Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 666 - Karin Weber - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 666 E-Book

Karin Weber

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Beschreibung

Unschuldig geschieden und im Herzen noch die unvergängliche Liebe zu Lüder, dem treulosen Gatten, steht Mareike Kirchner vor der Notwendigkeit, um ihrer Kinder willen den ungeliebten Simon Hagen zu heiraten. Es ist eine reine Versorgungsehe, und schon der Gedanke daran widerstrebt ihr. Aber hat sie eine andere Wahl?
Eine geschiedene Frau von dreißig Jahren mit zwei Kindern, wer will die schon haben? Selbst wenn sie noch gut aussieht, es gibt genug andere, die keine Kinder und keine gescheiterte Ehe hinter sich haben. Für die Gesellschaft ist sie abgeschrieben. In vielen schlaflosen Nächten hat Mareike sich das klargemacht. Und so wird sie heute Simons Antrag annehmen - und die Tränen hinunterschlucken ...


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Inhalt

Cover

Um versorgt zu sein

Vorschau

Impressum

Um versorgt zu sein

Was eine geschiedene Frau erdulden muss

Teil 2 der ergreifenden Roman-Trilogie

Unschuldig geschieden und im Herzen noch die unvergängliche Liebe zu Lüder, dem treulosen Gatten, steht Mareike Kirchner vor der Notwendigkeit, um ihrer Kinder willen den ungeliebten Simon Hagen zu heiraten. Es ist eine reine Versorgungsehe, und schon der Gedanke daran widerstrebt ihr. Aber hat sie eine andere Wahl?

Eine geschiedene Frau von dreißig Jahren mit zwei Kindern, wer will die schon haben? Selbst wenn sie noch gut aussieht, es gibt genug andere, die keine Kinder und keine gescheiterte Ehe hinter sich haben. Für die Gesellschaft ist sie abgeschrieben. In vielen schlaflosen Nächten hat Mareike sich das klargemacht. Und so wird sie heute Simons Antrag annehmen – und die Tränen hinunterschlucken ...

»Bist du böse mit uns?«, fragte Christine ihre Mutter. Sie saß schon ein paar Minuten lang neben ihr auf dem Sofa, hatte aber nicht gewagt, sie anzusprechen.

Mareike Kirchner schreckte aus ihren Gedanken hoch. Müde strich sie sich das blonde Haar aus der Stirn.

»Ich bin nicht böse, Kind, ich habe nur über etwas nachgedacht.«

»Worüber denn?«, fragte Gerda, Mareikes jüngste Tochter. Sie spielte auf dem Teppich mit ihren Puppen.

»Ihr glaubt, euer Vati sei verreist, nicht wahr?«

»Ist er doch auch«, erklärte Christine, die ihren Vater abgöttisch liebte. »Kommt er bald zurück?«

Mareike schüttelte den Kopf und wischte sich verstohlen über die feuchten Augen.

»Nein, euer Vati ist tot.«

»Ein Engel?« Gerda streichelte geistesabwesend ihr Püppchen.

Christine, ein Jahr älter als ihre Schwester, war emporgezuckt und stand angriffslustig vor ihrer Mutter.

»Das ist nicht wahr!«, schrie sie Mareike wild an. »Vati ist nur verreist. Er hat es mir selbst gesagt. Du darfst nicht sagen, dass er ...«

Gerda schaute völlig erstaunt auf ihre aufgeregte Schwester. Sie begriff nicht, was plötzlich in Christine gefahren war, denn sie war weit entfernt davon, die Tragweite der Eröffnung zu begreifen, die die Mutter ihnen gemacht hatte.

Die junge Frau drückte Christines Kopf an ihre Brust. Sie konnte nicht in die Augen ihres Kindes sehen, als sie weitersprach. Sie log ja, jedes Wort, das sie jetzt sagte, war eine glatte Lüge. Ihr Mann war nicht tot. Er hatte sich scheiden lassen, eine Jüngere geheiratet und sie im Elend zurückgelassen.

Nicht einmal die hundert Mark für den Unterhalt seiner Kinder überwies er ihr, obwohl er als Prokurist gut verdiente, aber seine junge Frau presste ihn förmlich aus.

Seit ihrer Scheidung arbeitete Mareike als Aushilfsverkäuferin in einem Warenhaus, und sie hatte niemanden, dem sie ihre Kinder während des Tages anvertrauen konnte. Im Kindergarten waren im Augenblick keine Plätze für sie frei. Sich selbst überlassen, waren Christine und Gerda im Begriff, völlig zu verwahrlosen.

