Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 492 - Aurelia Sander - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 492 E-Book

Aurelia Sander

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Beschreibung

Voller Liebe wandert Alexandra Kirschs Blick immer wieder über den Schriftzug auf der Visitenkarte. Hilmar Graf von Rautenbach zu Traunstein, steht dort geschrieben. Dieses kleine weiße Kärtchen, das der Graf mit roten Orchideen in ihre Opernloge bringen ließ, und die Erinnerung an ein paar gestohlene Stunden vollkommenen Glücks sind alles, was der bildschönen Frau von dem über alles geliebten Mann geblieben ist. Denn Alexandra ist bereits gebunden, und ihr Gatte hält sie fern der Heimat wie eine Gefangene an einem unbekannten Ort versteckt. Niemand weiß, wo sie sich aufhält, weder ihre Eltern noch ihr Bruder, und auch Hilmars Suche führt ins Leere ...


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Inhalt

Cover

Impressum

Es begann mit Orchideen

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: puhhha / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9374-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Es begann mit Orchideen

Die Geschichte einer wunderbaren Liebe

Voller Liebe wandert Alexandra Kirschs Blick immer wieder über den Schriftzug auf der Visitenkarte. Hilmar Graf von Rautenbach zu Traunstein, steht dort geschrieben. Dieses kleine weiße Kärtchen, das der Graf mit roten Orchideen in ihre Opernloge bringen ließ, und die Erinnerung an ein paar gestohlene Stunden vollkommenen Glücks sind alles, was der bildschönen Frau von dem Mann geblieben ist. Denn Alexandra ist bereits gebunden, und ihr Gatte hält sie fern der Heimat wie eine Gefangene an einem unbekannten Ort versteckt. Niemand weiß, wo sie sich aufhält, weder ihre Eltern noch ihr Bruder, und auch Hilmars Suche führt ins Leere …

Hilmar Graf von Rautenbach ließ sich vom Logenschließer seinen Mantel abnehmen und einen der beiden Sessel an der Balustrade zurechtrücken. Mit einem leichten Nicken verabschiedete er den alten Mann und lehnte sich zurück in das dunkelblaue samtene Polster. Nachlässig nahm er das Programm zur Hand und blätterte darin.

Eigentlich hatte er den Abend mit seiner kleinen Freundin verbringen wollen, aber Peggy hatte es gewagt, ihn zu versetzen. Und er war eigens von Gut Traunstein hierhergekommen! Es war unerhört, was sich diese kleine Gans herausnahm! Oh, sie sollte sich nur noch einmal blicken lassen. Er würde ihr schon ein paar passende Worte sagen!

Ein bisschen schade war es ja doch um die hübsche kleine Peggy. Hilmar seufzte. Er hatte sie immer gern gemocht. Sie war wie ein niedliches, verspieltes Kätzchen.

Er rollte sein Programm in der Hand zusammen und blickte gelangweilt an der Reihe der Logen entlang. Vielleicht entdeckte er ein bekanntes Gesicht und war nicht gezwungen, den ganzen Abend über hier allein zu verbringen.

Drüben öffnete sich die Tür einer Loge, die der seinen schräg gegenüberlag. Eine große junge Dame in einem schwarzen Abendkleid trat ein, ließ sich vom Logendiener das halblange Cape von den Schultern nehmen und setzte sich, ohne nach links oder rechts zu blicken, auf ihren Platz. Sie legte ein zierliches, mit Perlmutt besetztes Opernglas auf das Samtpolster der Balustrade und schlug ihr Programm auf.

Hilmar blickte fasziniert auf die schöne junge Frau. Vergessen waren Peggy und der Ärger, den sie ihm bereitet hatte.

Wer mag sie sein?, fragte er sich. Sie war ganz allein gekommen. Ob ihr Begleiter sich nur verspätete?

Hilmar war sich kaum bewusst, dass er die schöne Frau ungebührlich lange anstarrte. Er war vollkommen in ihren Anblick versunken.

Es war fast so, als hätten seine Augen einen geheimnisvollen Zwang auf die Unbekannte ausgeübt, denn in diesem Moment hob sie den Kopf und blickte geradewegs zu Hilmar hinüber. Sie lächelte verhalten. Offenbar hatte sie ihn bei seiner aufdringlichen Musterung ertappt, nahm es ihm aber nicht übel.

Hilmar neigte seinen Kopf zum Gruß.

