Lore-Roman 133 - Karin Weber - E-Book

Lore-Roman 133 E-Book

Karin Weber

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Beschreibung

Regina und Manfred Habeck sind jungverheiratet. Sie lieben sich sehr. Deshalb fällt es ihnen auch schwer, dass sie sich so oft trennen müssen. Aber Manfred ist Holzkaufmann, und seine Geschäfte führen ihn bis in den hohen Norden hinauf. Auch jetzt ist er wieder in Schweden. Stündlich wartet Regina auf seine Heimkehr, aber Manfred kommt nicht. Tag um Tag vergeht, ohne dass die junge Frau ein Lebenszeichen ihres Mannes erhält. Tödliche Angst erfasst Regina. Wo ist Manfred? Was ist mit ihm geschehen?


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Inhalt

Cover

Die Liebe war nicht groß genug

Vorschau

Impressum

Die Liebe war nicht groß genug

Warum eine Frau vergebens wartet

Von Karin Weber

Regina und Manfred Habeck sind jungverheiratet. Sie lieben sich sehr. Deshalb fällt es ihnen auch schwer, dass sie sich so oft trennen müssen. Aber Manfred ist Holzkaufmann, und seine Geschäfte führen ihn bis in den hohen Norden hinauf. Auch jetzt ist er wieder in Schweden. Stündlich wartet Regina auf seine Heimkehr, aber Manfred kommt nicht. Tag um Tag vergeht, ohne dass die junge Frau ein Lebenszeichen ihres Mannes erhält. Tödliche Angst erfasst Regina. Wo ist Manfred? Was ist mit ihm geschehen?

Ein Lächeln umspielte Manfred Habecks Mund, als er an Regina dachte, seine kleine, zarte Frau, die so geduldig und voller Vertrauen auf ihn wartete. Kein Wunder, dass er das Gaspedal immer tiefer durchtrat, denn jeder Kilometer, den er auf dieser schwedischen Landstraße zurücklegte, brachte ihn ja der geliebten Frau näher. Er musste sich beeilen, wenn er noch rechtzeitig die Fähre erreichen wollte, die ihn nach Deutschland zurückbringen sollte.

Noch zwei Stunden, dann war er an der Fähre. Manfred Habeck schaute konzentriert auf die Straße. Plötzlich schoss etwas von rechts aus dem Gebüsch. Der Mann hatte keine Zeit zu begreifen, worum es sich handelte. Instinktiv riss er das Steuer nach links, um der Gefahr auszuweichen. Der Wagen geriet ins Schleudern. Manfred spürte einen Schlag gegen den Kopf, dann fühlte er nichts mehr.

Er lag über das Steuerrad gebeugt. Seine Arme hingen schlaff herunter, und aus einer Platzwunde an der Stirn sickerte Blut über sein Gesicht. Die Vögel, die bei dem entsetzlichen Klirren verstummt waren, begannen erneut ihr Konzert. Die Straße war mit Glassplittern übersät. Niemand kam, um dem Verletzten zu helfen.

Erst eine Viertelstunde später erklang das leise Summen eines Automotors, das von Minute zu Minute anschwoll. Ein recht altmodischer Wagen raste die Landstraße entlang. Der Fahrer stoppte am Unfallort.

Ein Blick genügte, um alles zu wissen. Der Mann war tot. Helfen konnte man ihm nicht mehr.

Aber sich selbst helfen konnte er, er brauchte Geld, und dieser Deutsche — er hatte die Wagennummer gelesen — sah nicht gerade arm aus. Ein Griff in die Jackentasche, und er hielt Manfred Habecks Brieftasche in der Hand. Sie enthielt alles, seinen Pass, die Wagenpapiere und außerdem ein ganzes Bündel Geldscheine.

Auf dem Blechdach des Autos flimmerte die Hitze, aber das merkte Manfred Habeck nicht. Noch immer lag er so, wie der Fremde ihn zuletzt gebettet hatte.

***

Silve Sörensen blieb verwundert am Rand der Landstraße stehen. Bisher hatten die hohen Kornfelder ihr den Blick vom Feldweg auf die Straße verwehrt. Jetzt erst sah sie den zertrümmerten Wagen.