»Euer Vati ... Der Zug, in dem er saß, ist mit einem anderen zusammengestoßen. Er ... er war gleich tot.«

Gerda spielte mit ihrem Püppchen.

Der Vater war so lange nicht mehr da gewesen und für sie nur noch eine schemenhafte Erinnerung, während Christine ihm im Herzen die Treue bewahrt hatte.

»Er ist tot?«, wiederholte Mareikes Älteste schluchzend. Tränen liefen über ihr Gesicht.

Ihr Vater hatte ihr versprochen, ihr etwas Schönes von seiner Reise mitzubringen, damals, als sie bei ihm im Büro gewesen war.

»Deshalb bist du auch immer so traurig«, sagte Christine. »Vati war immer so lieb.«

Mareike schluchzte. Sieben Jahre lang war sie mit Lüder verheiratet gewesen, und kurz nach dem siebten Hochzeitstag hatte er sie der jüngeren Frau wegen verlassen. Es war schwer, anders als bitter an ihn zu denken, und doch war die Liebe zu ihm in Mareikes Herzen noch nicht gestorben.

»Ja, euer Vati kommt nie wieder.« Sie räusperte sich. »Ihr kennt ja Onkel Hagen.«

Bei der Erwähnung dieses Mannes – eines Freundes des Vaters – wandte Christine aufmerksam den Kopf zu ihr hoch. Instinktiv ahnte sie, was die Mutti sagen wollte, und sie hatte Angst davor.

»Onkel Hagen hat euch sehr gern und mich auch. Er hat mich gestern Abend gefragt, ob ich ... ob wir ...«

»Du hast doch den Vati lieb, nicht?«, fragte Christine schnell. Ihre dünnen Ärmchen schlangen sich um den Hals der Mutter.

Mareike krauste die Stirn im bittersten Schmerz. Die ganze Nacht hatte sie schlaflos gelegen und über den unerwarteten Antrag des Mannes nachgedacht. Er wollte sie zur Frau haben und den Kindern ein Heim geben.

Christine und Gerda waren mager geworden, seitdem sie arbeiten musste, nervöser als sonst, und sie trieben sich fast den ganzen Tag auf der Straße herum.

»Onkel Hagen möchte, dass ich seine Frau werde. Und ihr seine Kinder.«

»Nein!«, schrie Christine. Sie riss sich von der Mutter los und wich vor ihr zurück. »Wir wollen keinen neuen Vati, und Onkel Hagen schon gar nicht. Magst du ihn denn leiden?«

Mareike senkte die Augen vor dem anklagenden Blick ihrer Ältesten.

»Er ist ein guter Mann«, sagte sie leise.

»Er ist nicht so wie unser Vati«, begehrte Christine auf. »Er macht nie Witze mit uns, und überhaupt ...«

Mit ihren sechseinhalb Jahren war sie nicht imstande, in Worte zu fassen, was sie dachte und fühlte. Sie wusste nur, dass sie Simon Hagen nicht leiden mochte. Er war so steif und so unbeholfen, und nie hatte sie ihn lachen hören.

»Wir wollen auch immer ganz artig sein«, versprach sie hastig. »Und immer alles essen, was du uns hinstellst, und uns nicht schmutzig machen ...«

Mareike sah ihr an, dass sie bereit war, alles zu geloben, nur damit Simon Hagen nicht ihr Vater wurde.

»Er mag euch sehr gern«, versicherte Mareike. »Und wenn er heute Abend kommt, dann möchte ich, dass ihr sehr artig seid. Und wenn ich ihn geheiratet habe, dann werdet ihr ...«

»Du darfst ihn nicht heiraten!«, stieß das Kind schluchzend hervor. »Bitte, Mutti, tu es nicht. Ich hab Angst vor ihm.«

»Christine, du bist doch ein vernünftiges Mädchen, du bist doch meine Große. Du musst dich damit abfinden, dass ich Onkel Hagens Frau werde. Ich bin sehr froh darüber.«

Jetzt waren Mareikes Tränen nicht mehr zu verbergen. Nach ihrer Ehe mit Lüder, mit dem charmanten, fröhlichen Mann, sollte sie nun eine Ehe eingehen, vor der sie sich fürchtete. Es war eine reine Versorgungsheirat, und schon der Gedanke daran widerstrebte ihr.

Simon Hagen liebte sie, soweit er überhaupt dazu imstande war, doch sie erwiderte diese Liebe nicht.