Alexandra Kirsch erwiderte diesen Gruß nicht, aber das Lächeln um ihren Mund vertiefte sich. Für Sekunden noch hielt sie Hilmars Blick fest, dann sah sie wieder auf ihr Programm.

Die Lampen erloschen, und das Vorspiel begann.

Hilmars Blick irrte immer zu der Loge, in der er die schöne Fremde wusste.

Ob es vielleicht eine Möglichkeit gab, sie kennenzulernen?, überlegte er.

Plötzlich hellte sich sein Gesicht auf. Er erhob sich leise, tastete sich im Dunkeln zur Logentür, öffnete sie und trat hinaus auf den Gang. Dann winkte er den Platzanweiser herbei und drückte ihm einen ansehnlichen Geldschein in die Hand.

„Bitte, besorgen Sie mir bis zur Pause drei rote Orchideen und geben Sie sie in Loge fünf ab.“ Er zog eine seiner Visitenkarten aus der Tasche. „Legen Sie diese Karte dazu.“

Der Mann verneigte sich tief, denn er hatte schnell überschlagen, dass für ihn nach Abzug der Blumenrechnung noch ein beträchtliches Trinkgeld blieb.

„Vielen Dank, Herr Graf. Sie können sich darauf verlassen, dass ich Ihren Auftrag gewissenhaft ausführen werde“, versicherte er diensteifrig.

Hilmar begab sich zurück in seine Loge und setzte sich. Er nahm sein Opernglas zur Hand und richtete es auf die Loge, in der er die Fremde wusste. Er konnte nicht viel erkennen, denn nur ein schwacher Widerschein von der Bühne erleuchtete ihr Gesicht.

Sie schien ganz in die Musik versunken zu sein.

Hilmar ließ sein Glas sinken und lenkte seinen Blick zur Bühne. Puccinis einschmeichelnde Weisen waren keineswegs dazu angetan, seine innere Erregung abklingen zu lassen.

„Man nennt mich nur Mimi …“, sang die Sopranistin gerade.

Hilmars Blicke wanderten zurück zur Loge fünf.

Wie sie wohl heißen mag?, überlegte er.

„Wie eiskalt ist dies Händchen …“, sang der Tenor.

Hilmar stellte sich vor, wie wunderbar es sein müsste, die zarte weiße Hand der bezaubernden Frau in Loge fünf halten zu dürfen und sie an die Lippen zu ziehen.

Dann fielen ihm die roten Orchideen wieder ein, die er für sie bestellt hatte. Ob sie sie annehmen würde? Ob sie wusste, von wem sie kamen?

Voller Ungeduld wartete er auf das Ende des ersten Aktes.

Endlich fiel der Vorhang. Die Lampen leuchteten wieder auf. Das Publikum dankte den Sängern mit anhaltendem Beifall.

Als der Applaus verebbte, öffnete sich die Tür zu Alexandras Loge.

Hilmar erkannte den Platzanweiser, den er gebeten hatte, die Orchideen zu besorgen. Sein Herz begann schneller zu schlagen, als er das durchsichtige Päckchen mit den kostbaren Blüten entdeckte. Schon beugte der Mann sich zu der Unbekannten nieder und sagte etwas.

Zögernd nur nahm sie die Blumen entgegen. Sie wartete, bis sie wieder allein war. Dann erst öffnete sie den Umschlag und zog die weiße Karte hervor.

Hilmar Graf von Rautenbach zu Traunstein, las sie.

Alexandra fühlte, dass ihr eine leichte Röte in die Stirn stieg, und sie spürte, dass sie von einem Augenpaar beobachtet wurde.

Mit unsicheren Fingern strich sie über die goldene Schleife, die das Päckchen zusammenhielt, als wollte sie sie liebkosen. Dann hob sie den Blick und sah zu Hilmar hinüber.

Er verneigte sich lächelnd.

Alexandra erwiderte dieses Lächeln scheu und hielt seinem Blick für Sekunden stand. Dann erhob sie sich, legte die Blumen hinter sich auf ihren Sessel und machte Anstalten, ihre Loge zu verlassen.

Hilmar hatte ihr mit gespannter Aufmerksamkeit zugesehen. Plötzlich begriff er. Man konnte sich draußen im Foyer zufällig treffen. Gewiss würde sich ein Anknüpfungspunkt finden lassen.