Sie lief hastig weiter, beugte sich Sekunden später über Manfred Habeck und erschrak, als sie in ein totenbleiches Gesicht voller Blutspuren schaute.

Sie fühlte nach seinem Puls, spürte ihn schwach pochen und legte mit kundiger Hand einen Notverband an. Dann bettete sie den Mann mühsam ins Gras am Straßenrand, überzeugte sich, dass der Wagen nicht mehr betriebsfähig war, und hastete den Feldweg wieder zurück.

Nach zehn Minuten erreichte sie das große, gepflegte Bauernhaus, in dem sie wohnte. Sie besaßen ein Telefon. Silve hielt sich nicht lange mit Erklärungen auf, als sie mit dem Arzt sprach, obwohl Olaf, ihr älterer Bruder, es offenbar gar nicht erwarten konnte, Einzelheiten zu erfahren.

Sie zog ihn am Ärmel in die Garage. Olaf setzte sich ans Steuer, und zwei Minuten später waren die Geschwister am Unfallort. Der Verletzte lag noch genauso da, wie Silve ihn verlassen hatte. Man konnte wirklich meinen, er sei tot. Aber Olaf erkannte sofort, dass er nur bewusstlos war.

Auf seinen starken Armen trug er ihn in den Wagen, verständigte sich durch einen Blick mit Silve, die diesmal hinten Platz nahm und ihn behutsam stützte, als Olaf den Wagen nach Hause lenkte.

Ihre Eltern hatten inzwischen ein Gastzimmer vorbereitet.

»Sieht schlecht aus mit ihm«, äußerte Olaf bedächtig, als der Fremde im Bett lag.

Silve wusch ihm das Gesicht. Ihre Hände zitterten nicht, obwohl ihr Herz schwer war.

Etwas an diesen markanten Zügen berührte sie eigenartig. Es war ihr, als kenne sie ihn schon seit Jahren, als sei er ihr vertraut wie kein anderer Mensch.

»Wer ist er?«, fragte Olaf. Er durchsuchte das Jackett, das Silve dem Verletzten ausgezogen hatte, und schüttelte verwundert den Kopf. »Keine Papiere!«, murmelte er. »Seltsam! Er muss doch irgendetwas bei sich haben.«

»Das dürfte wohl gleichgültig sein, wie er heißt und wer er ist«, fuhr Silve ihn an. »Kümmere dich lieber um frisches Wasser und bring mir einen neuen Waschlappen mit!«

»Zu Befehl, Herr Feldwebel.« Olaf knallte die Hacken zusammen und verbeugte sich spöttisch. »Aber seltsam finde ich es doch, dass er so gar nichts bei sich trägt. Ich werde nachher einmal seinen Wagen näher untersuchen. Man reist nicht ohne Papiere, wenn man nichts zu verbergen hat.«

»Dieser Mann ist kein Verbrecher!«, behauptete Silve mit leicht zitternder Stimme. »Sieh ihn dir doch nur an, er hat ein ehrliches Gesicht!«

»Auf jeden Fall ein gut aussehender Mann«, räumte der Bruder ein. »Mir scheint, er hat dich beeindruckt. Na ja, kannst ihm bald einen schönen Grabspruch aussuchen. Solch eine lange Bewusstlosigkeit ist mehr als eigenartig.«

Silve wurde totenbleich. Irgendwie wollte sie einfach nicht glauben, dass der Fremde vielleicht sterben musste. Er sollte leben, sie wollte wissen, wer er war. Sie wollte ihn näher kennenlernen. Sie würde ihn pflegen, solange er auf ihrem Hof lebte, und vielleicht ...

***

Zwei volle Tage lag Manfred Habeck ohne Bewusstsein im Haus der Sörensens, bevor er endlich die Augen aufschlug.

Manfreds Blick irrte über ein Mädchengesicht, glitt dann weiter durch einen fremden Raum und kehrte wieder zu dem Mädchengesicht zurück. Sein Kopf schmerzte unerträglich.

»Sprechen Sie nicht!«, bat sie ihn mit scheuem Lächeln. »Sie hatten einen Autounfall und liegen jetzt bei uns, weil Sie nicht transportfähig sind.«

Manfred nickte müde. Er versuchte, seine Gedanken zu sammeln, aber es wollte ihm nicht gelingen. Er musste noch irgendetwas Wichtiges fragen, aber er wusste nicht, was.

