Diese Sehnsucht nach Leichtheit - Corinna Bürger - E-Book

Diese Sehnsucht nach Leichtheit E-Book

Corinna Bürger

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Beschreibung

Ehrgeiz und Perfektion zeichnen die hübsche Studentin Larissa aus. Sie weiß genau, was sie vom Leben und ihrer Karriere erwartet - denkt sie. Doch als sie Zouk, den brasilianischen Tanz voller Sinnlichkeit und Leidenschaft, entdeckt, wächst zunehmend diese Sehnsucht in ihr. Diese Sehnsucht nach Leichtheit. Und schließlich bricht das Feuer in ihr aus. Der Roman ist eine brennende Liebeserklärung an das Tanzen, so hypnotisch und facettenreich wie das Tanzen selbst.

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Corinna Bürger

Diese Sehnsucht nach Leichtheit

Ein Tanzroman

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

BOOM

TSCHICK

TSCHICK

BOOM

TSCHICK

TSCHICK

BOOM

TSCHICK

TSCHICK

BOOM

TSCHICK

TSCHICK

BOOM

TSCHICK

TSCHICK

BOOM

TSCHICK

TSCHICK

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TSCHICK

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TSCHICK

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BOOM

TSCHICK

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TSCHICK

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TSCHICK

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TSCHICK

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TSCHICK

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TSCHICK

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TSCHICK

TSCHICK

Impressum neobooks

BOOM

Noch nie zuvor hatte Larissa sich dem strahlend blauen Himmel so nahe gefühlt wie in diesem Moment. Wie ein Vogel, der seine Flügel ausbreitet und endlich fliegt. Sie schmeckte die Sonne über ihr und roch die Palmen weit unter ihr. Noch nie hatte sich eine Entscheidung in ihrem Leben so richtig angefühlt wie diese.

TSCHICK

Die Trommeln ließen die Körper beben. Bunte Lichter streiften über die vielen Leute. Die Luft war erfüllt vom Rhythmus der Musik und einem Gefühl von Karibik. Max' Hand gab ihr einen kleinen Schubs in den Rücken, woraufhin sie die Richtung wechselte. Verführerisch ließ sie ihre Schultern wackeln, als sie an ihm vorbeiglitt. Max trat fest auf und hielt ihr mit seinem strahlendsten Lächeln seine Handfläche entgegen. Mit einem kleinen Zwinkern verabschiedete sie sich in die Drehung hinein. „Ay ay ay amor“ hörte sie ihn leise singen, als ihr Gesicht wieder nahe an seinem Hals war. Lächelnd sah sie zum ihm auf, und auch er warf ihr einen verliebten Blick zu. Dann gab er ihr erneut einen Schubs und schickte sie ihn eine dreifache Drehung von ihm weg.

Der DJ wechselte die Musik zu einem Merengue. Max und Larissa nahmen das zum Anlass, die Tanzfläche zu verlassen, sich an der Bar des Salsa-Clubs einen Drink zu holen und auf den hohen Barhockern mit den dicken Polstern auszuruhen. Sandra kam offensichtlich bester Laune auf die beiden zu und gab ihnen jeweils Küsschen auf beide Wangen. „Siehst du, ich hab dir doch gesagt, dass es dir hier gefallen wird. Endlich haben wir mal einen gescheiten Salsa-Club in der Stadt.“ Zustimmend lächelte Larissa. Sie war viel zu sehr aus der Puste, um weiter darauf zu antworten. „Der Besitzer schaut übrigens echt heiß aus. Zum Glück bist du schon vergeben und kommst mir nicht in die Quere.“ grinste Sandra. „Und nächstes Wochenende machen sie ganz viele Schnupperworkshops hier. So als Einstimmung sozusagen. Da zahlt man einmal und kann dann das ganze Wochenende tanzen. Sie machen ganz viele verschiedene Tänze. Salsa natürlich und Merengue und Bachata. Und Tango und Cha-Cha-Cha. Und noch irgendso brasilianische Tänze. Foho und Zug heißen sie, glaube ich. Das wird echt total lustig. Kommt ihr auch? Ihr müsst unbedingt kommen!“ Max legte den Kopf etwas schief. „Foho und Zug? Was soll denn das sein? Komische Namen.“ Larissa zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, hab ich auch noch nie gehört.“ „Genau deswegen gibt es ja die Schnupperworkshops,“ fuhr Sandra eifrig fort. „Damit man das alles mal kennenlernen kann.“ Max' Begeisterung hielt sich offensichtlich in Grenzen, und auch Larissa konnte Sandras Enthusiasmus nicht ganz teilen. „Schauen wir mal. Lass uns einfach am Freitag mal telefonieren. Wir müssen jetzt echt heim. Mir tun die Füße allmählich weh und morgen um viertel nach acht ist doch schon die Vorlesung vom Teusch.“ „Echt, gehst du da etwa hin?“ rief Sandra überrascht aus. „Natürlich geh ich dahin. Ist doch eine Pflichtvorlesung.“ „Nun ja, die Prüfung ist vielleicht Pflicht, aber keiner kann mich dazu zwingen, frühs um acht bei dem dicken Teusch im Hörsaal zu sitzen und mir seinen sabbernden Vortrag über lahme Paragraphen reinzuziehen. Da hab ich mehr vom Leben, wenn ich hier noch ein paar Stunden ordentlich weitertanze und dann morgen gesund ausschlafe.“ Larissa kannte diese Sprüche ihrer Freundin nur zu gut. Es war zwecklos, über Sinn und Unsinn der einzelnen Vorlesungen und des Studiums insgesamt mit ihr zu diskutieren. „Na, wie auch immer, wir gehen jetzt, stimmt's Max?“ Max nickte und mit Küsschen verabschiedeten sie sich von Sandra, die daraufhin sofort kehrt machte und wieder auf die Tanzfläche stürmte.

