im Land Fuß fassen konnte.
Auch der Reiterpräfekt stand da, in der ausgestreckten Hand den roten Lederzylinder, mit dem der Kapitän der Pinasse so sorgsam umgegangen war, als sei er ein Geschenk der römischen Götter. »Von Gaius Trebatius«, sagte der Präfekt, salutierte und trat zurück, den Blick unverwandt auf Caesars Gesicht gerichtet.
Bei Dagda, wie sie ihn lieben!, dachte Mandubracius. Also stimmt, was man in Samarobriva sagt; sie würden für ihn ihr Leben geben, und er weiß es und nutzt es aus. Denn Caesar lächelte den Präfekten als einzigen an und sprach ihn mit Namen an. Der Präfekt würde die Erinnerung daran wie einen Schatz aufbewahren und später einmal seinen Enkeln davon erzählen, wenn er welche hatte. Commius dagegen liebte Caesar nicht, weil kein Gallier aus Gallia Comata Caesar lieben konnte. Commius liebte nur sich selbst. Was wollte er eigentlich? König von ganz Gallien werden, sobald Caesar endgültig nach Rom zurückkehrte?
»Wir unterhalten uns später noch beim Essen, Mandubracius«, sagte Caesar, hob den kleinen roten Zylinder zum Abschied und ging auf das stabile Lederzelt zu, das auf einer künstlichen Anhöhe inmitten des Lagers stand. Über dem Zelt wehte knatternd die scharlachrote Fahne des Feldherrn.
Die Annehmlichkeiten im Zelt unterschieden sich kaum von denen im Quartier eines jungen Militärtribunen: einige Klappstühle und -tische, ein Gestell mit Fächern für Schriftrollen, das in Sekundenschnelle zerlegt werden konnte. An einem der Tische saß, den Kopf über einen Kodex gebeugt, Caesars Privatsekretär Gaius Faberius. Caesar war es leid gewesen, die Schriftrollen immer mit beiden Händen oder zwei Briefbeschwerern aufhalten zu müssen, und hatte die Rolle deshalb durch einzelne Blätter fannianischen Papyrus’ ersetzt; die Blätter wurden dann auf seine Anweisung am linken Rand zusammengenäht, so daß man das vollständige Werk durch Umblättern der einzelnen Bögen lesen konnte. Das Produkt nannte er Kodex, und er war felsenfest davon überzeugt, daß dessen Inhalt eher gelesen würde als der einer Rolle. Um das Lesen weiter zu erleichtern, gliederte er den Text in drei Spalten, statt quer über die ganze Seite zu schreiben. Ursprünglich gedacht für seine Nachrichten an den Senat, den er für einen Haufen Faulenzer und Analphabeten hielt, hatte er den handlichen Kodex nach und nach auch für den anderen Schriftverkehr übernommen. Der Kodex hatte nur einen gravierenden Nachteil, der verhinderte, daß er die Rolle ganz verdrängte: Wurde er viel gelesen, rissen die einzelnen Blätter leicht heraus und gingen verloren.
An einem anderen Tisch saß Caesars treuester Gefolgsmann Aulus Hirtius. Von niederer Geburt, aber beträchtlichen Fähigkeiten, hatte er sich entschlossen an die Fersen des aufsteigenden Caesar geheftet. Er war klein und flink und liebte den kriegerischen Kampf gleichermaßen wie den Kampf durch Berge von Papier. Er leitete Caesars Kanzlei für den Schriftverkehr mit Rom und stellte sicher, daß der Feldherr auch vierzig Meilen nördlich der Tamesa am westlichen Ende der Welt buchstäblich alles wußte, was in Rom vorging.
Die beiden Männer blickten auf, als der Feldherr eintrat, doch sie lächelten nicht. Schließlich war der Feldherr verstimmt, obwohl es in diesem Augenblick nicht so schien, denn er lächelte ihnen zu und hob den roten Lederzylinder.
»Ein Brief von Pompeius«, sagte er und trat zu dem einzigen wirklich schönen Möbelstück im Raum, dem elfenbeinernen Amtsstuhl, der ihm seinem Rang entsprechend zustand.
»Du wirst alles, was drinsteht, schon wissen«, sagte Hirtius, diesmal mit einem Lächeln.
»Stimmt«, sagte Caesar, erbrach das Siegel und zog den Deckel auf, »aber Pompeius schreibt einen eigenen Stil, seine Briefe machen mir Spaß. Zwar schreibt er nicht mehr so ungestüm und ungeschliffen wie in der Zeit, bevor er meine Tochter geheiratet hat, aber er schreibt immer noch eigenwillig genug.« Er steckte zwei Finger in den Zylinder und zog die Rolle heraus. »Ihr Götter, ist die lang!« rief er. Dann bückte er sich, um eine kleinere Rolle vom Boden aufzuheben. »Nein, es sind zwei Briefe.« Er überflog den oberen Rand von beiden und brummte. »Einer vom Sextilis und einer vom September.«
Er ließ den Brief vom September auf den Tisch neben seinem Stuhl fallen, rollte den Sextilis aber noch nicht gleich auf, um ihn zu lesen. Stattdessen hob er den Kopf und sah blicklos durch den Eingang des Zeltes, der der Helligkeit halber weit aufgeschlagen war.
Was mache ich eigentlich hier? Warum mache ich einem blau angemalten Krieger, der aussieht wie den Versen Homers entsprungen, ein paar Weizenfelder und dürre Rinder streitig? Einem Briten, der zum Gekläff seiner Doggen auf dem Streitwagen in die Schlacht fährt und seinen Ruhm von einem Sänger mit einer Harfe besingen läßt? Hm, ich weiß ja warum. Weil meine dignitas es erforderte, weil die rückständigen Menschen dieses rückständigen Landes letztes Jahr glaubten, sie hätten Gaius Julius Caesar für immer von ihrer Küste vertrieben. Sie dachten, sie hätten Caesar besiegt. Ich kam nur deshalb zurück, um ihnen zu zeigen, daß niemand Caesar besiegt. Sobald ich Cassivellaunus unterworfen und ihm einen Vertrag aufgezwungen habe, verlasse ich dieses finstere Land für immer. Aber sie werden mich nicht vergessen. Ich habe Cassivellaunus’ Sänger genügend Stoff geliefert. Die Ankunft Roms, das Verschwinden der Streitwagen ins sagenhafte Land der Druiden im Westen. Anschließend werde ich in Gallien bleiben, bis dort jeder mich – und Rom – als Herrn anerkennt. Denn ich bin Rom. Während mein Schwiegersohn, der sechs Jahre älter ist als ich, das nie sein wird. Nimm dich in acht, Pompeius Magnus, du bist nicht mehr lange Erster Mann in Rom. Jetzt kommt Caesar.
