Die Zeit - Stefan Köbrich - E-Book

Die Zeit E-Book

Stefan Köbrich

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Beschreibung

Wenn du die Möglichkeit hättest, Die Zeit zu beherrschen, würdest du sie nutzen? Mein Name ist Eric Le Grand. Ein Buch gibt mir die Macht Die Zeit zu verändern. Eines Tages finde ich ein mysteriöses Buch in meinem Keller und gehe auf die Suche nach dem sagenumwobenen Schatz der Templer und der Krone von Dschingis Khan. Zusammen mit Sina, meiner Frau, Arthur ihrem Bruder und William unserem Freund stürzen wir uns in eine abenteuerliche Reise durch Die Zeit. Wir versuchen Die Zeit, die aus ihren Fugen geraten ist wieder ins Lot zu bekommen. Aber mit der Zeit spielt man nicht. Das Buch der Zeit hat seine eigenen Regeln. Nun sitze ich allein zu Hause und habe alles verloren, was ich jemals liebte. Die Gier nach der Macht Die Zeit zu beherrschen, war mein Untergang. Wie weit würdest du gehen, um deine Liebe zu retten?

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Seitenzahl: 540

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Die Protagonisten des Buchs sind:

Eric Le Grand – das bin ich

Sina Le Grand – meine Frau

William Manson – langjähriger Freund der Familie

Arthur Cromwell – der Bruder von Sina

Rufus – der Hund (Flohzirkus von Arthur)

Lee – der Mönch

… und noch einige andere interessante und mysteriöse Personen

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1: Der Fund

Kapitel 2: Die Reise

Kapitel 3: Das Kloster

Kapitel 4: Der Schlüssel

Kapitel 5: Die Krone

Kapitel 6: Der Geist der Templer

Kapitel 7: Der Dschungel und die Krone

Kapitel 8: Schmerz

Kapitel 9: Die ewige Nacht

Kapitel 10: Der Schatz

Kapitel 11: Eine Reise geht zu Ende

Kapitel 12: Die Zeit schlägt zurück

Kapitel 13: Am Anfang der Zeit

Kapitel 14: Auf Messers Schneide

Kapitel 15: In der Falle

Kapitel 16: Ende oder Wahnsinn? Die Zeit betrügt man nicht.

Kapitel 17: Sina

Kapitel 18: Eine unerwartete Wendung

Kapitel 19: Lee

Kapitel 20: Das Alpha und das Omega

Kapitel 21: Am Ende gewinnt immer die Zeit

Kapitel 22: Theresa und Joe

Kapitel 23: Marla

Kapitel 24: Die große Pyramide

Kapitel 25: Rettung in letzter Sekunde

Kapitel 26: Unheil

Kapitel 27: Tibet

Kapitel 28: Das Buch im Eis

Kapitel 29: Déjà-vu

Kapitel 30: Ein teuflischer Plan

Kapitel 31: Der unheimliche Mönch

Kapitel 32: Sarkophag

Kapitel 33: Zeitschleifen

Kapitel 34: Das Portal

Kapitel 35: Jesus von Nazareth

Kapitel 36: Das Erbe des Königs

Kapitel 37: Ein mysteriöses Kind

Kapitel 38: Der König ist tot – Es lebe der König

Kapitel 39: Ein alter Bekannter

Kapitel 40: Am Ende bleibt nur die Erinnerung

Kapitel 41: Der lange Weg zurück

Prolog

Warum schreibt man ein Buch? Vor allem, wenn man keine Ahnung davon hat. Hat man zu viel Zeit? Oder gibt es Ereignisse im Leben, welche man sich von der Seele schreiben muss. Ich weiß es nicht. Irgendwann nahm ich mir einen Block zur Hand und fing an eine Geschichte niederzuschreiben. Sie geisterte schon lange in Bildern in meinem Kopf herum. Die Charaktere wurden immer realer. Seit mehr als zehn Jahren schreibe ich nun an dieser Geschichte. Irgendwie bin ich ein Teil von ihnen geworden.

Von Eric und Sina, William und Arthur. Nur warum ein Hund in die Geschichte musste, weiß ich bis heute nicht.

Eigentlich kann ich Hunde gar nicht leiden. Vielleicht auch deswegen. Vom Standpunkt der Rhetorik darf man das Buch nicht betrachten. Den Lehrgang, „Wie schreibe ich ein Buch“, habe ich verpasst. Ellenlange Landschafts- und Personenbeschreibungen sucht man in diesem Buch vergeblich. Einzig und allein die Personen waren mir wichtig. Die Welt um sie herum baut sich beim Lesen auf und auch manchmal auch ab. Logikfehler, wenn man sie findet, müssen vorsichtig in eine Schatulle aus Zedernholz gelegt werden. Absperren nicht vergessen und den Schlüssel an einem sicheren Ort aufbewahren. Das regt das Nachdenken an, wenn man den Schlüssel suchen muss. Warum Zedernholz? Ich liebe einfach den Geruch von frischem Zedernholz.

Im Leben ist eben nicht immer alles logisch. Wenn man sich aber auf die Geschichte einlässt, dann erlebt man eine abenteuerliche Reise durch die Zeit mit Höhen und Tiefen und noch ein wenig unnützes Wissen, was in keinen Geschichtsbüchern steht. Aber keine Angst, es ist kein Historienroman. Jetzt höre ich, wie einige das Buch wieder zuklappen. Ja, das Geräusch kenne ich nur zu gut. Dieses Geräusch wird einem in der Geschichte öfters begegnen.

Irgendwann wird auch der Glaube auf den Prüfstand gestellt. Ein interessantes Thema, wie ich finde.

Aber zurück zur Geschichte. Zeit, was ist Zeit? Wer bestimmt, was Zeit ist? Wer oder was legt die Zeit fest?

Sind es die verschiedenen Zeitmesser, welche im Laufe von Jahrhunderten erfunden wurden um Zeit begreifbar, oder fassbar zu machen? Oder bestimmt die Erde im Weltall unsere Zeit? Wie sie sich unentwegt dreht. Einmal vor Milliarden Jahren angeschoben, dreht sie sich ohne Pause. Eigentlich eiert sie ja. Das nur nebenbei bemerkt.

Ich denke, laut Einstein ist Zeit relativ und hat ihre eigenen Gesetze. Keiner kann sie bestimmen, ändern oder gar aufhalten. Jeder, der versucht die Zeit zu manipulieren, wird früher oder später, von ihr wieder eingeholt. Eine Uhr, die vor oder zurückgestellt wurde, das sind nur mechanische Räder oder ein Quarz Pulsar, der den Takt angibt. Entweder kommt man irgendwann zu früh oder zu spät, oder man lebt für immer mit der falschen Zeit. Ich sage nur Sommerzeit. So ein Irrglaube hier etwas ändern zu können.

Wenn man jetzt versuchen würde, diese vom Universum vorgegebene Zeit zu manipulieren, dann könnte man die Zukunft oder die Vergangenheit ändern. Kann man das ohne Konsequenzen? Was würde man dazu benötigen, die Zeit zu beherrschen?

Eine Zeitmaschine?

Das ist doch nur Science-Fiction. Oder doch nicht?

Begeben wir uns nun langsam auf die Reise, in der Zeit dein Freund, und dein Feind zugleich ist.

Ein Abenteuerroman mit Science-Fiction, Action und ein wenig Romantik.

Kapitel 1: Der Fund

Wir schreiben das Jahr 1960 im Süden von England.

Ein junger Mann ging auf einer Allee geradewegs auf ein altes Haus zu, in dem er ein Interview führen sollte. Die lange Kastanienallee säumte auf beiden Seiten den Weg zu dem schon etwas baufälligen Gemäuer. Es war schwer für ihn über das nasse Kopfsteinpflaster zu gehen. Mit seinen ausgelatschten Schuhen rutschte er immer wieder zwischen die Steine. Ständig knickte er um und musste den Pfützen ausweichen. Das war nicht nur nervig, sondern auch sehr schmerzhaft. Fast so schmerzhaft wie seine Tasche. Diese alte braune Ledertasche hatte er sich umgehängt. Sie war schwer. Ein Tonbandgerät mitzunehmen. Wer kam denn auf so eine Idee? Sein Chef hatte die Idee und er bestand darauf eine Tonaufnahme zu bekommen. Wenn es nach ihm gegangen wäre, dann hätte er nur einen Schreibblock und einen Bleistift mitgenommen um sich Notizen zu machen. Der Gurt drückte auf seiner Schulter und die jammerte vor Schmerzen vor sich hin. Er war aber energisch und entschlossen. Seit Monaten hatte er schon keinen Auftrag mehr von seiner Zeitungsagentur bekommen. Die Miete war schon seit Monaten fällig. Ohne diesen Job würde er mal wieder auf der Straße sitzen.

Kalt war der Morgen, aber den leicht süßlichen Geruch der Kastanienblüten nach dem Regen genoss er so richtig in vollen Zügen.