»Es wird alles wieder gut«, murmelte sie weich und zärtlich wie eine Mutter, die ihr Kind beruhigen will. »Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, bei uns sind Sie gut aufgehoben.«

Manfred schüttelte den Kopf. Er wusste nicht, wie er hierherkam. Alles war so fremd.

»Sie müssen etwas essen. Ich werde Ihnen eine Fleischbrühe bringen. Rühren Sie sich nicht, der Arzt hat es strengstens verboten.«

An seinem Ringfinger war ein hellerer Streifen, aber darauf achtete Silve nicht. Der Gedanke allein, er könne einer anderen Frau gehören, machte sie fast krank.

Ihr war, als müsse er immer hierbleiben, bei ihr auf diesem Hof. Und weil sie es wollte, glaubte sie einfach nicht, dass er verheiratet war.

»Wer bist du?«, flüsterte sie, aber während sie die Frage aussprach, lächelte sie. Die Antwort war ihr nicht wichtig, denn was änderte sich schon, wenn sie seinen Namen und seinen Beruf kannte? Er selbst änderte sich dadurch nicht. Und auf ihn kam es ihr an, nur auf ihn.

Der Mann bewegte sich unruhig, seine Hände tasteten über die Decke, als suchten sie etwas. Sie wurden erst ruhiger, als Silve sie einfing und festhielt.

Ein Lächeln breitete sich über sein gebräuntes Gesicht. Er schien tief und fest zu schlafen, und der Arzt hatte ihr gesagt, dass Schlaf für ihn die beste Medizin sei.

Silve selbst spürte keine Müdigkeit, obwohl sie schon so lange an seiner Seite saß. Ihr verging die Zeit rasend schnell.

Ihre Mutter trat ein, sie ging auf Zehenspitzen. Ihre Stirn war gekraust.

»Du musst dich unbedingt hinlegen, Kind«, schalt sie liebevoll. »Der Mann schläft, er braucht dich nicht. Du siehst elend aus, Silve, du musst unbedingt ruhen.«

Sie meinte es gut, aber sie wusste nicht, was dieser Fremde ihrer Tochter bedeutete. Als Silve ihre Hand von Manfred Habecks Fingern fortzog, wurde er sofort wieder unruhig.

»Wer ist dieser Mann überhaupt?« Frau Christine schaute neugierig auf ihn hinab. »Ich finde es sehr seltsam, dass er gar keine Papiere bei sich hat. Jeder anständige Mensch kann sich doch ausweisen. Er nicht. Gerade so, als hätte er etwas zu verbergen. Die Sache will mir nicht gefallen, Silve.«

»Du mit deinem Misstrauen!«, lachte ihre Tochter sie aus. »Glaubst du, so sieht ein Mensch aus, der etwas Böses im Sinn hat?« Unbewusst strich sie über den weißen Verband auf seiner Stirn, und deshalb sah sie auch nicht, wie ihre Mutter ärgerlich die Lippen zusammenpresste.

Die Sörensens galten etwas, sie waren nicht die Ärmsten im Land, und selbstverständlich träumte sie wie jede Mutter von einer guten Partie für ihre Tochter.

Dieser Fremde sah mehr aus wie ein Vagabund; wahrscheinlich lag es an der tiefen Bräune seines Gesichts, an dem kühnen Schnitt seiner Züge, dass sie diesen Eindruck hatte.

Er gefiel ihr nicht. »Es wird Zeit, dass er ins Krankenhaus kommt«, äußerte sie. »Dort hat er die richtige und sachgemäße Pflege.«

»Das kommt nicht infrage«, lehnte Silve ihren Hinweis fast empört ab. »Er ist unser Gast, und besser werden sie im Krankenhaus auch nicht für ihn sorgen als wir.«

***

Am nächsten Morgen schlug Manfred Habeck erneut die Augen auf. Er fühlte sich sehr viel frischer als gestern, nur dieser dumpfe Druck im Kopf war geblieben. Er hatte das Gefühl, als presse eine stahlharte Faust seinen Schädel zusammen.

Silves Augen strahlten auf, als sie sah, dass er erwacht war.