Er setzte sich, den Rücken kerzengerade, das rechte Bein ausgestreckt und das linke unter das Kreuz seines Amtsstuhles geschlungen, und öffnete Pompeius’ Brief vom Sextilis.
Ich sage es nicht gern, Caesar, aber die Wahlen für die öffentlichen Ämter lassen immer noch auf sich warten. Gut, Rom wird weiterbestehen und auch irgendeine Regierung haben, immerhin haben wir einige Volkstribunen wählen können. War das ein Zirkus! Cato hat sich eingemischt. Zuerst nutzte er seine Stellung als Prätor und Mitglied der Volksversammlung dazu aus, die Wahlen der Volksversammlung zu blockieren, dann rief er mit seiner zeternden Stimme, er werde sich sämtliche Tafeln, die die Wähler in die Körbe warfen, genau ansehen – und wenn er merke, daß ein Kandidat versuche zu betrügen, werde er ihn vor Gericht bringen. Hat das die Kandidaten erschreckt!
Die Ursache von allem ist natürlich der Pakt, den mein Neffe Memmius, dieser Idiot, mit Ahenobarbus geschlossen hat. Noch nie in der an Bestechungen so reichen Geschichte der Konsulwahlen haben so viele Leute so viele Bestechungen ausgeteilt und empfangen! Cicero sagt schon im Scherz, es seien solche Unsummen Geld in Umlauf, daß der Zins von vier auf acht Prozent gestiegen sei. Damit hat er gar nicht so unrecht. Wahrscheinlich hat Ahenobarbus, der als Konsul die Aufsicht über die Wahlen hat – Appius Claudius kann das als Patrizier ja nicht –, einfach gedacht, er könne tun, was er wolle. Und er wollte eben meinen Neffen Memmius und Domitius Calvinus als Konsuln des nächsten Jahres. Sie alle, Ahenobarbus, Cato, Bibulus, suchen wie Hunde mit der Nase im Dreck nach einem Grund, um Dich anklagen und Dir Deine Provinzen wegnehmen zu können. Und das ist leichter, wenn sie die Konsuln und einige militante Volkstribunen gekauft haben.
Am besten erzähle ich die Geschichte mit Cato zuerst zu Ende. Also, mit der Zeit sah es immer mehr so aus, als sollten wir nächstes Jahr weder Konsuln noch Prätoren haben; um so wichtiger war es, wenigstens Volkstribunen zu wählen. Ich meine, Rom kann auch ohne die obersten Beamten überleben. Solange der Senat die Hand auf der Kasse hat und Volkstribunen die nötigen Gesetze durchdrücken, wer vermißt da Konsuln und Prätoren? Es sei denn, wir beide sind die Konsuln, versteht sich.
Schließlich suchten die Kandidaten für das Volkstribunat Cato geschlossen auf und baten ihn, seinen Widerstand gegen die Wahlen aufzugeben. Also wirklich, Caesar, was Cato sich einbildet! Und sie baten ihn nicht nur, sie machten ihm ein Angebot: Jeder Kandidat sollte eine halbe Million Sesterze hinterlegen (bei Cato), wenn Cato der Abhaltung der Wahlen zustimmte und sie darüber hinaus persönlich überwachte! Wenn Cato dann einen Kandidaten bei Wahlbetrügereien erwischte, sollte er ihn zu einer halben Million verurteilen. Cato war einverstanden und sehr zufrieden mit sich. Obwohl er natürlich zu klug war, das Geld zu nehmen. Stattdessen mußten sie ihm juristisch einwandfreie Schuldscheine ausstellen, damit sie ihm später nicht Veruntreuung vorwerfen konnten. Ein schlauer Hund, was?
Schließlich kam mit nur dreiwöchiger Verspätung der Wahltag, und Cato wachte über jeden Vorgang wie ein Falke. Du mußt zugeben, daß er dazu die passende Nase hat! Er konnte einen Kandidaten des Betruges überführen und befahl ihm, seine Kandidatur zurückzuziehen und zu zahlen. Glaubte wahrscheinlich, ganz Rom würde vor so viel Integrität auf die Knie sinken. Doch es kam anders. Die Führer der Volksversammlung toben. Sie sagen, es sei verfassungswidrig und unannehmbar, wenn ein Prätor sich unbefugt zum Aufseher von Wahlen aufspiele, statt seinem Gericht vorzusitzen.
Die Ritter, die Helden der Geschäftswelt, können es nicht einmal ertragen, Catos Namen zu hören, während die römische Bevölkerung den halbnackten Mann mit seinem ständigen Katzenjammer für verrückt hält. Er ist doch Prätor am Gericht für Erpressung! Dort prozessiert er gegen Leute, die so mächtig sind, daß sie sogar Provinzen regiert haben – Leute wie Scaurus, gegenwärtig Mann meiner Exfrau! Ältestes Patriziergeschlecht! Und was tut Cato? Zieht Scaurus’ Prozeß endlos in die Länge, weil er in Wahrheit zu betrunken ist, um den Vorsitz zu führen, und wenn er auftaucht, hat er keine Schuhe an, keine Tunika unter der Toga, und seine Augen sind ganz verquollen. Ich verstehe ja, daß die Leute am Anfang der Republik keine Schuhe und Tuniken getragen haben, aber daß die damaligen Leuchten der Tugend ständig einen Kater gehabt hätten, wenn sie auf dem Forum ihren Geschäften nachgingen, ist mir neu.
Ich bat also Publius Clodius, Cato das Leben so schwer wie möglich zu machen, und Clodius versuchte es. Doch schließlich gab er auf und sagte, wenn ich Cato wirklich treffen wollte, müßte ich Caesar aus Gallien zurückholen.
