Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 691 - Daniela von Thann - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 691 E-Book

Daniela von Thann

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Beschreibung

Sie sind reich, angesehen und haben zwei prächtige Kinder - alles scheint in ihrer Ehe in bester Ordnung zu sein. Dass die Beziehung von Alan und Nora Maurizius von einer dunklen Vergangenheit überschattet wird, ahnt niemand. Während Alan aus Verzweiflung in die Arme seiner Sekretärin flüchtet, versucht Nora den Schein der perfekten Familie zu wahren.
Doch ausgerechnet auf der Feier ihres zwanzigsten Hochzeitstags treffen sie einen früheren Bekannten wieder. Der neue Freund ihrer Tochter kennt ihr mörderisches Geheimnis und droht, die gesamte Familie zu zerstören ...


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Inhalt

Cover

Die Tränen seiner schönen Frau

Vorschau

Impressum

Die Tränen seiner schönen Frau

Erfolgsroman um die Not eines liebenden Herzens

Sie sind reich, angesehen und haben zwei prächtige Kinder – alles scheint in ihrer Ehe in bester Ordnung zu sein. Dass die Beziehung von Alan und Gerda Mauritius von einer dunklen Vergangenheit überschattet wird, ahnt niemand. Während Alan aus Verzweiflung in die Arme seiner Sekretärin flüchtet, versucht Gerda den Schein der perfekten Familie zu wahren.

Doch ausgerechnet auf der Feier ihres zwanzigsten Hochzeitstags treffen sie einen früheren Bekannten wieder. Der neue Freund ihrer Tochter kennt ihr mörderisches Geheimnis und droht, die gesamte Familie zu zerstören ...

Als Jutta das Spiegelschränkchen im Wintergarten etwas zur Seite schob, um Platz für das kalte Büfett zu gewinnen, schnappte ein Seitenfach auf und ein vergilbtes Blatt Papier fiel heraus. Jutta bückte sich und hob es auf. Sie war für jede Unterbrechung ihrer Arbeit dankbar. Denn sie fand es albern, dass ihre Mutter auf ihre Hilfe bei den Vorbereitungen zum zwanzigsten Hochzeitstag ihrer Eltern bestand.

»Das Spiegelschränkchen muss etwas weiter nach links«, meinte Gerda. »Was hast du denn da?«

»Ein Liebesgedicht«, seufzte Jutta. »Und wenn mich nicht alles täuscht, ist es Vaters Schrift.«

Gerda war mit zwei Schritten neben ihrer Tochter und nahm ihr das Blatt Papier aus der Hand.

»Woher hast du das, Jutta?«

»Bitte, keine falschen Verdächtigungen, Mutsch! Es ist eben aus dem Schränkchen gefallen, das Ding hat offenbar ein Geheimfach. Du hast mich das Gedicht nicht zu Ende lesen lassen. Hat Vater es für dich geschrieben?« Juttas Ton verriet ehrliche Neugier.

»Ja«, sagte Gerda.

Sie beobachtete ihre Tochter unauffällig. Sie fand, dass Jutta ihr äußerlich sehr ähnlich war. Manche Leute hielten Gerda und ihre siebzehnjährige Tochter sogar für Schwestern.

Gerda war etwas größer als Jutta, aber sie war genauso schlank und biegsam. Das schwarze Haar hatte Jutta zweifellos von ihrer Mutter geerbt, denn Alan war blond. Gerda trug ihr Haar kurz geschnitten, es lockte sich in einer kapriziösen Frisur um ihr apartes Gesicht. Juttas Haar hingegen fiel lang und glatt bis über die schmalen Schultern herab.

»Die Augen hast du von Vater«, bemerkte Gerda. »Sie sind richtig azurblau. Meine Augen sind schwarz wie Rabenfedern, wenigstens hat das Alan früher immer behauptet.«

»Wieso kommst du denn jetzt auf unsere Augen?«, fragte Jutta kopfschüttelnd. Sie rückte das Spiegelschränkchen etwas weiter nach links. »Ich möchte nur wissen, wofür wir drei Dienstboten haben ...«

»Die Vorbereitungen für dieses Fest sind unsere Sache«, widersprach Gerda. Sie zuckte etwas hilflos die Schultern. »Ich weiß, jetzt hältst du mich wieder für zu altmodisch und sentimental.«

»Genau«, gab Jutta unumwunden zu. Sie war der typische Teenager: etwas zu sachlich, sehr sportlich und selbstbewusst.