TSCHICK

„Die Verpflichtung dazu ergibt sich aus dem Prinzip der Meistbegünstigung,“ ertönte Teusch's nuschelnde Stimme durch das Mikrofon. Larissa hatte große Mühe, die Augen offenzuhalten. Angestrengt versuchte sie, wenigstens die wichtigsten Schlagwörter auf ihrem Schreibblock festzuhalten. Ferdi zischte Larissa von schräg hinten ins Ohr. Gequält langsam drehte sie sich zu ihm um und blickte in sein breit grinsendes Gesicht. „Na, die Sandra hat's heute wohl wieder mal nicht hierher geschafft, hm?“ Larissa nickte nur müde und drehte sich wieder nach vorne. Sie hatte keine Lust, sich von Ferdis leerem Gequassel wieder ablenken zu lassen und die Vorlesung wieder mit diesem drängenden Gefühl von nutzloser Zeitverschwendung zu verlassen. „Oh, die Dame ist wohl mal wieder ganz konzentriert und hat keine Zeit für eine Unterhaltung. Lieber dem Dicken da vorne zuhören und an der Zukunft arbeiten. Ganz richtig, wenn du fleißig mitschreibst und das alles bis tief in die Nacht büffelst, dann wird eines Tages sicher was ganz großes aus dir. Deine Eltern sind bestimmt ganz stolz auf dich.“ „Halt die Klappe!“ schnaubte Larissa ihn an. „Ist ja gut. Bin schon ruhig. Ich will ja nicht schuld sein, wenn's mit deiner Karriere nix wird.“ Ferdi lehnte sich mit seinem selbstgefälligen Grinsen wieder zurück und legte seine Füße auf die Tischplatte zwei Sitze links von ihm. Larissa versuchte, sich wieder auf die Vorlesung zu konzentrieren. Aber so sehr sie sich auch bemühte, sie konnte Teusch's wirren Ausführungen einfach nicht folgen. Nicht um diese Uhrzeit. Nicht mit dem Bewusstsein, dass Ferdi ihr ihn den Nacken starrte und sie für eine verbissene Streberin hielt. Nicht mit diesem einschläfernden Nuscheln von Teusch. Sie klammerte sich wieder an ihren Schreibblock. Die Wörter und Buchstaben verschwammen zu nichtssagenden Flecken vor ihren Augen. Bereits jetzt konnte sie den Kaffee riechen, den sie sich nach dieser Vorlesung daheim machen würde.