Letzten April kaufte Publius Clodius kurz nach der Rückkehr von seiner Reise nach Galatien, auf der er seine Schulden eingetrieben hatte, Scaurus’ Haus für vierzehneinhalb Millionen/ Die gegenwärtigen Immobilienpreise sind so abwegig wie die Vorstellung einer Vestalin, die überlegt, ob sie ihre Jungfräulichkeit aufgeben soll. Für ein Schränkchen mit Nachttopf bekommt man eine halbe Million. Aber Scaurus brauchte verzweifelt Geld. Seit den Spielen, die er als Aedil veranstaltete, ist er arm – und als er letztes Jahr versuchte, den einen oder anderen Sesterz von seiner Provinz zu bekommen, landete er in Catos Gericht. Wo er wahrscheinlich bleiben wird, bis Cato aus dem Amt scheidet, so langsam geht dort alles.
Publius Clodius andererseits kommt das Geld zu den Ohren heraus. Natürlich mußte er ein anderes Haus finden, das sehe ich ja ein. Als Cicero neu baute, baute er so hoch, daß er Publius Clodius die ganze Aussicht wegnahm. Wahrscheinlich als Rache. Dabei ist Ciceros Palast ein Inbegriff des schlechten Geschmacks. Und trotzdem vergleicht er die schöne kleine Villa, die ich an die Rückseite meines Theaterkomplexes angebaut habe, frech mit einem Beiboot im Schlepptau einer Jacht!
Klar ist jedenfalls, daß Publius Clodius sein Geld von Prinz Brogitarius hat. Es geht doch nichts darüber, Geld persönlich einzutreiben. Ich bin ungemein erleichtert, daß Clodius dieser Tage nicht hinter mir her ist. Ich hätte nie geglaubt, daß ich die Jahre nach deiner Abreise nach Gallien überleben würde, als Clodius und seine Gladiatorenbanden mich fertigmachten. Ich traute mich ja nicht mehr aus dem Haus. Obwohl es ein Fehler war, Milo damit zu beauftragen, eine Bande gegen Clodius aufzustellen. Es setzte ihm Flausen in den Kopf. Ja, ich weiß, er ist ein Annius – jedenfalls durch Adoption –, aber er ist, wie sein Name, ein einfältiger Muskelprotz, der höchstens zum Gewichtheber taugt.
Weißt Du, was er getan hat? Kam und fragte mich, ob ich nicht seine Kandidatur für das Konsulat unterstützen wollte! »Mein lieber Milo«, sagte ich, »das kann ich nicht! Das hieße doch zugeben, daß Du und Deine Straßenbanden für mich gearbeitet haben!« Er sagte dann, so sei es doch gewesen und was daran falsch sei. Ich mußte ziemlich grob werden, bis er ging.
Es freut mich, daß Cicero Deinen Mann Vatinius freibekommen hat – sicher sehr zum Unwillen des Gerichtsvorsitzenden Cato! Ich glaube ernsthaft, Cato würde sogar zum Hades hinuntersteigen und Cerberus einen seiner Köpfe abhacken, wenn er dadurch Dich aus dem Weg räumen könnte. Merkwürdig an dem Prozeß war nur, daß Cicero Vatinius doch früher verabscheut hat – Du hättest hören sollen, wie der große Advokat klagte, er schulde Dir Millionen und müsse deshalb Deine Geschöpfe verteidigen! Aber als sie dann während des Prozesses die Köpfe zusammensteckten, passierte etwas. Und zuletzt waren sie wie zwei Schulmädchen, die sich eben erst kennengelernt haben und schon nicht mehr ohne einander leben können. Ein seltsames Paar, aber es ist wirklich niedlich zu sehen, wie sie zusammen kichern. Sie sind ja beide geistreiche Köpfe und beflügeln sich gegenseitig.
Wir haben hier den heißesten Sommer seit Menschengedenken, und es regnet auch nicht. Den Bauern geht es schlecht. Und die Egoisten von Interamna haben beschlossen, einen Kanal zu graben, um das Wasser des Velinus-Sees in den Nar abfließen zu lassen und Wasser zur Bewässerung ihrer Felder zu haben, Pech war nur, daß die Rosea Rura austrocknete, sobald der See leer war – kannst Du Dir das vorstellen? Italias reichstes Weideland vollkommen verdorrt! Der alte Axius von Reate suchte mich auf und sagte, der Senat müsse sofort anordnen, daß die Einwohner von Interamna den Kanal wieder zuschütten. Ich werde das dem Senat vortragen und notfalls durch einen meiner Volkstribunen als Gesetz durchsetzen lassen. Du und ich, wir wissen als Soldaten schließlich beide, wie wichtig die Rosea Rura für die römischen Armeen ist. Wo werden denn sonst noch so wunderbare Maultiere gezüchtet – und so viele? Dürre ist das eine, die Rosea Rura das andere. Rom braucht Maultiere, aber Interamna ist voller Esel.
Jetzt komme ich zu etwas sehr Merkwürdigem. Catullus ist vor kurzem gestorben.
Caesar entfuhr ein halb unterdrückter Ausruf. Hirtius und Faberius sahen beide von ihrer Arbeit auf, doch als sie den Ausdruck auf seinem Gesicht bemerkten, senkten sie die Köpfe sofort wieder. Als der Schleier von seinen Augen gewichen war, las er weiter.
Wahrscheinlich wartet ein Brief seines Vaters in Portus Itius auf Dich, aber ich dachte, Du willst es gleich wissen. Für mich war er nicht mehr derselbe, seit Clodia ihn verstieß – wie nannte Cicero sie in Caelius’ Prozeß? Medea des Palatin. Nicht schlecht, auch wenn mir die Klytämnestra zum Sonderpreis besser gefällt. Ob sie den Poeten auch in der Badewanne gemeuchelt hat? Das sagen jedenfalls alle.
