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mehrbuch-Weltliteratur! eBooks, die nie in Vergessenheit geraten sollten. Schlesien im Jahr 1844: Das Textilgewerbe, einst ein wichtiger Wirtschaftszweig, steckt in der Krise. Die Weber stellen noch Stoffe in Heimarbeit am Handwebstuhl her, während in England schon mechanische Webstühle eingesetzt werden, die bessere Ware schneller und billiger produzieren. Um gegen diese Konkurrenz bestehen zu können, versuchen die Fabrikanten die Löhne möglichst niedrig zu halten. Die Weberfamilien arbeiten immer härter und können von dem kargen Verdienst dennoch kaum leben. Anfang Juni 1844 treibt sie die blanke Not schließlich in einen Aufstand, der jedoch von Soldaten der Regierung blutig niedergeschlagen wird.
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Seitenzahl: 136
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Gerhart Hauptmann
Die Weber
Schauspiel aus den vierziger Jahren
Meinem Vater Robert Hauptmann widme ich dieses Drama
Wenn ich Dir, lieber Vater, dieses Drama zuschreibe, so geschieht es aus Gefühlen heraus, die Du kennst und die an dieser Stelle zu zerlegen keine Nötigung besteht.
Deine Erzählung vom Großvater, der in jungen Jahren, ein armer Weber, wie die Geschilderten hinterm Webstuhl gesessen, ist der Keim meiner Dichtung geworden, die, ob sie nun lebenskräftig oder morsch im Innern sein mag, doch das Beste ist, was ›ein armer Mann wie Hamlet ist‹ zu geben hat.
Dein Gerhart
Dreißiger
, Parchentfabrikant
Frau Dreißiger
bei Dreißiger:
Pfeifer
, Expedient
Neumann
, Kassierer
Der Lehrling
Der Kutscher Johann
Ein Mädchen
Weinhold
, Hauslehrer bei Dreißigers Söhnen
Pastor Kittelhaus
Frau Pastor Kittelhaus
Heide
, Polizeiverwalter
Kutsche
, Gendarm
Welzel
, Gastwirt
Frau Welzel
Anna Welzel
Wiegand
, Tischler
Ein Reisender
Ein Bauer
Ein Förster
Schmidt
, Chirurgus
Hornig
, Lumpensammler
Der alte Wittig
, Schmiedemeister Weber:
Bäcker
Moritz Jäger
Der alte Baumert
Mutter Baumert
Bertha Baumert
Emma Baumert
Fritz
, Emmas Sohn, vier Jahre alt
August Baumert
Der alte Ansorge
Frau Heinrich
Der alte Hilse
Frau Hilse
Gottlieb Hilse
Luise
, Gottliebs Frau
Mielchen
, seine Tochter, sechs Jahre alt
Reimann
Heiber
Ein Knabe
, acht Jahre alt
Färbereiarbeiter
Eine große Menge junger und alter Weber und Weberfrauen
Die Vorgänge dieser Dichtung geschehen in den vierziger Jahren in Kaschbach im Eulengebirge sowie in Peterswaldau und Langenbielau am Fuße des Eulengebirges. –
Das Weberlied wird gesungen nach der Melodie: »Es liegt ein Schloß in Österreich.«
Ein geräumiges, graugetünchtes Zimmer in Dreißigers Haus zu Peterswaldau. Der Raum, wo die Weber das fertige Gewebe abzuliefern haben. Linker Hand sind Fenster ohne Gardinen, in der Hinterwand eine Glastür, rechts eine ebensolche Glastür, durch welche fortwährend Weber, Weberfrauen und Kinder ab- und zugehen. Längs der rechten Wand, die wie die übrigen größtenteils von Holzgestellen für Parchent verdeckt wird, zieht sich eine Bank, auf der die angekommenen Weber ihre Ware ausgebreitet haben. In der Reihenfolge der Ankunft treten sie vor und bieten ihre Ware zur Musterung. Expedient Pfeifer steht hinter einem großen Tisch, auf welchen die zu musternde Ware vom Weber gelegt wird. Er bedient sich bei der Schau eines Zirkels und einer Lupe. Ist er zu Ende mit der Untersuchung, so legt der Weber den Parchent auf die Waage, wo ein Kontorlehrling sein Gewicht prüft. Die abgenommene Ware schiebt derselbe Lehrling ins Repositorium. Den zu zahlenden Lohnbetrag ruft Expedient Pfeifer dem an einem kleinen Tischchen sitzenden Kassierer Neumann jedesmal laut zu.
