Dieses viel zu laute Schweigen - Petra Bunte - E-Book

Dieses viel zu laute Schweigen E-Book

Petra Bunte

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Beschreibung

Anna wäre gerne mehr für Lukas als nur die nette Nachbarin, denn bei jeder Begegnung schlägt ihr Herz Purzelbäume. Aber der Frauenschwarm liebt vor allem seine Freiheit und die Abwechslung. Bis ein Vorfall an der S-Bahn-Haltestelle alles verändert. Lukas liegt im Koma und Anna wird von Schuldgefühlen erdrückt, weil sie an jenem Abend nicht anders reagiert hat – erst recht, als sein Bruder auftaucht und erfahren will, was passiert ist. Felix hat geschworen, sich nie wieder auf eine Frau einzulassen. Bis er Anna trifft, die ausgerechnet in seinen Bruder verliebt ist. Zwischen dem gemeinsamen Bangen um Lukas und all den offenen Fragen, was mit ihm geschehen ist, kämpft er immer stärker gegen seine wachsenden Gefühle an – ohne zu wissen, dass Anna ihm die ganze Zeit etwas verschweigt.

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Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar über www.dnb.de© 2021 CW Niemeyer Buchverlage GmbH, Hamelnwww.niemeyer-buch.deAlle Rechte vorbehaltenUmschlaggestaltung: C. RiethmüllerDer Umschlag verwendet Motiv(e) von 123rf.comEPub Produktion durch CW Niemeyer Buchverlage GmbHeISBN 978-3-8271-8406-1

Petra BunteDieses viel zu laute Schweigen

Die Geschehnisse, sämtliche Handlungen und Charaktere sind frei erfunden. Einige Fälle, die innerhalb der Geschichte erwähnt werden, basieren jedoch auf wahren Medienberichten, wie z. B. der Fall Kitty Genovese, Dominik Brunner, Tuğçe Albayrak und weitere Beispiele, die Felix entdeckt bzw. zugespielt bekommt.Die Texte zu den Regeln der Zivilcourage stammen mit freundlicher Genehmigung zur Verwendung von den folgenden Internetseiten:Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundeswww.aktion-tu-was.deAgentur MediaMix Bremenwww.zeig-courage.deAußerdem wurde ich bei der Recherche unterstützt vom Bundesnetzwerk Zivilcourage, einem Zusammenschluss von o. g. und diversen anderen Vereinen und Organisationen, die sich sehr für das Thema engagieren. Weitere Infos unter: www.bundesnetzwerk-zivilcourage.de

„Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.“(Molière)

Anna

„Hey! Bist du schon zu Hause?“, klang mir die Stimme meiner besten Freundin gut gelaunt aus dem Handy entgegen.

In einem waghalsigen Manöver versuchte ich, gleichzeitig den Anruf anzunehmen, die Tür hinter mir zu schließen und die Tasche mit den Einkäufen dabei nicht fallen zu lassen. Es war, als hätte Nele bloß darauf gewartet, dass ich in meiner Wohnung angekommen war. Wie auch immer sie das machte, denn wegen einer Baustelle fuhr die S-Bahn zurzeit so unregelmäßig, dass ich selbst kaum wusste, wann das war.

„Schon ist gut“, grummelte ich und kickte mir die Schuhe von den Füßen. „Ich bin echt froh, dass ich endlich Feierabend habe. Dieses neue Buchungsportal macht mich wahnsinnig.“

„Ach, du Arme“, sagte meine Freundin mitfühlend. „Immer noch nicht besser?“ Sie hatte sich bereits die ganze Woche geduldig mein Gemecker über die Softwareumstellung im Reisebüro angehört. Heute war es mit der Anteilnahme allerdings schnell wieder vorbei, und ohne eine Antwort abzuwarten, fügte sie unerträglich munter hinzu: „Ich wüsste da etwas, was dich sicher aufmuntern wird.“ Dabei klang sie so furchtbar energiegeladen, wie es nur Menschen sein können, die samstags nicht arbeiten müssen.

„Oh nein, lieber nicht“, erklärte ich lachend, weil ich ahnte, dass Nele damit alles andere als einen gemütlichen Abend zu Hause meinte.

Und prompt konterte sie: „Oh doch! Ich weiß, dir ist jetzt wahrscheinlich eher nach Sofa zumute, aber da kannst du hin, wenn du alt und langweilig bist. Also …“ Sie hielt kurz inne und säuselte dann mit ihrer schönsten Bettelstimme: „Allerliebste Anna-Maus, es ist mir wirklich total wichtig. Würdest du bitte heute Abend mit mir ins Old Chap gehen? Du weißt schon, das ist diese urige Kneipe in der Nähe vom Bahnhof. Ich habe einen Hinweis bekommen, dass sich der Postmann da rumtreiben soll.“

Ich stöhnte auf und war nicht sicher, ob ich lachen oder weinen sollte. So viel zum Thema gemütlicher Sofa­abend.

Meine liebe Freundin hatte es so richtig erwischt, nachdem sie neulich ein Paket bei diesem „superheißen Typen vom Postschalter“ abgeholt hatte. Seitdem bekam sie auf wundersame Weise ständig Lieferungen diverser Onlineshops, und da sie bedauerlicherweise nie zu Hause war, wenn der Paketbote kam, musste sie wohl oder übel immer wieder mit ihrem Benachrichtigungsschein an den Schalter. Doch jetzt hatte sich scheinbar eine Möglichkeit aufgetan, ihren Traumprinzen außerhalb der Post aufzuspüren. Und wenn Nele mit „allerliebste Anna-Maus“ anfing, würde es schwer für mich werden, aus der Nummer rauszukommen.

Ich fuhr mir mit der freien Hand müde durch die Haare und sagte: „Ach, Nelli. Wie zuverlässig ist deine Quelle denn? Und muss das heute sein? Ich hab wirklich keine Lust mehr auszugehen.“

„Bitte, bitte, bitte!“, bettelte sie. „Die Quelle ist absolut wasserdicht. Er hat mich nämlich selbst drauf gebracht. Aber alleine hingehen ist blöd.“

Hmmm. Das klang vielversprechend. Gleichzeitig amüsierte ich mich darüber, dass meine Freundin quengelte wie eine verknallte Sechzehnjährige, dabei hatten wir diese Zeiten seit über zehn Jahren hinter uns.

Sehnsüchtig betrachtete ich meinen E-Book-Reader auf dem Wohnzimmertisch und verfluchte die Tatsache, dass ich Nele so gut wie nie etwas abschlagen konnte. Und dass sie das genau wusste.

Ich seufzte ergeben und fragte: „Holst du mich wenigstens ab? Die S-Bahn ist im Moment eine einzige Katastrophe.“

„War das ein Ja?!“, quiekte sie begeistert. „Du bist die Beste! Aber abholen geht leider nicht, sorry. Mein Bruder hat mir grad so ein teuflisches Zeug zum Probieren gegeben, da bist du schon betrunken, wenn du nur dran riechst.“

„Und so willst du deinem Postmann begegnen?“, bemerkte ich skeptisch.

Nele lachte. „Ein bisschen Mut antrinken kann ja nicht schaden.“

Ich schüttelte belustigt den Kopf, bis mir etwas einfiel. „Und du bist wirklich sicher, dass er ausgerechnet heute da sein wird?“, vergewisserte ich mich. „Die deutsche Mannschaft spielt nachher bei der EM um den Einzug ins Achtelfinale. Da wird er doch sicherlich Fußball gucken, oder?“

„Man merkt, dass du noch ein bisschen Jan-geschädigt bist“, kicherte Nele. „Aber es kann ja nicht jeder so fußballverrückt sein wie dein Ex. Hoffe ich jedenfalls. Erinnere mich daran, dass ich ihn nachher gleich danach frage. Das gibt sonst definitiv Abzüge in der B-Note.“

„Ich fürchte, mit der Einstellung wirst du als einsame, alte Jungfer sterben“, bemerkte ich grinsend.

Meine Freundin seufzte schwermütig. „Ich weiß. Wobei … Mir fällt da grad tatsächlich jemand ein, dem dieses Gekicke völlig egal zu sein scheint. Und er sieht verdammt gut aus und ist unglaublich charmant“, schwärmte sie.

„Na, jetzt machst du mich aber neugierig. Raus damit! Wer ist es? Den muss ich mir unbedingt mal angucken.“

Nele stieß ein prustendes Lachen aus. „Erde an Anna! Du bist mir ein Herzchen. Mach mal die Augen auf! Dieses Prachtexemplar läuft doch ständig vor deiner Nase rum. Ich meine nämlich deinen süßen Nachbarn.“

„Was? Lukas?“, hakte ich überrascht nach. „Woher willst du denn wissen, dass der sich nicht für Fußball interessiert?“

„Hallo?! Er kam neulich vom Einkaufen nach Hause, während das erste Deutschlandspiel lief. Das tut kein normaler Mann, wenn es nicht um Leben und Tod geht“, erklärte sie mit ihrer eigenen unschlagbaren Logik.

