Die Weisheit eines Yogi - Sadhguru - E-Book
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Sadhguru

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Beschreibung

»Ein Tool, um Ihre innere Intelligenz zu entwickeln« DEEPAK CHOPRA Der international bekannte Yoga-Meister Sadhguru erklärt in seinem Weisheitsbuch die Möglichkeiten zu innerer Transformation. Noch nie hat ein spiritueller Lehrer die Botschaft des Yoga so spannend und unterhaltsam erklärt. Der indische Yoga-Meister ist für unzählige Menschen ein leuchtendes Vorbild.  Mach dich zum Architekten deines inneren und äußeren Lebens In Die Weisheit eines Yogi schildert er seine persönlichen Erfahrungen und tiefen Einsichten, die sein eigenes Leben und Bewusstsein verwandelt haben. Sie sind beispielhaft und haben die Kraft, die eigene Persönlichkeitsentwicklung nachhaltig zu unterstützen. Zahlreiche Übungen – meditative und ganz alltagsbezogene – laden zu positiven Veränderungen unseres Lebens ein, die uns glücklicher, achtsamer und freier machen werden. Seine Methode des "Inner Engineering" wird weltweit von Tausenden Schüler*innen praktziert und stellt einen im Alltag umsetzbaren spirituellen Weg dar. Yoga ist ein Mittel, die vitalen Energien so zu nutzen und zu aktivieren, dass Körper und Geist mit ihrer optimalen Kapazität funktionieren. »Selbst-Transformation bedeutet, dass nichts Altes mehr übrig bleibt. Sie bedeutet eine neue Dimension im Hinblick darauf, wie wir das Leben wahrnehmen und erfahren. Das zu ­wissen ist Yoga.« Sadhguru

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Seitenzahl: 358

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Sadhguru

Die Weisheit eines Yogi

Wie innere Veränderung wirklich möglich ist

Aus dem amerikanischen Englisch von Bernhard Kleinschmidt

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Sadhguru Jaggi Vasudev ist ein international anerkannter Vordenker und Vermittler eines ganzheitlichen und spirituellen Bewusstseins. Er trat als Redner bei den Vereinten Nationen, dem Weltwirtschaftsforum und dem MIT auf und sprach vor dem House of Lords. Viele bekannte Lehrer wie Deepak Chopra sind von ihm beeinflusst worden. Sadhguru ist Gründer Isha-Stiftung zur Verbreitung eines modernen Yoga mit zahlreichen Praxiszentren weltweit.

Inhaltsübersicht

Motto

Guru – ein Schmähwort

Erster Teil

An den Leser

Als ich den Verstand verlor

Der Weg hinaus führt hinein

Das eigene Schicksal gestalten

Keine Grenze, keine Last

Sadhana

»Und jetzt: Yoga«

Zweiter Teil

Vorbemerkung

Körper

Die ultimative Maschinerie

»Es gibt etwas, das mag die Mauern nicht«

Der Lebenssinn – das Leben jenseits der Sinne erkennen

Dem Leben zuhören

Den Kosmos herunterladen

Ein Bröckchen Erde

Im Einklang mit der Sonne

Ein elementares Problem

Ein dringendes Bedürfnis

Nahrung als Brennstoff

Essen, was zu uns passt

Verdauungsprobleme

Vernünftige Ernährung

Von der Ruhelosigkeit zur Ruhe

Vom Sinnlichen zum Kosmischen

Im Bann der Hormone

Geist

Wunder oder Wirrnis

Denken und Leben

Die klebrige Schicht der Identität

Den Verstand in Gewahrsein tauchen

Gewahrsein ist Lebendigsein

Wissen, ohne zu denken

Glauben versus Suchen

Der Wunschbaum

Der Mythos Kopf gegen Herz

Erkenntnis und Hingabe

Das Mantra der Liebe

Hingabe – eine Dimensionsverschiebung

Das Geheimnis willkommen heißen

Energie

Der Spur von Prana folgen

Das karmische Rätsel

Die Mechanik des Lebens

Das Energielabyrinth

Eine heilige Wissenschaft

Berge der Gnade

Der Weg der Mystik

Tantra: Eine Technik zur Transformation

Freude

Der Anfang

Glossar

Inner Engineering online

Die Isha Foundation

Was für manche »Zauberei« ist,

das ist für andere nichts als Technik.

 

Robert A. Heinlein

Guru – ein Schmähwort

Einst sah ein Kunde vor der Apotheke von Shankaran Pillai einen Mann stehen, der sich mit wild rollenden Augen an einen Laternenpfahl klammerte.

Als der Kunde die Apotheke betreten hatte, fragte er: »Wer ist der Mann da draußen? Was hat er nur?«

»Ach, der«, erwiderte Shankaran Pillai gelassen. »Das ist einer von meinen Kunden.«

»Aber was ist denn los mit ihm?«

»Er wollte etwas gegen Keuchhusten, da habe ich ihm die geeignete Arznei gegeben.«

»Und welche?«

»Eine Schachtel Abführmittel. Ich habe ihm gesagt, er soll den ganzen Inhalt gleich an Ort und Stelle schlucken.«

»Abführmittel gegen Keuchhusten! Wieso in aller Welt hast du ihm denn ausgerechnet so etwas gegeben?«

»Na hör mal, du hast ihn doch gesehen! Meinst du, der wagt jetzt noch zu husten?«

Shankaran Pillais Schachtel Abführmittel ist ein Sinnbild für die Sorte Lösungen, die Leuten auf der Suche nach Wohlbefinden heute überall auf der Welt angepriesen werden. Sie sind der eigentliche Grund, weshalb der Begriff »Guru« zu einem Schmähwort geworden ist.

Leider haben wir die wahre Bedeutung dieses Begriffs vergessen. Wortwörtlich ist ein Guru jemand, der die Dunkelheit vertreibt. Entgegen der landläufigen Meinung besteht seine Funktion nicht darin, zu lehren, zu indoktrinieren und zu bekehren. Ein Guru ist dazu da, Licht auf Dimensionen jenseits unserer Sinneswahrnehmungen und unserer psychischen Dramen zu werfen, auf Dimensionen, die wir momentan nicht wahrnehmen können. Im Grunde ist es seine Aufgabe, Licht auf das Wesen unserer Existenz selbst zu werfen.

In der heutigen Welt kursieren viele falsche und gefährlich irreführende Lehren. Eine davon lautet: »Sei ganz im Augenblick!« Das läuft auf die Annahme hinaus, man könne irgendwo anders sein, wenn man es nur wollte. Aber wie wäre das überhaupt möglich? Die Gegenwart ist der einzige Ort, an dem man sein kann. Wenn man lebt, lebt man in diesem Augenblick, und wenn man stirbt, stirbt man in diesem Augenblick. Dieser Augenblick ist Ewigkeit. Wie sollen wir ihm entkommen, selbst wenn wir es versuchen?