Es ist ein schwüler Tag gegen Ende Mai. Die Uhr zeigt zwölf. Die meisten der harrenden Webersleute gleichen Menschen, die vor die Schranken des Gerichts gestellt sind, wo sie in peinigender Gespanntheit eine Entscheidung über Tod und Leben zu erwarten haben. Hinwiederum haftet allen etwas Gedrücktes, dem Almosenempfänger Eigentümliches an, der, von Demütigung zu Demütigung schreitend, im Bewußtsein, nur geduldet zu sein, sich so klein als möglich zu machen gewohnt ist. Dazu kommt ein starrer Zug resultatlosen, bohrenden Grübelns in aller Mienen. Die Männer, einander ähnelnd, halb zwerghaft, halb schulmeisterlich, sind in der Mehrzahl flachbrüstige, hüstelnde, ärmliche Menschen mit schmutzigblasser Gesichtsfarbe: Geschöpfe des Webstuhls, deren Knie infolge vielen Sitzens gekrümmt sind. Ihre Weiber zeigen weniger Typisches auf den ersten Blick; sie sind aufgelöst, gehetzt, abgetrieben – während die Männer eine gewisse klägliche Gravität noch zur Schau tragen – und zerlumpt, wo die Männer geflickt sind. Die jungen Mädchen sind mitunter nicht ohne Reiz; wächserne Blässe, zarte Formen, große, hervorstehende, melancholische Augen sind ihnen dann eigen.
Kassierer Neumann, Geld aufzählend. Bleibt sechzehn Silbergroschen, zwei Pfennig.
Erste Weberfrau, dreißigjährig, sehr abgezehrt, streicht das Geld ein mit zitternden Fingern. Sind Se bedankt.
Neumann, als die Frau stehenbleibt. Nu? stimmt's etwa wieder nich?
Erste Weberfrau, bewegt, flehentlich. A paar Fenniche uf Vorschuß hätt' ich doch halt aso neetig.
Neumann. Ich hab' a paar hundert Taler neetig. Wenn's ufs Neetighaben ankäm' –! Schon mit Auszahlen an einen andern Weber beschäftigt, kurz. Ieber den Vorschuß hat Herr Dreißiger selbst zu bestimmen.
Erste Weberfrau. Kennt' ich da vielleicht amal mit'n Herrn Dreißiger selber red'n?
Expedient Pfeifer, ehemaliger Weber. Das Typische an ihm ist unverkennbar; nur ist er wohlgenährt, gepflegt gekleidet, glatt rasiert, auch ein starker Schnupfer. Er ruft barsch herüber. Da hätte Herr Dreißiger weeß Gott viel zu tun, wenn er sich um jede Kleenigkeit selber bekimmern sollte. Dazu sind wir da. Er zirkelt und untersucht mit der Lupe. Schwerenot! Das zieht. Er packt sich einen dicken Schal um den Hals. Macht de Tiere zu, wer reinkommt.
Der Lehrling, laut zu Pfeifer. Das is, wie wenn man mit Kletzen red'te.
Pfeifer. Abgemacht sela! – Waage! Der Weber legt das Webe auf die Waage. Wenn Ihr ock Eure Sache besser verstehn tät't. Trepp'n hat's wieder drinne . . . ich seh' gar nich hin. A guter Weber verschiebt's Aufbäumen nich wer weeß wie lange.
Bäckerist gekommen. Ein junger, ausnahmsweise starker Weber, dessen Gebaren ungezwungen, fast frech ist. Pfeifer, Neumann und der Lehrling werfen sich bei seinem Eintritt Blicke des Einvernehmens zu. Schwerenot ja! Da soll eener wieder schwitz'n wie a Laugensack.
Erster Weber, halblaut. 's sticht gar sehr nach Regen.
Der alte Baumertdrängt sich durch die Glastür rechts. Hinter der Tür gewahrt man die Schulter an Schulter gedrängt zusammengepfercht wartenden Webersleute. Der Alte ist nach vorn gehumpelt und hat sein Pack in der Nähe des Bäcker auf die Bank gelegt. Er setzt sich daneben und wischt sich den Schweiß. Hier is 'ne Ruh' verdient.
Bäcker. Ruhe is besser wie a Beehmen Geld.
Der alte Baumert. A Beehmen Geld mechte ooch sein. Gu'n Tag ooch, Bäcker!
Bäcker. Tag ooch, Vater Baumert! Ma muß wieder lauern wer weeß wie lange!
Erster Weber. Das kommt nich druf an. A Weber wart't an Stunde oder an'n Tag. A Weber is ock 'ne Sache.
Pfeifer. Gebt Ruhe dahinten! Man versteht ja sei eegenes Wort nich.