Seltsam, dass es hier so still war. Wo waren die vielen Vogelstimmen, die ihn sonst jeden Tag gegen vier Uhr morgens aus dem Schlaf rissen? Er versuchte, zwischen den Zweigen die einheimischen Vögel zu finden, aber vergebens. Nichts rührte sich. Nur die Sonne blinzelte ihm durch die regennassen Blätter ins Gesicht, sodass er die Augen zu Schlitzen zusammenkneifen musste. Plötzlich nährte sich von hinten ein klackerndes Geräusch. Erschrocken drehte er sich um und konnte gerade noch zur Seite springen. Eine pechschwarze Kutsche mit zwei Pferden, die schon weißen Schaum vor dem Maul hatten, preschte an ihm vorbei. Natürlich landete er bei dem Sprung zur Seite mit seinen Schuhen in einer Pfütze. Die Kutsche verschwand hinter der Kurve in der Allee.

Na großartig, dachte er sich, mit nassen Füßen zum Interview. Wenn ich mir da nur keine Erkältung einfange. Wer hatte es nur um diese Zeit so eilig, dass der die Pferde so antrieb?

Als er das Haus erreicht hatte, hielt er kurz inne. Es war ein altes Herrenhaus mit grauen Backsteinen.

Wilder Wein hatte sich schon fast das ganze Haus erobert. Vom Dach bis zur Treppe wucherte er in einem satten Grün vor sich hin.

Zehn lange, vom Zahn der Zeit angenagte, Stufen führten zu der großen Eingangstür aus Eichenholz an der er weder eine Glocke oder einen Türklopfer fand.

Es sah aus, als ob die Tür von Spinnen fest im Griff war und ihre Spinnennetze die ganze Tür zusammenhielten.

Rechts und links neben der Tür schlugen die Fensterläden im Rhythmus des sanften Windes, welcher immer wieder kurz ums Haus wehte, gegen die Scheiben. Sein Herz schlug schon bis zum Hals, bei dem Gedanken, was ihn drinnen erwarten würde, wenn es hier draußen schon so unheimlich war.

An der Tür hinter dem wilden Wein, der darüber wucherte, befand sich ein verrosteter Ring eines Türklopfers. Den habe ich ja noch gar nicht gesehen, dachte sich der Journalist.

Wahrscheinlich hielt der Wein neben den Spinnennetzen auch noch das ganze Haus zusammen.

Der Journalist zögerte kurz, doch dann streckte er die Hand durch die Weinranken nach dem Ring aus. Sofort zuckte er wieder zurück. Etwas Schwarzes sprang auf ihn zu und bevor er es deuten konnte, was es war, machte er lieber einen Ausfallschritt zurück.

Das hätte er sich besser überlegen sollen. Die oberste Stufe, die nach unten führte, war doch näher hinter ihm als er dachte.

Er fiel rücklings die Treppe hinunter und landete unsanft mit dem Po voran, in der Pfütze vor dem Haus. Bevor er sich aber sammeln konnte, nahm er dieses etwas wahr, dass ihn besprungen hatte. Es saß auf seiner Krawatte und blickte ihn mit acht Augen an.

„Eine Spinne“ schrie er vor lauter Angst und schlug wie wild auf sich und die Spinne ein. Als er seine Augen wieder öffnete und die Hände im Griff hatte, war nur noch eine grüne schleimige Masse auf seiner Krawatte übrig.

Verdammt, dachte er. Wie sehe ich jetzt aus. So kann ich doch nicht zum Interview erscheinen.

Völlig durchnässt und die Angst noch im Nacken, stieg er die Stufen wieder nach oben und mit seinem ganzen Mut klopfte er mit dem Ring an die Tür. Zwei dumpfe Schläge hallten in das Haus. Stille. Nur die vielen Spinnen zogen weiter ihre Netze um den Eingang, als ob sie verhindern wollten, dass er hineingehen sollte.

Die Tür öffnete sich plötzlich aber nur langsam mit einem knarrenden Geräusch. Es schien, als ob sie vor Schmerzen jammerte. Da sind wir ja schon zwei, dachte er sich und zwang sich ein Lächeln ins Gesicht.

Eine junge Dame wurde durch den Türspalt von der aufgehenden Morgensonne geblendet. Sie fragte mit zusammen gekniffenen Augen nach dem Begehr des jungen Mannes. Nachdem er sich erklärt hatte, wurde die Tür ganz geöffnet.

„Mein Gott, wie sehen sie denn aus?“, fragte sie den jungen Mann.

Er hatte schnell seine Misere erklärt und bekam etwas Trockenes zum Anziehen. „So, das sollte genügen, bis ihre Sachen trocken sind.“

Er bedankte sich bei der Haushälterin. Doch sie gab ihm zu verstehen, dass es ja ihre Arbeit als Bedienstete wäre.

„Warten sie hier junger Mann.“ Dann verschwand sie nach oben in die Bibliothek. Der Journalist schlenderte ein wenig im Eingangsbereich herum. Alles war mit weißen Tüchern verhüllt. Der Staub wurde bestimmt schon Monate nicht mehr weggewischt. Es sah so aus, als ob die Zeit hier stehengeblieben war.

„Junger Mann“, schallte es von oben aus der Bibliothek.

„Kommen sie bitte hoch.“

„Wo ist er“, fragte der junge Mann, der übrigens Journalist bei der London Times war.

„Guten Tag Professor“, sagte er höflich.

Es vergingen einige Minuten des Schweigens bis...

„Die Zeit. Die Zeit. Wie soll ich es nur wiedergutmachen?“, sagte ich mit heiserer Stimme.

Ich, ein grauhaariger Mann, schätze mal so um die 90 Jahre, kauerte in meinem Lehnstuhl und starrte aus dem Fenster. Im Kamin war nur noch ein Stück Holz, das mit einer kleinen Flamme vor sich hin glimmte.

„Ich wollte nicht, dass es soweit kommt.“

„Was gutmachen und wie weit sollte es nicht kommen?“, fragte der Journalist.

Ach ja, Joe Hager war sein Name. Übrigens sah er genauso aus, wie er hieß. Groß, dünn und von blasser Gestalt. Bestimmt kam er nicht viel raus, um zu recherchieren, sondern saß im Times Keller, um den anderen Journalisten die Artikel zu schreiben.

Er hockte sich auf das Parkett neben den Lehnstuhl. Der Kopf vom Professor hob sich wie in Zeitlupe.

„Am besten fange ich ganz von vorn an.“

Joe stellte sein Mikrofon auf, ließ das Tonband laufen und machte es sich bequem.

Es begann vor ungefähr fünf Jahren. Ich war in der Blüte meines Lebens. So Mitte 40, hatte alles, ein Haus und eine wunderschöne Frau. Sina war ihr Name. Außerdem war ich ein erfolgreicher Archäologe. Dieser schicksalhafte Tag war kein Tag wie jeder andere. Alles ging schief an diesem Morgen und es war nicht einmal Freitag der 13.

Sogar die Natur war irgendwie anders. Die Vögel sangen nicht wie jeden Morgen, die Sonne ging blutrot am Horizont auf und der Nebel lag wie ein weißes Tuch auf der Wiese vor dem Haus. Ach übrigens habe ich mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Eric Le Grand. Ich war auf der Suche nach einem Buch, welches ich schon lange der Bibliothek schuldig war. Überall suchte ich es. Nichts, wie vom Erdboden verschwunden. Doch da war noch der uralte Keller von diesem Haus, in den ich so ungern ging. Der war bestimmt doppelt so alt wie das Haus selbst.

Schon bei diesem Modergeruch schnürte es mir die Kehle zu. Überall Spinnweben und diese feuchten kalten Steine, brr einfach schauderhaft. Man kam sich vor wie in einer dunklen Gruft. Lebendig begraben. Aber das war die einzige Stelle, wo ich noch nicht war. Ich nahm also meinen ganzen Mut zusammen und natürlich eine Taschenlampe, weil ja das Licht im Keller wie immer nicht ging. Sollte ich wohl doch mal reparieren. Stufe für Stufe ging ich langsam hinunter. Der Lichtstrahl der Lampe immer schwenkend vor mir her. In dem fahlen Licht der Lampe kamen Gerümpel, Holzkisten, Flaschen und Regale mit uralten Staubschichten zum Vorschein. Wo soll ich hier das Buch nur finden? Plötzlich gab die Lampe ihren Geist auf. Ich klopfte noch ein paar Mal auf das Batteriefach, aber es blieb dunkel. Auf einmal verspürte ich einen Schlag auf den Kopf und mir wurde schwarz vor Augen. Kurze Zeit später rappelte ich mich mit Kopfschmerzen wieder auf. Ich musste mich an einem Balken gestoßen haben. Da das ja heute nicht mein Tag war, fiel auch noch die Kellertür mit einem lauten Knall ins Schloss. Na prima. Ich wollte mir gerade den Weg zur Treppe suchen, da bemerkte ich einen grünlich faden Lichtschein in der hinteren Ecke des Kellers. Soweit war ich noch nie im Keller vorgedrungen. Aus einem Regal, zwischen alten Farbbüchsen und Weinflaschen schien das Licht herzukommen. Ganz langsam bewegte ich meine Hand durch die Spinnweben in das Regal und schob die Büchsen und Flaschen zur Seite. Ich griff mit der anderen Hand in meine Hosentasche und holte ein Taschenmesser heraus. Zwischen den Ziegelsteinen in einer Fuge fing ich an zu kratzen. Genau über dem Loch, wo das Licht zu sehen war. Die Fugen waren sehr porös und somit konnte ich den ersten Ziegel herausziehen. Meine Neugier verlangte innerlich von mir, die Hand in das Loch zu stecken, um vielleicht etwas zu ertasten. So war es auch. Vorsichtig schob ich meine Hand in das Loch. Mir war, als ob der Raum hinter der Wand doch größer war, als ich vermutet hatte. Aber Moment mal. Das war doch die Außenwand des Hauses. In Gedanken ging ich den Grundriss des Hauses durch. Ich müsste mich an der Außenmauer unter der Veranda befinden. Oder war es nur ein durch Regen entstandenes Erdloch? Aber da war ja noch das Licht. Jetzt wollte ich es wissen. Entschlossen ging ich zurück zur Treppe. Die Dunkelheit machte mir nichts mehr aus. Die Neugier siegte über meine Angst. Aus der Scheune vor dem Haus holte ich einen Spaten und fing vor der Veranda an zu graben. Voller Hoffnung auf Widerstand im Erdreich zu stoßen, grub ich wie ein Besessener an der Stelle, wo der Raum sich befinden müsste.