BOOM

Leise klickte der Schlüssel im Schlüsselloch und holte Larissa aus ihrer Vertiefung. Sie klappte das Buch zu, schob ihren Ordner zur Seite und ging auf die Wohnungstür zu. Max kam gerade herein und stellte seine Tasche auf dem Boden ab. Der Geruch von Kälte haftete an seinem Mantel. Sie legte ihre Arme um seinen Hals und gab ihm einen Kuss auf die kühlen Lippen. „Na, wie war dein Tag?“ Max antwortete mit einem genervten Hochziehen der Augenbraue. „Lass mich erst mal reinkommen. Heute war ein harter Tag.“ Larissa lief zur Kaffeemaschine und setzte einen Kaffee für Max auf. Nach einem Kaffee war er immer gleich etwas umgänglicher. Dankbar ließ Max sich auf den Stuhl fallen und nahm die heiße Tasse von ihr entgegen. „Das Projekt hat es echt in sich. Der Kunde hat die verrücktesten Vorstellungen, wie es alles laufen soll. Und die Ergebnisse sollen natürlich am besten gestern schon vorliegen. Als könnten wir einfach mal so innerhalb von zwei Tagen alles umstrukturieren. Aber der Kunde ist König, und wir müssen schuften. Ich muss heute abend noch was machen.“ Max sah Larissa direkt ins Gesicht. Diese Enttäuschung in ihren Augen kannte er nur zu gut. „Ich dachte, wir wollten heute abend diesen neuen Film mit Hugh Jackmann anschauen.“ Max sog tief Luft durch die Nase ein. „Ich weiß. Glaub mir, darauf hätte ich auch viel mehr Lust. Aber was soll ich machen. Die Deadline für die neue Ausarbeitung ist heute Nacht um drei. Ich bin ja auch sauer auf meinen Chef, dass er dem Kunden das zugesichert hat. Aber daran kann ich leider nichts ändern.“ Larissa zog ihre Füße auf die Sitzfläche ihres Stuhls und starrte schweigend auf ihre Zehen. „Tut mir echt leid, Schatz.“ Fast unmerklich nickte Larissa traurig. „Du kannst heute abend doch trotzdem ins Kino. Frag doch Sandra, ob sie mit dir mitgeht.“ Larissa hob den Kopf und sah Max in die Augen. „Darum geht es nicht.“ Max blickte zurück, dann stand er auf und lief um ihren Stuhl herum. Von hinten legte er seine Arme um sie und küsste sie auf den Kopf. „Ich weiß. Ich weiß. Und es tut mir auch wirklich leid. Aber heute muss es einfach sein. Wenn das Projekt rum ist, versuch ich etwas Entspannteres zu bekommen.“ Larissa legte ihre Hände auf Max' Arme und spürte seine Wärme an ihrem Rücken. Für eine Weile verharrten sie in dieser Position. Dann ging Max zu seinem Schreibtisch und klappte den Laptop auf. Larissa folgte ihm ins Arbeitszimmer und zog ihren Ordner wieder heran.

TSCHICK

„Boom-Tschick-Tschick“ zählte der Tanzlehrer laut mit, während er mit seiner Tanzpartnerin vor und zurück tanzte und den Kopf verdrehte, um einen Blick auf seine potentiellen Schüler zu werfen, die zu dem Schnupperkurs erschienen waren. „Aha, auf so einen Typ Mann steht Sandra also,“ raune Max Larissa zu. Larissa musste grinsen. So umwerfend sah er nun wirklich nicht aus. Etwas klein geraten, mit einer etwas krummen Nase. Aber seine Bewegungen wirkten weich und geschmeidig. Seine Tanzpartnerin war fast genauso groß wie er. Sie hatte ein freundlich wirkendes Gesicht, einen feingliedrigen Körper und glänzende dunkelbraune Haare, die ihr bis tief in den Rücken reichten. Larissa ließ ihren Blick durch den Raum wandern, bis sie Sandra fand. Diese war offensichtlich unfreiwillig an einen großen, ungelenkigen Tanzpartner geraten. Verkrampft versuchten die beiden Schritt zu halten mit dem Tanzlehrerpaar und vermieden jeglichen Blickkontakt miteinander. „Boom-Tschick-Tschick“ ertönte die Stimme des Tanzlehrers unnachlässig durch den Raum. Im Gleichklang bewegten sich Larissa und Max vor und zurück. Wie froh Larissa war, in Max nicht nur einen wunderbaren Mann, sondern auch talentierten Tänzer gefunden zu haben. Voller Zufriedenheit folgte sie den Bewegungen von Max und dem „Boom-Tschick-Tschick“ des Tanzlehrers.