„Du hast echt ’ne Macke, Nelli.“

„Was denn?“, protestierte sie empört. „Der Typ ist echt heiß, und damit erzähle ich dir ja wohl nichts Neues. Apropos …“ Sie machte eine kunstvolle Pause. „Frag doch ihn, ob er dich fährt. Und wenn er schon mal da ist, kann er auch gleich mitkommen ins Old Chap.“

„Na klar“, konterte ich und verdrehte amüsiert die Augen.

Diese alte Kupplerin! Hätte ich ihr bloß nie von Lukas erzählt. Aber seit er vor ein paar Wochen in der Wohnung nebenan eingezogen war, geisterte er mir ständig durch den Kopf. Und da ich meiner Freundin grundsätzlich nichts vormachen konnte, hatte sie natürlich sofort durchschaut, was da im Busch war. Erst recht, seit wir ihm einmal zusammen im Treppenhaus begegnet waren und sie sich selbst von seinem umwerfenden Lächeln überzeugen konnte.

Lukas war so ein Mensch, der einen Raum bloß durch seine Anwesenheit zum Strahlen brachte, selbst wenn man ihn gar nicht kannte. Groß, blond, leuchtend blaue Augen und immer ein Lächeln und einen netten Spruch auf den Lippen – wie sollte man da nicht ins Schwärmen geraten? Eine Zeit lang hatte ich sogar gedacht, dass er richtig mit mir flirtete. Aber da war wohl der Wunsch Vater der Single-Gedanken gewesen, denn nachdem ich Lukas letztes Wochenende dabei erwischt hatte, dass er mit der achtzigjährigen Frau Schulze aus dem Erdgeschoss genauso schäkerte, waren mir Zweifel gekommen. Anscheinend war das seine Art, und ich Dummerchen hatte mir eingebildet, dass sein Augenzwinkern nur mir galt. In Wirklichkeit lagen ihm die Frauen wahrscheinlich reihenweise zu Füßen, und er konnte jede haben, die er wollte. Da hatte ich, die Durchschnittsfrau von nebenan, sowieso keine Chance.

„Papperlapapp“, hatte Nele widersprochen, als ich ihr davon erzählte. „Jetzt stell dein Lichtlein mal nicht unter den Scheffel. Du siehst gut aus, bist ein intelligentes Mädchen und hast eindeutig den Heimvorteil. Also ran an den Mann!“

Bei meiner Freundin klang das immer alles so leicht. Sie hätte sicher längst bei ihm geklingelt, ihn auf eine gute Nachbarschaft zum Essen eingeladen und dabei von vorne bis hinten über sein Leben ausgefragt. Aber so selbstbewusst war ich leider nicht.

Heute Abend ging es allerdings nicht um mich, sondern um sie. Deshalb sagte ich entschieden: „Vergiss es! Ich nehme die Bahn. Nicht, dass Lukas unterwegs plötzlich doch Gefühle für mich entwickelt und wir es gar nicht erst zu dir schaffen. Dann guckst du nämlich in die Röhre mit deinem Postmann.“

Außerdem hatte Lukas gar kein Auto, aber das würde ich meiner Freundin jetzt nicht auf die Nase binden.

„Haha, sehr witzig“, murrte sie. „Statt dumme Sprüche zu machen, sieh lieber zu, dass du herkommst! Und für euch beide überlege ich mir etwas anderes.“

„Aye, aye, Ma’am. Und du lass in der Zwischenzeit die Finger von dem Teufelszeug!“, ermahnte ich sie grinsend.

„Ja, Mama!“, stöhnte sie. „Bis gleich.“

„Bis gleich.“

Kichernd legte ich das Handy zur Seite, brachte meine Einkäufe in die Küche und ging dann ins Bad. Der anstrengende Tag im Reisebüro hatte seine Spuren hinterlassen, die dringend kaschiert werden mussten. Man konnte schließlich nie wissen, wer einem unterwegs begegnete. Also sprang ich unter die Dusche, föhnte meine dunkelblonden Naturlocken halbwegs in Form und legte ein leichtes Make-up auf. Anschließend zog ich mich an und warf einen Blick auf die Uhr. Gleich halb acht. Die nächste Bahn fuhr um zehn vor … wenn sie denn kam.

Auf dem Weg vom Schlafzimmer in die Küche hörte ich draußen im Hausflur etwas klappern, das verdächtig nach Lukas klang, und Schritte, die im Treppenhaus immer leiser wurden.

Schade, dachte ich seufzend. Knapp verpasst. Hätte er nicht einen Moment später losgehen können? Aber bis ich meine Schuhe angezogen und die Tasche aus der Küche geholt hatte, war er sicher längst über alle Berge.

Für einen kurzen Augenblick war ich in Versuchung, aus dem Fenster zu schauen, um wenigstens einen Blick auf ihn zu erhaschen, doch dann schüttelte ich über mich selbst den Kopf. Anna, du bist echt bescheuert!

Es war nicht nur Nele, die sich wie ein verliebter Teenager aufführte. Aber allein der Gedanke an Lukas hatte mich schon in gute Laune versetzt.

Lächelnd dachte ich an eine Nacht vor etwa zwei Wochen zurück, in der wir in den frühen Morgenstunden unsanft von einem Feueralarm aus dem Haus getrieben worden waren. Zum Glück hatte es sich dabei um einen Fehlalarm gehandelt, und nachdem die Feuerwehr keinen Brand festgestellt hatte, durften wir relativ schnell zurück in unsere Wohnungen. Aber dieser Morgen würde mir für immer in Erinnerung bleiben.

Bloß mit einem T-Shirt, Jogginghose und Schlappen an den Füßen bekleidet, hatte ich auf der gegenüberliegenden Straßenseite gestanden und ängstlich am Haus hochgeschaut, als Lukas dazugekommen war. In seiner gewohnt lockeren Art bemerkte er: „So hatte ich mir das eigentlich nicht vorgestellt, als ich diese Wohnung ausgesucht habe. Ein bisschen Action ist ja ganz schön, aber nicht um diese Zeit. Ich hoffe, das geht hier nicht öfter so rund.“

Ich brachte vor Anspannung keinen Ton raus und schüttelte nur den Kopf.

Lukas stupste mich am Arm an und sagte: „Gib’s zu, du hast heimlich im Bett geraucht und damit den Brandmelder ausgelöst.“

Seine Gelassenheit stand in so krassem Gegensatz zu meiner eigenen Angst, dass ich lachen musste, und ein selten schlagfertiger Teil von mir konterte: „Nein, bestimmt nicht. Wenn, dann muss es wohl eher der Neue gewesen sein, der die Hausregeln noch nicht kennt.“

„Würdest du mich verraten, wenn es so wäre?“, gab er mit funkelnden Augen zurück.

Ich war überzeugt davon, dass er es nicht getan hatte. Doch bei seinem neckischen Blick brachte ich ohnehin nichts anderes als ein Kopfschütteln zustande. Wahrscheinlich hätte ich in diesem Moment nicht einmal mitbekommen, wenn das Haus neben mir abgebrannt wäre.

„Hey, frierst du so?“, hörte ich Lukas plötzlich wie aus weiter Ferne sagen. Er deutete auf die Gänsehaut auf meinen Armen, die ich selbst bisher gar nicht wahrgenommen hatte. Kurzerhand zog er seinen Sweater aus, unter dem er noch ein T-Shirt trug, und sagte: „Nimm das. Mir ist warm genug.“

Auffordernd streckte er mir den Pullover entgegen und lächelte mich an.

„Danke“, murmelte ich verlegen und zog ihn mir über den Kopf. Das Sweatshirt war mir natürlich zu groß, aber seine Körperwärme steckte darin und war so angenehm, dass mir ein wohliger Schauer über den Rücken rieselte. Außerdem wurde ich in eine Wolke Lukas-Duft eingehüllt, der mich ganz schwach werden ließ.

„Besser?“, wollte er wissen.

„Ja, danke“, antwortete ich mit einem zaghaften Lächeln.

Etwa eine halbe Stunde später gaben die Feuerwehrleute Entwarnung, und wir durften zurück in unsere Wohnungen.

„Gott sei Dank“, stieß ich erleichtert hervor und merkte erst jetzt, wie angespannt ich die ganze Zeit gewesen war.