Nichts, nur Erde, Wurzeln und Steine, aber kein Raum. Nicht einmal ein Kratzer in der Wand oder ein Loch, wo ich den Ziegel herausgezogen hatte. Tausend Gedanken schossen mir jetzt durch den Kopf, aber ich hatte keine Zeit darüber nachzudenken. Aus der Küche holte ich mir eine neue Taschenlampe und ging voller Tatendrang wieder zurück in den Keller. Das Adrenalin, welches mein Körper schon seit Stunden ausschüttete, ließ mein Herz bis zum Hal schlagen. Wenn nur dieser fürchterliche Modergeruch nicht wäre. Ach ja, da war noch etwas Unheimliches. Ich hatte das Gefühl, dass mich die ganze Zeit jemand oder etwas beobachtete. Immer wieder schaute ich mich um. Nichts und niemand, also ignorierte ich das Gefühl. Obwohl, sehr wohl war mir nicht. Das Messer ritzte sich weiter durch die Fugen, bis der zweite und dritte Stein locker waren. Einen nach dem anderen Ziegel zog ich heraus und die Konturen von dem, was dahinter war wurden immer deutlicher. Bald war das Loch so groß, das ich durch passen würde. Schweißgebadet und mit gemischten Gefühlen, was mich dort erwartet, stieg ich durch das Loch ins Unbekannte. Vor mir breitete sich ein großer Raum mit einem Gewölbe aus. Er erinnerte mich an ein Verlies. So ungefähr zehn Mal zehn Meter breit und zwanzig Meter hoch. Hier war schon seit mehr als 100 Jahren keiner mehr gewesen. Unglaublich. Woher kam nur das Licht? Eigentlich müsste ich mir Gedanken darüber machen, warum der Raum von außen nicht existierte. Aber ich suchte erst einmal nach der Lichtquelle. Da, in der Wand gegenüber. Von rostigen Ketten verdeckt steckte etwas in der Wand. Es war eine Art Buch, dessen Inschrift leuchtete. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Mit grünlich pulsierendem Licht und einem knorpeligen Ledereinband war ein Buch in die Wand gemauert.

Neugierig wie ich war und sämtliche Vorsicht vergessen, wollte ich die Inschrift berühren. Wie vom Blitz getroffen wurde ich an die gegenüberliegende Wand geschleudert und es wurde abermals dunkel um mich herum. Mir war, als ob die Zeit für einen Augenblick stillstand. Schatten huschten an mir vorbei. Mich durchfuhr ein seltsames Rucken. Eine unglaubliche Energie schoss durch meinen Körper. Das war irgendwie unheimlich. Langsam kam ich wieder auf die Beine. Ich betrachtete das Buch. Es hatte was gegen meine Berührungen, dachte ich und machte mir über den seltsamen Vorfall keine Gedanken mehr.

Also holte ich meinen Notizblock aus der Jackentasche und zeichnete die leuchtende Inschrift auf den Block. Die Inschrift war eine Mischung aus alter sumerischer Keilschrift, ägyptischen Hieroglyphen und einem etwas tiefer sitzenden Zeichen. Das Zeichen bestand aus zwei übereinanderliegenden Dreiecken, die mit der Spitze eine Kugel in der Mitte berührten. Die Dreiecke und die Kugel bildeten einen Hohlraum, als ob etwas herausgefallen wäre. Aber am Boden war aber nichts zu sehen. Die fehlenden Teile wurden bestimmt schon lange vorher entfernt. Das war bestimmt ein Grund, warum ich das Buch nicht berühren konnte. Wie viel Zeit hier unten vergangen war, wusste ich nicht, aber ein weit entferntes undeutliches Rufen drang aus dem Keller an mein Ohr. Es war meine Frau Sina. Eine große dunkelhaarige schlanke Schönheit. Was soll ich dazu sagen. Sie war ja auch meine Frau.

„Du bist jetzt schon seit über acht Stunden hier unten. Was machst du da eigentlich so lange?“, sagte sie von der Kellertür zu mir.

„Acht Stunden?“, fragte ich erstaunt.

Mir kam es wie keine zwanzig Minuten vor. In der Küche oben angekommen, erzählte ich ihr von meinen Erlebnissen und Entdeckungen. Sie war sofort Feuer und Flamme. Na ja, kein Wunder, als Leiterin des ägyptischen Museums in London musste man einen kleinen Tick oder besser fable für solche Dinge haben.

Am nächsten Tag, versuchten wir meine Skizzen zu entschlüsseln. Wir fuhren schon sehr früh los, um keine Zeit zu verlieren. Sina rief gleich unseren alten Freund William Manson an, damit er uns dabei half, die Inschrift des Buches zu deuten. William war ein langjähriger Freund der Familie. Ein großer kräftig gebauter Mann so um die 50 schätzten wir. Aber das wusste keiner so genau. Er sprach nie über sein Alter. Dunkle Haare mit grauen Schläfen, der Anzug immer schottisch kariert, aber keine Krawatte. Die konnte er nicht leiden. Als wir in Sinas Büro ankamen, wartete er bereits auf uns. Ich legte das Blatt mit den abgezeichneten Inschriften des Buches auf den Tisch. Er strich mit den Fingern darüber, als ob er sie ertasten wollte.

„Also, da wäre erst einmal das Wort „Zeit“, sagte er, „und das hier könnte Paradies heißen. Doch bei dieser alten Schrift, welche sicherlich noch weit vor der Bibel entstand, passt das alles irgendwie nicht zusammen. Woher wussten diejenigen, die das Buch erschufen, vom Paradies?“

Sina und ich schauten uns ratlos in die Augen. Vielleicht hatte ich ja auch einen Fehler beim Abzeichnen gemacht. Es war schließlich dunkel in dem Kellergewölbe.

„Warte Eric“, sagte William.

„Hier ist noch ein interessantes Wort.“

Als Drittes entzifferte er „Schlüssel.“

„Aber was soll das für einen Sinn ergeben?“, fragte Sina.

Ich war genauso ratlos. Das passte nicht zusammen.

ZEIT – PARADIES – SCHLÜSSEL.

Doch ich hatte noch mehr von der Vorderseite des Buches abgezeichnet.

„Hier habe ich noch einen Zettel mit sonderbaren geometrischen Zeichen.“

William schob seine Brille vor bis zur Nasenspitze und schaute über die Gläser auf den Zettel.

„Hm ... zwei Dreiecke übereinander, die mit der Spitze einen Kreis berühren.“

„Ja das ist noch nicht alles“, warf ich ein.

„Die Zeichen sind in das Buch irgendwie eingelassen, als ob da etwas fehlte. Ein Hohlraum sozusagen.“

„Das könnte eine Art Sanduhr sein“, flüsterte William so vor sich hin.

„Und dieser Kreis mit rundherum diesen Strichen, wäre dann die Sonne.“

William grübelte darüber nach, indem er immer wieder vor sich hinsprach. Zeit, Paradies, Sanduhr.

„Das ergibt keinen Sinn.“

„Sumerische Sanduhr?“; warf ich in sein Grübeln ein.

„Das wird ja immer seltsamer.“

William blickte kurz hoch und in seinen Augen spiegelte sich Ratlosigkeit wieder.

„Wir müssen zurück in deinen Keller, wo das Buch im Stein ist“, sagte er.

„Vielleicht hast du ja doch etwas übersehen und vergessen abzuzeichnen.“

Sina packte schnell noch ein paar Utensilien zusammen und dann ging es zurück zu mir nach Hause. Die Fahrt wollte einfach nicht enden. Tausendmal bin ich die Strecke schon gefahren, aber heute kam sie mir wie eine Ewigkeit vor. Endlich! Zielstrebig gingen wir in den Keller. Alles was mich bisher an dem Keller gestört hatte, war wie weggeblasen. Ich stellte überall Kerzen auf, weil meine zweite Taschenlampe, die ich besaß, auch nicht mehr funktionierte. Sina lächelte mich von der Seite an, nachdem ich immer wieder auf die Taschenlampe klopfte.

„Ja, ich weiß“, sagte ich mit mürrischem Unterton zu Sina.

„Du hast ja recht. Ich muss mich doch mal um die defekten Dinge im Haus kümmern.“

Sina sagte keinen Ton, aber ihr Blick gab mir zu verstehen, dass sie recht hatte.