„Na, wie findest du Zouk?“ fragte sie Sandra, als die Tanzschüler auseinander strömten und einen Kreis für das Tanzlehrerpaar formten. „Ganz ok. Ist jetzt auch nichts weltbewegendes. Ich wollte halt alles mal ausprobieren. Und du?“ „Ich fand's eigentlich ganz nett.“ Ein ätherisch anmutendes Lied setzte ein. Die Menge verstummte und betrachtete das Tanzlehrerpaar, das unbewegt in der Mitte des Kreises stand. Nach einigen Takten hob die schlanke Frau mit den langen, glänzenden Haaren langsam die Arme und ließ sie sanft wieder nach unten gleiten. Der kleine Mann mit der auffälligen Nase bewegte seinen Oberkörper in einer schlangenähnlichen Bewegung zur Seite. Nun ließ die Frau spielerisch ihre Hüfte nach oben und unten kippen und führte elegant ihre Hände an ihren Hals. Mit dem Einsetzen des Rhythmus griff der Mann die Frau und zog sie in einen langen Schritt auf sich zu. Mit ausgreifenden Bewegungen schritten sie über die Tanzfläche, vollführten wirbelnde Drehungen, hielten inne und ließen ihre Körper langsam aneinander entlangrollen, nur um dann wieder in die nächste berauschende Drehung überzugehen. Wieder verlangsamten sie ihr Tempo und legten zärtlich ihre Schläfen aneinander. In dieser Position drehten sie sich um ihre gemeinsame Achse. Langsam, sehr langsam, lehnte die Frau ihren Oberkörper nach hinten, bis ihr Gesicht der Decke zugewandt war und ihre langen Haare gerade nach hinten wegflogen. Noch weiter drehten sie sich in dieser Position. Immer tiefer sank die Frau, bis der Mann sie an den Hüften festhalten musste, so weit war sie nach hinten gelehnt. Behutsam zog er sie wieder etwas höher. Ihr Kopf beschrieb nun einen großen, ausladenden Kreis, während sie sich weiter um ihre Achse drehten. Mit einem Schlag stoppte sie den Kreis, ließ ihre Haare wie eine Peitsche nach hinten wegfliegen, und das Paar ging wieder in die großen weitschweifenden Bewegungen quer über die Tanzfläche über. Voller Energie wirbelte der Mann die Frau zweimal herum und fing sie schließlich in einer gekonnten Abschlusspose auf.

Larissa stand mit offenem Mund da. Das war so viel mehr als das „Boom-Tschick-Tschick“ von vorhin. Ergriffen stimmte sie in den Applaus und die Pfiffe mit ein. „Wahnsinn! Das ist einfach unglaublich.“ Max nickte zustimmend. „Ja, ganz nett.“ Sie musterte ihn kurz. „Ganz nett.“ äffte sie nach. „Das war einfach der Hammer!“

TSCHICK

„Bist du fertig?“ „Ja, gleich!“ Larissa steckte sich die weißen Perlenohrringe an, warf einen kurzen prüfenden Blick in den Spiegel und zog ihre Bluse straff. Dann warf sie Max ihr strahlendstes Lächeln zu. „So, los geht’s!“ Warme Frühlingsluft hatte sich ausgebreitet, und die Bäume am Straßenrand leuchteten in zartem Grün. Larissa öffnete das Autofenster einen Spalt, um die frische Luft einzusaugen. Sie betrachtete Max von der Seite, wie er ruhig das Auto steuerte. Er strahlte eine solche Sicherheit und Zuverlässigkeit aus, bei allem was er tat. Sie ließ ihren Blick über sein Profil gleiten, die klaren Konturen, die sich vor dem Hintergrund des Frühlingsleuchtens so abhoben, seine stoppelige Haut an Kinn und Wangen, der Duft seines Aftershaves, bei dem sie sich so geborgen fühlte. Max hatte ihren Blick offenbar bemerkt, lächelte ihr zu und legte zärtlich seine Hand auf ihr Bein. Sanft legte Larissa ihre Hand auf seine und genoß den Ausblick auf die erblühende Landschaft.