Lukas musterte mich prüfend und fragte: „Alles okay? Geht es dir gut?“

Ich nickte zaghaft. „Ja. Aber so was muss ich echt nicht öfter haben. Und mit Schlafen war es das, glaub ich, auch für heute Nacht.“

Er lächelte mitfühlend, warf einen nachdenklichen Blick über meine Schulter hinweg die Straße entlang und meinte: „Die Bäckerei da vorne macht gerade auf. Was hältst du davon, wenn wir uns was Richtiges anziehen und dann auf den Schreck zusammen frühstücken gehen?“

Ich sah ihn überrascht an, während die Schmetterlinge in meinem Bauch ein Freudentänzchen aufführten. Frühstück mit Lukas? Da sagte man doch nicht Nein! Bis ich zur Arbeit musste, war noch Zeit, und diese zwei Stunden waren jeden beängstigenden Feueralarm wert. Wir redeten, lachten, neckten uns, flirteten sogar miteinander und lernten uns um einiges besser kennen, als es bisher zwischen Tür und Angel im Treppenhaus möglich gewesen war. Die Zeit verging viel zu schnell, und ich hasste es, unser unverhofftes Date – wenn man es denn überhaupt so nennen konnte – beenden zu müssen, um pünktlich zur Arbeit zu kommen.

Vor meiner Wohnungstür angekommen, brachte Lukas die Welt jedoch schlagartig wieder in Ordnung, indem er lächelnd erklärte: „Das sollten wir mal wiederholen.“

„Unbedingt“, erwiderte ich mit einem glücklichen Grinsen. „Aber bitte nicht wieder heimlich vorher rauchen, okay?“

Er lachte leise. „Na gut. Weil du es bist.“

Dann hob er plötzlich die Hand und strich mir sanft eine Locke aus dem Gesicht. Ich wagte es kaum zu atmen, während mein Herz ein paar Purzelbäume schlug. Mein ganzer Körper kribbelte in erwartungsvoller Vorfreude, dass er mich küsste. Doch Lukas lächelte nur, wünschte mir einen schönen Tag und ging.

Oh Mann! Wie sehr hatte ich in diesem Moment darauf gehofft, dass seine Blicke und dieses Necken und Flirten etwas zu bedeuten hatten und mehr daraus werden könnte. Aber seitdem hatte ich ihn kaum gesehen und wenn, dann nach wie vor nur im Vorbeigehen. Vielleicht sollte ich doch endlich meinen Mut zusammennehmen und unter irgendeinem Vorwand bei ihm klingeln. Oder ihm alternativ im Wäschekeller auflauern.

Seufzend schlüpfte ich in Schuhe und Jacke, schnappte mir meine Tasche und den Schlüssel und verließ die Wohnung.

Nachdem ich die Tür hinter mir zugezogen hatte, hörte ich von unten Schritte, die die Treppe raufkamen, und vermutete, dass es einer der Studenten aus dem Dachgeschoss war. Doch als ich um die Ecke bog, kam mir Lukas entgegen.

„Hey“, sagte ich überrascht. „Bist du nicht eben erst runtergegangen?“

Er sah mich an und lächelte auf diese hinreißende Lukas-Art, bei der ich sofort weiche Knie bekam. „Was man nicht im Kopf hat, holen die Beine nach. Aber gut aufgepasst, Frau Nachbarin“, neckte er mich augenzwinkernd. „Kann es sein, dass du mich stalkst?“

Ich schüttelte lachend den Kopf. „Oh nein. Ich kenne nur niemanden sonst, der er schafft, mit seinem Schlüsselbund so einen Krach zu machen.“

Lukas grinste ohne das geringste Anzeichen von Schuldbewusstsein. Das Thema war mittlerweile ein Running Gag zwischen uns, seit ich ihn einmal darauf angesprochen hatte, dass es ständig polterte, wenn er seine Wohnungstür aufschloss. Lukas hatte mir daraufhin einen geschnitzten Holzanhänger in Form eines Hais gezeigt, von dem er sich angeblich unmöglich trennen konnte. Mit einem zerknirschten Lächeln hatte er mir versprochen, dass er demnächst besser aufpassen würde, ihn nicht mehr an die Tür zu hauen, doch bisher hatte das nicht funktioniert.

„Ich glaube, ich schenke dir mal einen Schaumstoffanzug für deinen Hai“, sagte ich jetzt schmunzelnd.

„Selbst genäht?“, konterte er mit funkelnden Augen.

„Maßgeschneidert“, erwiderte ich mit Schmetterlingen im Bauch.

Lukas lachte und meinte: „Vorsicht! Ich könnte dich beim Wort nehmen. Wobei das seinem Image ganz schön schaden könnte. Einen Hai im rosa Flauschanzug nimmt doch keiner ernst.“

„Hab ich was von rosa gesagt?“

Wir grinsten uns vergnügt an, und wie so oft wünschte ich mir, der Moment würde nie vorbeigehen. Doch dummerweise warf Lukas einen Blick auf seine Armbanduhr und sagte: „Sorry, aber ich muss dann mal. Ich hab gleich ein Date mit ein paar Kollegen beim Public Viewing. Anscheinend hab ich die Probezeit im Team bestanden und darf jetzt auch privat mitspielen.“

Er zwinkerte mir verschwörerisch zu, und es war unschwer zu erkennen, wie er sich darüber freute, in seiner neuen Firma angekommen zu sein. Aber wer wollte einen so sympathischen Menschen wie ihn auch nicht in seiner Truppe haben?

„Herzlichen Glückwunsch“, gab ich lächelnd zurück. „Dann wünsche ich dir viel Spaß. Auch wenn du ja eigentlich gar nicht so auf Fußball stehst.“

Der letzte Satz war mir wie von selbst herausgerutscht, nachdem ich vorhin erst mit Nele darüber gesprochen hatte. Und ich hätte mir am liebsten die Zunge abgebissen, als ich sah, wie Lukas für eine Millisekunde stockte. Doch er konterte wie üblich mit einem lockeren Spruch und sagte: „Jetzt wirst du mir langsam unheimlich. Hat dir das etwa auch mein Hai verraten?“

„Hmmm“, machte ich nachdenklich. „In gewisser Weise schon. Wenn dein Hai an der Tür poltert, während der Rest der Männerwelt Fußball guckt, dann ist das verdächtig.“

„Okay“, lachte er. „Du hast mich durchschaut. Aber ich werde den Abend schon irgendwie überleben.“

„Das will ich doch hoffen.“

Wir sahen uns an und grinsten.

„Also dann“, meinte er. „Dir auch einen schönen Abend, beim Fußball oder was auch immer.“

„Danke“, erwiderte ich, und im nächsten Augenblick war er die Treppe rauf verschwunden. Schade. Aber auch ich sollte mich langsam sputen, wenn ich die S-Bahn erwischen wollte.

Felix

Ich hasste diese Fortbildungen, bei denen man nichts Neues lernte, sondern bloß teilnehmen musste, um diesen oder jenen Schein für seinen Job als Physiotherapeut nachweisen zu können. An einem sonnigen Wochenende wie diesem konnte ich mir wirklich Schöneres vorstellen. Aber zumindest der Abend versprach unterhaltsam zu werden. Wir hatten uns mit einigen Seminarteilnehmern zum gemeinsamen Fußballgucken in der Hotelbar verabredet, was bei der Truppe ganz lustig zu werden schien. Ich war zwar kein wahnsinnig großer Fußballfan, aber alles war besser, als alleine auf dem Zimmer zu sitzen, wo sich meine Gedanken nur wieder in Regionen verirren würden, die ich nicht mehr betreten wollte.

Zwischen Abendessen und Anpfiff des Spiels blieb etwas Zeit, deshalb ging ich raus in den angrenzenden Park, zog das Handy aus der Tasche und rief meinen Bruder an. Wie ich Lukas kannte, würde er den Samstagabend garantiert nicht zu Hause verbringen, aber jetzt, um kurz nach halb acht, war es vielleicht früh genug, um ihn zu erreichen.

„Hey Bruderherz“, meldete er sich mit diesem unerschütterlich sonnigen Gemüt, mit dem er seine Mitmenschen gleichermaßen erfreuen als auch zur Weißglut treiben konnte. „Hast du mal wieder Sehnsucht nach mir?“

„Mal wieder ist gut“, gab ich trocken zurück. „Wenn ich nicht ab und zu bei dir anrufen würde, würde ich gar nichts mehr von dir hören.“

Ich wollte ihm eigentlich gar nicht direkt mit Vorwürfen kommen, aber mittlerweile war es frustrierend, dass er sich so rarmachte, seit er wegen des neuen Jobs knappe hundert Kilometer von mir entfernt wohnte.