Ich weiß noch, wie wütend Du warst, als Catullus seine bösen und treffenden Schmähschriften über Dich zu schreiben begann, nachdem Du Mamurra zu Deinem neuen praefectus fabrum ernannt hattest – sogar Julia mußte beim Lesen gelegentlich kichern, und Du hast keine treuere Anhängerin als sie. Sie sagte, was Catullus Dir nicht verzeihen könne, sei, daß Du einen sehr schlechten Dichter so hoch befördert hättest. Und daß Catullus von seiner Reise nach Bithynien als eine Art Legat des dortigen Statthalters, meines Neffen Memmius, ohne einen Sesterz zurückgekehrt sei, obwohl er sich davon ungeheure Reichtümer erhofft hätte. Catullus hätte mich fragen sollen. Ich hätte ihm gesagt, aus Memmius kommt weniger raus als aus dem Hintern eines Fisches, während bei Dir schon ein einfacher Militärtribun reich belohnt wird.
Ich weiß, Du hast die Situation gemeistert – wie Du es ja immer tust. Gott sei Dank, daß sein Vater ein so guter Freund von Dir ist, was? Er bestellte Catullus zu sich, Catullus kam nach Verona, Papa sagte, sei nett zu meinem Freund Caesar, Catullus entschuldigte sich, und dann hast Du den armen Burschen mit Deinem Charme eingewickelt wie in eine Toga. Ich weiß nicht, wie Du das fertigbringst. Julia sagt, es sei angeboren. Als Catullus jedenfalls nach Rom zurückkehrte, schrieb er keine Schmähschriften mehr. Aber er hatte sich verändert. Ich habe es selbst gesehen, weil Julia sich doch mit all diesen Dichtern und Stückeschreibern umgibt, einem unterhaltsamen Völkchen, wie ich sagen muß. Er war wie ausgebrannt, wirkte müde und traurig. Er beging nicht Selbstmord. Er ging einfach aus wie eine Lampe, die ihr Öl verbraucht hat.
Wie eine Lampe, die ihr Öl verbraucht hat ... Die Worte auf dem Papier verschwammen wieder; Caesar wartete, bis die unvergossenen Tränen getrocknet waren.
Ich hätte es nicht tun sollen. Er war so verletzlich, und das habe ich ausgenützt. Er liebte seinen Vater und war ein guter Sohn. Er gehorchte. Ich glaubte, ich könnte seine Verwundung lindern, indem ich ihn zum Essen einlud und ihm vorführte, wie gut ich seine Werke kannte und wie sehr ich sie schätzte. Wir hatten eine so angenehme Mahlzeit. Er war so ungeheuer intelligent, wie ich es liebe. Aber ich hätte es nicht tun sollen. Ich tötete seinen animus, den Grund seines Daseins. Aber was hätte ich tun können? Er ließ mir keine Wahl. Caesar darf nicht lächerlich gemacht werden, auch nicht vom besten Dichter Roms. Er schmälerte meine dignitas, meinen Teil am Ruhme Roms. Denn sein Werk wird überdauern. Er hätte mich lieber gar nicht erwähnen sollen, als mich öffentlich lächerlich zu machen. Und das nur wegen einer Aaskrähe wie Mamurra, einem entsetzlichen Dichter und schlechten Menschen. Aber als Lieferant meiner Armee wird er hervorragend sein, und der Maultiertreiber Ventidius wird ein Auge auf ihn haben.
Die Tränen waren gebannt, die Vernunft hatte sich behauptet. Caesar konnte weiterlesen.
Ich wünschte, ich könnte sagen, daß es Julia gutgeht, aber in Wirklichkeit geht es ihr schlecht. Ich sagte ihr, wir brauchten keine Kinder zu haben – ich habe zwei wunderbare Söhne von Mucia, und meiner Tochter von ihr bekommt die Ehe mit Faustus Sulla prächtig. Er ist gerade in den Senat eingetreten, der tüchtige junge Mann. Erinnert mich allerdings überhaupt nicht an Sulla, was wahrscheinlich gut ist.
Aber Frauen setzen sich, was Babies betrifft, manchmal einfach Sachen in den Kopf, und so ist Julia jetzt im sechsten Monat. Von der schrecklichen Fehlgeburt damals, als ich für das Konsulat kandidierte, hat sie sich nie richtig erholt. Sie bedeutet mir alles, meine Julia! Was für einen Schatz Du mir anvertraut hast, Caesar. Dafür werde ich Dir ewig dankbar sein. Und natürlich war ihre Gesundheit der eigentliche Grund, warum ich mit Crassus die Provinzen getauscht habe. Nach Syrien hätte ich selbst gehen müssen, die beiden spanischen Provinzen kann ich von Rom aus an Julias Seite durch Legaten verwalten. Afranius und Petreius sind absolut vertrauenswürdig, sie lassen ohne meine Erlaubnis nicht einmal einen Furz.
Da ich schon von meinem geschätzten Kollegen Crassus spreche (obwohl ich zugeben muß, daß ich in unserem zweiten gemeinsamen Konsulat sehr viel besser mit ihm zurechtkam als im ersten): Wie es ihm wohl im fernen Syrien ergeht? Ich habe gehört, er hätte aus dem großen Tempel der Juden in Hierosolyma zweitausend Talente Gold geklaut. Aber was kann man von einem Menschen erwarten, der Gold geradezu riecht? Ich war einmal in diesem großen Tempel und war vollkommen eingeschüchtert; auch wenn alles Gold der Welt darin gewesen wäre, ich hätte keinen einzigen Barren geklaut.
Die Juden haben ihn in aller Form verflucht. Und als er Rom an den Iden des vergangenen November durch das Capena-Tor verlassen wollte, wurde er dort ebenfalls offiziell verflucht, vom Volkstribunen Atreius Capito. Capito setzte sich ihm in den Weg und wollte nicht aufstehen und schrie ihm diese haarsträubenden Flüche entgegen. Ich mußte meine Liktoren kommen lassen, um ihn wegzutragen. Ich kann nur sagen, Crassus hat eine ganze Menge Leute gegen sich aufgebracht. Er macht sich meiner Ansicht nach auch keine Vorstellung davon, was für eine Plage die Parther als Gegner sein können. Er glaubt immer noch, ein parthischer Kataphraktos sei dasselbe wie ein armenischer, dabei kennt er so was bisher nur von Zeichnungen. Reiter und Pferd, beide von Kopf bis Fuß gepanzert. Brrrr!