Bäcker, leise. A hat heute wieder sein'n tälsch'n Tag.
Pfeifer, zu dem vor ihm stehenden Weber. Wie oft hab' ich's Euch schonn gesagt! besser putzen sollt er. Was ist denn das für 'ne Schlauderei? Hier sind Klunkern drinne, so lang wie mei Finger, und Stroh und allerhand Dreck.
Weber Reimann. 's mecht' halt a neu Noppzängl sein.
Lehrlinghat das Webe gewogen. 's fehlt auch am Gewicht.
Pfeifer. Eine Sorte Weber is hier so – schade fier jede Kette, die man ausgibt. O Jes's, zu meiner Zeit! Mir hätt's woll mei Meister angestrichen. Dazumal da war das noch a ander Ding um das Spinnwesen. Da mußte man noch sei Geschäfte verstehn. Heute da is das nich mehr neetig. – Reimann zehn Silbergroschen.
Weber Reimann. E Fund wird doch gerech'nt uf Abgang.
Pfeifer. Ich hab' keine Zeit. Abgemacht sela. Was bringt Ihr?
Weber Heiberlegt sein Webe auf. Während Pfeifer untersucht, tritt er an ihn und redet halblaut und eifrig in ihn hinein. Se werden verzeihen, Herr Feifer, ich mechte Sie gittichst gebet'n hab'n, ob Se vielleicht und Se wollt'n so gnädig sein und wollt'n mir den Gefalln tun und ließen mir a Vorschuß dasmal nich abrech'n.
Pfeifer, zirkelnd und guckend, höhnt. Nu da! Das macht sich ja etwan. Hier is woll d'r halbe Einschuß wieder auf a Feifeln geblieb'n?
Weber Heiber, in seiner Weise fortfahrend. Ich wollt's ja gerne uf de neue Woche gleichemach'n. Vergangne Woche hatt' ich bloß zwee Howetage uf'n Dominium zu leist'n. Dabei liegt Meine krank derheeme . . .
Pfeifer, das Stück an die Waage gebend. Das is eben wieder 'ne richt'ge Schlauderarbeit. Schon wieder ein neues Webe in Augenschein nehmend. So ein Salband, bald breit, bald schmal. Emal hat's den Einschuß zusammengeriss'n wer weeß wie sehr, dann hat's wieder mal 's Sperrittl auseinandergezog'n. Und auf a Zoll kaum siebzig Faden Eintrag. wo is denn der iebriche? Wo bleibt da die Reelletät? Das war' so was!
Weber Heiberunterdrückt Tränen, steht gedemütigt und hilflos.
Bäcker, halblaut zu Baumert. Der Pakasche mecht' ma noch Garn d'rzunekoofen.
Erste Weberfrau, welche nur wenig vom Kassentisch zurückgetreten war und sich von Zeit zu Zeit mit starren Augen hilfesuchend umgesehen hat, ohne von der Stelle zu gehen, faßt sich ein Herz und wendet sich von neuem flehentlich an den Kassierer. Ich kann halt balde . . . ich weeß gar nich, wenn Se mir dasmal und geb'n mir keen'n Vorschuß . . . o Jesis, Jesis.
Pfeiferruft herüber. Das is a Gejesere. Laßt bloß a Herr Jesus in Frieden. Ihr habt's ja sonst nich so ängstlich um a Herr Jesus. Paßt lieber auf Euern Mann uf, daß und man sieht'n nich aller Augenblicke hinterm Kretschamfenster sitz'n. Wir kenn kein'n Vorschuß geb'n. Wir miss'n Rechenschaft ablegen dahier. 's is auch nich unser Geld. Von uns wird's nachher verlangt. Wer fleißig is und seine Sache versteht und in der Furcht Gottes seine Arbeit verricht't, der braucht ieberhaupt nie keen'n Vorschuß nich. Abgemacht Seefe.
Neumann. Und wenn a Bielauer Weber 's vierfache Lohn kriegt, da verfumfeit er's vierfache und macht noch Schulden.
Erste Weberfrau, laut, gleichsam an das Gerechtigkeitsgefühl aller appellierend. Ich bin gewiß ni faul, aber ich kann ni mehr aso fort. Ich hab' halt doch zweemal an Iebergang gehabt. Und was de mei Mann is, der is ooch bloßich halb; a war beim Zerlauer Schäfer, aber der hat'n doch au nich kenn'n von sein'n Schad'n helf'n, und da . . . Zwing'n kann ma's doch nich . . . Mir arbeit'n gewiß, was wir ufbringen. Ich hab' schonn viele Woch'n keen'n Schlaf in a Aug'n gehabt, und's wird auch schonn wieder gehn, wenn ock ich und ich wer de Schwäche wieder a bissei rauskrieg'n aus a Knoch'n. Aber Se miss'n halt ooch a eenziges bissei a Einsehn hab'n. Inständig, schmeichlerisch flehend. Sind S'ock scheen gebet'n und bewilligen mer dasmal a paar Greschl.