Sie sah zwar noch immer gut aus, war aber eine geschiedene Frau von dreißig Jahren mit zwei Kindern und glaubte, keine andere Wahl zu haben.

»Dir tut es ja auch leid«, flüsterte Christine. »Du musst ihn nehmen, nicht?« Sie erhielt zwar keine Antwort, aber tief in ihrem kindlichen Herzen hatte sie die schreckliche Wahrheit begriffen. Sie kletterte auf den Schoß der Mutter und legte die Arme um ihren Hals. »Ich will auch ganz bestimmt brav sein«, beteuerte sie. »Du darfst nicht mehr weinen, bitte.«

»Ich weine ja gar nicht, mein Kleines. Ach, mein liebes Mädchen, mein Herzblatt, wenn ich euch nicht hätte.« Mareikes Tränen tropften auf das helle Haar ihres Kindes.

♥♥♥

Pünktlich wie immer klingelte Simon Hagen abends an Mareikes Wohnungstür. Die junge Frau zuckte, obwohl sie dieses Geräusch erwartet hatte, schreckhaft zusammen, während Christine vom Sofa herunterrutschte und zögernd zur Tür ging.

»Guten Abend, Onkel Hagen«, wünschte sie mit einem höflichen Knicks. Sie bemühte sich um ein Lächeln, aber es war sehr gequält. »Mutti ist in der Stube. Wenn du, bitte, hereinkommen willst ...« Christine schlich ihm voran und öffnete ihm die Tür.

Onkel Hagen sah heute feierlich aus, er trug einen dunklen Anzug, der gar nicht zu ihm passte. Es war ein Erbstück seines Vaters. Simons Mutter war der Meinung, die Ausgabe für einen schwarzen Anzug lohne sich für ihn nicht.

Mareike stand auf, als ihr zukünftiger Mann das Wohnzimmer betrat. Ihr Gesicht war schneeweiß, ihre Augen wirkten unnatürlich dunkel und groß. Wie eine glückliche Braut sah sie nicht aus.

Simon begrüßte sie in seiner üblichen umständlichen Art und räusperte sich dann erwartungsvoll. Er war kein Mann, der leicht und flüssig sprechen konnte, und seine treuen Augen baten Mareike, ihn von der Qual der Ungewissheit zu erlösen.

»Geht in die Küche, Kinder.« Mit einer Kopfbewegung unterstützte Mareike ihre Bitte, und Christine packte gehorsam die Hand ihrer kleinen Schwester.

»Sie ... Sie haben mich gestern gefragt ...« Mareike senkte den Kopf, weil sie es nicht fertigbrachte, in sein erwartungsvolles Gesicht zu schauen. »Ja, ich bin glücklich, dass ein Mann wie Sie ... Ich schätze Sie sehr hoch, Herr Hagen, ich weiß, wie zuverlässig und ... Ja, ich ... ich möchte Ihre Frau werden.«

»Ihr Vertrauen, Frau Kirchner, macht mich glücklich und legt mir eine Verpflichtung auf, die einzuhalten ich Ihnen in diesem Augenblick schwöre.« Er legte seine Rechte pathetisch aufs Herz.

»Ich weiß, dass ich mich auf Sie verlassen kann.«

Mareike presste die Rechte zur Faust zusammen, und der Schmerz in ihrem Handballen, als sie die Fingernägel in die Haut drückte, half ihr, diese Sekunden tränenlos zu überstehen.

»Meine Mutter wird sich ebenfalls freuen, dass ich eine Frau wie Sie ... Wann darf ich mir erlauben, Sie offiziell als meine Braut vorzustellen?«

»Wann es Ihnen passt.« Mareike hatte das Gefühl, sie müssten sich allmählich mit dem vertraulicheren Du anreden, aber als Frau war es ihr nicht möglich, ihm entgegenzukommen.

»Wissen Ihre Kinder es schon?«

»Ja. Sie freuen sich gleichfalls sehr.«

Simon nickte geschmeichelt. Etwas anderes hatte er auch nicht erwartet. Schließlich war er, wie alle seine Vorgesetzten bestätigten, das Muster eines pflichttreuen und zuverlässigen Beamten.

»Ich möchte noch einmal sagen, wie mich Ihr Jawort beglückt.« Simon räusperte sich.

Man sah ihm an, dass er mit einem schweren Entschluss rang. Er starrte verlangend auf ihre Lippen, aber er hatte nicht den Mut, sie zu küssen.

Er räusperte sich noch einmal, während seine Zungenspitze nervös über die Lippen glitt.