»Möchten Sie etwas zu trinken haben?«, fragte sie liebevoll.

»Wo bin ich?«, fragte Manfred stockend und heiser.

»Bei uns zu Hause. Sie hatten einen Autounfall ...« So kurz und schonend wie möglich erzählte ihm Silve, was sie wusste.

»Schweden ... ich bin in Schweden?«, murmelte er. »Wie komme ich hierher?« Er starrte auf Silve, als erwarte er von ihr die Antwort. »Wie komme ich hierher?«, wiederholte er.

Das Mädchen erschrak bis ins Herz hinein.

»Sie waren mit Ihrem Auto auf der Landstraße. Sie müssen doch wissen, wohin sie wollten.«

»Auf der Landstraße ... auf was für einer Landstraße? Wohin führt sie? Papiere, ich muss doch Papiere haben? Bitte, geben Sie mir meine Brieftasche!«

Eine entsetzliche Aufregung schwang in seiner Stimme mit, und Silve hatte Angst, er würde einen Rückfall erleiden, wenn sie ihm die volle Wahrheit sagte.

»Wie heißen Sie?«, versuchte sie, ihn abzulenken. »Mein Name ist Silve, Silve Sörensen.«

»Wie ich heiße ... ich heiße ... ich bin ...« Die Unterlippe des Mannes begann heftig zu zittern, seine Finger verkrampften sich auf der Decke. Unter seinem Stirnverband liefen Schweißtropfen hervor und rollten über seine gebräunten Wangen. »Ich weiß es nicht«, stieß er abgerissen hervor. »Ich habe es vergessen. Dieser Druck im Kopf ... Geben Sie mir meine Papiere, es wird mir alles wieder einfallen. Ich muss doch Papiere haben!«

Silve schaute sich von Panik ergriffen im Zimmer um, als hoffe sie, irgendwo einen Ausweg aus dieser verzweifelten Lage zu finden. Was sollte sie ihm antworten? Die Wahrheit durfte sie nicht sagen.

»Sie heißen Dietrich ... Hammer.« Würde er ihr glauben? Ein erfundener Name, er konnte kein Echo in ihm wecken. »Ihre Papiere ... ich habe sie nicht zur Hand, Herr Hammer«, schloss sie überhastet.

»Dietrich Hammer«, wiederholte Manfred.

Wie kann einem der eigene Name nur so fremd sein! Er hieß Dietrich Hammer. Und wo wohnte er, was war er von Beruf? Unwillkürlich hob er die Rechte vor die Augen. Einen Ring trug er nicht. Demnach war er nicht verheiratet.

***

Alles Blut schoss Regina ins Gesicht, als die Türklingel anschlug. Sie zuckte erschreckt zusammen, obwohl sie schon den ganzen Tag wusste, dass die Türklingel heute ertönen würde. Den Bruchteil einer Sekunde wartete sie noch, dann lief sie über den langen, schmalen Korridor und riss die Tür auf.

Ihre Freundin Susanne stand draußen. Das Mädchen lachte herzlich, als es Reginas tief enttäuschtes Gesicht sah.

»Ich bin es nur«, meinte sie scherzhaft. »Hattest du den Hausfreund erwartet?«

Regina schüttelte den Kopf. »Manfred wird heute kommen«, sagte sie leise. »Komm herein!«

»Ach, deshalb der große Hausputz«, nickte das schwarzhaarige Persönchen verständnisvoll.

Im Flur roch es nach Bohnerwachs und Seife, und obwohl Regina noch die Schürze trug, war ihr Haar doch frisch frisiert. Sie musste heute Morgen beim Friseur gewesen sein.

»Es tut mir leid, dass ich dich störe. Aufhalten möchte ich dich nicht; an und für sich habe ich nichts auf dem Herzen, ich kam nur gerade hier vorbei und dachte, ich könnte billig eine Tasse Kaffee bekommen«, fuhr Susanne fort.

»Aber selbstverständlich. Bitte, nimm Platz! Ich erwarte Manfred erst heute Abend. Nur, als es eben klingelte ...«

Susanne Tönning nickte und folgte Regina in die kleine, moderne Küche. Sie setzte sich auf einen der weiß lackierten Stühle.