„Ja das gefällt dir wieder.“

Ich war sauer, dass sie recht hatte. Wir stiegen nacheinander durch das Loch in der Wand, wo ich gestern die Ziegel entfernt hatte. Das seltsame grüne Licht erhellte immer noch das Gewölbe. William untersuchte ganz vorsichtig mit einer großen Lupe das Buch, ohne es zu berühren.

„Hier“, sagte er nach einer Weile.

„Das könnte das fehlende Stück sein.“

Ich zeichnete alles noch einmal ab und Sina sah plötzlich einen Sinn in der Zeichnung. Sie schaute mir ja schon die ganze Zeit von hinten über die Schulter.

„DIE ZEIT IST DER SCHLÜSSEL ZUM PARADIES“ so müsste es lauten.

„Die Sanduhr steht für Zeit, die Sonne für Paradies und da wo die Vertiefung, ist fehlt der passende Schlüssel.“

„Du meinst, wir müssen eine Art Sanduhr suchen, die gleichzeitig auch der Schlüssel zum Buch ist?“ fragte William.

„Ja, genau so muss es sein.“, sagte sie.

„Aber wo soll sich dieser Schlüssel befinden?“, fragte er.

Unsere grauen Zellen arbeiteten auf Hochtouren. Mir war so, als ob ich einmal vor langer Zeit ein Buch gelesen hatte, wo die Rede von so einem Schlüssel war.

„Im Hochland von Tibet“, fiel es mir wieder ein.

„Weit ab von jeglicher Zivilisation, gab es ein uraltes Kloster. Die Mönche bewahrten dort schon seid Menschengedenken ein Relikt auf, welches nach alten Überlieferungen einer Sanduhr ähneln sollte.“

„Also auf nach Tibet“, sagte William schon voller Tatendrang.

„Nicht so schnell“, sagte ich.

„Wir brauchen erst einmal Geld für die Ausrüstung und ein Flugzeug.“

In diesem Moment schoss es mir wie ein Blitz durch den Kopf. Langsam drehte ich mich zu meiner Frau um und ich sah ihre Augen funkeln.

„Nein, jeder. Nur nicht dein vermaledeiter Bruder Arthur!“

„Doch Eric“, er hat Geld, ein Flugzeug und ein Abenteurer ist er auch.“

„Ja und wer musste ihn immer wieder aus der Patsche helfen? Ich!“

„Nun hab dich nicht so“, sagte Sina.

„Ich werde ihn gleich anrufen, damit er die Vorbereitungen für die Reise treffen kann.“

Oben in der Küche merkte niemand so richtig, dass mindestens schon zwölf Stunden vergangen waren. Gegen Mittag stiegen wir in den Keller und ich hatte das Gefühl, das wir nur eine Stunde dort waren. Aber es war schon weit nach Mitternacht. Irgendetwas stimmte hier nicht und ich sollte es früher als mir lieb war erfahren. Eine Woche später startete unsere kleine Expedition ins unbekannte Hochland von Tibet. Wir trafen uns außerhalb von London auf einem privaten Flugplatz mit Arthur.

„Die Maschine ist startklar“, rief er uns schon von Weitem zu.

Sina lief ihm gleich in die Arme.

„Bruderherz, schön dich endlich wiederzusehen. Wie lange warst du wieder unterwegs?“

„Na ja, so drei Jahre im Amazonas. Aber das erzähle ich dir an Bord der Maschine.“

Nachdem das Gepäck verstaut war und ich die Bord Luke schließen wollte, stürmte plötzlich ein riesiges Tier auf mich zu und riss mich zu Boden. Ich schrie wie eine hysterische Frau mit hoher Stimme vor Schreck auf. Es war Rufus. Arthurs Dobermann. Oh je, war mir das peinlich. Das Gelächter schallte durchs ganze Flugzeug.

„Sag bloß, der kommt mit?“, fragte ich auf dem Rücken liegend und Rufus mit seinen Pfoten auf meiner Brust.

„Ohne meinen Talisman fliege ich nirgendwo hin“, sagte Arthur.

„Talisman?“, fragte ich verstört.

„Das ist eine Bedrohung für die Menschheit.“

„Entweder er kommt mit, oder ihr vergesst die Reise“, schmollte Arthur

Also war jetzt Rufus ein Mitglied unserer kleinen Expedition.

Kapitel 2: Die Reise

Arthur lies die Motoren warmlaufen und das Flugzeug rollte zur Startbahn. Die Motoren heulten auf und wir rollten immer schneller auf das Ende der Startbahn zu. Das Flugzeug hob einfach nicht ab. Schon wieder lag mir der hohe Ton in der Kehle. Das Kreischen konnte ich mir gerade noch verkneifen. Einmal peinlich sein reicht.

Dann, auf den letzten Metern, zog er die Maschine hoch. Die Räder streiften noch die Baumkronen, bevor sie im Bauch des Flugzeuges verschwanden.

„Hey Arthur, die ist wohl noch aus dem letzten Weltkrieg?“, spotte ich.

Aber vom Cockpit kam keine Antwort. Nur der Hund Rufus sabberte an mir herum. „Lass das Rufus“ zischte ich den Hund an und schob seine feuchte Schnauze weg. Doch der ließ nicht mit sich reden. Irgendwie mochte er mich, aber ich wollte nicht die ganze Reise mit nassen Hosen herumsitzen. Es vergingen einige Stunden, die wir uns mit Lektüren und Gesprächen über China und Tibet vertrieben.

Plötzlich wackelte das Flugzeug und alles was nicht ordentlich befestigt war, flog umher. Arthur rief vom Cockpit: „Haltet euch gut fest, wir durchfliegen eine Schlechtwetterfront.“

„Wo sind wir?“, fragte Sina.

„Über Russland“ kam es von vorn.

Ich sah aus dem Fenster und rundherum war alles schwarz. Dicke Wolken, die fast zu explodieren drohten, stießen unter Grollen zusammen. Grelle Blitze zuckten über die Tragflächen am Fenster vorbei.

„Setz dich lieber wieder hin“, sagte Sina.

Natürlich hatte es sich in der Zwischenzeit Rufus auf meinem Sitz bequem gemacht.

„Runter mit dir du Flohzirkus!“, fuhr ich ihn an.

Er fletschte die Zähne und tat überhaupt nicht der gleichen. Da blieb mir nur noch der Notsitz neben dem Ausgang. Den Gurt zog ich ganz fest um meinen Bauch und klammerte mich mit den Händen an die Armlehnen. Alles ruckelte und klapperte. Dann gab es einen großen Knall auf der rechten Seite. Die Tragfläche wurde vom Blitz getroffen. Mit großer Geschwindigkeit und unter höllischem Lärm, den die Motoren machten, verloren wir an Höhe. Unter uns nur Berge und Wälder.

„Wo willst du hier landen Arthur“, rief ich von Angst gezeichnet nach vorn ins Cockpit.

„LANDEN?“, lachte Arthur wie ein Geisteskranker, dass es mir noch mehr himmelangst wurde.

„Wir können froh sein, wenn ich die Kiste in einem Stück runter bekomme.“

Die Baumspitzen zerbarsten schon an den Tragflächen und die Rotorflügel ackerten sich durch das Gehölz. Dann gab es einen dumpfen Schlag und wir wurden in unsere Gurte gepresst. Mir wurde schwarz vor den Augen.

„Eric? ... Eric?“

Irgendetwas zupfte an mir herum. Ich schlug langsam die Augen auf und sah einen verschwommenen Schatten. Es war William.

„Eric, wie geht es dir?“

„Wo sind die anderen?“, fragte ich.

„Wo ist meine Frau?“

„Es ist alles ok, Eric. Du warst nur ein paar Stunden bewusstlos. Ich dachte, du wachst gar nicht mehr auf.“

Langsam kroch ich aus dem Wrack. Die Sonne blendete mich, sodass es mir die Augenlider wieder zuzog. Zum Glück ist niemanden etwas passiert. Aber das Flugzeug war Totalschaden. Und jetzt? Wir schauten uns ratlos an. Sollte das schon das Ende unserer Reise sein? Bis zum tibetischen Hochland waren es noch einige Hundert Kilometer. Aber was mir noch mehr Kopfzerbrechen bereitete, war der Umstand, dass wir mitten in der Wildnis von Russland waren.

William und Arthur suchten alles Brauchbare aus dem Flieger zusammen, zumindest was noch davon übrig war, und packten es in ihre Rucksäcke. Dann zogen wir los. Uns blieb ja gar nichts weiter übrig. Tiefer und tiefer drangen wir in die unberührte russische Wildnis ein. Rufus, der jetzt ja unser aller Talisman war, lief vornweg. Das Schlusslicht bildete William, der uns im Notfall den Rücken freihalten konnte. Schon allein wegen der Wölfe, die hier heimisch waren. Als es dämmerte, beschlossen wir das Nachtlager aufzubauen. Es war eine übersichtliche kleine Lichtung, von wo aus wir den Wald rundum im Blickfeld hatten. Arthur holte seine Utensilien aus dem Rucksack und bestimmte an Hand von Kompass, Karte und den Sternen unsere Position.

„Ungefähr noch 800 Kilometer bis zum Hochland.“

Ratlosigkeit machte sich breit. Unser Proviant reichte vielleicht noch für eine Woche und Wasser war nur für zwei Tage da.