»Was würden Sie davon halten, wenn wir ... Ich hoffe, Sie betrachten es nicht als Unbescheidenheit von meiner Seite, aber in Anbetracht der Tatsache, dass wir beabsichtigen, den Bund der Ehe einzugehen ...«

Er zog ein Taschentuch und tupfte sich die Schweißperlen von der Stirn.

»Ich meine, wenn wir Du zueinander sagen«, brachte er schließlich mit sichtlicher Anstrengung hervor.

»Gern, lieber Simon«, stimmte sie mit feuchten Augen zu. »Dass ich Mareike heiße, wirst du ja wissen.«

»Natürlich weiß ich das.« Simon tupfte sich noch einmal mit dem Taschentuch über die Stirn.

Mareike trat auf ihn zu und legte die Arme um seinen Nacken.

»Willst du mich denn gar nicht küssen?«, fragte sie, und ihre Lippen zuckten in verhaltenem Weinen.

Sie musste ihm entgegenkommen, er war so unbeholfen, so unerfahren, und sie wusste doch, dass er dabei ein wirklich guter Mensch war. Zuverlässig, treu, ach, er besaß all die Eigenschaften, die ein guter Ehemann besitzen sollte.

Er war nur so schrecklich langweilig und umständlich.

»Gern, wenn es dir nichts ausmacht.« Simon strahlte.

Er drückte seine Lippen ungeschickt auf ihren Mund, und dann richtete er sich stolz empor, ein Mann, der eine Frau geküsst hatte.

»Ich danke dir! Für dein Vertrauen und für alles. Meine Mutter wird sich freuen, sie hält nämlich viel von dir.«

Mareike wollte ihn heiraten, nicht seine Mutter. Aber sie wusste ja, dass eine Ehe mit ihm seine Mutter einschloss.

»Wann dachtest du ...?«

»Wie es dir passt. Ich meine, wir brauchen ja nicht lange zu warten. Vielleicht im Januar, natürlich nur, wenn es dir recht ist, ich möchte dich nicht drängen.«

»Selbstverständlich, du bist der Mann, Simon.«

»Ja, sagen wir im Januar. Mutter wird sicherlich nichts dagegen haben.«

»Und wo wollen wir wohnen?« Mareike schaute sich gehetzt um. »Ich habe eine Wohnung, und ich dachte ...«

»Ihr kommt selbstverständlich zu uns«, erklärte Simon fast gekränkt. »Du weißt, dass ich Mutter nicht alleinlassen kann. Sie ist kränklich, und sie wird sich freuen, junges Leben um sich zu haben. Und Platz genug haben wir auch.«

»Du meinst also, wir sollten mit deiner Mutter zusammenziehen?«, fragte Mareike stockend.

»Selbstverständlich.«

Für Simon schien es gar keinen Zweifel daran zu geben, obwohl jeder vernünftige Mensch wusste, dass es niemals gut ist, eine Ehe im Schatten der Schwiegermutter zu beginnen. Simon hing an der alten Dame, die ihn, ohne dass er es selbst wusste, tyrannisierte.

»Deine Mutter weiß, dass du mich ...«

»Ich hab's ihr noch nicht gesagt, aber sie hält viel von dir. Sie hat dich immer gelobt, Mareike, bestimmt. Du musst nicht denken, dass ich das nur so sage.«

Damals war ich verheiratet, keine Gefahr für ihren Goldsohn, und an allen jungen Mädchen, die für ihn infrage kamen, hatte sie etwas auszusetzen. Jetzt bin ich eine Gefahr, sie wird bald finden, dass ich nicht die beste Partie für ihren Simon bin, dachte Mareike.

Sie wusste, dass ihr ein Kampf bevorstand, aber ihrer Kinder willen würde sie ihn auf sich nehmen.

»Ja, da wären wir uns nun also einig geworden«, stellte Simon fest. »Und was wir von diesen Sachen hier übernehmen wollen, darüber sprechen wir am besten noch mit Mutti. Sie weiß, was in unsere Wohnung passt.«

Mareike biss sich auf die Lippen, bevor sie ihm eine heftige Antwort gab. Wem sollte eigentlich ihre zukünftige Wohnung gehören, der Schwiegermutter oder Simon und ihr? Der Mann musste sich von der alten Dame innerlich lösen, sonst würde es ständig Reibereien geben. Mareike seufzte.

»Du bist müde, mein kleiner Liebling.« Simon klopfte ihr auf den Rücken.

Sie widersprach nicht und war froh, als er ging. Das Zusammensein mit ihm war eine Strapaze, aber Gott sei Dank musste er ja arbeiten, und sie waren nur abends zusammen.