Pfeifer, ohne sich stören zu lassen. Fiedler elf Silbergroschen.
Erste Weberfrau. Bloß a paar Greschl, daß m'r zu Brote komm'n. D'r Pauer borgt nischt mehr. Ma hat a Häufl Kinder . . .
Neumann, halblaut und mit komischem Ernst zum Lehrling. Die Leinweber haben alle Jahre ein Kind, alle walle, alle walle, puff, puff, puff.
Der Lehrlinggibt ebenso zurück. Die Blitzkröte ist sechs Wochen blind,
Summt die Melodie zu Ende.
alle walle, alle walle, puff, puff, puff.
Weber Reimann, das Geld nicht anrührend, das der Kassierer ihm aufgezählt hat. Mer hab'n doch jetzt immer dreizehntehalb Beehmen kriegt fer a Webe.
Pfeiferruft herüber. Wenn's Euch nich paßt, Reimann, da braucht er bloß ein Wort sag'n. Weber hat's genug. Vollens solche, wie Ihr seid. Für'n volles Gewichte gibt's auch'n vollen Lohn.
Weber Reimann. Daß hier was fehln sollte an'n Gewichte . . .
Pfeifer. Bringt ein fehlerfreies Stick Parchent, da wird auch am Lohn nichts fehln.
Weber Reimann. Daß 's hier und sollte zu viel Placker drinnehab'n, das kann doch reen gar nich meeglich sein.
Pfeifer, im Untersuchen. Wer gut webt, der gut lebt.
Weber Heiberist in der Nähe Pfeifers geblieben, um nochmals einen günstigen Augenblick abzupassen. Über Pfeifers Wortspiel hat er mitgelächelt, nun tritt er an ihn und redet ihm zu wie das erste Mal. Ich wollte Se gittichst gebeten hab'n, Herr Feifer, ob Se vielleicht und Se wollt'n aso barmherzich sein und rech't'n mir a Fimfbeehmer Vorschuß dasmal nich ab. Meine liegt schon seit d'r Fasnacht krumm im Bette. Se kann mer keen'n Schlag Arbeit nich verricht'n. Da muß ich a Spulmädel bezahln. Deshalb . . .
Pfeiferschnupft. Heiber, ich hab' nich bloß Euch alleene abzufertig'n. Die andern wolln auch drankommen.
Weber Reimann. So hab' ich de Werfte kriegt – aso hab' ich se uf gebäumt und wieder runtergenommen. A besser Garn, wie ich kriegt hab', kann ich nich zurickbringen.
Pfeifer. Paßt's Euch nich, da braucht er Euch bloß keene Werfte mehr abzuholn. Wir hab'n 'r genug, die sich's Leder von a Fießen dernach ablauf'n.
Neumann, zu Reimann. Wollt Ihr das Geld nich nehmen?
Weber Reimann. Ich kann mich durchaus aso nich zufrieden geben.
Neumann, ohne sich weiter um Reimann zu bekümmern. Heiber zehn Silbergroschen. Geht ab fünf Silbergroschen Vorschuß. Bleiben fünf Silbergroschen.
Weber Heibertritt heran, sieht das Geld an, steht, schüttelt den Kopf, als könnte er etwas gar nicht glauben, und streicht das Geld langsam und umständlich ein. O meins, meins! – Seufzend. Nu, da da!
Der alte Baumert, Heibern ins Gesicht. Jaja, Franze! Da kann eens schon manchmal'n Seufzrich tun.
Weber Heiber, mühsam redend. Sieh ock, ich hab' a krank Mädel derheeme zu lieg'n. Da mecht' a Fläschl Medezin sein.
Der alte Baumert. Wo tutt's er'n fehlen?
Weber Heiber. Nu sieh ock, 's war halt von kleen uf a vermickertes Dingl. Ich weeß gar nich . . . na, dir kann ich's ja sag'n: se hat's mit uf de Welt gebracht. Aso 'ne Unreenichkeit ieber und ieber bricht'r halt durchs Geblitte.
Der alte Baumert. Ieberall hat's was. Wo eemal's Armutt is, da kommt ooch Unglicke ieber Unglicke. Da is o kee Halt und keene Rettung.
Weber Heiber. Was hast d'nn da eingepackt in dem Tiechl?
