Die Wölfe - Luis Zagler - E-Book

Die Wölfe E-Book

Luis Zagler

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Beschreibung

Die Wölfe – ein spannendes, historisches Schauspiel zur aktuellen Thematik der "Wolfsansiedlung". Mit wissenschaftlichen Texten von Benedikt Terzer vom Südtiroler Jagdverband und dem Schweizer Wolfsexperten Marcel Züger, dazu ein Bericht von Betroffenen. Die Handlung spielt im Tirol der Jahre 1814–1817. Extreme Wetterverhältnisse sorgten für Missernten und Hunger. Es herrschte Armut im Land. Hinzu kamen die Folgen des Tiroler Aufstandes von 1809. 1816 verschärfte sich die Not der Bergbauern und Kriegswitwen. In den Wäldern und auf den Almen trieben Wölfe ihr Unwesen. Vor diesem Hintergrund erzählt das Schauspiel Die Wölfe die Geschichte eines 17-jährigen Mädchens, das von ihrem Stiefvater gezwungen wird, sich mit dem Sohn eines Grafen zu treffen, um ihn dazu zu bringen, sich im Kampf gegen Die Wölfe auf die Seite der Bauern zu schlagen.

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Seitenzahl: 158

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Luis Zagler

Die Wölfe

Luis Zagler

Die Wölfe

Drama

 

 

© 2024 by Michael Wagner Verlag in der StudienVerlag Ges.m.b.H.,

Erlerstraße 10, A-6020 Innsbruck

E-Mail: [email protected]

Internet: www.michael-wagner-verlag.at

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

ISBN 978-3-7107-6810-1

Buchinnengestaltung nach Entwürfen von: himmel. Studio für Design und Kommunikation,Innsbruck / Scheffau – www.himmel.co.at

Satz: Da-TeX Gerd Blumenstein, Leipzig

Umschlaggestaltung: Karin Berner

Umschlagabbildung: Foto von Thomas Bonometti, https://unsplash.com/de

Autorenfoto: Riki Gelf

Dieses Buch erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.michael-wagner-verlag.at

INHALTSVERZEICHNIS

Grußworte

Leo Tiefenthaler

Landesobmann des Südtiroler Bauernbundes

LH-Stv. Ök.-Rat Josef Geisler

Landesobmann des Tiroler Bauernbundes

Europa und der Wolf im 21. Jahrhundert

Benedikt Terzer

Wölfe in den Alpen

Marcel Züger

Das Problem mit den Wölfen

Was zwei betroffene Hirten darüber berichten

Peter Pirpamer und Andreas Gufler

Das Jahr ohne Sommer

Anmerkungen zur Hungerkrise 1816–1817 in und um Tirol

Textauszug, entnommen dem Buch „Die Hungerjahre 1814–1817 in Tirol“, Eine wirtschafts- und sozialgeschichtliche Darstellung, verfasst von Josef Penz, herausgegeben von Michael Kasper, Universitätsverlag Wagner.

Die Wölfe

Historisches Drama in mehreren Bildern

Von Luis Zagler

Grußwort von Leo Tiefenthaler

Der Wolf stellt die Almbäuerinnen und -bauern vor immer größere Probleme. In den letzten Jahren ist nicht nur die Zahl der Wölfe kontinuierlich gestiegen, sondern auch die Anzahl an Wolfsrissen. Neben den finanziellen Folgen bedeutet jeder Wolfsriss auch einen emotionalen Verlust für die Tierhalter, die an ihren Tieren hängen. Und leider ist das Ende der Fahnenstange, wenn es so weitergeht, noch lange nicht erreicht.

Die Wut der Bäuerinnen und Bauern steigt – zu Recht! Gleichzeitig steigt auch die Verzweiflung: Immer mehr Tierhalter überlegen sich, die Alpung zu verkürzen oder ihre Tiere gar nicht mehr zu alpen. Damit aber läuft die traditionelle Almwirtschaft Gefahr, immer mehr zu verschwinden.