Doch Lukas nahm es gewohnt locker und sagte: „Sorry. Hier ist alles so neu und aufregend, da rast die Zeit nur so dahin. Ich verspreche hoch und heilig, mich zu bessern.“

Unwillkürlich musste ich lächeln. Diese Art von Versprechungen kannte ich. Und trotzdem konnte ich ihm nie lange böse sein.

„Schon okay. Wie läuft’s bei dir? Haben sie in der neuen Firma schon bereut, dich eingestellt zu haben?“, zog ich ihn auf.

Lukas lachte. „Ja. So sehr, dass sie mich heute Abend zwingen, mit ein paar Leuten zum Public Viewing zu gehen.“

„Oh, wow, gleich die Höchststrafe. Was hast du angestellt?“

„Keine Ahnung. Vielleicht war ich ein bisschen zu nett zu den Kollegen.“

„Kollegen oder Kolleginnen?“, hakte ich grinsend nach. Ich kannte ja meinen Bruder, den Herzensbrecher, und ahnte, dass ihm nach diesen ersten sechs Wochen die Frauen in der Firma bereits sabbernd hinterherhechelten.

„Kollegen, du Honk! Ich hab dir doch erzählt, dass es in meiner Abteilung nicht mal die obligatorische Quotenfrau gibt. Und der Verwaltungstrakt ist leider ziemlich weit entfernt.“

„Du Ärmster“, neckte ich ihn.

Lukas schnaubte und meinte: „Gibt es eigentlich sonst noch einen Grund für deinen Anruf oder willst du dich nur über mich lustig machen? Dafür hab ich nämlich keine Zeit. Meine Bahn fährt gleich.“

„Sorry. Nee, ich wollte bloß mal hören, wie es dir geht, weil ich hier grad nichts anderes zu tun habe.“

„Du und nichts zu tun?“, fragte er ungläubig. „Wo bist du denn?“

„Bei dieser Fortbildung in Dortmund.“

„Ach ja, richtig“, erwiderte er, und ehe er es aussprach, wusste ich, was als Nächstes kam. „Und? Gibt es da auch ein paar heiße Physiotherapeutinnen?“

Ich verdrehte im Stillen die Augen. Das war typisch mein Bruder. Manchmal fragte ich mich, ob wir wirklich die gleichen Gene in uns hatten oder einer von uns nach der Geburt vertauscht worden war.

„Für dich bestimmt“, gab ich widerwillig zurück.

„Lass mich raten“, feixte Lukas. „Du hast gar nicht richtig hingeguckt, oder?“

„Du kannst mich mal.“

Er stieß einen übertriebenen Seufzer aus. „Ach, Feli, was soll ich mit dir bloß machen? Du wirst echt ein komischer, brummiger Einsiedler, wenn du so weitermachst. Fehlt eigentlich nur, dass du dich in eine einsame Hütte im Wald zurückziehst.“

„Sehr witzig“, knurrte ich. Konnte er mich nicht endlich damit in Ruhe lassen? Er wusste genau, dass ich nach der Trennung von Steffi für keine neue Beziehung bereit war. Und bloß aus Spaß durch verschiedene Betten zu hüpfen wie er, das war nicht mein Ding. Aber ob ich ihm das sagte oder mit einer Wand redete, kam bei Lukas auf dasselbe raus.

„Apropos Hütte“, lenkte ich deshalb schnell vom Thema ab. „Du denkst an den Termin nächste Woche, ja? Der Makler hat gesagt, dass er gegen elf Uhr da sein wird, und es war nicht leicht, ihn zu überreden, dass er extra am Samstag rauskommt.“

„Ich weiß. Das erzählst du mir jetzt zum dritten Mal“, erwiderte Lukas gelangweilt. „Und ja, ich werde da sein.“

Hoffentlich. Ich wusste, dass er absolut keine Lust darauf hatte, sich um den Verkauf des Hauses unserer Großmutter zu kümmern. Aber alleine würde ich es nicht tun. Wir hatten es zusammen geerbt, also war er genauso dafür verantwortlich wie ich. Fürs Erste gab ich mich jedoch geschlagen und sagte: „Wir können ja vorher noch mal telefonieren, wann du genau kommst. Ich will dich schließlich nicht länger von deinem heiß ersehnten Fußballabend abhalten.“

Ich sah direkt vor mir, wie Lukas eine Grimasse zog und mir den Mittelfinger zeigte. Er hatte mit Fußball nichts am Hut und hätte heute Abend bestimmt tausend andere Sachen lieber gemacht. Aber ich konnte verstehen, dass er diesen Anschluss an seine Kollegen auf keinen Fall verspielen wollte. Vielleicht sollte ich ein netter Bruder sein und ihm die Daumen drücken, dass Deutschland es heute nicht ins Achtelfinale schaffte. Dann bliebe ihm zumindest ein weiteres Rudelgucken erspart.

„Herzlichen Dank!“, flötete Lukas zuckersüß in den Hörer. „Ich wünsche dir auch viel Spaß bei deinem restlichen Knochenbrecher-Seminar. Und mach die Augen auf, was da für Frauenkörper um dich herumsitzen, die mal ordentlich durchgeknetet werden wollen.“

„Blödmann! Mach’s gut.“

„Du auch. Wir hören uns.“ Damit legte er auf, und ich nahm kopfschüttelnd mein Handy vom Ohr.

Wann wurde dieser Clown endlich erwachsen? Wahrscheinlich nie. Ich war nur vier Jahre älter als er, fühlte mich manchmal allerdings doppelt so reif. Und bloß weil ich nicht wie er jedem Rockzipfel hinterherlief, hieß das längst nicht, dass ich keinen Spaß haben konnte und ein komischer, brummiger Einsiedler war.

Entschlossen stand ich von der Bank auf und ging zurück zum Hotel. Schon von Weitem hörte ich das Gelächter der anderen Seminarteilnehmer in der Bar, die vergeblich versuchten, einer Kollegin zu erklären, was Abseits war. Aber sie erfüllte jedes Klischee und kapierte es nicht.

Gut gelaunt gesellte ich mich dazu, bestellte mir ein Radler und freute mich auf den Fußballabend in dieser fröhlichen Runde.

Dann wollen wir doch mal sehen, wer heute Abend mehr Spaß hat, Bruderherz!

Anna

Als ich an der Haltestelle ankam, stellte ich fest, dass meine S-Bahn wegen der Baustelle in der Nordstadt ausfiel und ich auf die nächste warten musste. Ich sollte mir wirklich angewöhnen, vorher online den aktuellen Fahrplan zu checken. Andererseits wäre ich Lukas nicht begegnet, wenn ich erst später losgegangen wäre …

Seufzend ging ich am Raucherbereich vorbei, lehnte mich ein Stück weiter an die Metallbrüstung und zog mein Handy aus der Tasche, um Nele eine Nachricht zu schicken, wann ich bei ihr sein würde.

Für einen Samstagabend war an der Haltestelle nicht viel los. Außer mir waren etwa eine Handvoll Leute da, und kaum einer kannte den anderen, wie es in unserer Wohngegend typisch war. In der Nähe des Ticket­automaten standen zwei ältere Frauen, die beinah ununterbrochen plapperten. Sie waren die Einzigen, die nicht alleine unterwegs waren, und sie redeten für die anderen drei gleich mit. Völlig unbeeindruckt davon tippte der Skater aus dem Nachbarhaus auf seinem Smartphone rum. Die Blondine aus dem Drogeriemarkt saß auf einer der Bänke und war in eine Zeitschrift vertieft. Und der Anzugträger mit dem Blumenstrauß starrte gedankenverloren vor sich auf den Boden und rauchte.

Plötzlich wurde es hinter mir unangenehm laut. Fünf Jugendliche oder eher schon junge Erwachsene kamen mit einem Bluetooth-Lautsprecher über die Straße und beschallten mit einem nervtötenden Gangsta-Rap und ihrem eigenen Gegröle den Bahnsteig. Vorneweg lief ein Mädchen bzw. eine junge Frau, hinter ihr vier Jungs, die lautstark johlten, sich über das Musik-Geplärre hinweg anschrien und sichtlich betrunken waren. Sie waren geschätzt Anfang zwanzig, trugen schwarze Kapuzenpullis und Hosen, die ihnen bis in die Kniekehlen hingen. Einer von ihnen hielt eine Schnapsflasche in der Hand.

Unwillkürlich kroch ich etwas tiefer in meine Jacke, als könnte ich mich dadurch unsichtbar machen. Solche Typen waren mir nicht geheuer, und ich hatte keine Lust, mich von denen blöd anquatschen zu lassen. Doch zum Glück steuerte die Gruppe direkt die andere Seite des Bahnsteigs an, ohne mich weiter zu beachten. Sie waren ganz auf die Frau vor sich fixiert, doch die schien auch genug von den Jungs zu haben und drehte sich gerade um, um ihnen mit wütend blitzenden Augen die Meinung zu geigen. Aber die jungen Männer lachten nur.