In diesem Augenblick besteht dein Problem darin, dass du einerseits an etwas leidest, was vor zehn Jahren geschehen ist, und andererseits an etwas, das sich eventuell übermorgen ereignen wird. Beides sind keine lebendigen Wahrheiten, sondern nur Possen deiner Erinnerung und Fantasie. Heißt das also, wir müssten, um Frieden zu finden, unseren Geist ausschalten? Keineswegs. Es bedeutet nur, dass wir die Regie übernehmen müssen. Der Geist verfügt über gewaltige Reserven der Erinnerung und unglaubliche Möglichkeiten der Vorstellungskraft, die das Ergebnis eines Jahrmillionen andauernden Evolutionsprozesses sind. Wenn wir in der Lage sind, uns dieser Fähigkeiten nach Belieben zu bedienen, kann der Geist ein fantastisches Werkzeug sein. Die Vergangenheit auszublenden und die Zukunft zu vernachlässigen wäre eine Entwertung dieser wunderbaren Fähigkeit. »Ganz im Augenblick zu sein« ist daher eine lähmende Einschränkung unseres Denkens, weil es unsere existenzielle Realität leugnet.

Immer nur »eines nach dem anderen zu tun« ist ein weiterer gängiger Selbsthilfe-Slogan. Wieso sollte man nur eine Sache tun, wenn der Geist doch eine phänomenale, vieldimensionale Maschine ist, die gleichzeitig mit mehreren Aktivitätsebenen umgehen kann? Warum sollten wir ihn ausschalten, statt ihn zu zügeln und zu lernen, ihn zu lenken? Wenn wir die Aktivität des Geistes als etwas Beglückendes erfahren können, wieso sollten wir uns freiwillig dafür entscheiden, uns ein Brett vor den Kopf zu nageln?

Ein weiterer Begriff, der durch übermäßigen Gebrauch zu einem Klischee verfestigt hat, ist der des »positiven Denkens«. Wird es zu einem trivialen Mantra für Notfälle, dient das positive Denken lediglich der Beschönigung der Realität. Wenn wir nicht in der Lage sind, auf uns einströmende Informationen zu verarbeiten und unser Psychodrama zu steuern, nutzen wir das »positive Denken« gern als Beruhigungsmittel. Anfangs haben wir vielleicht tatsächlich den Eindruck, dass es unser Leben von neuem mit Zuversicht und Optimismus erfüllt. Es hat jedoch grundsätzlich seine Grenzen. Wenn wir langfristig einen Teil der Wirklichkeit leugnen oder amputieren, erhalten wir eine schiefe Perspektive auf das Leben.

Dann ist da noch die altehrwürdige Tradition, das menschliche Wohlbefinden in den Himmel zu exportieren und zu behaupten, das Wesen des Universums sei Liebe. Dabei ist Liebe erst einmal eine menschliche Eigenschaft. Wer einen Auffrischungskurs braucht, kann bei seinem Hund Stunden nehmen. Der ist eindeutig voller Liebe! Man muss nicht in den Weltraum reisen, um Liebe zu erfahren. Diese ganzen pubertären Philosophien kommen von der Annahme her, im Zentrum der Existenz stehe der Mensch. Diese Vorstellung hat uns aller Vernunft beraubt und dazu gebracht, im Lauf der Geschichte ebenso unmenschliche wie abscheuliche Verbrechen zu begehen. Und bis heute ist dabei kein Ende abzusehen.

Als Guru habe ich keine Doktrin zu lehren, keine Philosophie zu vermitteln, keine Glaubenssätze zu propagieren. Das ist so, weil die einzige Lösung für alle Übel, von denen die Menschheit geplagt wird, die Transformation des Selbst ist. Erlangt wird sie nicht durch Moral oder Ethik und auch nicht durch eine Veränderung unserer Einstellungen oder unseres Verhaltens, sondern indem wir die grenzenlose Natur dessen erfahren, wer wir sind. Selbst-Transformation bedeutet, dass nichts Altes mehr übrig bleibt. Sie bedeutet eine neue Dimension in der Art, wie wir das Leben wahrnehmen und erfahren.

Das zu wissen ist Yoga. Wer es verkörpert, ist ein Yogi. Wer uns in diese Richtung weist, ist ein Guru.

Mit diesem Buch möchte ich dazu beitragen, Freude zu deinem ständigen Begleiter zu machen. Damit das geschieht, bietet das Buch keine Predigt, sondern eine Wissenschaft, keine Lehre, sondern eine Technik, keine Gebote, sondern einen Weg. Nun ist es an der Zeit, diese Wissenschaft zu erkunden, die Technik anzuwenden und den Weg zu gehen.

Auf dieser Reise ist der Guru nicht das Ziel, sondern die Straßenkarte. Unsere innere Dimension ist ein unbekanntes Terrain. Wenn wir eine Gegend erforschen, in der wir uns nicht auskennen, ist es dann nicht besser, Wegweiser zur Verfügung zu haben? Natürlich könntest du auch selbst deinen Weg finden, aber das würde womöglich mehrere Lebzeiten dauern. Wenn man sich auf unbekanntem Terrain befindet, ist es schlicht vernünftig, Hinweise anzunehmen. In einer Hinsicht ist das alles, was ein Guru ist – eine lebende Straßenkarte. GPS: Guru-Pfadfinde-System!

Und deshalb existiert dieses berüchtigte Schmähwort.

Um es dir einfacher zu machen, habe ich noch ein paar Buchstaben davorgesetzt …

 

Sadhguru

Erster Teil

An den Leser

Es gibt viele Möglichkeiten, mit einem Buch wie diesem umzugehen. Zum Beispiel könnte man sich direkt in die Praxis stürzen und damit sozusagen einen Hechtsprung in den Do-it-yourself-Modus machen. Allerdings ist dies kein Selbsthilfebuch. Es hat eine starke praktische Orientierung, aber das ist keineswegs alles.

Eine weitere Möglichkeit wäre, die Sache theoretisch anzugehen. Dieses Buch ist jedoch keine wissenschaftliche Abhandlung. Ich habe nie eine der yogischen Schriften in ihrer Gesamtheit gelesen. Das musste ich nicht. Ich komme von der inneren Erfahrung her. Erst spät in meinem Leben, als ich in Patanjalis Yoga-Sutras blätterte, jenen bedeutenden yogischen Texten, wurde mir klar, dass ich einen gewissen Zugang zu ihrem inneren Kern habe. Das liegt daran, dass ich empirisch an sie herangehe, nicht theoretisch. Eine hochentwickelte Wissenschaft wie Yoga auf eine bloße Doktrin zu reduzieren ist ebenso tragisch, wie daraus ein Herz-Kreislauf-Training zu machen.

Daher habe ich dieses Buch schließlich in zwei Teile unterteilt. Der erste steckt das Terrain ab, der zweite stellt eine Methode vor, um sich darauf zu orientieren.

Was du in diesem ersten Teil lesen wirst, ist keine Zurschaustellung akademischer Kenntnisse. Vielmehr möchte er eine Reihe grundlegender Einsichten bieten. Sie bilden das Fundament, auf dem die Architektur des eher praxisorientierten zweiten Teils aufbaut.