Was das Ende der Alpung für Auswirkungen auf das Landschaftsbild hätte, sieht man in vielen Regionen der Alpen: Die von Einheimischen wie Gästen geschätzte Kulturlandschaft mit abwechselnd Wäldern und offenen Flächen würde der Vergangenheit angehören. Almen und Weiden würden zuerst verbuschen, um dann vollständig zuzuwachsen. Damit ginge eine Südtirol prägende Kulturlandschaft verloren.

Ganz zu schweigen davon, was ein Ende der Almwirtschaft für das Vieh und die Betriebe bedeuten würde. Denn die Alpung stärkt die Tiere und dient der Tiergesundheit. Die Bäuerinnen und Bauern haben – während die Tiere auf den Almen sind – mehr Zeit, das Heu einzubringen. Zudem benötigen sie im Sommer deutlich weniger Futter, wenn die Tiere auf den Weiden sind.

Die aktuelle Situation ist nicht mehr tragbar. Dass unsere jahrhundertealte Almwirtschaft in Gefahr ist, können wir nicht zulassen! Seit langem macht sich der Südtiroler Bauernbund zusammen mit anderen Bauernverbänden daher für ein aktives Wolfsmanagement stark. Die Zahl der Wölfe muss durch eine Regulierung reduziert werden, damit die traditionelle Almwirtschaft auch in Zukunft noch eine Chance hat.

Der Herdenschutz ist in Südtirol keine Lösung. Aufgrund der Geografie und der Nutzung der Landschaft als Erholungsraum für Einheimische und Gäste sind meterhohe, durchgehende Zäune und Herdenschutzhunde undenkbar und unrealistisch. Und so viele Hirten zu finden, wie nötig wäre, ebenso.

Was vielmehr in anderen EU-Ländern, wie Schweden, Frankreich und zuletzt auch Österreich, möglich ist, nämlich gezielte Entnahmen, müsste auch in Südtirol ermöglicht werden. Leider sind wir bis vor kurzem auf taube Ohren gestoßen – vor allem in Rom.

Dank unserer Hartnäckigkeit sind wir dennoch ein Stück weitergekommen. In Brüssel und Rom hat der Wind gedreht und werden die Probleme, die das Großraubwild bereitet, mehr und mehr verstanden. Die größte Hoffnung setzen wir aber in das neue Landesgesetz zum Wolf. Das sollte nun endlich ein zeitgemäßes Wolfsmanagement ermöglichen.

Hoffen wir das Beste. Aufgeben werden wir aber mit Sicherheit nicht! Dafür liegt uns die Almwirtschaft zu sehr am Herzen.

Leo Tiefenthaler

Landesobmann des Südtiroler Bauernbundes

Foto: Bauernbund © Südtiroler Bauernbund

Grußwort von Josef Geisler

Dass der hohe Schutzstatus von Wolf und Bär auf EU-Ebene nicht schon längst evaluiert und überarbeitet wurde, ist ein Schlag ins Gesicht für die heimische Alm- und Weidewirtschaft. Es kann nicht sein, dass eine Jahrzehnte alte Richtlinie fast evangeliumsgleich behandelt und nicht angerührt wird. Die Einstufung der einzelnen Arten in der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) erfolgte vor 30 Jahren, seitdem hat sich der Bestand der Wölfe in Europa mehr als erholt. Wir müssen den Schutzstatus senken und ihn auf die heutige Wirklichkeit anpassen. Der Wolf zählt nicht mehr zu den bedrohten Tierarten, derzeit leben schätzungsweise rund 30.000 Exemplare in Europa. Doch wenn die Ausbreitung der Wölfe so weitergeht, ist die heimische Almwirtschaft vom Aussterben bedroht und damit die Lebensgrundlage Tausender Almbäuerinnen und -bauern. Almen sind nicht nur die Lebensgrundlage für unsere Bauernfamilien, sondern sind zentral für den Tourismus und die Freizeitwirtschaft in Tirol und leisten einen ganz wesentlichen Beitrag zum Schutz vor Umweltgefahren wie Vermurung und Überschwemmung.