Allerdings hatte Gerda schon eine Weile den Eindruck, dass Jutta sich verändert hatte, dass sie weicher und anschmiegsamer geworden war. Sie schloss daraus, dass ihre sonst so nüchterne Tochter sich verliebt hatte. Für die bevorstehende Feier hatte sie ihrem Vater sogar das Geld für ein Cocktailkleid abgeschmeichelt.

Dieser heimliche Verdacht wurde ihr zur Gewissheit, als Jutta plötzlich meinte: »Vater hat dir also Liebesgedichte geschrieben, als ihr noch jung wart!«

»Heutzutage schreibt man sich wohl keine Liebesgedichte mehr?«, fragte Gerda. Sie zog eine Zigarette und ihr silbernes Feuerzeug aus der Schürzentasche und zündete sie an.

»Du rauchst zu viel, Mutsch«, seufzte Jutta, die als Sportlerin gegen das Rauchen war.

Gerda setzte sich in die Bambusnische unter einen afrikanischen Kakteenbaum mit scharlachroten Blüten. Sie sah in den Garten hinaus, der Alans ganzer Stolz war.

Augenblicklich gab es allerdings nicht viel zu sehen. Es war die Zeit zwischen Rosen und Astern, wie Gerda es nannte. Die Rosen waren verblüht. Bis auf den Sommerflieder und einige beharrliche Steinnelken ruhten sich die Blumen aus.

Es war Ende Juli. Sie hatten am siebenundzwanzigsten Juli in einer kleinen Stadt in Massachusetts in Amerika geheiratet. Es war ein heißer Tag gewesen; genauso heiß, wie es in diesem Sommer war.

»Was ist also mit dem Liebesgedicht?«, fragte Jutta. »Ich meine, hat er dir oft Liebesgedichte geschrieben?«

»Nein. Eigentlich nicht.«

»Dann hat er das Gedicht also zu einem besonderen Anlass verfasst?«

Gerdas Blick verlor sich in der Ferne. »Ja, das kann man wohl sagen«, antwortete sie nach einer Pause.

»Vielleicht zu deinem Geburtstag? Oder zu eurer Verlobung?«

»Nein.« Diese Antwort kam rasch und entschieden. Gerdas Blick kehrte aus der bestürzenden Ferne zurück und richtete sich auf Jutta. »Was hast du denn auf einmal für ein merkwürdiges Interesse an Liebesgedichten?«

Jutta zuckte die Schultern und blies ihre Ponyfransen aus der Stirn, wie immer, wenn sie verlegen war und es nicht zugeben wollte.

»Es interessiert mich eben«, antwortete sie kurz. »Ihr habt in Amerika geheiratet, nicht?«

»Ja.«

»Und es war deine zweite Ehe, obwohl du nur ein Jahr älter warst als ich heute, als du Vater geheiratet hast?«

»Ja.«

»Nun erzähle doch schon!«

»Was soll ich denn erzählen?«, fragte Gerda.

»Du erzählst nie etwas von jener Zeit.«

»Vielleicht erinnere ich mich nicht gerne daran«, antwortete Gerda in einem Ton, der Jutta aufhorchen ließ.

»Ach. Warum nicht?«, fragte sie sofort.

Gerdas Blick wurde etwas spöttisch, als sie Jutta fest in die Augen sah und fragte: »Würde es dir gefallen, mit achtzehn Jahren Witwe zu sein?«

Jutta wurde schon wieder unsicher. »Ich weiß nicht. Ich bin ja noch nicht einmal verheiratet. – Dein erster Mann hieß Edward?«

»Ja.« Gerdas Ton verriet eine gewisse Ungeduld. »Das weißt du doch alles.«

»Ich weiß nichts«, widersprach Jutta. »Nicht einmal, wie dein erster Mann mit Nachnamen hieß. Hast du beide Male aus Liebe geheiratet?«

Gerdas feingezeichnete Brauen zogen sich etwas zusammen.

»Nein«, antwortete sie widerstrebend. »Edward hat mir sehr imponiert, mit meinen siebzehn Jahren hatte ich das wohl mit Liebe verwechselt.«

»Edward war viel älter als du, nicht?«

»Dreißig Jahre.«

»Aber Vater hast du aus Liebe geheiratet?«

»Ja.«

»Glaubst du, dass deine Ehe mit Edward glücklich geworden wäre, obwohl er so viel älter war als du?«

»Ich weiß es nicht«, entgegnete Gerda in einem Ton, der deutlich verriet, dass sie das Gespräch beenden wollte. »Wie sollte ich das heute wissen? Ich war mit Edward nur sieben Monate verheiratet, als er starb.«

»Aber deine Ehe mit Vater ist immer noch glücklich, obwohl ihr schon zwanzig Jahre verheiratet seid?«

Gerda antwortete nicht sofort.