Diese Einsichten sind weder Dogmen noch Lehren. Vor allem sind sie ganz entschieden keine Schlussfolgerungen. Am besten betrachtet man sie als Wegweiser auf einer Reise, die niemand außer dir machen kann. Es sind zentrale Perspektiven, die aus einem gesteigerten Bewusstseinszustand stammen. Er gehört zu mir seit einer Erfahrung, die vor dreiunddreißig Jahren mein Leben verwandelt hat.

Dieser Teil beginnt mit autobiografischen Notizen, damit du etwas über den Autor erfährst, der dir Gesellschaft leisten wird, falls du dich entscheidest, das Buch zu Ende zu lesen. Anschließend werden bestimmte Grundideen untersucht und dabei einige gebräuchliche (und oft missbräuchlich verwendete) Begriffe wie Schicksal, Verantwortung, Wohlbefinden und – noch grundlegender – Yoga erforscht.

Eines der Kapitel in diesem Teil schließt mit einer Sadhana. Dieser aus dem Sanskrit stammende Begriff bedeutet »Mittel zum Zweck« oder »Werkzeug«. Solche der Erkundung dienende Werkzeuge bieten dir als Leser Gelegenheit, die auf diesen Seiten behandelten Ideen in die Tat umzusetzen. So kannst du sehen, ob die betreffenden Einsichten auch für dich gelten. Im zweiten Teil wirst du wesentlich häufiger Sadhanas begegnen.

Man sagt mir oft, ich sei offenbar ein »moderner« Guru. Meine Antwort darauf lautet, dass ich weder modern noch klassisch, weder New Age noch Old School bin. Ich bin zeitgemäß, was jeder Guru immer gewesen ist. Nur Wissenschaftler, Experten und Theologen können klassisch oder modern sein. Eine Philosophie und ein Glaubenssystem können alt oder neu sein. Gurus jedoch sind immer zeitgemäß.

Wie erwähnt, ist ein Guru jemand, der die Dunkelheit vertreibt, jemand, der die Tür für dich öffnet. Ob ich verspreche, morgen eine Tür für dich zu öffnen, oder ob ich gestern für jemand anders eine geöffnet habe, ist ohne Belang. Was zählt, ist allein, ob ich diese Tür für dich heute öffne.

Die Wahrheit ist also zeitlos, doch die Techniken und die Ausdrucksweise sind immer zeitgemäß. Wären sie das nicht, so hätten sie es verdient, ausrangiert zu werden. Keine Tradition, so altehrwürdig sie auch sein mag, verdient es, mehr als ein Museumsstück zu sein, wenn sie ihre Relevanz überlebt hat. Daher werde ich in diesem Buch zwar uralte Techniken erkunden, aber es sind zugleich Techniken, die sich auf dem neuesten Stand befinden.

Ich habe keinerlei Interesse daran, etwas Neues anzubieten; mich interessiert ausschließlich, was wahr ist. Dennoch hoffe ich, dass du auf den folgenden Seiten einige Stellen findest, an denen beides ineinanderfließt. In solchen entscheidenden Augenblicken, in denen die Bedingungen stimmen – wenn eine Einsicht aus einer inneren Klarheit heraus formuliert wird und dem Leser im richtigen, empfänglichen Moment begegnet –, führt eine uralte Wahrheit zu einer explosiven alchemistischen Reaktion. Ganz plötzlich ist sie so frisch, lebendig, strahlend neu, als würde sie zum allerersten Mal ausgesprochen und gehört.

Als ich den Verstand verlor

Damals war ich ein Mensch,

der nur auf den Hügel ging,

um Zeit totzuschlagen.

Totgeschlagen habe ich jedoch alles,

was Ich und was Mein war.

Mein Ich und Mein sind nun dahin,

all mein Wollen und Können habe ich verloren.

Hier bin ich, ein leeres Gefäß,

im Dienste des göttlichen Wollens,

der grenzenlosen Fähigkeit.

In der Stadt Mysore gibt es eine besondere Tradition. Wenn du etwas zu tun hast, geh auf den Chamundi Hill; und wenn du nichts zu tun hast, geh auf den Chamundi Hill. Wenn du dich verliebst, geh auf den Chamundi Hill; und wenn du plötzlich nicht mehr verliebt bist, musst du erst recht auf den Chamundi Hill gehen!

Eines Nachmittags hatte ich nichts zu tun und war außerdem seit Kurzem nicht mehr verliebt, weshalb ich auf den Chamundi Hill ging … oder besser fuhr.

Auf etwa zwei Drittel Höhe stellte ich mein Motorrad ab und setzte mich auf einen Felsvorsprung. Der war seit einiger Zeit mein »Kontemplationsfelsen«. Ein Bäumchen mit violetten Beeren und ein verkümmerter Banyanbaum hatten beharrlich ihre Wurzeln in einen tiefen Spalt im Stein geschoben. Vor meinen Augen breitete sich die Stadt aus.

Bis zu diesem Augenblick waren mein Körper und Geist in meiner Erfahrung »ich« gewesen, die Welt hingegen etwas »da draußen«. Nun jedoch wusste ich plötzlich nicht mehr, was ich und was nicht ich war. Meine Augen waren immer noch offen. Doch die Luft, die ich atmete, der Felsen, auf dem ich saß, die mich umgebende Atmosphäre, alles war zu mir geworden. Ich war alles, was vorhanden war. Obwohl ich völlig bei Bewusstsein war, hatte ich den Verstand verloren. Die unterscheidende Natur des Verstandes existierte einfach nicht mehr. Je mehr ich darüber sage, desto verrückter dürfte es sich anhören, denn was da geschah, ist nicht mit Worten auszudrücken. Was ich war, das war buchstäblich überall. Alles breitete sich explosiv über die festgelegten Grenzen hinweg aus; alles dehnte sich in alles hinein aus. Es war eine dimensionslose Einheit von absoluter Vollkommenheit.

Mein Leben ist nur jener eine Augenblick, dessen Gunst noch immer andauert.

Als ich in meinen Normalzustand zurückkehrte, hatte ich den Eindruck, es wären nicht mehr als zehn Minuten vergangen. Bei einem Blick auf meine Uhr sah ich jedoch, dass es schon halb acht Uhr abends war! Viereinhalb Stunden waren vergangen. Meine Augen waren offen, die Sonne war untergegangen, und es war dunkel. Mein Bewusstsein war vollständig vorhanden, doch was ich bis zu diesem Moment für mein Selbst gehalten hatte, war ebenso vollständig verschwunden.

Ich war nie nah am Wasser gebaut, aber da saß ich nun mit meinen fünfundzwanzig Jahren auf einem Felsen am Chamundi Hill in einer so ekstatischen Verrücktheit, dass mir die Tränen aus den Augen strömten. Mein ganzes Hemd war bereits nass!