Auch wenn wir in Tirol einen gesetzlichen Grenzgang gewagt und per rascher Verordnung den Abschuss von Risiko- und Schadwölfen sehr rasch anordnen können, braucht es parallel dazu die längst überfällige Bewegung auf EU-Ebene. Es ist eine Entmündigung der Nationalstaaten und Regionen im Gang. Wir sind bald nicht mehr in der Lage, als ländliche Bevölkerung gegen die urbane Bevölkerung zu bestehen. Das ist ein Problem für die Landwirtschaft, aber auch für den Tourismus und somit für ganze Regionen europaweit. Diese Übermacht weniger urbaner und von NGO-Stimmen gegenüber der ländlichen Bevölkerung zeigt sich beispielsweise auch dann, wenn es darum geht, den Herdenschutz im hochalpinen Gelände als praktikabel und umsetzbar darzustellen. Auch wenn unsere Bauern alles daran setzen, ihre Tiere zu schützen, ist Herdenschutz im alpinen Gelände nicht umsetzbar. Das haben zahlreiche Studien und Gutachten bereits bewiesen. Gerade in Tirol – im wohl intensivst genutzten Tourismusland in den Alpen – können wir nicht Herdenschutzhunde auf den Almen halten, diese Tiere sind gefährlich für Wanderer und Freizeitsportler. Auch Zäune sind nicht realisierbar, da ein freier Zugang zu den Almen und dem Hochgebirge gewährleistet werden muss und die Topographie der großen Almgebiete die Errichtung nicht zulassen würde.

Das enorme Tierleid, das von Wölfen auf unseren Almen verursacht wird, wird dabei von selbsternannten Tierschützern gerne komplett außer Acht gelassen. Es wird immer nur von Tierschutz im Zusammenhang mit dem Wolf gesprochen, doch wo bleibt der Schutz für unsere Haus- und Weidetiere? Die Alm- und Weidehaltung ist die natürlichste Art der Tierhaltung, doch künftig wird diese Form nicht mehr möglich sein, weil eine einzige Tierart alle anderen verdrängt. Deswegen muss hier regulierend eingegriffen werden, denn allein im Vorjahr wurden in Tirol 940 tote und vermisste Weidetiere gemeldet. Ein Schaden von mehr als 235.000 Euro ist entstanden. 19 verschiedene Wölfe wurden genetisch nur durch Risse nachgewiesen. Geht es so weiter, wird der Spruch leider Realität. „Kommt der Wolf, geht der Bauer. Geht der Bauer, kommt der Wald.“

LH-Stv. Ök.-Rat Josef Geisler

Landesobmann des Tiroler Bauernbundes

Foto: Berger © Tiroler Bauernbund

Europa und der Wolf im 21. Jahrhundert

Der Wolf war einst das am weitesten verbreitete Säugetier auf unserem Planeten. Wölfe besiedelten bis vor gut 120 Jahren nahezu die gesamte Nordhalbkugel. Das Zusammenleben zwischen Menschen und Wölfen war allerdings nie wirklich harmonisch.

Wo Wölfe die Ansprüche der siedelnden Menschen störten, wurden sie verfolgt. Schriftliche Aufzeichnungen über Konflikte mit Wölfen in Mitteleuropa finden sich ab dem Jahr 800 nach Christi Geburt. Bereits damals wurde den Gutsverwaltern vorgeschrieben, den „Grauhunden“ nachzustellen. Die Verfolgung der Wölfe war schlichtweg ein existentielles Anliegen, das damals noch die gesamte Bevölkerung einte. Wurde auf einem Bauernhof die einzige Kuh gerissen, so bestand für die Familie die Gefahr, dass das Kleinkind nicht über den Winter kam.