Gestern habe ich Deine Mutter getroffen, sie kam zum Essen. Was für eine wunderbare Frau! Und so verständig und immer noch atemberaubend schön, obwohl sie, wie sie mir sagte, schon über siebzig ist. Sieht keinen Tag älter aus als fünfundvierzig. Da wird einem klar, woher Julia ihre Schönheit hat. Aurelia macht sich auch Sorgen wegen Julia, und Deine Mama gehört, wie Du weißt, nicht zu den Glucken.
Dann begann Caesar plötzlich zu lachen. Hirtius und Faberius fuhren erschrocken hoch, so lange hatten sie ihren verstimmten Feldherrn nicht mehr fröhlich lachen hören.
»Hört euch das an!« rief er und sah von der Rolle auf. »Das hat Dir niemand geschrieben, Hirtius!«
Er senkte den Kopf und begann laut vorzulesen, für seine Zuhörer ein kleines Wunder, da Caesar ihres Wissens der Einzige war, der die Schnörkel auf einem Blatt Papier gleich beim ersten Mal entziffern konnte.
»›Und jetzt‹«, las er, und seine Stimme zitterte vor Vergnügen, »›muß ich Dir von Cato und Hortensius berichten. Hortensius ist ja nun nicht mehr der Jüngste, und er hat sich von der Figur her Lucullus in dessen letzten Jahren angenähert. Zuviel exotisches Essen, unverdünnte Spitzenweine und Merkwürdigkeiten wie anatolischer Mohn und afrikanische Pilze. Wir lassen ihn noch am Gericht arbeiten, aber seinen Höhepunkt als Anwalt hat er lange überschritten. Wie alt er wohl ist? An die siebzig? Er wurde mit einigen Jahren Verspätung Prätor und Konsul, wie ich mich erinnere. Verzieh mir nie, daß er noch ein Jahr auf das Konsulat warten mußte, als ich mit sechsunddreißig Konsul wurde.
Jedenfalls hielt er Catos Vorstellung bei den Volkstribunwahlen für den größten Triumph des mos maiorum, seit Lucius Junius Brutus die Ehre hatte, die Republik zu gründen. Hortensius humpelt also zu Cato und bittet diesen um die Hand seiner Tochter Porcia. Seine Frau Lutatia sei seit einigen Jahren tot, meinte er, und er habe erst an Wiederheirat gedacht, als er gesehen habe, wie Cato mit der Volksversammlung umsprang. In der Nacht nach den Wahlen sei ihm im Traum Jupiter Optimus Maximus erschienen und habe gesagt, er müsse sich mit Marcus Cato durch Heirat verbinden.
Cato konnte natürlich nicht zustimmen, nicht nach dem Aufruhr, den er verursacht hatte, als ich die siebzehnjährige Julia heiratete. Porcia ist nicht einmal siebzehn. Außerdem hatte Cato schon seinen Neffen Brutus für sie vorgesehen, und Hortensius schwimmt zwar im Geld, aber den Vergleich mit Brutus’ Vermögen hält er doch nicht aus. Cato lehnte also ab, nein, Hortensius bekomme Porcia nicht. Daraufhin fragte Hortensius, ob er eine von den Domitias heiraten könne – wie viele von diesen häßlichen, sommersprossigen Mädels mit feuerroten Haaren haben Ahenobarbus und Catos Schwester eigentlich gezeugt? Zwei? Drei? Vier? Egal, Cato sah auch hier keine Möglichkeit.‹«
Caesar sah auf, und seine Augen sprühten.
»Ich weiß nicht, wo diese Geschichte enden wird, aber man kann gespannt sein«, sagte Hirtius breit grinsend.
»Ich weiß es auch noch nicht«, sagte Caesar und begann wieder zu lesen.
»›Hortensius humpelte also auf seine Sklaven gestützt wieder weg, ein gebrochener Mann. Doch am folgenden Tag stand er wieder vor der Tür mit einem glänzenden Einfall. Wenn er weder Porcia noch eine von den Domitias bekommen könne, meinte er, dann vielleicht Catos Frau?‹«
Hirtius sog überrascht die Luft ein. »Marcial Philippus’ Tochter?«
»Mit der ist Cato verheiratet«, nickte Caesar mit Unschuldsmiene. »Und deine Nichte ist doch mit Philippus verheiratet? Atia?«
»Ja. Philippus war mit Atias erstem Mann Gaius Octavius eng befreundet, deshalb heiratete er sie, nachdem die Trauerzeit vorüber war. Da sie eine Stieftochter und eine eigene Tochter und einen Sohn in die Ehe mitbrachte, war Philippus wahrscheinlich froh, Marcia aus dem Hause zu haben. Er sagte, er habe sie Cato gegeben, um einen Fuß in meinem Lager und im Lager der boni zu haben.« Caesar wischte sich die Augen.
»Lies weiter«, sagte Hirtius. »Ich kann es kaum erwarten.«
Caesar las.
»›Und diesmal sagte Cato – ja! Ehrlich, Caesar, er sagte ja. Er stimmte zu, sich von Marcia scheiden zu lassen, damit sie Hortensius heiraten konnte – unter der Bedingung, daß auch Philippus zustimmte. Also marschierten die beiden sofort zu Philippus und fragten ihn, ob Cato sich von seiner Tochter scheiden lassen dürfe, damit diese einen alten Mann glücklich machen könne. Philippus kratzte sich am Kinn und sagte dann – auch ja! Unter der Bedingung, daß Cato bereit war, die Braut dem Bräutigam persönlich zuzuführen! Alles ging so schnell über die Bühne, wie man »viele Millionen Sesterze« sagen kann. Cato ließ sich von Marcia scheiden und übergab sie am Hochzeitstag persönlich Hortensius. Ganz Rom ist geplättet! Ich meine, es passieren ja täglich so bizarre Dinge, daß man gleich weiß, sie müssen stimmen, aber diese Affäre ist in den römischen Annalen einzigartig, das mußt Du zugeben. Alle – auch ich – glauben, daß Hortensius Cato und Philippus sein halbes Vermögen gegeben hat, obwohl Cato und Philippus das heftig bestreiten.‹«
Caesar ließ die Rolle in den Schoß sinken und wischte sich kopfschüttelnd erneut die Augen.
»Arme Marcia«, sagte Faberius leise.
Die anderen beiden sahen ihn überrascht an.
»Daran habe ich gar nicht gedacht«, sagte Caesar.