Er stand auf und verließ ebenfalls seine Loge. Als er auf den Wandelgang hinaustrat, erblickte er den Baron von Welsbach, der auch ihn im selben Moment erkannte. Freudestrahlend kam er auf den Freund zu.

„Hilmar! Du hier? Warum hast du nichts gesagt? Wir hätten doch zusammen gehen können.“

Hilmar mochte den Baron von Welsbach sehr gern, aber in diesem Augenblick kam er ihm höchst ungelegen.

„Ich habe mich ziemlich unvermittelt zu dem Besuch entschlossen, Hans“, redete er sich heraus.

Hans von Welsbach lächelte anzüglich.

„Hatte Peggy keine Zeit?“

Hilmars Gesicht verfinsterte sich.

„Ach was, Peggy“, wehrte er verlegen ab. „Sie ist nur so ein kleiner Zeitvertreib, sonst nichts. Würdest du mich bitte jetzt einen Augenblick entschuldigen? Ich war gerade im Begriff, eine Erfrischung zu mir zu nehmen“, versuchte er den Freund abzuschütteln.

„Das ist eine großartige Idee. Du gestattest, dass ich mich anschließe?“, entgegnete Hans und blieb an Hilmars Seite.

Dieser stieß einen ergebenen Seufzer aus. Er sah ein, dass er den Freund nicht loswurde, es sei denn, er erzählte ihm die Wahrheit, aber das wollte er nicht. So nahm er mit stummer Duldermiene auf sich, dass Hans von Welsbach ihn zum Erfrischungsraum begleitete.

„Suchst du jemanden?“, erkundigte sich der Freund, als Hilmar die entgegenkommenden Theaterbesucher nervös musterte.

„Nein. Warum?“, fragte Hilmar zurück.

Hans zuckte die Schultern.

„Ich hatte den Eindruck. Ich kann mich aber auch getäuscht haben.“

Hilmars Sorge war unbegründet. Die schöne Fremde begegnete ihnen nicht. Hatte sie ihn vielleicht in Begleitung des Barons gesehen und sich scheu zurückgezogen?

Am Ende der Pause suchte Hilmar enttäuscht seine Loge wieder auf.

Sein erster Blick glitt hinüber zur Loge fünf. Noch war sie leer. Das Päckchen mit den Blumen lag auf dem blauen Samt des Sessels. Von der schönen Unbekannten fehlte jede Spur.

Links und rechts füllten sich die Logen. Hilmar wurde immer nervöser, je länger die Fremde auf sich warten ließ.

Als der zweite Akt begann und sie noch nicht erschienen war, wusste er, dass sie nicht wiederkommen würde. Sie hatte das Theater wohl längst verlassen.

Hilmar lehnte sich enttäuscht in seinem Sessel zurück.

Nachdem der zweite Akt zu Ende gegangen war, ohne dass sie zurückgekommen war, verlangte Hilmar nach seinem Mantel. Noch bevor sich die Türen öffneten, um die Besucher ins Foyer zu lassen, begab Hilmar sich zur Loge fünf.

Der Logendiener sah ihn verwundert an, als Hilmar auf die Tür zustrebte, und trat auf ihn zu.

„Verzeihen Sie, die Dame ist bereits gegangen“, sagte er und sah Hilmar bedauernd an.

„Ja, ich weiß“, entgegnete Hilmar. Er ließ ein ansehnliches Trinkgeld in die Hand des Livrierten gleiten. „Würden Sie bitte in der Loge nachsehen, ob die Dame irgendetwas zurückgelassen hat?“

Der alte Herr wunderte sich nicht über diese Bitte. In seiner vieljährigen Dienstzeit waren schon die merkwürdigsten Fragen und Bitten an ihn gestellt worden. Gewissenhaft durchsuchte er die Loge und kam mit den Orchideen zurück.

„Dies ist alles, was ich gefunden habe“, meldete er und reichte Hilmar die Blumen.

„Danke.“ Hilmar nahm das Päckchen entgegen und wandte sich zum Gehen. Er war enttäuscht wie nie zuvor in seinem Leben. Es war ihm zumute, als hätte er einen großen Verlust erlitten. Niedergeschlagen fuhr er zurück nach Gut Traunstein.

♥♥♥

Als der Platzanweiser Alexandra am Ende des ersten Aktes die Blumen brachte, ahnte sie, dass dies der Anfang eines schicksalhaften Erlebnisses sein würde, und sie fühlte ihr Herz wie das eines ganz jungen Mädchens klopfen, das zum ersten Rendezvous geht.