Der alte Baumert. Mir sein halt gar blank derheeme. Da hab' ich halt unser Hundl schlacht'n lassen. Viel is ni dran, a war o halb d'rhungert. 's war a klee, nettes Hundl. Selber abstechen mocht' ich'n nich. Ich könnt' mer eemal kee Herze nich fass'n.
Pfeiferhat Bäckers Webe untersucht, ruft. Bäcker dreizehntehalb Silbergroschen.
Bäcker. Das is a schäbiges Almosen, aber kee Lohn.
Pfeifer. Wer abgefertigt is, hat's Lokal zu verlassen. Wir kenn uns vorhero nich riehren.
Bäcker, zu den Umstehenden, ohne seine Stimme zu dämpfen. Das is a schäbiges Trinkgeld, weiter nischt. Da soll eens treten vom friehen Morg'n bis in die sinkende Nacht. Und wenn man achtz'n Tage ieberm Stuhle geleg'n hat, Abend fer Abend wie ausgewund'n, halb drehnig vor Staub und Gluthitze, da hat man sich glicklich dreiz'ntehalb Beehmen erschind't.
Pfeifer. Hier wird nich gemault!
Bäcker. Vo Ihn lass' ich mersch Maul noch lange nich verbiet'n.
Pfeiferspringt mit dem Ausruf Das mecht' ich doch amal sehn! nach der Glastür und ruft ins Kontor. Herr Dreißicher, Herr Dreißicher, mechten Sie amal so freundlich sein!
Dreißigerkommt. Junger Vierziger. Fettleibig, asthmatisch. Mit strenger Miene. Was – gibt's denn, Pfeifer?
Pfeifer, glupsch. Bäcker will sich's Maul nich verbieten lassen.
Dreißigergibt sich Haltung, wirft den Kopf zurück, fixiert Bäcker mit zuckenden Nasenflügeln. Ach so – Bäcker! – Zu Pfeifer. Is das der? Die Beamten nicken.
Bäcker, frech. Ja, ja, Herr Dreißicher! Auf sich zeigend. Das is der, – auf Dreißiger zeigend – und das is der.
Dreißiger, indigniert. Was erlaubt sich denn der Mensch!?
Pfeifer. Dem geht's zu gutt! Der geht aso lange aufs Eis tanzen, bis a's amal versehen hat.
Bäcker, brutal. O du Fennigmanndl, halt ock du deine Fresse. Deine Mutter mag sich woll ei a Neumonden beim Besenreit 'n am Luzifer versehn hab'n, daß aso a Teiwel aus dir geworn is.
Dreißiger, in ausbrechendem Jähzorn, brüllt. Maul halten! auf der Stelle Maul halten, sonst . . . Er zittert, tut ein paar Schritte vorwärts.
Bäcker, mit Entschlossenheit ihn erwartend. Ich bin nich taub. Ich heer' noch gut.
Dreißigerüberwindet sich, fragt mit anscheinend geschäftsmäßiger Ruhe. Is der Bursche nicht auch dabeigewesen?
Pfeifer. Das is a Bielauer Weber. Die sind ieberall d'rbei, wo's 'n Unfug zu machen gibt.
Dreißiger, zitternd. Ich sag' euch also: passiert mir das noch einmal und zieht mir noch einmal so eine Rotte Halbbetrunkener, so eine Bande von grünen Lümmeln am Hause vorüber wie gestern abend – mit diesem niederträchtigen Liede . . .
Bäcker. 's »Bluttgericht« meenen Se woll?
Dreißiger. Er wird schon wissen, welches ich meine. Ich sag' euch also: hör' ich das noch einmal, dann lass' ich mir einen von euch rausholen, und – auf Ehre, ich spaße nicht – den übergebe ich dem Staatsanwalt. Und wenn ich rausbekomme, wer dies elende Machwerk von einem Liede . . .
Bäcker. Das is a schee Lied, das!
Dreißiger. Noch ein Wort, und ich schicke zur Polizei – augenblicklich. – Ich fackle nicht lange. – Mit euch Jungens wird man doch noch fertig werden. Ich bin doch schon mit ganz andren Leuten fertig geworden.
Bäcker. Nu das will ich gloob'n. Aso a richtiger Fabrikante, der wird mit zwee-, dreihundert Webern fertich, eh man sich umsieht. Da läßt a ooch noch ni a paar morsche Knoch'n iebrich. Aso eener der hat vier Mag'n wie 'ne Kuh und a Gebiß wie a Wolf. Nee nee, da hat's nischt!
Dreißiger, zu den Beamten. Der Mensch bekommt keinen Schlag Arbeit mehr bei uns.
Bäcker