»Vielleicht ist sie eine rechte Vogelscheuche«, meinte Hirtius.
»Das glaube ich eigentlich nicht.« Caesar runzelte die Stirn. »Ich habe sie schon gesehen, zwar nicht als Volljährige, aber kurz davor, mit dreizehn oder vierzehn. Ganz dunkel, wie der Rest der Familie, aber sehr hübsch. Julia und meiner Mutter zufolge ein reizendes kleines Mädchen. Total verliebt in Cato – und er in sie, schrieb Philippus mir. Ich organisierte damals zusammen mit Pompeius und Marcus Crassus die Verlängerung meiner Statthalterschaft in den Provinzen. Marcia war einem Cornelius Lentulus versprochen, der jedoch starb. Dann kehrte Cato mit zweitausend Kisten Gold und Silber von der Eroberung Zyperns zurück, und Philippus, der in diesem Jahr Konsul war, lud ihn zum Essen ein. Es war Liebe auf den ersten Blick. Cato hielt um Marcias Hand an, was einen heftigen Familienstreit auslöste. Atia war entsetzt, aber Philippus hielt es für klug, einen Fuß in beiden Lagern zu haben – als Mann meiner Nichte und als Schwiegervater meines größten Feindes.« Caesar zuckte die Schultern. »Er setzte sich durch.«
»Dann haben Cato und Marcia sich zerstritten«, meinte Hirtius.
»Nein, offenbar nicht. Deshalb ist ja ganz Rom so geplättet, wie Pompeius es ausdrückt.«
»Aber warum dann?« fragte Faberius.
Caesar grinste, aber es war kein freundliches Grinsen. »Wie ich meinen Cato kenne – und ich glaube, ich kenne ihn –, konnte er es nicht ertragen, glücklich zu sein und hielt seine Leidenschaft für Marcia für eine Schwäche.«
»Armer Cato!« sagte Faberius.
»Hm!« sagte Caesar und wandte sich wieder dem Brief zu.
Das ist für den Moment alles, Caesar. Es tut mir sehr leid, daß Quintus Laberius Durus kurz nach der Landung in Britannien getötet wurde. Die Berichte, die Du uns schickst, sind wunderbar!
Caesar legte den Brief vom Sextilis auf den Tisch und nahm den vom September auf, eine kleinere Rolle. Stirnrunzelnd öffnete er ihn; einige Worte waren verschmiert und fleckig, als sei Wasser darauf getropft, bevor die Tinte richtig in den Papyrus eindringen konnte.
Und dann schlug die Atmosphäre in dem Raum um, als sei die Abendsonne, die draußen immer noch hell schien, plötzlich verschwunden. Hirtius sah erschauernd auf, Faberius begann zu frösteln.
Caesar hielt den Kopf immer noch über Pompeius’ zweiten Brief gebeugt, doch schien er plötzlich am ganzen Körper gelähmt. Auch seine Augen, die die beiden Männer nicht sehen konnten, schienen wie erstarrt.
»Laßt mich allein«, sagte er mit seiner normalen Stimme.
Wortlos standen Hirtius und Faberius auf, legten ihre tintengetränkten Federn auf das Papier und schlüpften aus dem Zelt.
Ach Caesar, wie soll ich es aushalten? Julia ist tot, meine einzige, schöne, wunderbare kleine Julia. Tot mit zweiundzwanzig Jahren. Ich schloß ihr die Augen und legte die Münzen darauf, ich steckte ihr einen Golddenar zwischen die Lippen, damit sie auf Charons Fähre den besten Platz bekommt.
Sie starb, weil sie mir einen Sohn schenken wollte. Sie war erst im siebten Monat, und es kam völlig überraschend, abgesehen davon, daß sie sich nicht wohlgefühlt hatte. Beklagte sich nie, aber ich merkte es. Dann kamen die Wehen, und sie gebar ein Kind, einen Jungen, der zwei Tage lebte, also länger als seine Mutter. Sie verblutete. Nichts konnte die Flut anhalten. Ein schreckliches Ende! Bei Bewußtsein bis fast zuletzt, nur immer schwächer und weißer, sie, die sowieso schon so blaß war. Redete mit mir und Aurelia, redete unaufhörlich, erinnerte sich, daß sie dies und das nicht getan hatte, und nahm mir das Versprechen ab, daß ich es tun würde. Belanglose Kleinigkeiten, wie das Flohkraut zum Trocknen aufhängen, obwohl das noch Monate Zeit hat. Sagte immer wieder, wie sehr sie mich liebe, mich schon als kleines Mädchen geliebt habe, und wie glücklich ich sie gemacht hätte. Keine unglückliche Minute, sagte sie. Wie konnte sie das sagen, Caesar? Ich war doch an dem Unglück schuld, das sie tötete, an diesem kleinen Ding aus Haut und Knochen. Aber ich bin froh, daß es starb. Ein Mann, der mein und dein Blut in sich vereinte, wäre zuviel für die Menschen gewesen. Er hätte sie zertreten wie Ungeziefer.
Sie verfolgt mich überallhin. Ich weine und weine, und es kommen immer noch mehr Tränen. Ihre Augen hielten das Leben bis ganz zuletzt fest, groß und blau und voller Liebe. Ach Caesar, wie soll ich es aushalten? Sechs kurze Jahre! Ich werde in einigen Tagen zweiundfünfzig, aber von ihr hatte ich nur sechs kurze Jahre. Ich hatte mir immer vorgestellt, daß ich vor ihr sterben würde. Nie hätte ich mir träumen lassen, daß es andersherum sein würde und so bald. Nein, es wäre auch zu bald gewesen, wenn wir sechsundzwanzig Jahre verheiratet gewesen wären! Ach Caesar, was für ein Unglück! Wäre doch ich gestorben, aber ich mußte ihr schwören, daß ich ihr nicht nachfolgen würde. Ich bin zum Leben verurteilt. Aber wie? Wie kann ich leben? Ich sehe sie vor mir! Wie sie aussah, wie ihre Stimme klang, wie sie roch, sich anfühlte, schmeckte. Sie klingt in mir nach wie eine Lyra.