Friedvoll und glücklich zu sein war nie ein Problem für mich gewesen. Ich hatte mein Leben so gelebt, wie ich wollte. In den Sechzigerjahren aufgewachsen, jener Zeit der Beatles und der Blue Jeans, hatte ich mich mit der europäischen Philosophie und Literatur beschäftigt, mit Autoren wie Dostojewski, Camus und Kafka. Nun jedoch war ich explosionsartig in eine völlig andere Dimension der Existenz geraten, von der ich absolut nichts wusste. Ich war von einem ganz neuen Gefühl durchdrungen, von einem Überschwang und einer Seligkeit, die ich noch nie erfahren oder auch nur für möglich gehalten hatte. Als ich meinen skeptischen Verstand darauf anwendete, teilte der mir lediglich mit, ich sei womöglich völlig durchgeknallt! Dennoch war dieser Zustand so schön, dass ich ihn auf keinen Fall verlieren wollte.

Ich war nie richtig in der Lage zu beschreiben, was an jenem Nachmittag geschehen ist. Am besten ausdrücken kann ich es vielleicht damit, dass ich in die Höhe gestiegen und nicht mehr heruntergekommen bin. Nie wieder.

* * *

Geboren bin ich in Mysore, einer hübschen, fürstlichen Stadt in Südindien, früher Residenzstadt, bekannt für ihre Paläste und Gärten. Mein Vater war Arzt, meine Mutter Hausfrau. Ich war das jüngste von vier Geschwistern.

Die Schule hat mich gelangweilt. Ich fand es unmöglich, den Unterricht zu überstehen, weil ich merkte, dass die Lehrer über etwas sprachen, was ihnen in ihrem Leben absolut nichts bedeutete. Als ich mit vier Jahren in die Vorschule kam, sagte ich unserer Haushälterin, die mich morgens immer hinbrachte, sie solle schon am Tor umkehren, statt mit mir hineinzugehen. Sobald sie fort war, rannte ich in eine nahe Schlucht, wo es von den verschiedensten Lebewesen nur so wimmelte. In Glasbehältern, die ich aus dem Arzneischrank meines Vaters holte, trug ich einen umfangreichen Privatzoo aus Insekten, Kaulquappen und Schlangen zusammen. Als meine Eltern nach einigen Monaten herausbekamen, dass ich nicht im Unterricht gewesen war, zeigten sie sich von meinen biologischen Forschungen ausgesprochen unbeeindruckt. Meine Expeditionen in die Schlucht wurden als Schmuddelspiele in einem Regenwasserkanal bezeichnet. Konfrontiert mit der Erwachsenenwelt, die ich wie so häufig als öde und fantasielos empfand, wandte ich meine Aufmerksamkeit einfach etwas anderem zu.

In späteren Jahren verbrachte ich meine Tage am liebsten damit, durch den Wald zu streifen, um Schlangen zu fangen, zu angeln und neue Pfade zu erkunden. Oft kletterte ich mit meiner Lunchbox und meiner Wasserflasche auf den obersten Ast eines großen Baumes, wo mich dessen schwankende Bewegung in einen tranceartigen Zustand versetzte. Wenn ich dann zugleich schlief und völlig wach war, verlor ich jedes Zeitempfinden. So hockte ich von neun Uhr morgens bis um halb fünf Uhr nachmittags da oben, bis die Glocke läutete und die Schule aus war. Wesentlich später wurde mir klar, dass ich unwissentlich schon in dieser Phase meines Lebens meditative Neigungen verfolgte. Als ich dann begann, Meditationen anzuleiten, waren das immer schwingende Bewegungen. Der Begriff »Meditation« war mir in meiner Schulzeit natürlich noch völlig unbekannt. Ich mochte es einfach, wie der Baum mich in einen Zustand jenseits von Schlaf und Wachsein hineinschaukelte.

Während ich die Schule öde fand, hatte ich Interesse an allem anderen – daran, woraus die Welt gemacht war, an der Beschaffenheit der Landschaft, an der Lebensweise der Menschen. Mit dem Fahrrad gondelte ich über die ungepflasterten Straßen der ländlichen Umgebung, wobei ich täglich mindestens fünfunddreißig Kilometer zurücklegte. Wenn ich nach Hause kam, war ich mit mehreren Schichten Schlamm und Staub bedeckt. Besondere Freude machte es mir, mentale Landkarten der Gegend zu erstellen, durch die ich gefahren war. Wenn ich allein war, musste ich nur die Augen schließen, um die gesamte Landschaft wiederzusehen, die ich am Nachmittag erlebt hatte – jeden einzelnen Felsen, jede geologische Eigenheit, jeden einzelnen Baum. Mich faszinierte, wie sich die Landschaft mit den Jahreszeiten veränderte, wenn die Äcker frisch gepflügt waren oder die Saat keimte. Das hat mich übrigens am Werk von Thomas Hardy angezogen, seine Beschreibungen der englischen Landschaft, die seitenweise weitergehen. Mit der Welt ringsum tat ich dasselbe. Noch heute ist es so, als hätte ich im Kopf ein Video von damals abgespeichert. Wenn ich will, kann ich das Ganze in eindringlicher Klarheit wieder abspielen, diese vielen Jahre mit allem, was ich beobachtet habe.

Abgesehen davon war ich ein eingefleischter Skeptiker. Schon im Alter von fünf Jahren hatte ich Fragen, wenn meine Familie in den Tempel ging, viele sogar. Wer ist Gott? Wo ist er? Da oben? Wo ist da oben überhaupt? Einige Jahre später hatte ich noch mehr Fragen. In der Schule wurde behauptet, die Erde sei rund. Aber wenn die Erde rund war, wie wusste man dann, wo oben war? Da es nie jemand gelang, solche Fragen zu beantworten, weigerte ich mich, den Tempel zu betreten. Das bedeutete, dass man mich draußen in der Obhut des Mannes lassen musste, der sonst auf die Schuhe und Sandalen aufpasste. Der hielt mich mit einem Klammergriff fest und zerrte mich mit sich, während er seinen Pflichten nachging. Hätte er mich aus den Augen gelassen, so wäre ich auf und davon gewesen, das war ihm völlig klar. Später im Leben fiel mir auf, dass Leute, die aus Esslokalen kamen, immer eine vergnügtere Miene zur Schau stellten als jene, die aus Tempeln kamen. Das hat mich fasziniert.

Obwohl ich also ein Skeptiker war, habe ich mich mit diesem Etikett nie identifiziert. Ich hatte eine Menge Fragen über alles und jedes, fand es jedoch nie notwendig, irgendwelche Schlüsse zu ziehen. Mir wurde sehr früh bewusst, dass ich von nichts eine Ahnung hatte. Das hieß, dass ich allem um mich herum gewaltige Aufmerksamkeit schenkte. Wenn jemand mir ein Glas Wasser reichte, starrte ich es endlos an. Wenn ich das Blatt eines Baumes aufhob, starrte ich es ebenfalls endlos an. Die ganze Nacht über starrte ich in die Dunkelheit. Wenn ich einen Kieselstein betrachtete, drehte sich dessen Bild endlos vor meinem geistigen Auge, bis ich jede Maserung und jede Rundung kannte.