Äußerlich gesehen war ihre Ehe glücklich. Sie bewohnten eine Villa am Stadtrand, fuhren zwei Wagen, besaßen ein Landhaus und eine Segeljacht, sie waren reich und angesehen.

Alan Mauritius war Besitzer einer Fabrik für klinische Einrichtungen. Er war mit sechsundvierzig Jahren ein außergewöhnlich gut aussehender Mann.

Gerda, die zweifellos die Seele der Familie war, wirkte mit ihren achtunddreißig Jahren noch immer sehr jung, hübsch und mädchenhaft.

Es gab nie ein böses Wort zwischen Gerda und Alan. Sie besaßen zwei gesunde, prächtige Kinder. Es war alles in Ordnung. Aber war es das wirklich?

»Warum antwortest du nicht?«, fragte Jutta.

Die Tür flog auf, und Thomas stürmte herein. Gerdas Gesicht hellte sich auf. Sie liebte ihre beiden Kinder mit der gleichen Zärtlichkeit, aber der sensible, verträumte Thomas stand ihr näher als die kühle und manchmal herausfordernde Jutta.

Thomas Mauritius war das getreue Ebenbild seines Vaters. Er war groß, schlank, blond, hatte breite Schultern und schmale Hüften.

»Hallo, Tom!« Gerda hätte ihn gerne umarmt und ihm einen Kuss gegeben. »Schon zurück? Wir haben dich erst später erwartet.«

»Ich habe die letzte Vorlesung geschwänzt«, gestand Thomas. Wenn er wie jetzt lachte, sah er seinem Vater nicht ähnlich; vielleicht lag das aber auch daran, dass Alan so selten lachte. »Ich habe gedacht, dass ihr mich vielleicht brauchen könntet.«

»Nett von dir, Thomas«, lächelte Gerda, »aber Vater darf es nicht hören, dass du eine Vorlesung im Technikum geschwänzt hast!«

Thomas' Stirn zog sich in unwillige Falten. »Ach, Mutsch«, sagte er, »es ist doch alles Blödsinn. Das weißt du genauso gut wie ich. Tag, Jutta.« Er nickte seiner Schwester flüchtig zu. »Ich habe nun einmal kein Interesse an dem ganzen technischen Kram. Jede Stunde, die ich mich auf einen technischen Beruf vorbereite, ist verloren. Du musst unbedingt endlich mit Vater darüber sprechen!«

»Aber doch nicht vor der Feier!«

»Warum denn nicht? Ich verstehe dich nicht, Mutsch. Du schiebst das von einem Tag auf den anderen hinaus, und du willst auch nicht, dass ich mit ihm rede.«

»Weil es noch verfrüht ist«, widersprach Gerda. »Über das Wochenende wird Vater Zeit haben. Ich habe zu unserer Feier übrigens auch Ina eingeladen«, wechselte sie das Thema.

Ina war Thomas' Tennispartnerin, die beiden hatten auch die Tanzschule zusammen besucht; sie war ein reizendes junges Mädchen, und Gerda, die genau merkte, dass ihr Junge bis über beide Ohren verliebt war, wartete, was er nun zu der Einladung sagen würde.

Aber er zuckte nur die Schultern, sagte gleichgültig: »So«, und warf seine Kollegmappe in die Ecke.

»Könntest du nicht auch einen Bekannten von mir einladen, Mutsch?«, fragte Jutta.

Gerda sah ihre Tochter überrascht an. »Selbstverständlich. Wer ist es denn?«

»Ich habe ihn im Jachtklub kennengelernt«, antwortete Jutta eine Spur zu rasch. »Wir haben uns seither ein paarmal getroffen. Er ist übrigens Amerikaner.«

Gerda sah im Geist einen der bürstenhaarigen smarten Boys vor sich, die im alten Europa studieren wollten und scharenweise die Universität bevölkerten.

»Natürlich – du kannst ihn mitbringen«, entschied sie. »Ich freue mich.« Sie steckte ihr Feuerzeug wieder in die Tasche, dabei berührte ihre Hand das vergilbte Blatt Papier, das aus dem Geheimfach des Spiegelschränkchens gefallen war. Das Liebesgedicht. Sie kannte es Zeile für Zeile auswendig. Es lautete:

Liebende wandern

vereint zu zweit,

und jeder fordert für sich.

Erst wer vom anderen

gar nichts mehr will,

frei wird und still,

zur rechten Zeit,

darf sagen:

Ich liebe dich!