Das arme Mädel. In dem Alter alleine mit vier Typen unterwegs zu sein, war echt kein Spaß. Vermutlich war einer von denen ihr Freund oder zumindest Schwarm und musste sich jetzt betrunken vor seinen Kumpels beweisen, was ihr gehörig auf die Nerven ging. Wenn es so war, war dieser Kerl ein Idiot, denn mit ihren kupferroten Haaren war sie in meinen Augen wunderschön und hätte wahrscheinlich jeden haben können. Aber was ging es mich an?

Ich überließ die fünf ihrem Gezanke und Gegacker und zog mein Handy hervor, das soeben vibrierend den Eingang einer neuen Nachricht gemeldet hatte. Es war allerdings nicht wie erwartet Nele, sondern meine Tante, die eine Entscheidungshilfe brauchte, ob sie im Urlaub wirklich nach Spanien fliegen oder doch lieber in Deutschland bleiben sollte. Ich unterdrückte ein Stöhnen, beschloss, dass die Antwort Zeit bis morgen hatte, und steckte das Handy wieder weg.

Als ich anschließend aufblickte und über den Bahnsteig schaute, hatten die vier jungen Männer ihre weibliche Begleitung umringt, und der größte von ihnen rückte ihr ziemlich auf die Pelle. Na also. Hätte ich darauf wetten müssen, wer zu der Rothaarigen gehörte, hätte ich auf genau ihn getippt. Was immer sie an ihm fand, denn von meinem Freund hätte ich mir gewünscht, dass er seine Kumpels auf Abstand hielt. Aber offenbar waren sie dafür bereits zu betrunken. Wie zum Beweis reichten sie jetzt dem Mädchen die Schnapsflasche, doch sie schüttelte den Kopf und versuchte, einen der Typen von sich zu stoßen. Der Große direkt vor ihr hob eine Hand, um ihr beruhigend eine Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen.

Nun nimm sie schon in den Arm und bring sie von deinen blöden Freunden weg!, dachte ich im Stillen und wollte mich gerade von der Szene abwenden, als ich bemerkte, dass etwas nicht stimmte. Sie ließ sich nämlich nicht in den Arm nehmen, stieß auch den Großen von sich und schien mit aller Macht einen Ausweg zu suchen.

Ich runzelte nachdenklich die Stirn und versuchte zu verstehen, was dort vor sich ging. Im selben Moment schaute die junge Frau in meine Richtung, und als sich unsere Blicke trafen, sah ich die Panik in ihren Augen. Schlagartig wurde mir klar, dass das keine normale Zänkerei unter Jugendlichen war, sondern dass sie überhaupt gar nichts mit den jungen Männern zu tun hatte und unfreiwillig in ihre Fänge geraten war.

Angespannt stieß ich mich von der Metallbrüstung ab. Das Herz schlug mir plötzlich bis zum Hals, und ich blickte Hilfe suchend über den Bahnsteig. Die anderen mussten doch auch merken, was da los war. Aber niemand rührte sich. Im Gegenteil. Der Skater hatte sich eher ein Stück vom Schauplatz entfernt. Die Quasselstrippen tuschelten mittlerweile nur noch miteinander. Die Frau aus der Drogerie hatte sich der Scheibe des Wartehäuschens zugewandt, um in deren Spiegelbild ihre Haare zu richten. Und der Anzugträger zündete sich die nächste Zigarette an und tat so, als linste er nicht ständig verstohlen zu der Szene rüber.

Na toll! Hallo?! Konnte bitte mal jemand dahin gehen und dem Mädchen helfen?

Ein Teil von mir drängte, dass ich selbst etwas tun sollte. Ein anderer zweifelte noch. Was, wenn ich die Situation falsch interpretierte und das Mädel doch zu den Jungs gehörte? Und überhaupt … Sollte ich mich hier vor allen zum Affen machen? Die Typen würden mich sowieso bloß auslachen und sich darüber freuen, ein weiteres Opfer gefunden zu haben. Und wer wusste schon, was sie dann mit mir anstellen würden?

Hin- und hergerissen schaute ich ein weiteres Mal in die Runde, während die junge Frau immer mehr in Bedrängnis geriet. Sie wurde von einem der Halbstarken zum nächsten herumgereicht und dabei eindeutig gegen ihren Willen angefasst.

Mist! Ich musste irgendetwas tun. Aber was? Und warum ausgerechnet ich? Die anderen waren schließlich auch noch da! Doch sie alle taten weiterhin so, als ginge sie das nichts an, und ich war mir sicher, dass ich ebenso wenig Hilfe zu erwarten hatte, wenn ich es wagen sollte, in die Szene einzugreifen. Also was tun?

Verstohlen blickte ich zur Anzeigetafel hoch, in der Hoffnung, dass jeden Moment die S-Bahn eintreffen und dem Spuk ein Ende bereiten würde. Doch das Display zeigte weitere vier Minuten Wartezeit an.

Ich schloss die Augen und schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass sich die Situation wie durch Zauberhand plötzlich auflösen möge und alles wieder gut wäre. Warum musste das ausgerechnet jetzt passieren? Warum hier direkt vor meiner Nase? Und das nur, weil ich mich von Nele bequatschen lassen hatte, mit ihr auszugehen.

Nachdem ich die Augen wieder geöffnet hatte, sah ich auf der anderen Seite jemanden die Stufen zur Haltestelle hochkommen und keuchte erleichtert auf, als ich erkannte, dass es Lukas war. Er blickte den Bahnsteig entlang und grinste mir wie immer fröhlich entgegen. Doch ich war so aufgewühlt wegen der jungen Frau, dass die Schmetterlinge in meinem Bauch wie erstarrt in ihrer Höhle blieben. Statt ihn ebenfalls anzulächeln, schaute ich nervös rüber zu der Pöbeltruppe und wieder zurück zu Lukas. Ich wollte ihm mit den Augen zu verstehen geben, dass etwas nicht stimmte, und ihm entgegengehen, um zu erklären, was los war. Aber Lukas war meinem Blick bereits gefolgt und zögerte bloß den Bruchteil einer Sekunde, bevor er die Situation erfasst hatte und zielstrebig auf die fünf jungen Leute zusteuerte.

Diese Wendung der Ereignisse kam so unerwartet, dass ich ein paarmal blinzeln musste, um zu registrieren, dass ich die Szene nicht nur träumte. Ich hatte überhaupt nicht darüber nachgedacht, dass Lukas ebenfalls mit der Bahn zum Public Viewing fahren würde. Aber wie aus heiterem Himmel war er plötzlich hier, als wäre er sprichwörtlich von eben jenem geschickt worden. Genau so jemand wie er hatte an dieser Stelle gefehlt – einer, der nicht bloß zuguckte, sondern machte. Ich kannte ihn zwar gar nicht gut genug, um das beurteilen zu können, aber es passte zu dem romantisch-verklärten Bild, das ich von ihm hatte: der immer gut gelaunte Strahlemann, der beherzt eingriff, wenn jemand Hilfe brauchte, und wirklich böse werden konnte, wenn man seiner Liebsten etwas tun wollte. In diesem Fall war es zwar nicht seine Liebste, sondern eine fremde junge Frau, aber dieser ausgeprägte Beschützerinstinkt sprach für ihn. Außerdem war er ein großer, sportlicher Mann und würde allein dadurch diesen Möchtegern-Gangstern Respekt einflößen.

Ich atmete erleichtert auf und beobachtete fasziniert, wie Lukas sich selbstsicher vor der Truppe hinstellte, auf die junge Frau zeigte und etwas sagte. Leider konnte ich nicht verstehen, was, denn die Bluetooth-Box übertönte alles und plärrte irgendwas von „auf die Fresse hauen“. Die Jungs sahen aus, als hätten sie genau das am liebsten mit Lukas gemacht. Der Große reckte das Kinn und machte so ein Ey-Alter-was-willst-du-Gesicht. Auch seine Kumpels hatten sich vor Lukas aufgebaut und die junge Frau völlig vergessen.

Diese nutzte die Gelegenheit, um ein Stück in meine Richtung zu flüchten, und ich wollte zu ihr gehen und sie fragen, ob alles in Ordnung war. Doch ich konnte den Blick nicht von Lukas abwenden, der weiter mit ernster Miene auf die Typen einredete. Und das schien denen gar nicht zu gefallen.