»Manchmal frage ich mich, wie du dein Leben eigentlich so erträgst«, meinte sie versonnen. »Du bist verheiratet und doch so oft allein. Mindestens die Hälfte des Jahres ist Manfred doch auf Reisen.«

»Ja, damit muss ich mich eben abfinden.« Regina zuckte die Schultern, während ein wehmütiges Lächeln ihren schöngeschwungenen Mund umspielte.

Susanne rutschte auf dem Küchenstuhl hin und her. Mit ihrer reizenden Stupsnase schnupperte sie den Duft des frischaufgebrühten Kaffees genussvoll ein. Für guten Kaffee ließ sie ihr Leben, und Regina sparte nicht an Bohnen.

Die junge Hausfrau lächelte, als sie die leuchtenden Augen ihrer Freundin sah. Manchmal kam ihr die gleichaltrige Susanne noch wie ein unerfahrenes Kind vor, das neugierig in das fremde, geheimnisvolle Leben schaut.

»Wie geht es deiner Mutter übrigens?«, nahm Susanne den Faden des unterbrochenen Gesprächs wieder auf.

»Wie immer.« Ein Schatten glitt über Reginas Gesicht. »Sie trägt ihre Krankheit tapfer, aber manchmal wird es ihr natürlich zu viel. Immer diese Schmerzen, ständig Tabletten, die das Herz angreifen ... Ich verstehe oft nicht, wie sie es schafft, trotz allem noch solch ein fröhliches Gesicht zu zeigen.«

»Eine wirklich bemerkenswerte Frau.« Susanne nickte.

Sie wusste genau, dass die alte Dame ihren Schwiegersohn nie akzeptiert hatte. Ihre Herzanfälle waren stärker geworden, als Regina ihn zum ersten Mal ins Haus brachte, und als ihre Tochter sich verlobte, musste sie ins Krankenhaus.

»Ich will dich nicht länger aufhalten. Heute ist mein Typ hier unerwünscht, merke ich. Grüß Manfred von mir und sage ihm, er solle sich in Zukunft einen Vertreter für seine Auslandsreisen besorgen. Eine jungverheiratete Frau lässt man nicht so lange allein, wenn man sie liebt.«

Sie klopfte Regina burschikos auf die Schulter und wirbelte hinaus.

***

In dieser Nacht ging Regina Habeck nicht ins Bett. Sie wartete auf ihren Mann, und je länger sie im Wohnzimmer saß, ohne dass die Türklingel sein Kommen ankündigte, desto stärker wurde ihre Unruhe.

Knapp zwei Jahre waren sie verheiratet, und nicht ein einziges Mal hatte er sich verspätet, wenn sie auf ihn wartete.

Im Geist sah Regina ihn schwer verletzt zwischen den Trümmern seines Wagens, ein furchtbares Bild, das sie geradezu folterte. Manfred lachte nur über ihre Bedenken, wenn sie ihm manchmal gestand, dass sie um ihn fürchtete. Er war selbstbewusst und stark, er meinte, ihm könne nichts passieren. Aber das hatten schon viele gemeint, und doch waren sie dann eines Tages tot ...

***

Der Morgen graute, und ein leichter Nieselregen sprühte von einem trostlos grauen Himmel auf die Dächer der Stadt. Und grau war auch Reginas Gesicht. Sie erhob sich schwerfällig wie eine alte Frau, ging in die Küche und goss sich starken Kaffee auf, um wieder zu Kräften zu kommen.

Sie hatte Angst, die Polizei anzurufen, sie hatte Angst vor der Gewissheit, aber dennoch blieb ihr schließlich nichts anderes übrig, als die Nummer zu wählen.

Der Beamte war freundlich, aber nicht sonderlich beeindruckt. Er gab ihr den Rat, in Ruhe abzuwarten. Ein Unfall sei in der Stadt in den letzten vierundzwanzig Stunden nicht geschehen, wenigstens in der Beziehung konnte er sie beruhigen.

Aber der Weg von Schweden hierher war weit, wie leicht konnte es möglich sein, dass er woanders lag. Seine Papiere, sie mussten der Polizei doch einen Anhaltspunkt geben!

Regina versuchte, sich vernünftig klarzumachen, dass kein Grund zur Panik vorhanden sei. Schon längst hätte man sie benachrichtigt, wäre ihm etwas geschehen.