Das Telefon läutete. Jutta ging hin und nahm ab. Sie sagte nur: »Hallo?«, und dann: »Ja, okay, ich richte es aus.« Dann legte sie auf. »Es war Papa. Er hat noch eine wichtige Besprechung. Es kann wieder mal später werden!«

♥♥♥

Alan Mauritius behielt den Hörer noch einen Augenblick in der Hand, nachdem Jutta aufgelegt hatte. Sein markantes Gesicht wirkte angespannt. Er saß an seinem mächtigen Diplomatenschreibtisch im Chefzimmer des Mauritius-Werkes.

Es war ein Glück, dass Jutta am Apparat gewesen war. Gerda war vollkommen arglos und stellte Fragen, die ihn mehr als einmal in Bedrängnis brachten. Er schwindelte nicht gerne, es lag ihm nicht. Allerdings hing das weniger mit seinen Grundsätzen zusammen, sondern mehr mit einer gewissen Bequemlichkeit, die ihm im Laufe der Zeit zur zweiten Natur geworden war.

Er klopfte seine Pfeife aus und lehnte sich in seinen Sessel zurück.

Es war drückend schwül. Die Hitze brütete über der Stadt. Genauso heiß war es in jenem Sommer in Massachusetts gewesen, als er Gerda geheiratet hatte. Zwanzig Jahre war das her. Eine lange Zeit. Gerda ...

Es war merkwürdig, dass es gewisse Dinge gab, die man auch nach zwanzig Jahren nicht vergessen konnte. Vielleicht hatte Gerda sie vergessen; das war durchaus möglich. Sie hatten schon seit Jahren nie mehr darüber gesprochen. Es war auch besser so. Wenn er sich recht erinnerte, war es an Gerdas dreißigstem Geburtstag gewesen, damals hatten sie sich das feierliche Versprechen gegeben, nie mehr darüber zu reden.

Er stand auf und zog die Vorhänge zurück. Er sah auf die großartige Fabrikanlage hinaus, die sein Werk war. Der Name Mauritius war inzwischen ein Weltbegriff. Er hatte schon als kleiner Junge immer davon geträumt, einmal international bekannt zu sein – allerdings auf einem anderen Gebiet; aber auch das war schon lange vorbei, und es lohnte sich nicht mehr, noch darüber nachzudenken.

Er hörte es nicht, dass sich die Doppeltür zum Vorzimmer geöffnet hatte und seine Sekretärin eingetreten war. Zu sehr war er in seinen Erinnerungen verfangen.

Renate Tennhoff rührte sich nicht. Sie blieb an der Tür stehen und betrachtete den Mann am Fenster. Alan sah aus wie ein Filmstar. Sie hätte ihn aber auch geliebt, wenn er nicht der großartig aussehende Mann gewesen wäre. Denn als seine Sekretärin kannte sie auch seine kleinen Schwächen. Sie kannte jede Schwingung seiner Stimme, jede Linie seines Gesichtes, sein Lächeln, seine Gereiztheit, und sie liebte ihn.

»Ich habe das Telegramm durchgegeben, Herr Mauritius«, sagte sie.

»In Ordnung.« Alan ging wieder an seinen Schreibtisch zurück und setzte sich. »Die Post ist fertig.«

Sein Ton war freundlich, aber vollkommen unpersönlich. Es war ihnen beiden zur zweiten Natur geworden, dass sie innerhalb des Werkes keinerlei persönliche Verbindung miteinander hatten. Daran lag es wohl, dass es ihnen bisher gelungen war, jegliches Gerede zu vermeiden.

Renate schloss die Doppeltüren zum Vorzimmer hinter sich und ging zu seinem Schreibtisch. Ihr Gang war federnd und elastisch. Sie war fünfundzwanzig Jahre alt. Boshafte Kolleginnen nannten sie hämisch »die Prinzessin«.

Diese Bezeichnung traf genau ins Schwarze. Renate Tennhoffs Haltung hatte etwas Königliches. Sie war sehr groß und schlank. Die Haare trug sie in einer aparten Form seitlich hochgesteckt. Ihr dunkler Teint stand in reizvollem Gegensatz zu dem silberblonden Haar; ihre Augen waren grau, aber sie strahlten trotz dieser kühlen Farbe viel Wärme aus. Ihr Mund verriet, wie jung sie noch war.

»Setz dich«, bat Alan und brach damit das Tabu, das sie sich selbst auferlegt hatten. Er deutete auf den ledernen Besuchersessel, der vor dem Schreibtisch stand.