Plötzlich fing der Anführer der Gang an, Lukas mit der Hand vor die Brust zu stoßen. Mein Puls schoss in die Höhe. Nein, nein, nein, nein, nein! So nicht! Die würden sich jetzt doch wohl nicht an Lukas vergreifen?! Von wegen Respekt! Er war vielleicht größer und kräftiger, aber die anderen waren zu viert.

Na und?, wisperte eine Stimme in mir. Mit den restlichen Wartenden zusammen bist du zu sechst, also tu was!

Ich blickte in die Runde und versuchte abzuschätzen, wer von den Anwesenden am ehesten bereit sein könnte, zu helfen und die anderen mitzuziehen, doch die Bilanz war ernüchternd. Sie erinnerten mich in diesem Moment an die drei berühmten Affen, die sich die Hände über Ohren, Mund und Augen hielten – nichts hören, sagen, sehen. Keiner rührte sich, als wären sie alle Teil eines festgefrorenen Standbilds. Außer dem rothaarigen Mädchen, das wie gelähmt vor Angst mit weit aufgerissenen Augen zusah, wie die vier Halbstarken ihren Retter attackierten.

Und jetzt?

Zögernd setzte ich einen Fuß vor den anderen, ohne genau zu wissen, was ich eigentlich tun wollte, als im selben Augenblick die Bahn an die Haltestelle heranfuhr und quietschend neben mir zum Stehen kam. Ich spürte, wie mir vor Erleichterung eine ganze Wagenladung Steine von der Seele fiel. Hätte mir vor einer Viertelstunde jemand gesagt, dass ich einmal so glücklich sein würde, dieses Graffiti-verschmierte und meist hoffnungslos überfüllte Vehikel vor mir auftauchen zu sehen, hätte ich ihn für vollkommen verrückt erklärt. Doch jetzt hätte ich den Lokführer vor Dankbarkeit umarmen können.

In dem naiven Glauben, dass damit schlagartig alles vorbei war, beobachtete ich, wie die junge Frau nach vorne lief und einstieg, so weit wie möglich entfernt von diesen miesen Typen. Auch die Affenbande, wie ich die anderen Wartenden im Stillen getauft hatte, flüchtete in irgendwelche versteckten Winkel.

Ganz so leicht war es für Lukas leider nicht, denn der Anführer der Pöbeltruppe war noch nicht mit ihm fertig. Ich sah, wie er weiter heftige Verwünschungen und drohende Gesten in seine Richtung schickte, und ich wollte lieber gar nicht wissen, was passiert wäre, wenn Lukas ihm den Rücken zugedreht hätte. Aber zum Glück hatten seine Kumpels anscheinend etwas vor, was ihnen wichtiger war als eine Prügelei, denn sie zogen ihn mit sich zu einer der hinteren Türen, und die Gefahr war gebannt. Gott sei Dank!

Meine Beine fühlten sich an wie Pudding, als ich ebenfalls in die Bahn stieg – gleichzeitig mit Lukas, und beide schauten wir im selben Moment rüber zum jeweils anderen Einstieg, sodass sich unsere Blicke trafen. Doch anders als sonst strahlten und funkelten seine Augen nicht, sondern der Ausdruck darin war undefinierbar und verursachte ein merkwürdiges Grummeln in meinem Magen. Lukas musste hundertprozentig mitbekommen haben, dass ich selbst zu feige gewesen war, um einzugreifen, und genau wie die anderen nur zugeguckt hatte, wie die Typen erst die junge Frau und dann ihn bedrängt hatten. Ich hätte zu gerne gewusst, was er jetzt über mich dachte. Und was immer es war, er hatte sicherlich recht damit. Aber … Ach, keine Ahnung. Es war ja zum Glück alles gut gegangen.

Trotzdem wäre ich Lukas am liebsten hinterhergelaufen, um es ihm zu erklären und ihm zu sagen, wie froh ich war, dass wenigstens er in der Situation eingegriffen hatte. Aber dafür waren wir zu weit voneinander entfernt. Stattdessen versuchte ich ihm mit den Augen ein wortloses: „Danke, dass du dich darum gekümmert hast“, rüberzuschicken, doch da war die Gelegenheit vorbei, und die Bahn hatte ihn verschluckt.

Ich ließ mich am anderen Ende des Waggons in den letzten freien Sitz fallen und bemerkte erst jetzt, wie sehr meine Hände zitterten. Das war definitiv nicht mein Tag heute. Und die Tatsache, dass die meisten Fahrgäste angetrunkene und johlende Fußballfans auf dem Weg zum Public Viewing waren, machte die Situation nicht besser.

Aufgewühlt zog ich mein Handy aus der Tasche und schrieb eine Nachricht an Nele.

Hast du noch was von dem Teufelszeug da? Ich könnte gerade einen Schluck vertragen.

Was ist passiert?, kam es von ihr zurück. Bist du in die falsche Bahn gestiegen? Das müsstest du als Reiseverkehrskauffrau besser können. Dahinter ein Zwinker-Emoji mit ausgestreckter Zunge.

Sehr witzig!, tippte ich grummelnd. Aber das wär mir sogar lieber als der Mist, den ich eben am Bahnsteig erlebt habe.

Was war denn los? Bist du okay?

Ja. Mir geht’s gut. Aber Lukas hätte es beinah erwischt. Erzähl ich dir gleich.

Oh nein! Jetzt machst du mich neugierig. Wo bist du denn gerade?

Schillerstraße. Bin in zehn Minuten da.

Gut. Bis gleich. Pass auf dich auf!

Ich steckte mein Handy wieder weg und schaute rüber zu der Pöbeltruppe. Ihre furchtbare Musik hatten sie in der Zwischenzeit zum Glück ausgemacht. Stattdessen redeten die jungen Männer aufgeregt aufeinander ein und mussten sich wahrscheinlich gegenseitig mit ihren Erzählungen übertrumpfen, wie sie es dem Kerl gezeigt hatten, der es gewagt hatte, ihnen den Spaß mit ihrem Opfer zu verderben. Was für ein paar Armleuchter! Wie gut, dass ich kein Wort von ihrem Gerede verstehen konnte.

Was wohl weiter vorne vor sich ging? Dummerweise konnte ich Lukas von meiner Position aus nicht sehen, obwohl er als einer der wenigen Männer ohne Fußball-Trikot eigentlich leicht auffallen müsste. Tat er aber nicht.

Schließlich siegte die Neugier, also opferte ich meinen Sitzplatz und tauschte ihn gegen einen Stehplatz an der Tür ein. Dennoch dauerte es einen Moment, bis ich meinen Nachbarn entdeckt hatte bzw. zuerst das rothaarige Mädchen neben ihm. Sie wischte sich gerade über die Augen und nickte, während er ihr eine Hand auf die Schulter gelegt hatte, etwas sagte und sie damit wenigstens kurz zum Lachen brachte. Unwillkürlich musste ich lächeln. Das war Lukas, der Sonnenschein vom Dienst. Man konnte direkt dabei zusehen, wie ihm ihr Herz zuflog, und ich hoffte bloß, dass sich dieses Teenie-Mädchen nicht gleich hoffnungslos Hals über Kopf in ihn verliebte. Ich an ihrer Stelle hätte es bestimmt getan, und in diesem Augenblick wünschte ich mir beinah, die Typen hätten es auf mich abgesehen gehabt und ich wäre diejenige, die sich jetzt von Lukas trösten lassen durfte. Dann sah ich wieder die Szene am Bahnsteig vor mir, und mir lief es kalt den Rücken runter. Nein, vielleicht doch lieber nicht.

Gedankenverloren schaute ich aus dem Fenster und träumte vor mich hin, während die Bahn ruckelnd zum Stehen kam, Leute ausspuckte und andere wieder einsammelte. Draußen auf dem Bahnsteig entdeckte ich plötzlich das rothaarige Mädchen, das zielstrebig auf einen jungen Mann zusteuerte. Ich beobachtete lächelnd, wie dieser die Arme ausbreitete, sie an sich zog und küsste. Ja, der passte definitiv besser zu ihr als einer dieser Pöbeltypen, und ich freute mich, dass da jemand war, der sich nach dem Schreck um die junge Frau kümmerte. Gleichzeitig wurde mir bewusst, dass Lukas jetzt alleine da vorne saß. Alles in mir drängte, zu ihm zu gehen. Doch die Bahn war mittlerweile unglaublich voll, und ich war kaum vorwärtsgekommen, als bereits die nächste Haltestelle erreicht war und Lukas aufstand und zur Tür ging.

Bedauernd schaute ich ihm hinterher, wie er umringt von einer Horde Fußballfans aus der Bahn stieg und am Waggon entlang Richtung Berliner Platz davonging. Ich beschwor ihn im Stillen, zu mir raufzugucken, und tatsächlich hob er einen Moment später den Kopf, sah mich und lächelte mir zu, genauso strahlend wie eh und je. Er hob grüßend die Hand und war kurz darauf aus meinem Blickfeld verschwunden.