Minutenlang kämpfte sie mit sich. Sie wusste, dass sie, wenn sie dem offensichtlichen Wunsch des Herrn, sie kennenzulernen, nachgab, einen sehr gefährlichen Weg einschlug, denn nie zuvor hatte sie für einen Mann Ähnliches empfunden.

Doch Alexandra hatte nicht die Kraft, sich den bittenden Blicken zu widersetzen. Wie unter einem geheimen Zwang erhob sie sich, legte die Blumen auf den Sessel und verließ die Loge. Sie wollte es dem Zufall überlassen, der sie vielleicht im Foyer zusammenführen würde.

Aber dann kam alles ganz anders.

Als Alexandra hinaus auf den Wandelgang trat, wich ihr plötzlich alle Farbe aus dem Gesicht, und ihre Hände begannen zu zittern.

Der Herr im dunklen Mantel, der soeben auf sie zutrat, sah sie mit unverhohlener Schadenfreude an. Ein hämisches Lächeln legte sich um seinen Mund.

„Damit hast du nicht gerechnet, Alexa, nicht wahr? Ich bin früher zurückgekommen und wollte dich überraschen. Wie ich sehe, ist es mir gelungen. Du scheinst dich nicht sehr zu freuen, mich wiederzusehen.“

Alexandra hatte sich schon wieder gefasst.

„Bitte, gedulde dich einen Augenblick, Julius. Wir werden selbstverständlich sofort heimfahren. Ich hole schnell mein Cape“, sagte sie hastig, weil sie fürchtete, Hilmar von Rautenbach könne jeden Augenblick auftauchen und sie ansprechen.

Alexandra eilte zurück in ihre Loge, nahm ihr Cape und stand nach wenigen Sekunden wieder vor Julius.

„Diese Eile wäre gar nicht nötig gewesen, Alexa. Wir könnten uns doch die Oper gemeinsam zu Ende ansehen“, bemerkte er zynisch. „Oder möchtest du hier nicht mit mir gesehen werden?“

Alexandra überhörte seine Anspielung absichtlich. Sie wollte nicht schon wieder streiten.

„Ich hätte mir die Oper ohnehin nicht zu Ende angesehen“, log sie. „Es lohnt kaum.“

Julius Kirsch kräuselte spöttisch die Lippen.

„So? Na, dann wollen wir gehen. Vielleicht komme ich sonst doch noch hinter dein Geheimnis.“

Alexandra biss sich auf die Lippen. Hatte sie sich so schlecht beherrscht, dass Julius sie sofort durchschaut hatte?

Schweigend gingen sie nebeneinander dem Ausgang zu. Alexandra wagte es nicht, nach rechts noch links zu sehen aus Angst, sie könnte einem Blick aus den Augen des Mannes begegnen, den zu treffen sie noch vor wenigen Minuten gehofft hatte. Nun hatte das Schicksal für sie entschieden.

Julius führt seine Gattin zu dem wartenden Wagen. Ein livrierter Chauffeur riss die Tür zum Fond auf und ließ die Herrschaften einsteigen. Julius warf sich mit einem vernehmlichen Ächzen neben Alexandra in das weiche Polster.

„Zurück!“, rief er dem Chauffeur zu.

Minuten später hatte der schwarze Wagen die Stadt bereits verlassen und fuhr auf einer Landstraße dahin.

Alexandra sah stumm aus dem Fenster. Ihre Gedanken wanderten zurück zur Oper. Ob dieser Graf sie sehr vermisste?

Nicht einmal die Orchideen hatte sie mitnehmen können. Sie hätten sie verraten.

Alexandra sah sich gequält nach ihrem Gatten um. Er hatte sich inzwischen eine von seinen dicken Brasil-Zigarren angezündet und paffte die Luft mit dem ätzenden blauen Rauch voll. Sie hüstelte. Oft schon hatte sie ihn gebeten, wenigstens im Wagen auf das Rauchen zu verzichten.

„Ich hoffe, du wirst nicht gleich ersticken“, bemerkte er spöttisch.

„Es würde dich kaum kümmern, Julius“, erwiderte Alexandra bitter.

„Vielleicht doch? Ich habe dich schließlich für teures Geld gekauft!“, erklärte er nachdrücklich.