Irgendwie würde sie es schon schaffen, mit ihm eine erträgliche Ehe zu führen. Schließlich hatte sie allen Grund, ihm dankbar zu sein, denn er würde für sie und die Kinder sorgen.

Und morgen Abend hatte sie sich Frau Hagen als Schwiegertochter zu präsentieren. Ein bitteres Lächeln grub sich in Mareikes Gesicht, als sie daran dachte.

Schon jetzt war ihr Simons Mutter unsympathisch, die herrschsüchtige Art der alten, vom Leben enttäuschten Frau hatte sie von Anfang an abgestoßen, aber bis gestern war sie ihr gleichgültig gewesen, eine Fremde, der sie aus dem Wege gehen konnte.

Aber jetzt konnte sie ihr nicht mehr aus dem Wege gehen, sie musste mit ihr zusammenleben.

♥♥♥

Mareikes geschiedener Mann Lüder Kirchner saß in seinem Büro und malte gedankenlos Figuren auf das Löschblatt. Es widerstrebte ihm, aber dennoch war er im Begriff, fünftausendfünfhundert Mark von einem Firmenkonto abzuheben und den Betrag falsch zu verbuchen.

Als Prokurist war es für ihn keine Schwierigkeit, sich das Geld zu verschaffen, das seine kapriziöse junge Frau Ellen von ihm verlangte. Er begriff, dass sie andere Ansprüche stellte als Mareike.

Seine geschiedene Frau hatte Haushaltsgeld von ihm bekommen, und wenn sie einen neuen Mantel oder neue Schuhe haben musste, war es ein Problem gewesen, die benötigte Summe zu sparen.

Nicht im Traum wäre Lüder der Gedanke gekommen, von seiner Ellen Sparsamkeit zu verlangen. Sie hatte ihm von Anfang an klargemacht, dass ihre Ehe mit ihm in gewisser Weise ein finanzielles Opfer war.

»Als Stenotypistin hatte ich dreihundertfünfzig Mark für mich ganz allein, und du wirst doch wohl nicht erwarten, dass ich mich jetzt mit den paar Pfennigen zufriedengebe, die du mir großzügig überlassen willst.«

Schlichter ausgedrückt bedeuteten ihre Worte die Forderung, dass er ihr sein Gehalt auf den Tisch legte und sich selbst mit einem Taschengeld begnügte.

Ellen war zehn Jahre jünger als Mareike, fröhlich, sehr hübsch, und ihr Haar ähnelte gesponnenem Gold. Selbstverständlich stellte sie Ansprüche.

Und sie wünschte sich diesen Nerzmantel so sehr. Er kostete fünftausendfünfhundert Mark – wie Ellen versicherte, eine Gelegenheit. An ihm lag es nun, das Geld zu beschaffen.

Ihre Jugend war natürlich etwas wert, und Lüder sah sich gezwungen, Ellens Ansprüche zu befriedigen, weil er fast fünfzehn Jahre älter war als sie.

Niemals zuvor hatte er bemerkt, wie viele junge Männer es gab und wie viele dieser jungen Männer auch noch gut aussahen und offenbar genügend Kleingeld in den Taschen trugen.

Jeder Einzelne von ihnen war eine latente Gefahr. Ellen musste sehen, dass ein reifer Mann wie er, ein Mann mit grauen Schläfen, ihr mehr bieten konnte als diese jungen Dachse.

Fünftausendfünfhundert Mark.

Im Laufe eines Jahres konnte er das Geld nach und nach heimlich wieder zurückzahlen. Erst einmal musste er es sich nehmen, und das, ohne den Chef zu fragen. Lüder schämte sich, vor den alten Herrn hinzutreten und ihn um ein Darlehen zu bitten, nur weil seine Frau unbedingt einen wirklich überflüssigen, teuren Pelzmantel haben wollte.

Vor ihm lag das Scheckbuch der Firma. Seine Unterschrift genügte, um jeden Betrag bis zehntausend Mark abzuheben. Er kämpfte mit sich, es war nicht so leicht, nach all den langen Jahren plötzlich unehrlich zu werden, denn es war Betrug, auch wenn er das Geld in monatlichen Raten von seinem Gehalt zurückzahlen wollte.

Er schreckte hoch, als Fräulein Becker eintrat, seine jetzige Stenotypistin, ein ältliches Fräulein mit einem ausgetrockneten Gesicht, in dem nur die Augen jung geblieben waren.