Außerdem merkte ich, dass die Sprache lediglich eine von Menschen ersonnene Verschwörung war. Wenn jemand etwas sagte, dann gab er nur Geräusche von sich, während ich die Bedeutungen erfand. Deshalb hörte ich auf, Bedeutungen zu erfinden, worauf die Geräusche ausgesprochen amüsant wurden. Ich konnte sehen, wie bestimmte Muster aus dem Mund der Leute kamen. Wenn ich den Sprecher unverwandt anstarrte, löste er sich einfach auf und verwandelte sich in einen Klumpen Energie. Dann waren nur noch Muster übrig!

In diesem Zustand einer vollständigen, grenzenlosen Unwissenheit konnte praktisch alles meine Aufmerksamkeit fesseln. Da mein guter Vater Arzt war, kam er auf die Idee, ich müsste psychiatrisch untersucht werden. »Der Junge starrt ständig irgendetwas an«, meinte er. »Offenbar ist er durchgedreht!« Es ist mir immer komisch vorgekommen, dass die Welt nicht erkennt, wie grandios ein Zustand des »Ich weiß nicht« ist. Wer diesen Zustand mit Meinungen und Annahmen zerstört, versäumt eine ungeheure Möglichkeit – die Möglichkeit, etwas zu erfahren. Er vergisst, dass »Ich weiß nicht« das Tor – das einzige Tor – zum Suchen und Wissen ist.

Meine Mutter wiederum wies mich an, meinen Lehrern mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Das tat ich dann auch. Ich schenkte ihnen so viel Aufmerksamkeit, wie sie von keinem anderen jemals erhalten hätten! Zwar hatte ich keine Ahnung, was sie sagten, aber wenn ich überhaupt im Unterricht saß, starrte ich sie ebenso unverwandt wie intensiv an. Aus irgendeinem Grund fanden sie das nicht besonders erfreulich. Ein bestimmter Lehrer gab sich alle erdenkliche Mühe, mir eine Reaktion zu entlocken. Als ich trotzdem weiter schwieg, packte er mich an der Schulter und schüttelte mich heftig. »Entweder hast du was Göttliches an dir, oder du bist der Teufel!«, erklärte er, um hinzuzufügen: »Und ich glaube, du bist das Letztere!«

Ich war nicht besonders gekränkt. Bis zu diesem Augenblick war ich auf alles, was mich umgab – von einem Sandkorn bis hin zum Universum –, mit einem Gefühl des Staunens zugegangen. In diesem komplexen Gewebe aus Fragen hatte es jedoch immer eine Gewissheit gegeben, und die war »ich«. Nun löste der Ausbruch meines Lehrers eine weitere Fragenkette aus. Wer war ich? War ich menschlich, göttlich, teuflisch oder was sonst? Ich versuchte, mich selbst anzustarren, um es herauszubekommen. Das klappte nicht. Deshalb schloss ich die Augen und versuchte, so zum Ziel zu kommen. Die Minuten wurden zu Stunden, während ich mit geschlossenen Augen weiter dasaß.

Wenn meine Augen geöffnet waren, dann war ich von allem fasziniert – von einer Ameise und einem grünen Blatt, von Blüten und der Dunkelheit, von praktisch allem. Zu meiner Verblüffung stellte ich jedoch fest, dass mit geschlossenen Augen noch mehr da war, was meine Aufmerksamkeit auf sich zog – das Pulsieren des Körpers, die Funktionsweise verschiedener Organe, die vielen Kanäle, durch die sich unsere innere Energie bewegte, die anatomischen Zusammenhänge und die Tatsache, dass Grenzen auf die äußere Welt beschränkt waren. Durch diese Praxis erschloss sich mir die gesamte Mechanik des Menschseins. Statt mich zu der allzu simplen Antwort zu führen, dass ich »dies« oder »jenes« war, bescherte sie mir allmählich die Erkenntnis, dass ich – wenn ich dazu bereit war – alles sein konnte. Dabei ging es nicht darum, irgendwelche Schlussfolgerungen zu ziehen. Selbst die Gewissheit eines »Ichs« brach in sich zusammen, als in mir ein tieferes Gefühl dafür entstand, was es bedeutete, menschlich zu sein. Dadurch schmolz die Vorstellung, die ich von mir als autonome Person hatte. Ich wurde zu einem nebulösen Wesen.

Trotz meiner Wildheit gab es etwas, das ich mit merkwürdiger Disziplin zustande brachte – meine Yogapraxis. Sie begann in den Sommerferien des Jahres, in dem ich zwölf wurde. Zusammen mit einem ganzen Haufen Cousins und Cousinen verbrachte ich die Ferien im Haus meines Großvaters. Im Garten stand ein alter, über fünfundvierzig Meter tiefer Brunnen. Während die Mädchen Verstecken spielten, beschäftigten wir Jungen uns damit, in den Brunnen zu springen, um dann wieder herauszuklettern. Beides war eine echte Herausforderung. Bei einem falschen Sprung hätte man sich den Schädel aufgeschlagen, und beim Heraufklettern hatte man keine Stufen zur Verfügung; man musste sich an die Steine der Wand klammern und hochziehen. Vom schieren Druck quoll unter den Fingernägeln oft Blut hervor. Nur wenige der Jungen schafften das. Ich war einer von ihnen und sogar ziemlich gut darin.

Eines Tages tauchte ein über siebzigjähriger Mann auf, der uns eine Weile beobachtete. Dann sprang er ohne ein Wort in den Brunnen. Wir dachten, er wäre hinüber, aber er kletterte schneller heraus, als mir das gelang. Ich schluckte meinen Stolz hinunter und stellte ihm eine einzige Frage: Wie? »Komm mit und lerne Yoga«, sagte der Alte.

Ich folgte ihm wie ein Hündchen. So wurde ich Schüler von Malladihalli Swami, wie man ihn nannte, und ließ mich auf Yoga ein. Davor war es ein wahres Familienprojekt gewesen, mich morgens wach zu bekommen. Sobald man mich dazu gebracht hatte, mich im Bett aufzusetzen, kippte ich um und schlief wieder ein. Wenn meine Mutter mir meine Zahnbürste reichte, steckte ich diese in den Mund und schlief ein. Verzweifelt schob meine Mutter mich ins Badezimmer, wo ich sofort wieder einschlief. Nachdem ich drei Monate Yoga geübt hatte, wachte mein Körper jeden Morgen ohne jede äußere Aufforderung um zwanzig vor vier auf, was noch heute der Fall ist. Nach dem Aufwachen begann ich einfach mit meinen Übungen, egal wo und in welcher Situation ich mich befand. Dabei machte ich keinen einzigen Tag Pause. Durch diese einfache Praxis namens Angamardana, ein Körperyoga-System, durch das die Sehnen und Glieder gekräftigt werden, unterschied ich mich eindeutig von allen, mit denen ich zusammenkam, sowohl körperlich als auch mental. Das war alles – glaubte ich jedenfalls.