An der Auffahrt vor dem Krankenhauseingang ließ Max Larissa aussteigen, parkte das Auto und kam dann zu ihr zurück. Den Weg zum Zimmer kannten sie inzwischen nur allzugut. „Ja, ist das aber schön, euch zu sehen!“ strahlte Max' Oma, als die beiden in das Zimmer eintraten. Ihre geschwollenen, bläulich wirkenden Beine lagen wie Fremdkörper vor ihr auf dem Bett, und ein dünner Schlauch steckte in ihrem Handrücken. Trotzdem strahlte sie über das ganze Gesicht. „Na, aber selbstverständlich, heute ist doch wieder Sonntag, Oma!“ „Na, bei dem schönen Wetter hätte ich gedacht, dass ihr besseres zu tun habt, als eine alte debile Frau zu besuchen.“ „Ach Quatsch, du bist doch nicht debil, und wir sehen dich doch gerne!“ lachte Larissa. Max' Oma warf ihr einen liebevollen Blick zu. Larissa nahm die Blumenvase, füllte sie mit frischem Wasser und stellte den mitgebrachten Strauß gelber Osterglocken hinein. „So, ein kleiner Frühlingsgruß. So schaut's gerade draußen aus.“ Max' Oma wandte den Blick ihrem Enkel zu. „Sie ist ein Schatz, weißt du das? Pass gut auf sie auf, nicht dass sie dir eines Tages wegläuft. So ein Goldstück findest du nicht wieder.“ Max tätschelte lächelnd ihre Hand. „Ich weiß, Oma, ich weiß.“ und zwinkerte Larissa verschwörerisch zu.

BOOM

Zarte Klänge durchzogen den Raum. Fast zögerlich begann die Musik, und Larissa konnte es kaum erwarten, bis endlich der Takt einsetzte. Sie fühlte sich unwohl, so eng am Körper ihres Tanzpartners, der verkrampft versuchte, sich sinnlich zu bewegen. Endlich setzte der Rhythmus ein, und sie gingen in den „Boom-Tschick-Tschick“-Schritt über, den sie bereits seit einer halben Stunde übten, und in dem Larissa trotz allem nicht die Sinnlichkeit und Eleganz erkennen konnte, die sie während der Demo in dem Schnupperworkshop so fasziniert hatte. Die Hand ihres Tanzpartners lag wie eine Kralle um ihren Rücken herum, seine andere Hand knickte die ihre unangenehm ab. Mit seinem krummen Rücken schien er beinahe auf sie zu fallen. Instinktiv zog Larissa ihren Oberkörper etwas weiter weg von ihm in eine Haltung, in der sie allmählich Rückenschmerzen bekam. Wie sehr sie jetzt Max vermisste. Wie gerne wäre sie jetzt mit ihm hier in diesem Kurs, wie gerne würde sie sich an seinen Körper schmiegen, sich gemeinsam weich im Takt der Musik wiegen. Doch Max war weit weg. Er hatte bereits heute abend zu seinem Kunden anreisen müssen, bei dem er die Woche über sein würde. Er hatte sie auf die Stirn geküsst und ihr versprochen, dass das Projekt bald vorbei wäre. Er hatte sie in den Arm genommen und ihr über die Haare gestreichelt. Und nun fand sie sich in den Armen dieses Fremden wieder, der einfach nicht tanzen konnte, der nicht nach Max aussah und nicht nach ihm roch. Sehnsüchtig blickte sie auf die Uhr. Wenn dieser blöde Kurs doch endlich rum wäre. Was für eine Schnapsidee, sich ganz alleine dafür anzumelden. Das hatte sie nun davon. Noch nicht einmal Sandra hatte sich angemeldet. Die hatte sich für Tango entschieden, so wie auch viele anderer ihrer gemeinsamen Tanzbekanntschaften. Dabei war es doch Sandra gewesen, die sie überhaupt erst auf Zouk aufmerksam gemacht hatte! „Hast du überhaupt Spaß?“ riss ihr Tanzpartner sie aus ihren Gedanken. Besorgt sah er sie an. „Ich weiß, dass ich das mit dem Bewegen und so noch nicht so gut kann. Tut mir echt leid, wenn es dir keinen Spaß macht.“ Verdattert blickte ihm Larissa ins Gesicht. „Nein, nein.“ stammelte sie. „Es ist alles gut. Ich bin nur heute nicht so gut drauf.“ Schnell wandet sie ihren Blick wieder ab von ihm. Sie fühlte sich schlecht. Es war, als hätte er ihre Gedanken gelesen, und ihr daraufhin seine eigenen Schwächen und Unsicherheiten gezeigt. Sie fühlte sich ertappt und durchschaut. Sie lockerte ihre Schultern, richtete ihre Haltung auf und konzentrierte sich auf ihre Bewegungen. Sie würde diese Stunde in Würde zu Ende bringen, und mit ihrem Tanzpartner zusammenarbeiten.