Auch die Tiroler Landesordnung von 1526 erlaubte das Fangen von Bären und Wölfen. Dennoch wuchs die Zahl der Wölfe weiter. Die Landesherrschaft ordnete daraufhin das Anlegen von Wolfsgruben an und die Durchführung von Treibjagden, bei denen die örtliche Bevölkerung als Treiber erscheinen musste. Außerdem wurden Prämien ausgelobt, um zusätzliche Anreize zu schaffen, dem Wolf nachzustellen. Diese Maßnahmen zeigten in Verbindung mit dem Aufkommen wirksamerer Feuerwaffen bald ihre Wirkung, sodass die Wölfe gegen Ende des 19. Jahrhunderts aus dem Alpenraum verschwanden. In vielen Teilen Europas sollten sie erst nach mehr als 100 Jahren wieder zurückkehren.

Er ist wieder da

Nie ganz verschwunden sind die Wölfe in Italien. Hier erreichte der Wolfsbestand in den 1970er Jahren zwar seinen historischen Tiefstand, doch hielt sich im Apennin eine Restpopulation von gut 100 Wölfen. In den folgenden Jahren führte eins zum anderen und die Zahl der Wölfe nahm wieder zu. Wenige Jahre darauf folgte mit der Berner Konvention aus dem Jahr 1979 ein völkerrechtlicher Vertrag, der eine Vielzahl von europäischen Wildarten, darunter auch den Wolf, unter Schutz stellte. Im Jahr 1992 wurde dann die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der Europäischen Union erlassen. Damals war der Wolf in den meisten Mitgliedsstaaten der Europäischen Union entweder ausgestorben oder lediglich in geringer Anzahl vorhanden. Dass er sich jemals wieder so verbreiten würde, damit hatte man wohl nicht gerechnet.

Heute, 32 Jahre später, sieht die Situation völlig anders aus. Infolge der Unterschutzstellung stieg Isegrim wie Phönix aus der Asche und breitete sich wieder so stark aus, dass die Weltnaturschutzunion IUCN den Wolf für Europa seit 2007 wieder als „nicht gefährdet“ einstuft. Allein in Italien gibt es heute mehr als 3.000 Wölfe und damit 7-mal mehr als im vergleichsweise dünn bevölkerten Schweden. Die Autonome Provinz Trient zählt ganze 26 Wolfsrudel und damit gleich viele wie Estland.

Der Wolf ist weiterhin auf dem Vormarsch. Im Unterschied zu den vorigen Jahrhunderten haben heute verhältnismäßig wenige Menschen etwas vom Wolf zu befürchten. Der Großteil der Bevölkerung lebt in städtischen Gebieten, wo der Wolf noch kein Problem darstellt. Wer nicht direkt mit dem Wolf in Berührung kommt, neigt oft dazu, diese Wildart durch die rosarote Brille zu betrachten. Wie alle Wildtiere berührt auch der Wolf die Menschen emotional. Für viele ist er Sinnbild für das Ursprüngliche und Indikator für die herbeigewünschte Rückkehr der Natur. Wer dagegen direkt mit Wolfsattacken konfrontiert ist, würde nur zu gern darauf verzichten. Romantiker und Gegner zerren am Wolf und die Kluft zwischen Befürwortern und Gegenseite wird durch eine ideologisch aufgeladene Debatte vorangetrieben. Pragmatismus, Vernunft und Hausverstand sind also mehr denn je gefragt.

Der rechtliche Rahmen

Wer verstehen will, wie Lösungsansätze im Problemkreis Wolf funktionieren können, muss zunächst den rechtlichen Rahmen betrachten. Der Wolf ist einerseits durch die Berner Konvention aus dem Jahr 1979 auf der Ebene des internationalen Rechts geschützt, andererseits durch die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie von 1992 auf EU-Ebene.