Aber ich muß mich zusammenreißen. Ich sehe nichts beim Schreiben, dabei muß ich Dir doch alles berichten. Ich weiß, daß man Dir diesen Brief nach Britannien nachschicken wird. Der Sohn Marcus Deines mittleren Onkels Cotta, der dieses Jahr Prätor ist, hat auf meine Bitte den Senat einberufen, und ich bat die eingeschriebenen Väter, meiner toten Frau ein Staatsbegräbnis zu genehmigen. Aber dieses Schwein, dieser cunnus Ahenobarbus wollte davon nichts hören, und Cato schrie von der Magistratenplattform hinter ihm immer wieder nein. Frauen bekämen keine Staatsbegräbnisse, und meiner Julia eines zu genehmigen, hieße den Staat entweihen. Man mußte mich festhalten, ich hätte dieses Ekel Ahenobarbus sonst mit bloßen Händen erwürgt. Wenn ich mir vorstelle, wie meine Finger sich um seinen Hals legen, beginnen sie immer noch zu zucken. Man sagt ja, daß der Senat nichts gegen den Willen des Seniorkonsuls beschließt, aber diesmal doch. Der Beschluß für das Staatsbegräbnis fiel fast einstimmig.
Sie hatte von allem das Beste, Caesar. Die Bestatter richteten sie liebevoll her. Sie sah so schön aus, sogar mit dem kreideweißen Gesicht. Sie tönten ihr die Haut und steckten die Unmassen silberfarbener Haare mit dem juwelenbesetzten Kamm, den ich ihr zum zweiundzwanzigsten Geburtstag schenkte, so auf, wie sie es gernhatte. Als sie dann schließlich auf den schwarzen und goldenen Kissen auf der Bahre saß, sah sie aus wie eine Göttin. Man brauchte sie nicht im Geheimfach darunter verschwinden zu lassen und stattdessen eine Puppe hinzusetzen. Ich ließ sie in ihre Lieblingsfarbe Lavendel kleiden, dieselbe Farbe, die sie trug, als ich sie das erste Mal sah und für die Mondgöttin Diana hielt.
Der Zug ihrer Vorfahren war prächtiger als der jeden Römers. Im ersten Wagen stand die Mimin Corinna, die eine Maske von Julias Gesicht trug – ich hatte der Venus meines Tempels, der Venus Victrix, in meinem Theater Julias Gesicht geben lassen. Corinna trug auch das goldene Gewand der Venus. Alle waren sie da, vom ersten julischen Konsul bis zu Quintus Marcius Rex und Cinna, vierzig Wagen mit Vorfahren, und alle Pferde so schwarz wie Obsidian.
Auch ich war dabei, obwohl ich die Stadtgrenze eigentlich ja nicht stadteinwärts überschreiten durfte. Aber ich sagte den Liktoren der dreißig Kurien, daß an diesem besonderen Tag meine Pflichten als Aufseher über die Getreideversorgung mir das Recht gäben, vor Antritt meiner Statthalterschaften die heilige Grenze zu überschreiten. Ich glaube, Ahenobarbus hatte Angst, denn er hinderte mich nicht daran.
Wovor hatte er Angst? Vor der auf dem Forum versammelten Menschenmenge. Caesar, ich habe so etwas noch nie gesehen, nicht bei einer Beerdigung, auch nicht bei der Sullas. Zu Sulla kamen sie aus Neugier, zu Julia, um zu weinen. Tausende und Abertausende Menschen, einfache Leute. Aurelia meint, weil Julia in der Subura unter ihnen aufgewachsen sei. Dort wurde sie angebetet, und das wird sie immer noch. Und so viele Juden! Ich wußte gar nicht, daß es in Rom so viele gibt. Unverkennbar mit ihren langen Locken und langen lockigen Bärten. Natürlich hast Du sie als Konsul gefördert, Du bist ja auch unter ihnen aufgewachsen, ich weiß. Aber Aurelia besteht darauf, daß sie wegen Julia kamen.
Zuletzt bat ich noch Servius Sulpicius Rufus, von der Bühne der Volksversammlung die Grabrede zu halten. Ich weiß nicht, wer Dir am liebsten gewesen wäre, aber ich wollte einen wirklich großen Redner. Irgendwie konnte ich mich im entscheidenden Moment aber nicht überwinden, Cicero zu fragen. Er hätte es natürlich getan, wenn nicht für Dich, dann für mich. Aber er wäre, glaube ich, nicht mit dem Herzen bei der Sache gewesen. Er kann nie der Gelegenheit widerstehen, sich zu produzieren, während Servius ein aufrechter Mensch ist, ein Patrizier und ein besserer Redner als Cicero, wenn es nicht um Politik und Verrat geht.
Nicht daß es einen Unterschied gemacht hätte, die Rede wurde nie gehalten. Von unserem Haus auf den Carinae hinunter zum Forum verlief alles genau nach Plan. Wo die vierzig Wagen mit den Vorfahren entlangfuhren, war es totenstill, man hörte nur das Weinen Tausender. Doch als Julia an der Regia vorbei zum offenen Platz des unteren Forums getragen wurde, begannen alle zu stöhnen und zu jammern, ja zu schreien. Das Geheul der Barbaren auf dem Schlachtfeld hat mir weniger Angst gemacht als diese markerschütternden Schreie. Die Massen wogten auf die Bahre zu, und niemand konnte sie aufhalten. Ahenobarbus und einige Volkstribunen versuchten es, aber sie wurden wie Blätter in der Flut beiseitegeschoben. Im nächsten Augenblick hatten die Menschen die Bahre bereits zur Mitte des offenen Platzes getragen und begonnen, alle möglichen Dinge zu einem Scheiterhaufen aufzuschichten – Schuhe, Papier, Holzscheite, alles wurde vom Rand der Menge über die Köpfe nach innen weitergereicht – ich weiß nicht, woher.
Sie verbrannten sie an Ort und Stelle, mitten auf dem Forum Romanum. Ahenobarbus bekam auf den Stufen des Senats einen Tobsuchtsanfall, und Servius stand entsetzt auf der Rednerbühne, wohin auch die Schauspieler geflohen waren, und alle starrten auf die Menge hinunter wie die Frauen der Barbaren, die wissen, daß die Legionäre sie gleich niedermetzeln werden. Durch ganz Rom fuhren leere Wagen und liefen scheuende Pferde, und die Hauptleidtragenden kamen nur bis zum Vestatempel, wo wir hilflos steckenblieben.