Mit der Zeit verlor ich jeden Glauben an eine strukturierte Schulbildung. Zynismus war das nicht, denn ich hatte genug Lebenshunger in mir, um an allem interessiert zu sein. Meine dominante Eigenschaft war jedoch schon in diesem Alter eine innere Klarheit. Ich suchte in dem, was man in der Schule unterrichtete, nicht aktiv nach Ungereimtheiten, ich sah sie einfach. In meinem Leben habe ich nie nach etwas gesucht, ich schaue nur hin. Das ist auch das, was ich heute versuche, anderen beizubringen: Wenn ihr wirklich etwas über Spiritualität erfahren wollt, sucht nicht nach etwas. Die Menschen denken, es gehe bei der Spiritualität darum, nach Gott, der Wahrheit oder den höchsten Dingen zu suchen. Das Problematische daran ist, dass man damit bereits festgelegt hat, wonach man sucht. Von Bedeutung ist jedoch nicht das Objekt unserer Suche, sondern die Fähigkeit, einfach ohne jedes Motiv hinzuschauen. Diese Fähigkeit fehlt heute in der Welt. Es gehört zu unserer psychischen Struktur, allem eine Bedeutung zuschreiben zu wollen. Aber bei der spirituellen Erkundung geht es nicht darum, etwas zu suchen, sondern darum, unsere Wahrnehmung zu entwickeln, unsere Fähigkeit, etwas zu erschauen.

Nach der Highschool begann ich in der Bibliothek der Universität von Mysore mit einem Selbststudium. Ich war der Erste, der morgens um neun an der Tür stand, und der Letzte, der abends um halb neun hinausgescheucht wurde. Zwischen Frühstück und Abendessen waren Bücher meine einzige Nahrung. Obwohl ich immer einen Bärenhunger hatte, verzichtete ich ein ganzes Jahr lang aufs Mittagessen. Ich las alles, was ich in die Finger bekam, von Homer bis Popular Mechanics1, von Kafka bis Kalidasa2, von Dante bis Dennis the Menace3. Nach diesem Jahr war ich zwar etwas gebildeter, hatte aber mehr Fragen als je zuvor.

Die Tränen meiner Mutter brachten mich widerstrebend dazu, mich an der Universität für ein Studium der Englischen Literatur einzuschreiben. Dennoch trug ich die dunkle Wolke meiner Milliarden Fragen ständig mit mir herum; weder die Bibliothek noch meine Dozenten konnten sie vertreiben. Wieder verbrachte ich die meiste Zeit außerhalb statt innerhalb der Unterrichtsräume. Im Unterricht, stellte ich fest, wurden lediglich Notizen diktiert, und ich hatte eindeutig nicht vor, Stenograf zu werden! Einmal bat ich eine Dozentin, mir ihre Notizen zu überlassen, damit ich sie kopieren könne. Ihr würde das die Mühe sparen, sie mir zu diktieren, und mir die Mühe, den Kurs zu besuchen. Schließlich traf ich eine Abmachung mit sämtlichen Dozenten (die ausgesprochen froh waren, mich nicht mehr im Unterricht zu haben). An jedem Unterrichtstag würden sie notieren, dass ich anwesend gewesen sei. Am letzten Tag eines jeden Monats wurde die Anwesenheit offiziell registriert, und an diesem Tag kam ich tatsächlich in den Unterricht, um mich zu vergewissern, dass sie ihren Teil der Abmachung einhielten.

Eine Gruppe von Studenten traf sich regelmäßig unter einem riesigen Banyanbaum, der auf dem Campus stand. Das nannte jemand den »Banyan Tree Club«, und der Name blieb hängen. Der Club hatte das Motto: »Wir tun’s, weil es uns Spaß macht.« Wir versammelten uns auf unseren Motorrädern unter dem Baum und redeten stundenlang über die verschiedensten Themen, zum Beispiel darüber, wie man Jawa-Motorräder frisierte und wie man die Welt verbessern konnte. Natürlich stiegen wir dabei keinen Moment von unseren Motorrädern ab. Das wäre ein Sakrileg gewesen!

Als ich mit der Universität fertig war, war ich durchs ganze Land gereist. Anfangs fuhr ich mit meinem Fahrrad durch den Süden Indiens, später machte ich lange Fahrten auf meinem Motorrad. Anschließend lag es nahe, die Landesgrenze zu überschreiten, aber als ich an die Grenze zu Nepal kam, sagte man mir, meine Fahrzeugpapiere und mein Führerschein würden nicht ausreichen. Ich bräuchte weitere Dokumente. Danach wurde es mein Traum, irgendwie genügend Geld zu verdienen, um mit meinem Motorrad durch die Welt zu fahren. Das war mehr als Reiselust, in Wahrheit war ich ruhelos. Ich wollte etwas erfahren. Mir war weder klar, was das war, noch, an welchem Ort ich es finden konnte. In meinem innersten Wesen wusste ich jedoch, dass ich mehr wollte.

Ich habe mich nie für besonders impulsiv gehalten, ich war nur lebenshungrig. Die Folgen meines Handelns habe ich durchaus abgewogen, aber je gefährlicher sie waren, desto mehr zogen sie mich an. Jemand hat mir einmal gesagt, ich müsse einen sehr guten Schutzengel haben, der ständig Überstunden macht! In mir war immer eine Sehnsucht, die Grenzen auszuloten und zu überschreiten. Die Frage nach dem Was und Warum hat mich nie interessiert; mir ging es nur ums Wie. Wenn ich heute auf diese Zeit zurückblicke, wird mir klar, dass ich nie darüber nachgedacht habe, was ich im Leben werden wollte. Ich habe nur darüber nachgedacht, wie ich mein Leben leben wollte, und ich wusste, dass dieses Wie nur in mir und von mir bestimmt werden konnte.

Damals boomte in Indien gerade die Hühnerzucht. Da ich Geld verdienen wollte, um mir meinen Wunsch nach freiem, ziellosem Reisen zu erfüllen, stieg ich ein. »Was soll ich den Leuten bloß sagen?«, klagte mein Vater. »Dass mein Sohn Hühner züchtet?« Dennoch baute ich eine Hühnerfarm auf, und zwar ganz alleine. Das Geschäft hatte Erfolg, ich machte Profit. Jeden Morgen widmete ich vier Stunden der Arbeit auf der Farm. Den restlichen Tag verbrachte ich damit, zu lesen und Gedichte zu schreiben, im Brunnen zu schwimmen, zu meditieren und mich auf einem großen Banyanbaum Tagträumen hinzugeben.

Der Erfolg machte mich experimentierfreudig. Mein Vater lamentierte immer, die Söhne von all seinen Bekannten wären Ingenieure, Unternehmer oder Beamte geworden oder nach Amerika gegangen. Außerdem meinten alle, mit denen ich zusammenkam, meine Freunde, meine Verwandten, meine alten Lehrer an der Schule und im College: »Weißt du, wir dachten immer, du würdest was aus deinem Leben machen, aber du vergeudest es nur.«

Ich ergriff meine Chance. Gemeinsam mit einem befreundeten Bauingenieur stieg ich ins Baugeschäft ein. Schon nach fünf Jahren hatte sich unsere Firma so gut entwickelt, dass sie zu den führenden Privatunternehmen von Mysore gehörte. Mein Vater war baff, aber er freute sich.