Die FFH-Richtlinie regelt den Schutzstatus je nach Mitgliedsstaat in unterschiedlicher Manier. Auf der einen Seite gibt es Mitgliedsstaaten, in denen der Wolf „streng geschützt“ ist, dort wird er in Anhang IV der genannten Richtlinie geführt. Auf der anderen Seite gibt es eine Reihe von Mitgliedsstaaten, in denen der Schutzstatus abgemildert ist, sodass der Wolf dort als „geschützt“ klassifiziert wird und somit nur im Anhang V gelistet ist. Daneben gibt es „unentschlossene“ Mitgliedsstaaten, in denen der Wolf auf einem Teil des Staatsgebietes „streng geschützt“ ist und auf dem restlichen Gebiet „geschützt“.

„Streng geschützt“ ist der Wolf in Italien, Deutschland, Österreich, Frankreich und Schweden. Wandert er etwas weiter östlich, sieht es mit seinem Schutzstatus ein wenig schlechter aus: In Estland, Lettland, Litauen, Polen, Bulgarien und der Slowakei wird er als „geschützt“ geführt. Einen variierenden Schutzstatus je nach Region finden wir in Griechenland, Spanien und in Finnland. In Griechenland ist der Schutzstatus nördlich des 39. Breitengrades abgeschwächt, in Spanien nördlich des Flusses Duero und in Finnland innerhalb des Rentierhaltungsareals. Je nach Aufenthaltsort des Wolfes ändert sich also dessen Schutzstatus.

E. Sinner/Südtiroler Jagdverband

Dunkelgrau: Anhang IV (streng geschützt), Mittelgrau: Anhang V (geschützt). Doch worin liegen konkret die Unterschiede zwischen Anhang IV und Anhang V?

Anhang V (geschützt)

In jenen Ländern bzw. Regionen, in denen der Wolf als „geschützt“ eingestuft wird, dürfen Entnahmen (Fang, Abschüsse) durchgeführt werden, sofern dadurch der günstige Erhaltungszustand der Population nicht gefährdet wird. Wissenschaftliche Erhebungen nach festgelegten Standards behalten dabei die Zahl der Wölfe stets im Auge: Die Überlebensfähigkeit der Population darf nicht gefährdet werden. Bei uns sind beispielsweise der Goldschakal, der Steinbock und die Gämse im Anhang V der FFH-Richtlinie gelistet.

Anhang IV (streng geschützt)

Wo der Wolf in Anhang IV und damit „streng geschützt“ ist, können ebenfalls Entnahmen genehmigt werden, jedoch ist dafür eine aufwändigere Prozedur vonnöten.

Zunächst muss eine Reihe von Auflagen erfüllt werden. Gemäß FFHRichtlinie ist ein Abschuss nur dann zulässig, wenn es keine andere zufriedenstellende Lösung gibt. In der Praxis bedeutet dies, dass der Nachweis zu erbringen ist, dass anderweitige Maßnahmen nicht funktionieren bzw. nicht umsetzbar sind. So können etwa neben Schwierigkeiten in der praktischen Umsetzung auch unverhältnismäßig hohe Kosten und andere objektiv nachweisbare Gründe angeführt werden. Das ist der Fall, wenn zum Beispiel Herdenschutz durch Zäune auf steilen Almflächen nicht wirksam umsetzbar ist, wenn lokal festgelegte Verbote von Herdenschutzhunden bestehen oder großflächige Zäune nachteilige Auswirkung auf seltene Wildarten haben. Auch bei Arten, die in Anhang IV gelistet sind, darf die Entnahme den günstigen Erhaltungszustand der Population nicht beeinträchtigen.

Sind diese Voraussetzungen gegeben, können Fang oder Abschuss von Wölfen aus bestimmten, genau festgelegten Gründen erlaubt werden. Die Entscheidung trifft jeweils das einzelne EU-Mitgliedsland bzw. die zuständige Behörde dieses Staates. Je nach Aufbau des Landes können dies eine zentrale Stelle oder periphere Organe, wie z.B. einzelne Bundesländer in Österreich sein.