Mühsam versuchte ich, die dummen Schmetterlinge im Bauch wieder zu beruhigen, aber die blöden Viecher hatten ihren eigenen Willen und kribbelten weiter. Ich war erleichtert, dass Lukas mir mein Verhalten am Bahnsteig nicht übel genommen hatte. Und trotzdem blieb ein nagendes Gefühl, dass ich es ihm erklären sollte. Dass ich ihm und auch der jungen Frau helfen wollte, aber keine Ahnung hatte, wie. Vielleicht sollte ich einfach aussteigen, um wenigstens kurz mit ihm zu reden. Die zwanzig Minuten, bis die nächste Bahn kam, würde Nele schon verkraften.

Mit plötzlicher Entschlossenheit drehte ich mich um und versuchte, an einem Kinderwagen vorbeizukommen, doch es war zu spät. Ehe ich am Ausstieg angekommen war, fing es an zu piepen, die Türen gingen zu, und die Bahn fuhr weiter. Durch das Fenster sah ich, wie Lukas die Straße überquerte, anschließend blieben mir nur meine Was-wäre-wenn-Gedanken. Was, wenn ich es geschafft hätte, rechtzeitig zur Tür zu kommen? Was, wenn er gemerkt hätte, dass ich bloß seinetwegen ausgestiegen war? Hätte er dann vielleicht erkannt, dass ich mehr von ihm wollte als eine gute Nachbarschaft? Und was, wenn er dabei festgestellt hätte, dass es ihm genauso ging? Oder eben nicht?

Oh Mann! Dieser Kerl war nicht gut für meinen Seelenfrieden. Nele hatte recht, ich musste etwas tun. Entweder würde dadurch diese blöde Sehnsucht nach Lukas gestillt werden oder ich würde krachend auf dem Boden der Tatsachen landen, wüsste dann aber wenigstens, woran ich war. Dumm nur, dass ich anschließend keine Möglichkeit hatte, ihm aus dem Weg zu gehen. Wie auch, wenn man Tür an Tür wohnte? Gar nicht so einfach, das Ganze.

Als ich an der nächsten Haltestelle ausstieg, wurde ich am Bahnsteig von Nele empfangen und in eine stürmische Umarmung gezogen.

„Ich dachte, ich hole dich lieber ab“, plapperte sie munter drauflos und hakte sich bei mir ein. „Nicht, dass dir wieder etwas Blödes passiert. Also erzähl! Was war da los?“

Ich war so froh, sie zu sehen, und atmete erleichtert auf.

„Da waren vier Typen, die eine junge Frau belästigt haben“, fing ich mit meinem Bericht an und drehte mich um, um mich zu vergewissern, dass die Idioten weiterfuhren und sich nicht als Nächstes hier an der Haltestelle ein neues Opfer suchten. Aber sie waren nicht mehr da, und an dem Platz, wo sie bis vorhin gesessen hatten, hatte sich in der Zwischenzeit eine Familie mit zwei Kindern niedergelassen. Ich überlegte kurz, ob ich mich in der Reihe vertan hatte, doch ich war mir hundertprozentig sicher, dass es genau dieser Platz gewesen war.

Nachdenklich runzelte ich die Stirn und warf einen prüfenden Blick über den Bahnsteig. Die Pöbeltruppe war nirgends zu sehen. Was einerseits gut war. Andererseits bedeutete das, dass sie an derselben Haltestelle wie Lukas ausgestiegen sein mussten, denn davor hatten sie definitiv im Waggon gesessen.

„Was ist?“, fragte Nele, als ich plötzlich stehen blieb.

„Ich weiß nicht“, murmelte ich unsicher, schaute nach rechts und links und scannte mit den Augen die zahlreichen Gesichter um mich herum ab, aber die Typen waren nicht unter ihnen. In Kurzform versuchte ich meiner Freundin zu erklären, was passiert war und dass ich ein mulmiges Gefühl hatte, weil die zwielichtigen jungen Männer mit Lukas zusammen ausgestiegen waren.

„Ach“, meinte Nele in ihrer unbekümmerten Art und lachte sogar dabei. „Das heißt gar nichts. Am Berliner Platz ist das Public Viewing. Da muss man sich, glaub ich, eher Gedanken um die Männer machen, die nicht dort aussteigen.“

Ich verzog das Gesicht zu einem halbherzigen Lächeln und versuchte, mich zu beruhigen. Sie hatte bestimmt recht damit, dass es bloß Zufall war, auch wenn mir dieser überhaupt nicht gefiel.

„Na komm!“ Nele stupste mich aufmunternd in die Seite. „Was du brauchst, ist etwas zu trinken und ein bisschen Ablenkung, dann sieht die Welt wieder anders aus. Sieh es doch mal so: Du hast jetzt einen super Grund, morgen ganz beiläufig bei Lukas anzuklingeln und zu fragen, wie es ihm geht nach der Geschichte.“

Sie grinste mich dermaßen selbstzufrieden an, dass ich lachen musste. „Du kannst es nicht lassen, oder?“

„Nö. Also, was meinst du? Auf ins Old Chap?“

Ich nickte langsam, rührte mich jedoch keinen Zentimeter von der Stelle, denn so leicht konnte ich den Gedanken an Lukas und die vier Typen nicht abschütteln.

„Ach, Anna-Maus“, sagte Nele sanft. „Ich kann ja verstehen, dass das eine Scheißsituation war. Aber Lukas ist ein großer Junge, und am Berliner Platz ist es rappelvoll. Was sollte ihm da passieren?“

Ich stieß ein bitteres Lachen aus, schließlich hatte ich vorhin selbst erst erlebt, dass es nichts zu bedeuten hatte, wie viele Leute da waren, wenn alle nur wegguckten und niemand reagierte. Schlagartig stieg heiße Scham in mir auf, weil ich ebenfalls nicht gehandelt hatte.

„Was hättest du eigentlich an meiner Stelle gemacht?“, wollte ich von meiner Freundin wissen, woraufhin sie nachdenklich die Unterlippe zwischen die Zähne zog.

„Keine Ahnung. Wahrscheinlich den anderen Männern an der Haltestelle einen Tritt in den Hintern gegeben, damit sie etwas tun. Oder irgendwie so was.“

Tja, das hätte ich wohl auch tun sollen. Aber jetzt war es zu spät.

„Hast du seine Nummer nicht?“, fragte Nele in meine Gedanken hinein. „Dann ruf Lukas doch an und frag ihn, ob alles okay ist. Wenn das grad so übel war, wie du sagst, wird er verstehen, dass du dir Sorgen machst, und sich garantiert auch ein bisschen gebauchpinselt fühlen.“

„Schön wär’s. Aber woher sollte ich seine Nummer haben?“

„Mein Gott!“, stöhnte sie. „Ihr seid solche Trantüten! Ich an deiner Stelle hätte längst Nummern und Wohnungsschlüssel ausgetauscht und mich zum Blumengießen angeboten. Könnte ja immer mal ein Notfall sein, oder nicht?“

„Sagt die, die selbst den Klempner kaum ohne polizeiliches Führungszeugnis in ihre Wohnung lässt“, erwiderte ich skeptisch.

„Hallo?!“, gab Nele empört zurück. „Wir reden hier über deinen Lukas und nicht über einen völlig fremden, augenscheinlich notgeilen Testosteron-Strotz im Blaumann.“

Ich grinste sie kurz an und brütete anschließend weiter schweigend vor mich hin.

„Hey“, redete Nele beruhigend auf mich ein. „Dem geht’s bestimmt gut. Und wenn er wüsste, was in deinem Köpfchen grad so vor sich geht, wäre er ganz schön blöd, wenn er dich nicht sofort schnappen und dir deine ganzen Grübeleien einfach wegvö… äh … ich meine, wegküssen würde.“

Ob ich wollte oder nicht, ich musste lachen. „Du hast echt einen Knall.“

„Ich weiß. Und wenn du mich fragst, gibt es jetzt drei Möglichkeiten. Erstens: Wir gehen ins Old Chap, machen uns keinen Kopf mehr um Dinge, die eh nicht so sind wie du glaubst, und haben einen schönen Abend. Zweitens: Wir fahren zu dir nach Hause, igeln uns ein und erzählen uns gegenseitig Horrorgeschichten, bis Lukas nach Hause kommt und unsere panischen Schreie hört. Oder drittens: Wir fahren zum Berliner Platz und gucken nach, ob es ihm gut geht. Aber dir ist hoffentlich klar, dass eine Nadel im Heuhaufen nichts dagegen ist.“

Ich schaute sie an und wusste, dass meine Freundin ohne Weiteres auf ihre Chance mit dem Mann vom Postschalter verzichtet hätte, um genau das zu tun. Doch dann stellte ich mir vor, wie wir beim Public Viewing aufkreuzten und Lukas und seine Kollegen sich über meinen Auftritt als seine Babysitterin schlapplachen würden. Ganz abgesehen davon, dass wir ihn erst mal unter Tausenden Leuten finden mussten.