„Ist das alles?“ fragte Arthur.

„Leider ja.“ antwortete ich enttäuscht.

„Lasst uns die Nacht darüber schlafen und morgen machen wir uns Gedanken, wie es weitergeht“, sagte Sina und verschwand in ihrem Zelt.

Wir teilten noch die Wachzeiten am Lagerfeuer ein und gingen schlafen.

Als es dämmerte, spürte ich etwas Kaltes an meiner Stirn. Erst dachte ich, es war Rufus mit seiner Schnauze. Ich versuchte ihn wegzustoßen. Doch da war es wieder. Langsam öffnete ich die Augen und blickte in den Doppellauf einer Schrotflinte. Mit einem Ruck sprang ich zurück. Ein alter Mann mit einer Jacke aus Fellstücken und einer Bieber Fellmütze stand vor mir. Mit grimmiger Miene versuchte er, mir irgendetwas auf Russisch mitzuteilen. Aber ich verstand kein Wort. Er wurde immer lauter und aufdringlicher, bis er den Hahn vom Gewehr langsam nach hinten zog. Adieu schöne Welt, dachte ich. Von dem Lärm in meinem Zelt aufgeweckt, sprang auf einmal Arthur herein und schlug ihn mit einem Holzscheit nieder. Der alte Mann sackte zusammen.

Sina hatte nach der morgendlichen Aufregung Feuer gemacht und einen Kaffee gekocht.

„Ist der auch stark?“, fragte ich.

„Stark und schwarz, damit kannst du Tote aufwecken“, lächelte sie mir zu.

Den alten Mann hatten wir gefesselt und neben uns ans Feuer gesetzt. Nach ein paar Minuten kam er wieder zu sich. Er murmelte irgendeinen russischen Kauderwelsch vor sich hin. Mit seinen Augen musterte er uns ausgiebig. Sina meinte, dass sie russisch ein wenig verstehe.

„Also gut, versuch dein Glück. Sei aber vorsichtig“, meinte ich.

Sie setzte sich neben den Mann und erzählte mit ihm ein paar Sätze auf Russisch. Seine Angst war größer als unsere. Er dachte, wir wären Räuber und würden ihm seine Habseligkeiten stehlen. Sina erzählte weiter mit ihm und da sah ich schon ein kleines Lächeln in seinem Gesicht. Arthur entschuldigte sich mit einigen komischen Gesten bei dem Alten und nahm ihm die Fesseln ab.

„Er hat hier ganz in der Nähe eine Hütte und Proviant hat er auch“, sagte Sina.

Wir brachen unser Lager ab und folgten dem Mann zu seiner Hütte.

Bei einem Wodka, Brot und einer heißen Suppe erzählten wir ihm unsere Geschichte. Sina war unsere Übersetzerin. Mit einem Schlag wurde er leichenblass und sagte, dass er von diesem Schlüssel schon einmal gehört hätte. Aber in dem was er sagte, kam noch das Wort Teufel vor, übersetzte Sina.

„Schlüssel und Teufel“ das ergibt doch keinen Sinn“, sagte ich.

„Vielleicht hast du es auch nur falsch verstanden. Ein Übersetzungsfehler wegen seinem Dialekt“, sagte ich zu ihr.

Doch Sina winkte ab und gab mir somit zu verstehen, dass sie das schon richtig übersetzt hatte. Der alte Mann riet uns von unserem Vorhaben ab. Großes Unglück wird uns widerfahren, wenn wir weiterziehen. Das machte mich irgendwie noch neugieriger. Als er merkte, dass wir an unserer Reise festhielten, nahm er noch einen großen Schluck aus der Wodkaflasche und ging zu einer alten Truhe in der Ecke. Um seinen Hals trug er einen Schlüssel, der ziemlich verrostet war. Diesen steckte er in das Schloss und mit einem knarrenden Geräusch öffnete er die Truhe. Seine Hände wühlten sich durch Wäsche und alten Plunder und immer murmelte er das Wort Teufel auf Russisch vor sich hin. Dann drehte er sich um und überreichte Arthur einen Schlüssel mit einer Hasenpfote daran.

„Ist das der Schlüssel für das Buch?“, fragte Arthur erstaunt.

„Das ging aber schnell.“

„Nein, du Dummkopf. Der ist für den Laster in der Scheune“ sagte Sina und lachte. Wir füllten unsere Vorräte auf, bedankten uns bei dem Alten und fuhren mit gemischten Gefühlen los. Ich drehte mich noch einmal um und wollte ihm zuwinken. Der alte Mann kniete auf dem Boden und bekreuzigte sich vor der Brust. Immer und immer wieder.

Kapitel 3: Das Kloster

Nach einer zweiwöchigen Odyssee durch Russland und China erreichten wir unser Ziel. Majestätisch breitete sich das tibetische Hochland vor uns aus. Von hier aus ging es nur noch bergauf. Mit einem Mal war der Wald zu Ende. Arthur stieg auf die Bremse. Da war es.

Das Kloster. Wie ein uneinnehmbarer Koloss lag es vor uns. Einfach unheimlich, wie es auf dem Hügel stand. Ein Bollwerk aus überdimensionalen Baumstämmen, die mindestens einen Meter im Durchmesser hatten. Zwischen den Stämmen waren riesige Felsblöcke. Aber keine Fenster. Seltsam.

An jeder der vier Ecken befanden sich Steinfiguren, welche vom Boden bis zum Dach reichten. Der Anblick dieser Figuren löste in mir das Gefühl aus, für sämtliches Leid der ganzen Welt verantwortlich zu sein.

An der Vorderseite war ein Tor, so groß, dass mindestens ein duzend von kräftigen Männern nötig wären, um es zu öffnen. Also schied der Plan, einfach hinein zu spazieren schon mal aus. Was noch auffällig war, ringsherum um das Kloster wuchs nichts. Weder Bäume, Sträucher und auch kein Gras. Nur Geröll und staubiger Sand. Die dicken Wolken über dem Kloster sahen aus, als ob sie auf dem Klosterdach lagen, um es zu beschützen. Sie bewegten sich keinen Zentimeter. Obwohl es ziemlich windig war.

Diesen Koloss zu knacken, da brauchten wir schon einen genialen Plan.

Arthur fuhr den Laster einige Meter zurück.

„Hier schlagen wir unser Lager auf“, sagte er.

Es dauerte keine Minute, da goss es auch schon wie aus Gießkannen.

Die Zelte standen schnell, aber an ein Lagerfeuer war nicht zu denken.

William und ich übernahmen die erste Wache. Sina und Arthur gingen nach dieser anstrengenden Reise erst einmal schlafen. Rufus lief aufgeregt hin und her, bis er sich dann vor Arthurs Zelt legte.

Mir steckte die Fahrt auch noch in den Knochen, aber ich musste mir erst einmal das Kloster aus der Nähe betrachten.

„Aber nur bis zum Waldrand“, sagte William, der aufmerksam die Gegend mit dem Fernglas absuchte.

Wir trugen Zweige und Moos zusammen. Darauf machten wir es uns am Waldrand, mit Blick auf das Kloster, gemütlich.

Rabenschwarz senkte sich die Nacht über den Klosterberg. Wie langsam fallende schwarze Seide umschloss die Dunkelheit das Kloster. Nur dieses seltsame grünliche Licht, welches ich auch in meinem Keller gesehen hatte, schimmerte aus kleinen Ritzen zwischen den Baumstämmen des Klosters hervor. Fenster hatte es ja keine. Also waren wir richtig. Von einem knackenden Geräusch im Wald schrak ich hoch. Ein Mönch, in einer langen braunen Kutte und die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, ging Richtung Kloster. Je näher er der großen Tür kam, umso mehr verschmolz er mit dem Nebel. Am Tor blieb die Nebelgestalt stehen. Dann verschwand er.

Wir schauten uns entsetzt mit einem Blick an, der nur fragte, hast du das auch gesehen?

„William, er ist verschwunden!“, flüsterte ich.

„Ich habe es gesehen Eric.“

Kurze Zeit später kam wieder einer und verschwand auf die gleiche Weise, wie sein Vorgänger. Das geschah in unregelmäßigen Abständen. Ein Mönch kam und verschwand vor dem Klostertor im Nebel. Meine Neugier wurde immer größer. Ich musste einfach wissen, was hier geschah. Hatte es etwas mit dem Schlüssel, der hier verborgen war, auf sich?

Langsam schob ich mich aus meiner Deckung. Auf allen vier kriechend begab ich mich in Richtung des Klosterberges.

„Eric tue es nicht!“, raunte William mir noch hinterher.

„Komm zurück?“

Aber ich hörte ihn schon nicht mehr. Ich musste einfach wissen, wo der Mönch hin ist. Hoffentlich hält William mir den Rücken frei.

Je näher ich dem Kloster kam, umso schlimmer war dieser beißende Geruch, der mir in die Nase stieg. Diesen kannte ich nur von Tierkadavern. An der Rückseite des Klosters angekommen, packte mich die Angst. An der Mauer waren Leichen verstreut. Einige schon bis auf die Knochen verwest. Ich schaute nach oben. Dort war die einzige Öffnung in der Mauer mit einer Holzrampe. Plötzlich rumpelte es und ein grauer Sack fiel von der Rampe in die Grube mit den Leichen. Doch bei näherem Hinsehen war es wieder ein toter Mönch. Was geht da drin nur vor? Es war so unheimlich hier. Diese Totenstille, der Gestank und der Leichenberg, der vermutlich immer größer wird. Mir stellten sich die Nackenhaare auf. Pure Angst überkam mich. Ohne mich umzudrehen, rannte ich zurück in den Wald, wo William auf mich wartete. Aber er war nicht mehr in unserer Mulde. Bis zum Lager war es nicht weit und es dämmerte schon.