In folgenden Fällen kann eine Entnahme gemäß Art. 16 der FFHRichtlinie genehmigt werden:

1.   Zum Schutz der wildlebenden Tiere und Pflanzen und zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume;

2.   Zur Verhütung ernster Schäden an der Tierhaltung und sonstigen Formen des Eigentums;

3.   Zum Schutz der öffentlichen Sicherheit.

Somit sind bei adäquater Begründung auch in Staaten, in denen der Wolf streng geschützt ist, Entnahmen möglich.

Warum nicht alle EU-Staaten gleich sind

Abschließend drängt sich noch die Frage nach dem Grund der unterschiedlichen Behandlung der Mitgliedsstaaten auf. Die Antwort lässt sich am besten mit Blick auf den historischen Kontext geben. Als die FFH-Richtlinie im Jahr 1992 erlassen wurde, kam der Wolf in den meisten der damaligen Mitgliedsstaaten entweder gar nicht oder in geringer Anzahl vor. In Italien gab es damals lediglich 300 Wölfe, in Deutschland und Frankreich gab es gar keine. Heute, mehr als 30 Jahre nach Inkrafttreten der FFH-Richtlinie, ist die Situation eine ganz andere. In Italien gibt es inzwischen mehr als 3.000 Wölfe, in Deutschland mehr als 1.000 und in Frankreich mehr als 500. Es lägen somit gute Gründe vor, um den Schutzstatus in einigen EU-Mitgliedsstaaten zu aktualisieren. Damit der Wolf von „streng geschützt“ auf „geschützt“ zurückgestuft wird, ist allerdings ein einstimmiger Beschluss aller EUStaaten notwendig, was in der Praxis so gut wie unmöglich ist. Also unterliegen die Wölfe sämtlicher Mitgliedsstaaten heute noch immer demselben Schutzstatus wie vor 20 Jahren. Wegen besagter Vorgabe der Einstimmigkeit kann die Richtlinie den mittlerweile stark gestiegenen Bestandszahlen in einem Land nicht Rechnung tragen und ist somit nicht mehr aktuell.

Einzig in mehreren Ost-Staaten, wie etwa in den Ländern des Baltikums ist der Schutzstatus herabgesetzt, weil dies bereits im Zuge der EU-Beitrittsverhandlungen so eingehandelt und bei Vollzug des Beitritts verankert wurde.

Bei nüchterner Betrachtung wird evident, dass die unterschiedliche Behandlung der EU-Staaten in Sachen Schutzstatus des Wolfes sachlich nicht gerechtfertigt ist. Dass die EU beispielsweise den Wolf in Italien, das mit über 3.000 Exemplaren neben Spanien und Rumänien die meisten Wölfe zählt, als „streng geschützt“ führt, dagegen anderen EU-Staaten mit deutlich geringeren Beständen den niedrigeren Schutzstatus für den Wolf zubilligt, erscheint in rechtlicher Hinsicht höchst fragwürdig. Der Vertrag über die Europäische Union (EUV) schreibt nämlich die Gleichbehandlung aller Mitgliedsstaaten vor.

Wie der Schutzstatus gehandhabt wird

Wir sehen also: Der Schutzstatus des Wolfes in der EU ist nicht überall gleich. Die Bandbreite im Umgang reicht vom absoluten Vollschutz ohne Genehmigung legaler Entnahmen bis hin zu Staaten, die eine kontrollierte nachhaltige Bejagung praktizieren.

Illegale Tötungen und Problem der Hybridisierung in Italien

Obwohl Italien mittlerweile mehr als 3.000 Wölfe zählt, gibt es bis heute keinen Managementplan, der die wichtigsten Fragen im Umgang mit dem Wolf regelt. Seit dem Jahr 2002 zanken sich die italienischen Regionen um die Frage, ob der Wolfsplan legale Entnahmen zulassen soll oder nicht. Da die Staat-Regionen-Konferenz diesbezüglich eine einstimmige Entscheidung treffen muss, scheint die Genehmigung des Wolfsplanes in weiter Ferne.

