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Asiope und Sieglinde werfen gemeinsam Runen, um den Verbleib des wertvollen Zerufins zu ergründen, das die Mauern ihrer Stadt Quedis dämonenfest macht. Das Ergebnis führt sie hinaus in die Nacht, in den Wald, in dem zwischen kahlen Bäumen düstere Gefahren warten. Brenzlig genug, doch Sieglinde zweifelt an Asiopes Liebe und Asiope an ihrer gemeinsamen Zukunft. Eine unwirkliche, poetische Reise zu sich selbst und anderen. Lesende erwartet: Runenmagie, Gemeinschaft, Humor, Streit & Versöhnung, Ausbruch aus Normen, queerautistic Pride
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Seitenzahl: 76
Veröffentlichungsjahr: 2023
Iris Leander Villiam
Die Zerufmaxt
Fantasy-Novelle
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind online unter http://dnb.dnb.de abrufbar.
© 2023 Iris Leander Villiam
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die urhebende Person verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag von Iris Leander Villiam, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung ”Impressumservice”, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Deutschland.
Sensitivity Beratung: Nora Bendzko
(Völkerfantasy/Rassismus)
Cover und Gestaltung: Iris Leander Villiam
gesetzt aus der EB Garamond
erstellt mit SPBuchsatz
Druck und Distribution im Auftrag der urhebenden Person:
tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Germany
ISBN: 978-3-347-67633-6
Inhaltswarnungen auf Seite 78 oder im Internet:
villiam.de/inhaltswarnungen
Für alle.
Cover
Titelblatt
Urheberrechte
Widmung
Ilvenohr
DIE RUNEN
Weg
Dämon
Morgen
Willkommen!
Danksagung
Über Iris Leander Villiam
Inhaltswarnungen
Cover
Titelblatt
Urheberrechte
Widmung
Ilvenohr
Inhaltswarnungen
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Ilvenohr
Ich zeichnete mit ruppigen Kohlestrichen unsere Stadt Quedis, die Hügel von Risea und den Kalten Fluss Narwuf auf unseren Küchenfußboden. Sieglindes Vorwurf irritierte mich zutiefst und ich wollte nicht wegen etwas streiten, das schon mehr als drei Wochen her war. Nachdem auch der Tote Baum von Sibelon in die Landkarte gezeichnet war, sah ich auf zu ihr.
»So habe ich es nicht gemeint«, versuchte ich es erneut.
»Schön, dann hast du es nicht gemeint, aber eben gesagt«, erwiderte sie verärgert und schmiss eine Handvoll Runen mit zu viel Wucht auf die nicht ganz fertige Karte.
»Ja, und ich habe mich entschuldigt und versucht, es richtig zu stellen.«
»Genau, versucht«, erklärte sie, »manchmal reicht versuchen halt nicht.«
Sieglinde schüttelte frustriert den Kopf, dann widmete sie sich demonstrativ den Runen. Um ihr nicht im Weg zu stehen, setzte ich mich auf die Küchenbank neben dem Ofen und beobachtete, wie sie sich jede einzelne Rune ganz genau ansah. Sonst genügte ihr ein kurzer Blick über das Gesamtbild.
»Wenn es nicht reicht, dann weiß ich nicht, was ich noch tun soll«, meinte ich entmutigt. Ich hatte nie gestritten. Ilven stritten nicht. Wir berauschten uns aneinander und verließen uns wieder. Meistens. Und ich wusste nicht, wie es anders gehen konnte.
»Ich ja auch nicht«, erwiderte Sieglinde, ohne mich anzusehen. Sie war erst vor einigen Wochen bei mir eingezogen. Nicht aus Zuneigung, sondern weil sich unsere Magie ergänzte und Zerufin immer schwieriger zu finden war. Ich fühlte Tränen in meine Augen steigen. Wäre es nur bei gemeinsamer Arbeit geblieben, müsste ich jetzt nicht weinen. Müsste ich jetzt nicht fürchten, was ihre Worte bedeuteten. Berauschen und gehen.
»Ich will nicht, dass du gehst«, sagte ich leise, ohne darüber nachzudenken.
»Ich will auch nicht gehen«, antwortete sie. Ich sah Tränen in ihren Bart laufen.
Ich schloss einen Moment die Augen und fragte: »Denkst du wirklich, dass es eine derart große Bedeutung für mich hat? Die Form deiner Ohren, meine ich?«
Sie zog ihre buschigen Augenbrauen tief in ihr Gesicht und grummelte: »Die Ohren sind irrelevant. Und ja nun wirklich nicht das einzige, was mich von einer zarten Ilve unterscheidet.«
»Das wird immer ein Thema zwischen uns sein, oder?«, fragte ich bedrückt.
Sie wischte trotzig über ihre feuchten Wangen und erwiderte missmutig: »Du bist doch nur bei mir, weil du Pause von dem ganzen ilvischen Drama wolltest. Sobald es dir wieder gut geht, bist du auf und davon.«
Es war nicht das erste Mal, dass sie etwas in dieser Art behauptete. Für sie schien die ilvische Gesellschaft eine funkelnde Welt, von der sie kein Teil sein konnte oder wollte, von der sie aber glaubte, dass ich sie mir über alles wünschte. Und sie erklärte mir nie, was sie mit ilvischem Drama eigentlich meinte.
»Bist du überhaupt gern mit mir zusammen?«, fragte ich und sah auf meine zarten, ilvischen Finger, an denen silberne Ringe glänzten. Ich fürchtete ihre Antwort.