TSCHICK

Raúl zog sie an sich, und stieß sie gleich wieder weg von sich. Und noch einmal wiederholte er diese Bewegung. Dann drückte er sanft mit der Seite seines Knies in die Innenseite ihre Oberschenkels. Unwillkürlich bewegte Larissa ihre Hüfte zur Seite und verharrte in dieser Position, bis er das gleiche in die andere Richtung wiederholte. Es war fast so, als wolle er testen, wie gut sie seiner Führung folgte. Schließlich umfasste er sie weich, wog sich sanft mit ihr hin und her und zog sie mit sich, so dass sie gemeinsam in langen Schritten die Tanzfläche durchmaßen. Endlich, dachte sich Larissa. In diesen weiten Bewegungen fühlte sie sich so viel wohler als in den kleinen isolierten Bewegungen auf der Stelle. Dort hatte sie immer das Gefühl, sich einfach nicht richtig bewegen zu können und alles andere als sinnlich und sexy zu sein. Wie viel einfacher waren da die langen Bewegungen mit klaren Figuren und Schritten, die man lernen kann. Das Lied lief zu seinem Höhepunkt auf. Raúl drehte sie mehrmals, bis die Umgebung um sie herum verschwamm und Larissa Mühe hatte, nicht ins Stolpern zu geraten. Um Gottes Willen, wie oft wollte dieser verrückte Tanzlehrer sie noch im Kreis drehen! Raùl zog ihre Hand nach unten, und sie fand sich passend zum Endakkord des Liedes in seinen Armen liegend wieder. Krampfhaft hielt sie sich an ihm fest, um nicht noch weiter nach unten auf den Boden zu fallen. Lachend zog Raùl sie wieder nach oben und drückte sie an sich. „Das war toll, richtig gut für den Anfang!“ Larissa lehnte ihr Kinn über seine Schulter, bis sich ihr Magen wieder etwas beruhigt hatte. Nach diesem Tanz war sie noch etwas wacklig auf den Beinen. Raùl strich ihr wissend über den Rücken, immer noch lachend. „Das gibt sich noch. Am Anfang wirkt Zouk wie eine echte Herausforderung, aber eigentlich brauchst du nur die richtige Technik. Und die wirst du bei uns im Kurs lernen.“ „Ich hab dich vorher Salsa tanzen gesehen. Du bist toll. Zouk wirst du richtig schnell lernen.“ Unmerklich war Pamela neben die beiden herangetreten und strahlte Larissa an. „Du tanzt mit Leidenschaft, und das ist das wichtigste daran. Zouk muss man fühlen.“ Pamela legte ihre Hand auf Raúls Schulter und ließ sich von ihm auf die Tanzfläche führen. Sie legte ihren Kopf nach hinten, so dass ihre langen braunen Haare in sanften Wellen hinabfielen. Raúl schob ihren Körper mit seinen Unterarmen von links nach rechts und wieder zurück. Weich und geschmeidig folgte Pamela seiner Führung. Wie eine Puppe wirkte sie, ihm absolut hingegeben und doch mit einer Sanftheit und Anmut, die von einer starken Selbstsicherheit zeugte. Gemeinsam schwebten sie durch den Raum, so leicht und schwerelos, um sich dann wieder in kleinen, verführerischen Bewegungen aneinanderzuschmiegen und zu sammeln. Instinktiv verließen die anderen Pärchen die Tanzfläche, um Platz zu bieten für diese Darbietung. Sie war an Zartheit und Harmonie kaum zu übertreffen. Stark und zuverlässig schritt Raúl voran, und Pamela folgte jeder seiner Bewegungen mit einer solchen Sinnlichkeit und Intensität, dass ein andächtiges Staunen die Umherstehenden erfasste. Als das Lied ausklang, hielt Raúl Pamela ganz nah an sich. Seine Hand lag an ihrem Nacken und beinahe sah es so aus, als würden sie sich gleich küssen. Ein Salsalied setzte ein. Schlagartig füllte sich die Tanzfläche wieder. Raúl und Pamela lösten sich voneinander und stiegen in einen kraftvollen Salsa ein.