Ich wiederum war euphorisch und sehr von mir überzeugt. Adrenalingeladen, war ich reif für eine neue Herausforderung. Wenn alles, was du anfängst, ein Erfolg ist, neigst du bald zu der Ansicht, die Planeten würden sich um dich drehen statt um die Sonne!

Ein solcher junger Mann war ich, als ich an jenem schicksalhaften Nachmittag im September 1982 beschloss, mein tschechisches Motorrad zu besteigen, um auf den Chamundi Hill zu fahren.

Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, dass mein Leben danach nie wieder so sein würde wie zuvor.

* * *

Als ich später versuchte, mit meinen Freunden über das zu sprechen, was an jenem Tag auf dem Hügel geschehen war, fragten sie nur: »Hattest du etwa was getrunken? Oder was eingeworfen?« Die neue Dimension, die urplötzlich in meinem Leben aufgetaucht war, machte sie noch ratloser als mich selbst.

Noch bevor ich angefangen hatte, zu verarbeiten, was diese Erfahrung bedeutete, wiederholte sie sich. Ich saß mit meiner Familie beim Abendessen. Vom Gefühl her dauerte es zwei Minuten, doch in Wirklichkeit waren es sieben Stunden. Ich saß da und war völlig bei Bewusstsein, nur dass das »Ich«, das ich mit mir identifizierte, im Gegensatz zu allem anderen nicht mehr vorhanden war. Die Zeit setzte aus.

Ich erinnere mich, wie verschiedene Familienmitglieder mir auf die Schulter tippten, mich fragten, was passiert sei, und mich drängten weiterzuessen. Daraufhin hob ich nur die Hand und bat sie, mich in Frieden zu lassen. Inzwischen waren sie an mein merkwürdiges Verhalten gewohnt und ließen mich einfach sitzen. Als ich in meinen »normalen« Zustand zurückkehrte, war es fast Viertel nach vier Uhr morgens.

Von da an trat diese Erfahrung häufiger auf. Wenn das geschah, aß ich stundenlang nichts und schlief auch nicht. Ich saß nur wie festgewurzelt da. Einmal dauerte das dreizehn Tage lang. Als dieser Zustand einer überwältigenden, unbeschreiblichen inneren Stille und Ekstase einsetzte, war ich zufällig in einem Dorf, dessen Bewohner sich um mich versammelten und sich zuflüsterten: »Ach, der ist wohl in Samadhi« (einem glückseligen außerkörperlichen Zustand, der in der spirituellen Überlieferung Indiens häufig beschrieben wird). In Indien herrscht ein traditionelles Verständnis von Spiritualität, das den Dorfbewohnern vertraut war, während ich mit meiner modernen Einstellung keine Ahnung davon hatte. Als ich aus meiner Erfahrung auftauchte, wollte mir jemand eine Blumengirlande um den Hals legen; jemand anders wollte meine Füße berühren. Mir schien das verrückt, weil ich mir absolut nicht vorstellen konnte, dass man mir so entgegentrat.

An einem anderen Tag saß ich beim Mittagessen. Ich steckte mir gerade etwas in den Mund, als dieser Bissen plötzlich explodierte. In diesem Moment war ich in der Lage, die wundersame Alchemie der menschlichen Verdauung zu erfahren, den Prozess, durch den eine äußere Substanz – ein Stück unseres Planeten – zu einem Teil von mir wurde. Intellektuell begreifen wir das alle – dass von der Erde stammende Dinge uns nähren und dass unser Körper eines Tages als Nährstoff in dieselbe Erde zurückkehrt, die uns einmal versorgt hat. Als mir dieses Wissen jedoch von der Erfahrung her zugänglich wurde, veränderte es meine ganze Perspektive darauf, wer ich war. Meine Beziehung zu allem ringsum – die Erde eingeschlossen – erreichte eine neue Dimension.

Mir wurde jene außerordentliche Intelligenz bewusst, die in jedem von uns ist und die innerhalb eines einzigen Nachmittags ein Stück Brot oder einen Apfel in einen Teil des menschlichen Körpers verwandeln kann. Eine beachtliche Leistung! Als ich diese Intelligenz, die der Ursprung der Schöpfung ist, bewusst wahrnahm, begannen sich um mich herum anscheinend unerklärliche Dinge zu ereignen. Gegenstände, die ich berührte, wurden auf die eine oder andere Weise verwandelt. Wenn Menschen mich ansahen, brachen sie in Tränen aus. Viele meinten, ihre körperlichen oder seelischen Leiden seien durch meinen bloßen Anblick gelindert worden. Ich selbst stellte fest, dass ich innerhalb von Stunden von Krankheiten genas, die normalerweise eine monatelange medizinische Behandlung erfordern. Dennoch maß ich alldem nur wenig Bedeutung bei.

Die Fähigkeit, meine äußere und innere Wirklichkeit ziemlich dramatisch zu verwandeln, ist mir bis heute erhalten geblieben. Dabei habe ich nie bewusst versucht, irgendetwas in der Richtung zu erreichen. Aber sobald man in Kontakt mit dieser tieferen Dimension der Intelligenz gekommen ist, die die Grundlage unserer Existenz auf der Erde darstellt, wird das Leben auf ganz natürliche Weise zu einem Wunder.

Innerhalb von etwa sechs bis acht Wochen wurde diese unglaubliche Erfahrung zu einer lebendigen Realität für mich. In dieser Zeit wandelte sich alles an mir drastisch. Mein Erscheinungsbild – die Form meiner Augen, mein Gang, meine Stimme, die Haltung meines Körpers – veränderte sich so stark, dass es auch meiner Umgebung auffiel.

Was in meinem Innern geschah, war noch phänomenaler. In diesen wenigen Wochen wurde ich von Erinnerungen überflutet, von Erinnerungen an buchstäblich mehrere Lebenszeiten. Nun war ich unzähliger unterschiedlicher Dinge gewahr, die in einem einzigen Augenblick in mir abliefen. Das war wie ein Kaleidoskop. Mein logischer Geist sagte mir, das könne doch alles gar nicht wahr sein. Obwohl das, was ich in mir sah, klarer als Tageslicht war, hoffte ich insgeheim, dass es nicht stimmte. Ich hatte mich immer als aufgeweckten jungen Mann gesehen, doch nun schien ich plötzlich ein konfuser junger Narr zu sein. Mit dieser Verwirrung kam ich nicht zurecht, obgleich ich zu meinem Kummer feststellte, dass alles, was meine Erinnerungen mir mitteilten, der Wahrheit entsprach.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich absolut geweigert, irgendetwas in meinem Leben zu akzeptieren, was nicht in einen rationalen, logischen Rahmen passte. Nun erkannte ich langsam, dass das Leben selbst die höchste Intelligenz darstellte. Der menschliche Verstand ist nichts als eine gewisse Klugheit, die uns das Überleben sichert. Wahre Intelligenz ist nur das Leben selbst – und das, was der Ursprung des Lebens ist. Sonst nichts.