Alexandra fühlte, dass sich ihr der Hals zuschnürte. Gekauft!, dachte sie. Ja, er hatte sie gekauft, wie man eine Ware kaufte. Und genauso behandelte er sie auch, seitdem sie verheiratet waren.

Ihr war es in diesem Moment, der ihr ihre erniedrigende Lage so klar vor Augen führte, wirklich zumute, als müsste sie ersticken. Sie drehte die Fensterscheibe herunter und ließ die kalte Nachtluft hereinströmen.

Heute Abend, dachte sie, hat sich eine kleine dumme Hoffnung in mein Herz geschlichen, wollte mich glauben machen, dass ich vielleicht doch noch ein Zipfelchen vom großen Glück fangen könnte, aber dieser Traum wurde zunichtegemacht, noch bevor er ausgeträumt war.

„Bitte, schließe das Fenster, Alexa!“, hörte sie Julius’ unangenehme, knarrende Stimme neben sich sagen. „Ich kann diese Zugluft nicht vertragen. Nimm bitte Rücksicht auf mich.“

Alexandra zuckte unter den lauten Worten zusammen und fuhr aus ihren Gedanken auf.

„Hast du schon jemals Rücksicht auf mich genommen, Julius?“, begehrte sie auf und wunderte sich selbst, dass sie es wagte, ihm zu widersprechen. „Ich kann den Zigarrenrauch nicht länger ertragen.“

Julius wandte den Kopf halb nach rechts, ohne Alexandra wirklich anzusehen. Er war so erstaunt, einen Widerspruch zu hören, dass er erst einmal Luft holen musste, bevor er eine Antwort darauf fand.

„Was erlaubst du dir, Alexa? Wenn ich dir befehle, das Fenster zu schließen, so wünsche ich keine Widerrede! Merke dir das ein für alle Mal!“, herrschte er sie an. „Du bist heute recht merkwürdig. Hängt das vielleicht mit deinem Theaterbesuch zusammen? Ich wünsche nicht, dass du in Zukunft noch einmal allein ausgehst, hörst du?“

Alexandra wagte keinen weiteren Einspruch, schloss das Fenster, wie Julius es verlangte, und sah stumm auf ihre Hände.

Ich lebe wie eine Gefangene, dachte sie.

Der schwarze Wagen bog von der Straße ab und fuhr durch ein breites Tor. Die starken Scheinwerfer warfen ihre Strahlen durch den nächtlichen Park auf eine schlossartige Villa.

Als das Auto vor der Treppe anhielt, öffnete sich oben geräuschlos das Portal. Zwei Lampen flammten zu beiden Seiten der Treppe auf und warfen ihren Schein auf die weißen Marmorstufen.

Alexandra und Julius verließen den Wagen und stiegen die Stufen hinauf.

Mit den Fingerspitzen hob Alexandra den Rock ihres langen Abendkleides an, damit es nicht über die Treppe schleifte. Julius warf einen verächtlichen Blick auf ihre Hände, die den kostbaren Stoff mit einer unnachahmlichen Grazie gefasst hatten.

Er neidete Alexandra ihre gute Erziehung, ihre Gewandtheit, ihr sicheres Auftreten und ihre Grazie, weil ihm selbst all dieses fehlte. Wann immer sich eine Gelegenheit bot, verspottete er sie deswegen.

„Zerbrich dir nur nicht deine zarten Finger an der schweren Spitze!“, knurrte er, während er seine fette, unförmige Gestalt die Stufen hinaufwälzte.

Ein mitleidiger Blick streifte die schöne Frau, als sie an dem Diener vorbei in die Halle trat.

„Bringen Sie mir einen Cognac, Franz. Und richten Sie dann einen Imbiss im kleinen Speisezimmer“, befahl Julius mürrisch.

„Sehr wohl, gnädiger Herr.“ Franz verneigte sich, schloss die Tür hinter seiner Herrschaft und beeilte sich, die Garderobe in Empfang zu nehmen.

Alexandra hätte sich am liebsten sofort auf ihre Zimmer zurückgezogen, um mit ihren Gedanken allein zu sein, doch sie wagte es nicht. Julius würde es nicht dulden.

Resigniert folgte sie ihm in den Salon. Ohne ein Wort zu sprechen, ließ sie sich in einem der blassgrün bezogenen Sessel nieder und lehnte sich müde zurück.

Julius betrachtete sie mit zynischem Blick.