Renates Haltung war damenhaft, ohne gezwungen zu sein. Es waren ihre natürliche Anmut und Eleganz, die Alan zuerst bezaubert hatten. Damals, als es anfing ... vor etwa über einem Jahr.

Er warf einen Blick auf seine Uhr. »Ich habe nicht viel Zeit, Reni. Ich denke, es ist am besten, wir besprechen das, was du mir zu sagen hast, ausnahmsweise hier.«

Den Zettel, der auf der ersten Seite der Postmappe gelegen und auf dem Renate ihm mitgeteilt hatte, dass sie ihn zu sprechen wünsche, hatte er sofort vernichtet. Er bot ihr über den Schreibtisch hinweg eine Zigarette an und gab ihr Feuer.

»Möchtest du etwas trinken?«

»Es ist nicht notwendig, danke.«

»Also ja. Ich denke, ein Martini könnte uns beiden nicht schaden.«

Renate stand sofort auf. Sie ging zu der Bar, die in der Besprechungsecke stand, nahm die Flasche mit Martini heraus und brachte sie mit zwei Gläsern zum Schreibtisch.

»Lass nur, ich schenke ein.« Alan nahm ihr die Flasche aus der Hand.

Renate setzte sich wieder. Ihre Nervosität entging Alan nicht. Er glaubte, Renate ziemlich genau zu kennen. Allerdings waren ihre Reaktionen hin und wieder überraschend für ihn. Anfangs hatte er das sehr reizvoll gefunden; inzwischen ermüdete es ihn etwas. Aber das lag nicht daran, dass seine Gefühle für Renate erkaltet wären; er liebte es nur nicht, sich in seiner knappen Freizeit auch noch anzustrengen.

»Also, was gibt es?«, fragte er, während er den Martini einschenkte.

Renate sah ihn fest an.

»Ich möchte morgen Abend nicht zu der Feier kommen, Alan.«

Überrascht stellte er die Flasche ab und schüttelte den Kopf.

»Aber das ist ausgeschlossen, Reni. Du weißt das auch genau. Selbstverständlich musst du kommen.«

»Bitte, erspare es mir, Alan.«

Um Zeit zu gewinnen, füllte er seine Pfeife umständlich mit Virginiatabak und setzte sie in Brand. Dabei sagte er: »Es tut mir sehr leid, Reni, aber du musst auf die Party kommen.«

»Ich könnte mich krankmelden«, entgegnete sie rasch. »Ich habe mir das schon überlegt. Für den Rest der Woche liegt nichts Wichtiges mehr vor, du könntest mich gut entbehren. Ich könnte dann am Montag wieder im Dienst sein.«

Er schüttelte abermals entschieden den Kopf. »Nein, Reni, es tut mir leid, aber wir müssen auch den Schatten jeden Argwohns vermeiden. Wenn du morgen Abend nicht zur Feier erscheinst, könnte geredet werden.«

Sie schloss sekundenlang gequält die Augen. »Es ist schrecklich, dass wir immer auf das Gerede der Leute Rücksicht nehmen müssen!«

Sie hatte ihm noch nie eine Szene gemacht, während der ganzen Monate nicht. Alan warf Reni einen misstrauischen Blick zu. Sollte sie plötzlich die Nerven verlieren, das könnte er nicht brauchen, das ging nicht.

Sein Ton klang daher etwas schärfer, als er wollte: »Wir waren uns beide darüber im Klaren, Reni, dass die außergewöhnliche Situation unserer Freundschaft auch außergewöhnliche Anforderungen an uns stellen wird. Wir sind bisher damit fertig geworden. Ich muss dich ausdrücklich darum bitten, die Sache jetzt nicht unnötig zu komplizieren.«

Sie war über seinen brüsken Ton so erschrocken, dass sie ihm schon wieder leidtat.

»Ich kann es nicht«, murmelte sie gequält. »Deine Frau, deine Kinder, alle werden freundlich zu mir sein, und ich komme mir wie eine Diebin vor.«

»Lächerlich! Du nimmst meiner Familie doch nichts weg.«

»Willst du damit sagen, wenn ich es nicht wäre – dann wäre es eine andere?«, fragte Renate. Sie war plötzlich vollkommen ruhig, aber ihre Haltung war so gespannt und ihre Augen waren so hellwach, dass Alan gewarnt war.

»Nein«, widersprach er ruhig. »Bitte, keine Missverständnisse zwischen uns. Ich habe nie eine Geliebte gehabt, bevor ich dir begegnet bin. Ich habe dir das gesagt, und es ist die Wahrheit.«