»Natürlich!«, polterte ihre Stimme so laut, dass ich kurz zusammenzuckte.
»Aber bin ich nicht auch ilvisches Drama?« Ich fuhr mir unwillkürlich über mein feingeschliffenes, marmornes Ohr, um das Sieglinde mich so beneidete.
»Ja«, antwortete sie grummelig, »manchmal schon. Aber ich bin ja nicht diejenige, die davor wegläuft.«
»Nein«, antwortete ich und musste trotz allem schmunzeln. »Du bist ganz im Reinen mit dir, weißt genau, dass du mich willst, und musst nur leider ständig an meinen Gefühlen zweifeln. Liegt alles ganz allein an mir.«
Sie verzog das Gesicht, als hätte sie gerade in einen verdorbenen Fisch gebissen. »Du hast ja recht.«
»Ja?«
Sie musste grinsen, ließ sich neben mich auf die Bank fallen und meinte großzügig: »Kommt auch mal vor.«
Ich strich über ihr leicht gelocktes, wallendes Haar und küsste ihre Schläfe.
»Wieder gut?«, wollte ich wissen.
»Wir sollten weitermachen«, meinte sie mit einem angedeuteten Nicken in Richtung der Runen.
Ich starrte einen Moment auf die Landkarte und meinte: »Haben wir uns gerade wirklich gestritten, nur weil dich eine Rune an meine Ohren erinnert?«
Sie zog erneut ihre Augenbrauen ins Gesicht, als wollte sie sich dahinter verstecken. »Das wäre unsinnig. Wenn du nicht behaupten willst, ich würde mich an Unsinn aufhängen, dann widmen wir uns jetzt den Runen. Klar?«
Ich unterdrückte ein Grinsen, legte meine Hand auf ihre Schulter und küsste ihr knubbeliges Ohr. »Klar.« Dann stand ich auf, um mir die Karte nun auch anzusehen.
Zerufin, das schwachmagische Gestein, das die Mauern unserer Stadt gegen dämonische Angriffe schützte, war rar geworden. Und während wir uns anfangs vor allem über unser Auskommen gesorgt hatten, fühlten wir zunehmend, was es für Quedis bedeutete. Die Mauern wurden schwächer und die Leute unruhiger. Es gab Gerüchte über Dämonenarmeen, die sich sammelten und Quedis überrennen würden, wenn sich nichts änderte.
Sieglinde deutete auf eine Rune, die es bis kurz vor die Türschwelle geschafft hatte und damit weit abseits meiner Landkarte lag. »Da. Wenn wir was finden, dann da.«
»Das ist weit«, stellte ich fest, »und wenn ich ehrlich bin, bezweifle ich, dass …«
Sieglinde sah mich auffordernd an und ich musste schlucken, weil ich Angst vor einem neuen Streit hatte.
»Ich meine, ich bin nicht sicher, ob die Rune zählt. Es ist vielleicht mehr deiner Wut zuzuschreiben, dass sie … jenseits all unserer Pläne liegt.«
»Ha!«, antwortete Sieglinde. »Du sagst es selbst. Jenseits unserer Pläne.«
»Sag nicht, du hältst deine Wut für einen gottgegebenen Impuls und die Flugbahn der Rune für heilig.«
Sieglinde lächelte triumphierend. »Nein, das hast du gesagt.«
Ich schüttelte den Kopf. Der Gedanke, sich so weit von Quedis zu entfernen, war mehr als unangenehm. Ich machte die drei Schritte zur Türschwelle und beugte mich ein wenig vor, um das Symbol auf dem kleinen Runenstein lesen zu können: drei sich kreuzende Striche. Drol.
»Das ist eine deiner Gottheiten?«, fragte ich, noch immer nicht ganz zu Hause in den Bedeutungen ihrer Runen.
»So in etwa«, antwortete sie, »aber du kannst die Steine nicht wörtlich nehmen. Drol ist auch das Besondere und das Licht der Sterne.«
»Aha…«, antwortete ich, weil mir die Verbindung zu Zerufin dennoch nicht klar war. Doch sie sah mich mit einem selbstsicheren Grinsen an. »Also, auf, auf!«
»Jetzt?«, fragte ich.
»Licht der Sterne«, antwortete sie, als wäre dies Erklärung genug. Es war später Nachmittag und dämmerte bereits.
»Zu Fuß sind wir drei Tage unterwegs«, erwiderte ich müde.
»Richtig, wir sollten packen.«
Und damit sammelte sie die Runen ein und begann ohne weitere Diskussion, ein Reisebrot zu backen. Kurz nach Mitternacht schob sie mich, vielleicht gegen meinen Willen, zur Tür hinaus.
DIE RUNEN
Weg
Es war kalt. Der Frühling ließ in diesem Jahr auf sich warten und während tagsüber die Sonne schon etwas Wärme mit sich brachte, waren die Nächte noch immer eisig. Gefrorenes Laub vom letzten Herbst knirschte unter unseren Füßen, weil Sieglinde auf Schleichwege bestand, die uns schneller in die richtige Richtung führen sollten. Nach Stunden waren sie für mich nicht mehr vom Wald zu unterscheiden. Ich sehnte mich nach Dämmerung, nach Morgensonne, nach Feuer, Tee und Schlaf.
»Denkst du wirklich, dass Ilven schöner sind als Verge?«, fragte ich schließlich, vielleicht um mich von der Kälte in meinen Gliedern abzulenken. Vielleicht auch, weil der Gedanke in meinem Kopf seine Kreise drehte, seit wir losgewandert waren.