Das war allerdings noch keineswegs das Ende. In der Menge befanden sich auch Sprecher der Volksversammlung, und sie verlangten von Ahenobarbus vor dem Senat, daß die Asche Julias bei den Helden auf dem Marsfeld bestattet würde. Ahenobarbus und Cato, der bei ihm war, schrien Zeter und Mordio. Nein, unmöglich, Frauen würden doch nie auf dem Marsfeld begraben! Nur über ihre Leiche! Ich fürchtete schon, Ahenobarbus würde gleich der Schlag treffen. Doch die Menge rückte drohend immer näher, bis Ahenobarbus und Cato merkten, daß sie, wenn sie nicht nachgaben, tatsächlich Leichen sein würden. Sie mußten schwören.
Meine geliebte Julia bekommt also ein Grab auf dem Rasen des Marsfeldes, bei den Helden. Ich war so von Schmerz überwältigt, daß ich mich noch nicht darum kümmern konnte, aber das werde ich noch. Sie bekommt dort das prächtigste Grab, das verspreche ich Dir. Schlimm ist nur, daß der Senat Spiele anläßlich der Totenfeier verboten hat. Alle haben Angst vor Ausschweifungen der Massen.
Ich habe meine Pflicht getan und alles berichtet. Deine Mutter hat der Verlust schwer getroffen, Caesar. Ich weiß noch, daß ich geschrieben habe, sie sehe keinen Tag älter aus als fünfundvierzig. Jetzt sieht man ihr jedes ihrer siebzig Jahre an. Die Vestalinnen und auch Deine kleine Frau Calpurnia kümmern sich um sie. Calpurnia wird Julia vermissen, denn die beiden waren gute Freundinnen. Ach, jetzt kommen die Tränen wieder. Ich habe ein ganzes Meer davon vergossen. Meine liebe Julia ist für immer von mir gegangen. Wie soll ich es aushalten?
Wie soll ich es aushalten? Caesar war so benommen, daß keine Tränen kommen wollten. Julia? Wie ertrage ich das?
O namenloses Leid! Mein Sonnenschein, mein Ein und Alles. Ich bin gerade sechsundvierzig geworden, und meine Tochter ist im Kindbett gestorben. So starb auch ihre Mutter, als sie mir einen Sohn gebären wollte. Wie die Dinge sich wiederholen! Ach Mutter, wie soll ich dir in die Augen sehen, wenn ich dereinst nach Rom zurückkehre, und wie nach dem Tod meines geliebten Kindes die Kraft aufbringen, das Beileid der anderen entgegenzunehmen? Sie werden aufrichtig sein in ihrer Trauer, aber wie kann ich es ertragen? Ihnen zeigen, daß ich ins Mark getroffen bin, von Schmerz überwältigt – das kann ich nicht. Mein Schmerz gehört mir allein, niemand anders. Niemand sonst soll ihn sehen. Fünf Jahre habe ich mein Kind nicht mehr gesehen, und jetzt soll ich sie nie mehr sehen. Ich weiß kaum noch, wie sie aussah, nur daß sie mir nie Kummer oder Sorgen gemacht hat. Wie heißt es doch? Nur die Guten sterben jung, nur die Vollkommenen welken nicht mit den Jahren dahin, sondern blühen in ewiger Jugend. Ach Julia! Wie ertrage ich das?
Er stand auf, ohne zu wissen, was er tat. Der Brief vom Sextilis lag noch auf dem Tisch, den vom September hielt er in der Hand. Durch den Eingang des Zeltes sah er das geordnete Lagerleben am Rand des Nirgends, am Ende der Welt. Sein Gesicht war gefaßt, die Augen, die Aulus Hirtius ansahen, der am Fahnenmast in Rufweite stehengeblieben war, waren die Caesars, weniger kalt als kühl abwägend, allwissend, wie Mandubracius gefunden hatte.
Hirtius straffte sich. »Alles in Ordnung, Caesar?«
Caesar lächelte freundlich. »Ja, Hirtius, alles in Ordnung.« Er legte die linke Hand über die Augen und sah in die untergehende Sonne. »Es ist schon spät, und wir müssen noch König Mandubracius bewirten. Die Briten sollen uns nicht für knausrige Gastgeber halten, zumal wenn wir ihnen ihre eigenen Speisen vorsetzen. Bereite alles vor, ich komme gleich nach.«
Er trat nach links auf den an das Feldherrnzelt grenzenden Platz des Lagerforums und sah dort einen jungen Legionär, der offenbar zur Strafe abkommandiert worden war, die Reste eines Feuers zusammenzuharken. Als der Legionär den Feldherrn kommen sah, harkte er noch eifriger und gelobte sich, daß er sich bei der Parade nie wieder etwas zuschulden kommen lassen würde. Er hatte Caesar allerdings noch nie aus der Nähe gesehen. Als Caesar deshalb neben ihm stehenblieb, hielt er einen Augenblick inne, um ihn sich genau anzusehen. Worauf der Feldherr lächelte!
»Mach das Feuer nicht ganz aus, Bursche, ich brauche noch ein glühendes Scheit«, sagte Caesar in dem breiten Latein der einfachen Soldaten. »Was hast du ausgefressen, daß du in dieser Hitze das Feuer ausmachen mußt?«
»Ich habe den Riemen an meinem Helm nicht festgeschnallt, Feldherr.«
Caesar bückte sich und hielt mit der rechten Hand eine kleine Papyrusrolle an ein rauchendes, noch schwach glimmendes Holzscheit. Das Papier fing Feuer. Caesar richtete sich wieder auf und behielt die brennende Rolle in der Hand, bis die Flammen seine Finger einhüllten. Erst als es zu schwerelosen schwarzen Flocken zerfiel, ließ er los.
»Paß immer gut auf deine Ausrüstung auf, Soldat, sie ist das einzige zwischen dir und einem Speer der Cassier.« Schon im Gehen rief er ihm über die Schulter noch lachend zu: »Nein, nicht alles, Soldat! Dazu kommen noch dein Mut und deine römische Gesinnung. Sie machen dich wirklich stark. Aber ein Helm, der gut auf deinem Schädel sitzt, schützt deine Gesinnung!«