Wissenschaftliche Erhebungen zeigen, dass Italien nicht nur der Staat mit der höchsten Wolfsdichte, sondern auch mit der höchsten Rate an illegalen Tötungen ist. Überall dort, wo legale Entnahmen möglich sind, ist die Zahl der illegalen Tötungen deutlich geringer als in Italien.1 In einem Entwurf des Wolfsplanes aus dem Jahr 2015 wurde sogar ausdrücklich eingeräumt, dass die Wolfsdichte in Italien de facto durch illegale Maßnahmen reguliert wird. Im damaligen Textentwurf war auch vermerkt, dass ein absolutes Verbot von legalen Entnahmen kontraproduktiv sei, da es der bestehenden Laissez-faire-Politik nur weiterhin Vorschub leisten würde. In späteren Wolfsplänen wurde diese gleichsam bezeichnende wie klare Analyse ersatzlos gestrichen. Fakt ist jedoch, dass in vielen Regionen Italiens Selbstjustiz an der Tagesordnung steht und dass diese auch kaum geahndet wird. Die Zahl jener, die wegen des Auslegens von Giftködern oder wegen anderer illegaler Bekämpfungsmaßnahmen verurteilt wurden, geht gegen Null. Es scheint, als gäbe es dieses Problem nicht, oder als toleriere man mancherorts solche illegalen Maßnahmen.

Der fehlende Managementplan bedingt nicht nur, dass bis heute kein Wolf legal zur Entnahme freigegeben wurde, sondern dass auch viele andere dringende Probleme weiter offenbleiben, wie z. B. das Problem der Hybridisierung. Die Kreuzung zwischen verwilderten Haushunden und Wölfen gilt nach einhelliger Ansicht von Fachleuchten als größte Bedrohung für die Erhaltung des echten Wolfes. Die Zahl der verwilderten Hunde wird in Italien auf rund 700.000 geschätzt. In manchen Gebieten liegt die Hybridisierungsrate bei den Wölfen bei 70%.

Lange Zeit galt die alpine Wolfspopulation als frei von Hybriden, inzwischen ist es auch hier zu Kreuzungen gekommen. Während die Schweiz und Slowenien sich umgehend daran gemacht haben, Wolf-Hund-Mischlinge zu erlegen, hat sich Italien darauf beschränkt, die Entwicklung weiter zu beobachten. Die Hybridisierung wird in Italien also weiter toleriert, was eine Hypothek für die Erhaltung des echten Wolfes darstellt.

Die enorme Zahl an streunenden Hunden in Italien ist dagegen auf eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 1991 zurückzuführen. Damals wurde auf Druck von Tierschutzorganisationen das Einschläfern von eingefangenen verwilderten Hunden verboten. Seitdem ist die Euthanasie nur mehr in taxativ festgelegten Ausnahmefällen, etwa bei nachgewiesener Gefährlichkeit, möglich. Werden verwilderte Hunde eingefangen, so müssen diese nun eingesperrt werden und bis ans Lebensende hinter Gittern bleiben. Dasselbe gilt auch für eventuell gefangene Wolfshybriden.

Wolfsbrigade und Obergrenze für Wolfspopulation in Frankreich

Wie in Italien ist auch in Frankreich der Wolf gemäß FFH-Richtlinie landesweit streng geschützt. Am Beispiel Frankreich zeigt sich jedoch, dass Schutz nicht unbedingt auch Handlungsverbot bedeutet. Im Unterschied zu Italien führen die Franzosen seit einigen Jahren gezielt Entnahmen durch. Die ersten Wölfe wanderten in den französischen Alpen in den frühen 1990er Jahren ein. Inzwischen sind auf rund einem Drittel des Landes Wölfe anzutreffen. Der Bestand ist auf über 600 Exemplare angestiegen und nimmt weiter deutlich zu.