„Eric, Eric“, rief es schon von Weitem.

„Wo warst du denn so lange?“

Sina rannte auf mich zu und nahm mich in die Arme.

„Ich war doch nur eine halbe Stunde weg“, sagte ich.

„Eine halbe Stunde?“, fuhr William mich an.

„Ganze acht Stunden warst du weg“.

„Acht Stunden?“ Ich fuhr ich mir mit der Hand verlegen übers Kinn. Aber wie war das nur möglich?

Ich erzählte den anderen von meinen unheimlichen Entdeckungen. Angst machte sich unter uns breit. Da hatte Arthur eine geniale Idee.

„Wir fangen einen Mönch ab und quetschen ihn aus. Die kommen hier in regelmäßigen Abständen vorbei. Sie müssen einfach irgendetwas über das Kloster wissen.“

Am Lagerfeuer besprachen wir die Einzelheiten.

„Rufus. Mein Rufus ist die Lösung.“ Arthur meinte, dass wir seinen Hund an einen Baum binden, der an dem Weg des Mönches liegt.

„Die Mönche haben doch mit allen Lebewesen Mitleid“, sagte Arthur.

„Was soll der Hund denn machen?“, fragte ich ihn.

„Ihn nach dem Weg fragen?“

„HA, HA, HA!!!“, brach ich in Gelächter aus und Sina schmunzelte mir zu.

Arthur würdigte uns mit keinem Blick und hielt an seinem Plan fest.

„Der Mönch versucht, bestimmt den Hund loszubinden, und da schlagen wir zu“, sagte Arthur schon etwas angesäuert.

„Das ist dein Plan?“, fragte ich Arthur noch einmal.

„Also gut. Machen wir es so.“

Gesagt, getan.

Am Baum angebunden, winselte Rufus vor sich hin, als ob er wusste, auf was es ankommt. Er lief immer um den Baum herum, bis er sich in der Leine völlig verfangen hatte.

„Ich muss ihm helfen“ sagte Arthur.

„Nein, bleib hier, da kommt dich schon ein Mönch.“

In diesen Augenblick schälte sich eine Gestalt aus der Dunkelheit und ging in Richtung Kloster. Als er an dem Baum vorbeikam, wo Rufus hing, würdigte er ihn nicht einmal mit einem Blick, sondern ging mit gesenktem Kopf vorbei.

„Das zu deinem Plan“ flüsterte ich Arthur zu.

„Wir müssen zuschlagen. Auf drei...“

Ich blickte kurz nach rechts und links und bekam ein kurzes Nicken von beiden Seiten. Bei drei stürmten wir wie eine wilde Horde aus unserem Versteck und überwältigten den Mönch.

Er leistete zu unserer Verwunderung keinen Widerstand. Wir fesselten ihn wie letztens den alten Mann in Russland.

Mit versteinerter Miene saß er uns gegenüber und starrte ins Feuer.

„Was ist, kann der nicht reden?“, fragte Arthur.

Aber der Mönch saß nur da und starrte ins Leere. Dann stand er auf und wie von einem Voodoo Zauber besessen, schlug er den Weg in Richtung Kloster wieder ein. Trotzdem er mit den Händen auf dem Rücken gefesselt war, lief er, ohne anzuhalten. Aber weit sollte er nicht kommen. Ein pfeifendes und zischendes Geräusch bahnte sich durch den Wald seinen Weg. Ein kurzer dumpfer Schlag, und ein langer Pfeil bohrt sich von hinten durch das Herz des Mönches. Er brach zusammen und war auf der Stelle tot.

„Geh in Deckung Sina“ rief ich ihr zu.

Wir pressten unsere Körper auf den Waldboden. Totenstille.

„Was war das?“, flüsterte ich zu William.

Er zuckte mit den Schultern. Der Mönch wurde zum Schweigen gebracht, aber warum und vor allem von wem. Nach einigen Minuten standen wir langsam wieder auf. Die Gefahr schien vorbei zu sein. Der tote Mönch lag vor uns. Jeder von uns konnte der nächste sein. Da kam mir eine Idee. Ich nahm mir die Kutte von dem Mönch und zog sie an.

„Ich werde den Weg des Mönches weiter gehen“, sagte ich.

„Eric, nein!“, antwortete Sina mit einer befehlsmäßigen Stimme.

„Du kommst da nie wieder raus. Und wenn doch, dann nur als Leiche. Hast du die ganzen Toten schon vergessen, die hinter dem Kloster liegen?“

Aber ich musste unbedingt den Schlüssel haben, geisterte es mir im Kopf herum. Egal wie.

William nahm seine Brille ab und steckte sie in die Tasche. Dann zündete er sich eine Zigarre an und ploppte mit den Lippen ein paar Kringel in die Luft.

„Glaub nur ja nicht Eric, dass du da so einfach hineinspazieren kannst, den Schlüssel nehmen und wieder unbeschadet rauskommst.“

William zog weiter genüsslich an seiner Zigarre. Der Qualm legte sich wie Engelshaar über das Lager. Das Feuer verwirbelte die kleinen Nebelschwaden, drehte sie zusammen und ließ sie nach oben steigen.

„Pst, seid mal still“ flüsterte Arthur.

„Dort hinten im Gebüsch bewegt sich was.“

„Das ist bestimmt ein Wolf“, murmelte William vor sich hin.

Dann war es auf einmal wieder still. Sogar der Wind hat aufgehört, die Äste der Bäume hin und her zu wiegen. Als ob die Zeit stillstand.

Da schrie Sina plötzlich auf.

„Eric, hinter dir!“

Ich drehte mich um und vor mir stand eine riesige Gestalt. Wie eine schwarze Wand baute sie sich vor mir auf. Ich stand da wie versteinert. Über seiner Schulter hing ein alter zerschlissener Ledermantel, der bestimmt schon bessere Tage erlebt hatte. Um seine Brust waren Riemen und Ketten gespannt, als ob sie ihn irgendwie zusammenhielten. Seine Stiefelschäfte reichten bis zu den Knien. Auf dem Rücken trug er einen Pfeilköcher mit überlangen Pfeilen.

Mir stockte der Atem. Genauso ein Pfeil steckte dem toten Mönch in der Brust.

In der linken Hand hielt die Gestalt den Bogen, der ungefähr genau so groß war wie ich.

So sehr ich meine Augen auch anstrengte, ich konnte sein Gesicht nicht erkennen. Seine Kapuze warf einen dunklen Schatten über sein Gesicht. Es sah aus, als ob er überhaupt keines hatte. Behutsam lehnte er den Bogen an den Baum. Der ist doch nicht aus Glas, dachte ich. Warum so sorgsam? Dann streifte er mit beiden Händen die Kapuze vom Kopf. Jetzt konnte ich sein Gesicht erkennen. Es war übersät mit Narben und Tätowierungen. Bei diesem Anblick fuhr mir ein kalter Schauer über den Rücken. Er kniete sich über den toten Mönch und durchsuchte seine Kutte. Wir schauten uns an und trauten unseren Augen kaum. Die Angst steckte uns noch in den Gliedern.

„Endlich“, sagte er, „endlich habe ich sie.“

Er hob ein Stück alte Baumrinde in die Luft. Wie einen funkelnden Edelstein schaute er sich die Rinde an.

„Wer bist du?“, fragte Sina ganz behutsam den Fremden.

„Oh tut mir leid, mich vorzustellen“, sagte er, „mein Name ist Lee. Ich bin auf der Suche nach dem Schlüssel.“

„Was Du auch?“, fragte ich.

Da merkte ich, dass ich das nicht hätte sagen sollen. Sein versteinerter Blick traf mich sofort.

„Aber, wenn der Mönch ihn gehabt hätte, dann musstest du ihn doch nicht gleich töten.“, sagte ich sofort, um meine dumme Antwort zu verharmlosen.

Er runzelte die Stirn, kratzte an einer noch frischen Narbe am Kopf herum und setzte sich auf einen Baumstumpf. Ich gab den anderen mit einer Handbewegung zu verstehen, sich auch zu setzen. Wie kleine Kinder am Lagerfeuer warteten wir gespannt auf das, was jetzt geschah.

Lee erzählte uns seine Geschichte.

„Seit Jahrzehnten bin ich der Begleiter der Mönche, die in das Kloster müssen. Sie werden durch die Bestimmung der Alten auserkoren. Es darf aber nicht jeder in das Kloster. Nur die Besten und die mit der reinsten Seele. Da ich keine reine Seele habe, wurde mir der Weg in das Kloster von jeher verwehrt“, sagte Lee.

„Sie werden Jahre lang auf ihren Weg in das Kloster vorbereitet. Als Kind wird ihnen schon bei einem heiligen Ritual die Zunge herausgeschnitten, damit sie für immer schweigen. Denn was dort verborgen ist, ist sehr wertvoll. Die Familien der Mönche sind wiederum sehr angesehen.