Man hat behauptet, das Göttliche sei gleichbedeutend mit Liebe oder Mitgefühl. Wenn man die Schöpfung jedoch aufmerksam betrachtet, erkannt man, dass das Göttliche – oder was immer der Ursprung der Schöpfung ist – vor allem die höchste vorstellbare Intelligenz darstellt. Statt zu versuchen, diese gewaltige Intelligenz zu erschließen, die in jedem von uns pulsiert, entscheiden wir uns jedoch meist dafür, unseren logischen Verstand zu verwenden, der zwar in bestimmten Situationen nützlich, aber grundsätzlich beschränkt ist.

Noch etwas begann ich damals zu erleben – eine gesteigerte Empfänglichkeit für die Gefühle anderer. Manchmal kamen mir schon die Tränen, wenn ich auf der Straße den Kummer einer mir völlig unbekannten Person sah. Ich konnte kaum glauben, was für qualvolle Zustände andere Menschen erdulden konnten, während ich völlig grundlos vor Energie nur so platzte.

Es dauerte eine Weile, bis ich erkannte, dass da etwas »Spirituelles« mit mir geschah. Es war, wie ich begriff, jene höchste Erfahrung, von der die geheiligten Traditionen und Schriften sprachen. Was ich erlebte, war tatsächlich das Schönste, was einem Menschen widerfahren konnte.

In jedem Moment barst jede Zelle in meinem Körper von einer unbeschreiblichen Ekstase. Oft wird die Kindheit verherrlicht, weil man als Kind ohne jeden Grund glücklich sein und lachen kann. Wie ich nun merkte, konnte man auch als Erwachsener ekstatisch sein. Das ist jedem Menschen möglich, weil alles, was wir überhaupt erfahren können, von innen heraus geschieht.

Ich erkannte, dass die physische Verwandlung meines Erscheinungsbildes in Wirklichkeit eine Neuorientierung meiner gesamten inneren Verfassung darstellte. Seit dem Alter von zwölf Jahren übte ich eine elementare Reihe von Körperhaltungen aus dem Hatha-Yoga. Nun trugen diese dreizehn Übungsjahre Früchte. Im Grunde ist Yoga eine Methode, den Körper so umzugestalten, dass er einem höheren Zweck dient. Der menschliche Körper kann als ein Ding aus Fleisch und Blut fungieren oder als Ursprung der Schöpfung selbst.

Eine ganze Technologie steht zur Verfügung, um das Menschliche ins Göttliche zu verwandeln. Die menschliche Wirbelsäule ist nicht nur eine mangelhafte Anordnung von Knochen, sondern die Achse des Universums. Alles hängt nur davon ab, wie wir unseren Organismus reorganisieren. In meinem Fall bedeutete das, dass ich als jemand mit einer starken körperlichen Präsenz meinen Körper so zu tragen lernte, als wäre er überhaupt nicht vorhanden. Meine Haltung wurde sehr entspannt. Vorher hatte mein Körper meine ganze Intensität ausgedrückt; wenn ich einen Raum betrat, spürten die Anwesenden, dass gleich etwas geschehen würde. Nun jedoch lernte ich, meinen Körper anders einzusetzen.

Dadurch erkannte ich auch, dass es sich bei meiner Erfahrung dieser grenzenlosen Einheit mit der Existenz und allem Lebendigen wirklich um Yoga handelte. Bei der einfachen Reihe von Asanas, die ich täglich geübt hatte, war es um Fitness gegangen – hatte ich jedenfalls gedacht. Nach jenem Tag auf dem Chamundi Hill wurde mir jedoch klar, dass ich in Wirklichkeit einen Vorgang angestoßen hatte, der mich in eine Dimension weit jenseits des Physischen führen konnte. Deshalb sage ich allen Leuten: Selbst wenn ihr aus den falschen Gründen mit Yoga anfangt, wirkt es trotzdem!

In jedem Menschen gibt es etwas, das Grenzen ablehnt und sich danach sehnt, grenzenlos zu werden. Es liegt in der menschlichen Natur, immer mehr sein zu wollen als das, was wir gerade sind. Egal, wie viel wir erreicht haben, wir wollen uns trotzdem entwickeln. Wenn wir uns genauer mit diesem Wunsch beschäftigen, so erkennen wir, dass wir uns nicht nach mehr, sondern nach allem sehnen. Wir haben alle eine Sehnsucht nach Grenzenlosigkeit. Das einzige Problem liegt darin, dass wir diese etappenweise erreichen wollen.

Stell dir vor, du wärest in einer eineinhalb Quadratmeter großen Zelle eingeschlossen. So bequem die auch wäre, du würdest dich danach sehnen, daraus befreit zu werden. Wenn man dich dann am nächsten Tag in eine geräumigere, drei Quadratmeter große Zelle umquartieren würde, so würdest du dich eine Weile blendend fühlen, aber bald würde dieselbe Sehnsucht wiederkehren, die Grenze zu durchbrechen. Es kommt nicht darauf an, wie weit eine von uns gesetzte Grenze ist; sobald wir uns ihrer bewusst werden, entsteht in uns instinktiv der Wunsch, sie zu überwinden. In der Kultur des Ostens hat man diese Sehnsucht als höchstes Ziel jedes menschlichen Bestrebens anerkannt. Freiheit – in Sanskrit Mukti oder Moksha – wird als natürliches Verlangen jedes Menschen und als unsere eigentliche Bestimmung gesehen. Nur weil wir uns ihrer nicht bewusst sind, wollen wir sie schrittweise erreichen, indem wir Macht, Geld, Liebe oder Wissen erwerben. Oder durch jenen anderen beliebten Zeitvertreib der modernen Welt – Shopping!

Sobald ich erkannte, dass der Mensch sich nicht nach etwas Bestimmtem sehnt, sondern nur danach, sich grenzenlos auszudehnen, stieg eine gewisse Klarheit in mir auf. Weil ich sah, dass wir alle zu dieser Klarheit fähig sind, kam es mir selbstverständlich vor, sie mit anderen zu teilen. Seither ist es mein einziges Ziel, diese Erfahrung anderen Menschen zu vermitteln und sie empfänglich für die Tatsache zu machen, dass ein Zustand von Freude, Freiheit und Grenzenlosigkeit ihnen nicht versagt bleiben wird, wenn sie dem natürlichen Überschwang des Lebens nicht selbst im Weg stehen.

Bei dem Zustand eines ekstatischen Wohlbefindens, der mir seit jenem Nachmittag auf dem Chamundi Hill zu eigen ist, handelt es sich weder um eine ferne, kaum erreichbare Möglichkeit noch um ein Hirngespinst. Für alle, die dazu bereit sind, stellt er eine lebendige Wirklichkeit dar. Er ist das Geburtsrecht jedes menschlichen Wesens.

Der Weg hinaus führt hinein