Wie weggetreten blickte Larissa weiterhin auf die Tanzfläche. Wenn sie doch nur einmal im Leben so gut tanzen könnte wie Pamela. Diese Ausstrahlung, die Pamela hatte. Selbst wenn Larissa so gut tanzen würde, sie würde nie Pamela das Wasser reichen können. Sie würde sich nie so hingegeben können in dem Tanz, nie dieses lässige Selbstbewusstsein zeigen können, mit dem Pamela ihre Zuschauer in den Bann zog. Sie spürte Max' Wärme in ihrem Rücken. Sanft legte er ihr von hinten seine Hände auf ihre Arme. „Na, wollen wir dann mal wieder? Oder magst du noch ein bisschen der Show hinterherträumen?“ Larissa blickte in seine weichen braunen Augen. „Natürlich mag ich.“ lächelte sie und genoß die Freude und Kraft ihres gemeinsamen Salsa.

TSCHICK

„Na, die Dame, haben wir mal ausgeschlafen heute?“ Frech plumpste Sandra in den Sessel neben ihrer Freundin. Mit verquollenen Augen blickte Larissa sie an. Ihr Kopf fühlte sich so schwer an, als ob er gleich auf den niedrigen Holztisch vor ihr fallen würden. „Ich hab dir schon immer gesagt, dass eine gut durchtanzte Nacht so viel wertvoller ist als jede Vorlesung! Endlich tragen meine Bemühungen mal Früchte!“ Theatralisch rollte Sandra mit den Augen. „Du hast ja gestern eine heiße Sohle auf's Parkett gelegt mit dem Meister. Bist du jetzt also zum Zouk übergestiegen?“ Larissa stöhnte gequält auf. „Rede bitte ein bisschen leiser. Bevor ich meinen Kaffee nicht bekomme, kann ich nicht denken.“ Wie auf ein Stichwort kam die Bedienung mit einem Latte Macchiato zu ihr. Was für eine Wohltat, der weiße Milchschaum und der verheißungsvolle Kaffeeduft! „Du musst auch gar nichts denken. Ich wollte nur mal hören, wie es dir so geht.“ „Gut geht es mir natürlich. Warum denn auch nicht? Es hat sich ja nichts geändert.“ „Bis auf dass du heute so ziemlich zum ersten Mal in deinem Leben eine Vorlesung hast sausen lassen.“ Larissa schwieg. Das stimmte allerdings. „Nun ja, ich bin halt einfach total müde, und hab mir mal ein Beispiel an dir genommen. Anscheinend geht das Studieren ja auch so, ohne sich tot zu rackern.“ „Da bin ich froh, dass du endlich mal auf den Trichter gekommen bist.“ Sandra lehnte sich nach vorne und stützte ihre Ellenbogen auf dem Tisch ab. „Wie läuft es denn so mit Max?“ Erstaunt blickte Larissa auf. „Gut läuft es natürlich, wie immer. Warum fragst du denn?“ „Nur so. Er ist ja viel unterwegs zur Zeit.“ Larissa nickte und rührte gedankenverloren mit dem Löffel in ihrem Milchschaum herum. „Ja, das stimmt. Aber bald ist das Projekt vorbei, und dann versucht er etwas, in der Nähe zu bekommen.“ „Na, das hoffen wir mal.“ Larissa sah ihre Freundin etwas verdutzt an. Wie sollte sie das jetzt verstehen? Aber sie war gerade einfach viel zu müde, sich darüber jetzt Gedanken zu machen und widmete sich wieder ihrem Milchschaum. „Wie gefällt dir denn dein Tangokurs?“ fragte sie im Gegenzug. „Ist lustig. Es sind einige Leute vom Salsa mit dabei, und es ist eine gute Stimmung. Und der Tanz an sich ist auch echt schön, so sinnlich und leidenschaftlich.“ „Und wie sind die Männer so?“ In Sandra's Augen blitzte etwas auf. „Ach, du weißt doch ganz genau, dass ich nie im Leben einen Tanzkurs machen würde, nur um Männer kennenzulernen. Als ob ich das nötig hätte.“ „Nein, nie im Leben würdest du das tun.“ antwortete Larissa süffisant grinsend und schlürfte weiter an ihrem Latte Macchiato.

BOOM