Wenn sie ein Kind opfern, dann haben sie ihr Leben lang ausgesorgt. Den Weg, den der junge Mönch dann antritt, ist der letzte Weg in seinem kurzen Leben.

Beginnen sie die Reise, gibt es kein Zurück mehr. Dann haben sie ihr Todesurteil besiegelt. Ab dem Punkt, an dem sie das Tor durschreiten, läuft ihre Zeit ab.

Wie ihr sicherlich schon bemerkt habt, hat das Kloster einen Schutzmechanismus.

Innerhalb eines Jahres sind die Mönche am Ende ihrer Lebenszeit angelangt.“

Lee legte eine kurze Pause ein.

„Tot“, sagte er in einem gespenstischen Ton.

Er fuhr mit seinen Ausführungen fort.

„Die Mönche haben die Aufgabe, den Schatz mit Ihrem Leben zu schützen. Das geben sie ja am Ende auch dafür her.“

Er grinste.

„An diesem Punkt trete ich ins Spiel, wenn man es überhaupt als Spiel bezeichnen kann. Nach alten Überlieferungen gibt es eine Rinde von einem heiligen Baum aus dem versteinerten Wald, mit dem man die Zeitbarriere überlisten kann. Nun hatte ein Mönch endlich diese Rinde dabei. Er war eigentlich kein Mönch, sondern ein dreister Dieb, den ich schon lange verfolgte. Er wollte die Zeit überlisten und sich an dem Reichtum des Klosters bemächtigen.“

„Aber musstest du ihn gleich töten?“, fiel ich Lee ins Wort.

„Ja, er war ein Dieb“, sagte Lee darauf.

„Aber du bist doch auch nicht besser“, sagte Sina mit ernster Stimme.

Lee schwieg. Dann sagte er etwas, was uns schockte.

„Mir ist egal, was ihr denkt. Ich kenne euch nicht. Ihr könntet ja auch dreiste Diebe sein. Aber warum tun wir uns als Diebe nicht einfach zusammen und teilen uns die Beute? Zusammen könnten wir ins Kloster gelangen. Na ja, der ein oder andere wird dabei auf der Strecke bleiben. Kollateralschaden nennt man das. Aber wenn es nur einer hineinschafft.“

Er zeigte absichtlich oder unabsichtlich auf sich.

„Du willst uns als lebende Schilde verwenden?“, fauchte Sina ihn an.

Wir stimmten Sina zu und eine raue Diskussion begann. Doch bevor es in einer Schlägerei endete, ging Arthur, der sich aus solchen Diskussionen immer fernhielt, dazwischen. Er musste schon sehr laut scheinen, um Gehör zu finden.

„Hallo, geht’s noch? Benehmt euch mal wie zivilisierte Menschen.“

Irgendwie schämten wir uns für die sinnlose Auseinandersetzung. Wir setzten uns wieder hin. Nach kurzem Schweigen fragte William:

„Woher weißt du von dem Schlüssel?“

„Seit Generationen wird überliefert, dass der Schlüssel zum Reichtum führt“, sagte Lee.

„Vielleicht haben wir den Sinn des Buches falsch gedeutet“, flüsterte Sina mir zu.

„Welches Buch?“, fuhr Lee dazwischen, „ihr wisst von dem Buch?“

„Es hilft nichts“, sagte ich, „wir müssen ihm alles erzählen.“

Ich stand auf und erzählte alles von Anfang an. Nachdem ich mit meinen Ausführungen am Ende war hatte Lee so ein funkeln in den Augen.

„Da ist also der verschollene Raum gelandet“, platzte er heraus.

Arthur stieß mich von der Seite an, „ich weiß immer noch nicht, ob wir ihm trauen können?“

Das hörte Lee.

„Ich merke schon, dass ihr nicht die richtigen für das Abenteuer seid.“

Er stand auf, nahm seinen Bogen, zog sich die Kapuze über den Kopf und ging Richtung Kloster.

„Halt!“, rief Arthur plötzlich Lee hinterher und wedelte solange mit seinen Armen in der Luft, bis er sich umdrehte und zurückkam.

Arthur war ganz aufgeregt.

„Erst macht ihr die ganze Welt verrückt nach eurem Abenteuerdrang und dann lasst ihr ihn einfach allein losziehen? Wir sind jetzt schon so weit gekommen und ich glaube wir könnten so einem Mann wie Lee gut in unserem Team gebrauchen.“ Arthur drehte sich um, ohne irgendjemanden einen Blick zu würdigen, und ging ins Zelt.

„Komm mit“, sagte Sina und packte Lee bei der Hand und folgte Arthur ins Zelt.

Ich strich Rufus übers Fell und schaute langsam zu William hoch.

„Was meinst du?“, fragte er.

„Sollen wir auch mit rein?“

Ich nickte verlegen, denn die Worte von Arthur waren sehr treffend. Rufus legte sich an das Lagerfeuer und wir verschwanden im Zelt.

„Wir haben zusammen das Abenteuer angefangen, “ fing Arthur an, „und führen es auch gemeinsam zu Ende. Es gibt bestimmt eine Möglichkeit, in das Kloster zu gelangen.“

„Was für eine Möglichkeit ziehst du denn in Betracht, wenn ich mal fragen darf“, fragte ich.

„Wollen wir losen, wer als Erster stirbt?“

Arthur schaute in die Runde und wartete, dass jemand etwas sagte. Es war aber stiller als in einer Gruft. Lee zuckte auch mit den Schultern.

„Also mit schweigen kommen wir da nicht rein“, platzte Arthur so heraus.

„Ich glaube, unser seltsamer Gast hat die meiste Erfahrung mit dem Kloster. Ergo müsste er ja etwas wissen.“

Arthur drehte sich, in dem er das sagte langsam zu dem Fremden um und legte einen Blick auf, der mit Fragen nur so gespickt war.

„Na ja“, fing Lee an.

„Ich glaube, da gibt es so eine Art Rat der Ältesten, die dort alles Verwalten oder vielmehr steuern und die altern sonderbarerweise nicht. Aber das was ich weiß...“

Er stutzte kurz.

„Das, was ich weiß und auch das über den Schlüssel und das Buch sind nur alte Überlieferungen. Ich habe das Kloster noch nie von innen gesehen, geschweige war ich in seiner Nähe.“

„Na prima“ meinte Sina, „Willkommen im Klub.“

Lee schaute Sina mit fragendem Blick an.

„Welcher Klub?“

„Vergiss es einfach“ meinte Sina.

Und wieder entfachte eine rege Diskussion, die im verbalen Chaos endete.

Aufgebracht verlasen wir alle das Zelt, um frische Luft zu schnappen. Es war schon später Nachmittag. Die Sonne verschwand langsam hinter den Bäumen. Kalte Luft zog auf. Das Beste für unsere überhitzten Gemüter.

Arthur nahm Rufus an die Leine und kratzte mit seinem Stiefelabsatz eine Furche auf den Boden. Dann stellte er sich hinter die Linie und sagte:

„Also wer mit in das Kloster kommen will, überquert diese Linie zu mir. Die auf der anderen Seite bleiben im Lager.“

Ich glaube, wir waren uns alle einig. Einer nach dem anderen ging über die Linie auf Arthurs Seite.

„Na also, “ sagte Arthur.

„Es geht doch. Dass man euch immer betteln muss, ist einfach furchtbar.“

Lee griff in seine Tasche und holte diese sonderbare Rinde heraus, welche er bei dem Mönch in der Kutte gefunden hatte.

„Hier esst das. Es ist nicht viel und wie lange es euch beschützt, kann ich nicht sagen. Es wird euch aber einige Zeit helfen den Schutzmechanismus des Klosters zu überwinden.“

Er brach jedem ein Fingernagel großes Stück ab. Wir griffen sofort zu. Als ob wir unter einem Bann standen.

Bäh, die Rinde schmeckte ja fürchterlich, dachte ich, während ich langsam weiter auf dem harten Stück herum kaute. Wie mein Keller zu Hause, modrig und faulig.

Wir beschlossen bis zum Einbruch der Nacht zu warten, um dann im Schutz der Dunkelheit aufzubrechen.

Kapitel 4: Der Schlüssel

Sina begann aus unserer LKW-Plane für jeden einen Umhang zu machen. Sie riss und schnitt die Plane auseinander. Die Fetzen nähte sie mit groben Stichen zusammen. Es musste ja schnell gehen.

Dann stülpten wir die Umhänge, die eher einem Poncho ähnelten als einer Mönchskutte, über.

„Also wie Mönche sehen wir ja nicht gerade aus“, scherze ich mit Sina.

„Was bist du dann? Eine Mönchin?“, zwinkerte ich ihr zu.

Zack hatte ich einen Faustschlag auf meinem Oberarm sitzen.

„Das ist für deine kleinen Frechheiten“, sagte sie.

Au hat die einen Schlag. Ich rieb meinen Oberarm. William kontrollierte noch einmal unsere Ausrüstung, während sich Arthur mit seinem Maskottchen beschäftigte.

Lee saß am Lagerfeuer und schliff mit einem Schleifstein seine Pfeilspitzen.

Die Zeit verging und die Nacht brach, früher als erwartet, über uns herein.