Das Leben ging weiter. Auf der Straße fuhren Wagen vorbei, in der Wohnung über ihr bereitete die Frau das Frühstück, sie hörte den Pfeifkessel, den die Frau wie immer zu spät vom Gasherd nahm, das Lachen eines Kindes.

Es wurde Mittagszeit, und sie hatte noch nicht einmal Kartoffeln geschält. Wozu auch, essen würde sie ja doch nichts! Und wenn Manfred kam, konnte sie schnell eine Dose öffnen. Wenn er doch erst da wäre!

Die Stille wurde unerträglich. Regina erhob sich und verließ mit schleppenden Schritten die kleine Wohnung. Sie bat eine Nachbarin, für eine Stunde auf das Telefon zu achten. Sie musste einen Menschen haben, mit dem sie sprechen konnte. Und natürlich dachte sie an ihre Mutter.

Es war ein Weg von zehn Minuten, dann stand sie in dem kleinen, altmodisch eingerichteten Zimmer, das Frau Magdalene bewohnte.

»Manfred ist noch nicht gekommen«, stieß sie ohne Einleitung hervor. Sogar den Gruß hatte sie vergessen; sie konnte immer nur denken, dass dem geliebten Mann nichts geschehen sein durfte.

Die Lippen ihrer Mutter wurden schmal.

»So«, sagte sie kurz. »Ich habe es mir schon immer gedacht, dass es eines Tages so weit kommen würde. Er fährt fort und lässt dann nichts mehr von sich hören. So sind die Männer.«

»Vielleicht ein Autounfall ...«, wandte Regina atemlos ein.

»Unsinn, dann hätte die Polizei dich benachrichtigt. Er wird bei einer anderen sein, die ihm besser gefällt als du. Mach dir keine Illusionen, Regina! Manfred ist dir nicht treu, kein Mann ist treu, wenn er Gelegenheit hat, andere Frauen kennenzulernen. Sein Leben gefällt ihm, das kann ich gut verstehen. Er hat ein Heim, eine Frau, und wahrscheinlich ein Dutzend Freundinnen nebenbei. Hättest du nur auf mich gehört, du brauchtest jetzt nicht zu weinen.«

»Schweig doch, Mutter!«, flehte die junge Frau. »Ich glaube an ihn. Er kann mich nicht betrügen, er ist kein Mann, der nach anderen sieht.«

»Und weshalb ist er nicht gekommen?«, fragte Frau Magdalene. »Er hätte wenigstens anrufen können. Verletzt sein kann er nicht, du hättest schon Nachricht. Also muss etwas anderes ihn zurückhalten. Und was das ist, brauche ich dir nicht auseinanderzusetzen, du weißt es ja selbst.«

»Ich glaube an ihn«, sagte Regina leise. »Du magst deine Erfahrungen haben, aber du kennst Manfred nicht, sonst würdest du nicht so sprechen.«

***

Später hätte Regina nicht mehr zu sagen gewusst, was sie in den folgenden Tagen getan hatte. Sie waren in ihrer Erinnerung vollkommen ausgelöscht, als hätte es sie niemals gegeben.

Jede Minute war angefüllt mit Warten, jede einzelne Minute eine Ewigkeit. Stumm und bleich saß Regina Habeck am Fenster, starrte auf die Straße und wartete. Und allmählich starb in ihr die Hoffnung. Nur das Vertrauen zu Manfreds Ehrlichkeit blieb ihr.

Manfred durfte nicht tot sein. Sie hätte es gespürt, lebte er nicht mehr. Aber wo war er, weshalb meldete er sich nicht?

Ihre Gesichtshaut wurde fahl, ihre Augen schienen unnatürlich groß in ihrem schmal gewordenen Gesicht zu sein. Ihre Nachbarin, Frau Dahnken, versuchte, sie zum Schlafen zu bewegen, aber Regina schüttelte nur den Kopf. Sie musste wach bleiben.

»Manfred könnte klingeln, während ich schlafe. Er hat keinen Wohnungsschlüssel bei sich.«

Vier Tage saß Regina am Fenster, dann fiel sie am Nachmittag lautlos um. Frau Dahnken schüttelte empört den Kopf, obwohl Regina ihr leidtat.