Dann ging es los. Ich schob mit dem Fuß ein wenig Erde auf das Feuer, bis es aus war. Wir waren auf einmal alle so aufgeregt, dass keiner mehr ein Wort rausbrachte. Was würde uns dort erwarten und kommen wir jemals wieder zurück?

Lee ging voran, William, Sina und ich hinterher. Arthur und Rufus bildeten das Schlusslicht.

Langsam bewegte sich unsere Karawane im fahlen Mondlicht Richtung Kloster.

Totenstille. Keiner sagte auch nur ein Wort.

„Bleibt alle ganz dicht zusammen“, unterbrach Lee plötzlich in diese Stille.

„Wenn das Tor hinter uns zugeht, gibt es kein Zurück mehr.“

„Woher wissen wir denn, dass es überhaupt aufgeht?“, fragte Arthur.

„Vielleicht zieren ja unsere Körper auch bald den Hinterhof des Klosters.“

Na das waren ja gute Aussichten, dachte ich so vor mich hin. Wir näherten uns unaufhaltsam dem Kloster. Wie eine uneinnehmbare Festung bäumte es sich vor uns auf. Die Figuren an den Mauerecken sahen aus, als ob sie uns die ganze Zeit beobachteten. Egal von wo ich hinsah. Die vielen Augen sahen mich immer wieder an. Nun standen wir vor dem riesigen Holztor. Es war noch größer, als ich es in Erinnerung hatte. Lee nahm seinen Bogen von der Schulter und klopfte mit ihm drei Mal auf einen eisernen Verschlag, der sehr weit oben an dem Tor angebracht war. Lee kam ja dank seiner Größe und der Länge des Bogens an diese Stelle heran.

Das Tor begann zu knarzen und stöhnte unter der Wucht des Gewichtes. Ein kleiner Spalt öffnete sich.

„Los, schnell hinein mit euch“, sagte Lee und gab mir einen Stoß von hinten. Bestimmt, weil ich wie angewurzelt und überwältigt dastand und mich fragte, woher er das Klopfzeichen wusste. Warum drei Mal?

„Alte Überlieferungen“, sagte Arthur im Vorbeigehen. „Schon vergessen?“

Vor uns baute sich eine riesige Nebelwand auf. Aber bevor wir zum Nachdenken kamen, krachte es hinter uns. Das Tor war wieder verschlossen.

Plötzlich huschte etwas zwischen meinen Beinen durch.

„Rufus, lass den Quatsch“, zischte ich ihn an.

„Mein Herz war schon in den Kniekehlen und mein Puls raste.“

Er setzte sich neben mich und schaute mit seinem treuen Hundeblick nach oben. Ja, ja schon gut, gab ich ihm zu verstehen und kraulte Rufus hinter den Ohren.

Mit einer kurzen Handbewegung von Lee ging es weiter. Langsam Schritt für Schritt gingen wir in die Nebelwand hinein. Wir waren noch nicht richtig im Nebel verschwunden, da machte es unter unseren Füßen „Ping“. Ein Geräusch, als ob ein Faden zerriss. Mit einem Fauchen und pfeifen rauschte plötzlich ein Pendel mit einer riesigen gebogenen Klinge aus einer Deckenspalte an uns vorbei und zog keine zwei Zentimeter vor uns eine Furche in den Sand. Nach dem das Pendel zurückschwang, verschwand es wieder in dieser Spalte.

Der Luftzug von dem Pendel hätte uns beinahe umgerissen. Aber wir waren ja vor Angst wie versteinert und angewurzelt.

„Das ist bestimmt eine Eignungsprüfung für die neuen Mönche“, sagte Lee.

„Damit sehen sie, dass sie als Wächter geeignet sind.“

„Wer sind sie?“, fragte Sina.

„Tja das müssen wir noch herausbekommen. Dazu sind wir ja hier“ antwortete Lee.

„Ich finde diese Eignungsprüfung makaber“, sagte William zu Arthur.

Der kratzte ganz unbekümmert mit seinem Fuß in der Furche, die das Pendel hinterließ.

Der Nebel in der Eingangshalle lichtete sich und legte drei Eingänge in der Wand frei.

„Welchen sollen wir nehmen?“, fragte ich Lee.

Der zuckte nur mit den Schultern und sagte:

„Ich war hier noch nicht. Und alles was ich weiß, habe ich euch schon gesagt. So wie es in den Überlieferungen geschrieben stand.“

„Und was besagen diese sogenannten Überlieferungen?“, meinte Arthur schnippisch.

Lee stutzte ein wenig und erwiderte:

„Ein reines Herz findet den richtigen Weg. Alle anderen sind nicht würdig, den Schlüssel zu bewachen. Somit wird ausgeschlossen, dass der Schlüssel in falsche Hände gerät.“

„Ich wähle einen Weg aus“, sagte Sina.

„Warum du?“, meinte Arthur.

„Ich habe auch ein reines Herz.“

Sina und Arthur standen sich gegenüber und blickten sich tief in die Augen.

„Ich bin viel reiner als du kleiner Bruder.“

Das konnte Arthur gar nicht leiden, dass Sina ihn klein nannte. Schließlich war er nur zwei Jahre jünger als sie.

„Die kleinen haben aber immer das reinste Herz.“

Arthur bot Sina immer Paroli.

„So kommen wir nicht weiter,“ unterbrach ich nach einer Weile die beiden Streithähne.

Drei Gänge, einer unheimlicher wie der andere. Aber welcher ist der Richtige und was erwartet uns auf der anderen Seite? Da war noch etwas, was mich beunruhigte. Hier in den Mauern war doch die Zeit gegen uns, so wie bei meiner ersten Begegnung mit dem Kloster. Ich wandte mich Lee zu und bombardierte ihn regelrecht mit meinen Ängsten. Doch dieser winkte kurzer Hand nur ab.

„Ihr braucht keine Angst vor der Zeit zu haben“, sagte er.

„Ihr habt doch alle die Rinde gegessen, die euch schützt. Doch...“

Mein Herz begann auf einmal wieder bis zum Hals zu schlagen.

„Doch ich weiß nicht wie lange die Wirkung der Rinde anhält.“

„Na ja, wir wollen hier ja auch nicht übernachten“, sagte Arthur und legte seine Hand beruhigend auf meine Schulter.

Mir lag die Rinde immer noch wie ein Stein im Magen. Jetzt erst recht.

Auf einmal kam ein starker eiskalter Wind auf und ließ unsere Gemüter abkühlen.

Der Sand wurde aufgewirbelt und bäumte sich zu einer riesigen Säule auf. Diese drehte sich und fegte mit lautem Getöse über unsere Köpfe hinweg. Dann verschwand sie in einem der Gänge.

„Rufus nicht“, rief Arthur, doch der Hund rannte der Windhose hinterher.

Dann wurde es still in der Halle.

„Was sollen wir jetzt bloß tun?“, fragte Arthur.

„Mein Hund, unser Talisman, ist verschwunden.“

„Moment“, warf ich kurzer Hand ein.

„Es ist dein Talisman. Für mich ist er immer noch der sabbernde Flohzirkus.“

„Jetzt geht euch nicht gleich an die Kehle“, sagte Sina etwas lauter.

„Ich wäre dafür hinterher zugehen“, fuhr sie fort.

„Vielleicht war es ja ein Zeichen.“

„Oder eine Falle“, sagte Lee.

Es entbrannte unter uns eine heiße Diskussion, so, dass wir nicht bemerkten, dass Sina einfach verschwand.

„Sina? Sina! Wo bist du?“, rief ich.

Aber es war nur das Echo der Halle zu hören.

„Sie ist weg!“, schrie ich die anderen an.

„So tut doch etwas! Hat keiner von euch gesehen, wo sie hin ist?“

Es war nur ein einziges Schulterzucken.

„Pst, seid mal still“, sagte Lee.

„Ich hör etwas.“

Wir lauschten ganz angestrengt in den Gang hinein, aber keiner von uns vernahm auch nur einen Laut.

„Mir ist so, “ sagte Lee“, als ob ich Sina rufen höre, und ein Hund bellt auch im Hintergrund.“

„Rufus“, rief Arthur „Rufus mein Kleiner.“

„Nun krieg dich mal wieder ein“, sagte ich und zog an seinem Ärmel.

Auf einmal hörten wir Schritte aus dem rechten Gang. Eine finstere Gestalt kam auf uns zu. Wir wichen vor Angst einige Schritte zurück. Lee nahm seinen Bogen von der Schulter und zog einen Pfeil aus dem Köcher. Diesen legte er in den Bogen und spannte ihn bis zum Anschlag. Die Sehne knarrte beim Spannen und seine Finger konnten den Pfeil kaum noch halten. Die Sehne glitt langsam bis zu seinen Fingerkuppen vor.

Der Schatten, der auf uns zukam, wurde vom Licht kurz gestreift und ich erkannte Sinas Gesicht. Blitzschnell griff ich nach dem Bogen und zog ihn hoch. Gerade noch rechtzeitig, denn in diesen Augenblick löste sich der Pfeil, schlug an der Decke ein und trudelte nach unten.

„Sina, wo warst du?“, fragte ich sie ganz aufgeregt.

„Das müsst ihr euch ansehen Männer, sonst glaubt ihr es nicht. Die Gänge sind nur zur Irreführung da. Sie münden