Innerlich schüttelte ich über mich selbst den Kopf und überlegte, was Lukas sagen würde, wenn er wüsste, was gerade in mir vorging. Auslachen würde er mich sicher nicht, dafür war er viel zu charmant. Aber ich konnte direkt vor mir sehen, wie seine Augen amüsierte Funken sprühten.

Also gut, rief ich mich selbst zur Ordnung. Mach dir nicht in die Hose, Anna! Der kommt schon klar und hat wahrscheinlich längst das erste Bier intus, während du dich hier von deinen Hirngespinsten veräppeln lässt.

Ich atmete tief durch und schaute meine Freundin an. „Okay“, sagte ich. „Lass uns ins Old Chap gehen. Ich brauche jetzt dringend einen Schnaps oder so was.“

Nele grinste zufrieden, hakte sich bei mir ein und dirigierte mich Richtung Ausgang. „So gefällst du mir schon besser.“

Am Ende wurde der Abend trotz allem unerwartet schön. Nachdem Nele mir gestanden hatte, dass ihr Traumprinz bloß bemerkt hatte, ob es sein könnte, dass er sie neulich im Old Chap gesehen hatte, glaubte ich kaum, dass er deshalb ausgerechnet heute hier auftauchen würde. Aber er kam tatsächlich kurz nach uns in die Kneipe und hatte zudem einen sehr sympathischen Freund mit dabei. Leon war zwar in festen Händen und ohnehin nicht unbedingt mein Typ, aber wir hatten eine Menge Spaß miteinander, während Nele und ihr Postmann baggerten, was das Zeug hielt. Timm schien völlig hingerissen von ihr zu sein und vergaß immer öfter, nebenbei einen Blick auf den Fernseher in der Ecke zu werfen, auf dem das Fußballspiel übertragen wurde.

Ich grinste vergnügt in mich hinein, als ich feststellte, dass Nele auch keinen Exoten erwischt hatte. Wobei ihm meine Freundin für den Moment wirklich wichtiger zu sein schien als das Spiel. Aber ich glaubte mich zu erinnern, dass es damals bei mir und Jan ebenso gewesen war, bevor ich nach und nach immer weiter ins Abseits abgeschoben wurde und die Sache beendete.

Um uns herum wurde laut gejubelt, als feststand, dass die deutsche Mannschaft das Spiel gewonnen und den Einzug ins Achtelfinale geschafft hatte. Auch Timm ließ sich davon mitreißen, zog meine verblüffte Freundin übermütig in seine Arme und wirbelte sie einmal in die Runde. Ihr Gesicht war goldwert. Sie strahlte mich glücklich an, und ich versuchte mühsam, mich für sie zu freuen und nicht daran zu denken, wie gerne ich selbst in diesem Moment jemanden an meiner Seite gehabt hätte. Lukas zum Beispiel. Sehnsüchtig nippte ich an meinem Cocktail und fragte mich, wie es ihm wohl gerade ging beim Rudelgucken.

Gegen ein Uhr verabschiedete ich mich von den anderen und gönnte mir ein Taxi für den Heimweg. Mein Bedarf an Bahnfahrten war für heute mehr als gedeckt. Außerdem war ich müde und angetrunken und wollte so schnell wie möglich ins Bett.

Draußen vor dem Haus schaute ich an der Fassade hoch zu Lukas‘ Wohnung in der Hoffnung, dass dort Licht brannte. Mein alkoholisiertes, wagemutiges Ich hätte dann vielleicht bei ihm geklingelt, um sich zu vergewissern, dass bei ihm alles in Ordnung war. Doch hinter seinen Fenstern war alles dunkel. Kein Wunder, nachts um halb zwei. Wahrscheinlich schlief er schon. Oder er war nach dem Public Viewing mit seinen Kollegen weiter durch die Stadt gezogen und machte das Nachtleben unsicher, denn Lukas war eigentlich nicht der Typ, den ich mir am Samstagabend alleine zu Hause auf dem Sofa vorstellen konnte.

Seufzend schloss ich die Haustür auf, stieg die zwei Stockwerke hoch zu meiner Wohnung und fiel von den Cocktails benebelt in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

Aus diesem wurde ich am nächsten Morgen unsanft herausgerissen, als das Handy klingelte und meine Schwester anrief. Im selben Moment, in dem ich ihren Namen auf dem Display las, fiel mir siedendheiß ein, dass ich etwas vergessen hatte. Kathi und ihr Mann waren heute zur Geburtstagsfeier seines Chefs eingeladen, und ich sollte den kleinen Flo hüten. Schon vor Wochen hatten wir verabredet, dass mein Schwager mich abholen und ich mich bei ihnen zu Hause um mein Patenkind kümmern würde.

Mist! Nele hatte mich gestern so mit ihrem blöden Old Chap überrumpelt, dass ich es völlig verschwitzt hatte. Also hieß es Beine in die Hand nehmen, denn Mark war bereits unterwegs und würde spätestens in einer halben Stunde bei mir sein.

Zwischen Dusche, Anziehen und einer schnellen Tasse Kaffee rief auch noch Nele an, die mir unerträglich glücklich jedes einzelne Detail über ihren Timm erzählen wollte. Ich vertröstete sie auf später und wappnete mich innerlich für den anstrengenden Tag mit einem extrem munteren Dreijährigen. Zum Glück hatte ich gestern Abend nicht allzu viel getrunken, sonst hätte ich jetzt ein echtes Problem.

Ich hatte gerade den letzten Schluck Kaffee runtergeschluckt und räumte meine Tasse in die Spüle, als es bereits an der Tür klingelte.

„Bin unterwegs!“, rief ich Mark durch die Gegensprechanlage zu, schnappte mir meine Sachen und machte mich auf den Weg.

Im Hausflur wanderte mein Blick wie von selbst rüber zur Nachbarwohnung, und ich fragte mich, ob Lukas wohl auch schon wach war. Flüchtig tauchte eine Erinnerung an die Szene vom Bahnsteig in meinem Kopf auf. Doch im Großen und Ganzen hatte ich den Vorfall bereits verdrängt und als ein kleines, unbedeutendes Zwischenspiel abgehakt. Stattdessen rief ich mir lieber Lukas‘ strahlendes Lächeln vor Augen, und wie auf Knopfdruck waren auch die Schmetterlinge wach, um mit mir in den Tag zu flattern.

Felix

Nach einem geselligen Abend in der Hotelbar, einem unerwartet lehrreichen Rest des Seminars und einer überraschend staufreien Heimreise kam ich am Montagmorgen gut gelaunt zur Arbeit und staunte ein wenig über die verblüffte Reaktion meiner Kollegen. Hatte ich tatsächlich so lange nicht mehr gelacht und Späße gemacht? Wie es aussah, hatte Lukas recht, und ich hatte mich nach der Trennung von Steffi stärker verändert, als ich dachte. Doch den Gedanken an sie verdrängte ich schnell, ehe die schlechte Laune zurückkehrte. Stattdessen machte ich mich mit Schwung an die Arbeit.

In der Mittagspause setzte ich mich draußen vor der Praxis in die Sonne und checkte auf meinem Smartphone die Nachrichten, die in der Zwischenzeit eingegangen waren. Hauptsächlich waren es Anfragen von Freunden, ob ich am kommenden Wochenende nicht dieses oder jenes mit ihnen unternehmen wollte, wobei ich prompt an Lukas‘ Worte denken musste. Von wegen komischer Einsiedler!

Mit einem zufriedenen Lächeln antwortete ich meinen Leuten, dass ich diese Woche leider schon verplant war, aber gerne ein anderes Mal darauf zurückkommen würde.

Als ich schließlich einen Blick in mein E-Mail-Postfach warf, erstarrte ich. Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Hatte ich diesem verdammten Makler nicht deutlich genug zu verstehen gegeben, dass wir wirklich nur am Samstagmorgen Zeit hatten, weil Lukas zu weit weg wohnte, um innerhalb der Woche herzukommen? Und jetzt war dem werten Herrn angeblich etwas dazwischengekommen, und er fragte, ob wir uns nicht doch schon am Freitagabend treffen konnten. Er wäre auch zu einem späten Termin außerhalb der normalen Zeiten bereit. Na, wie gnädig!

Ich stieß geräuschvoll die Luft aus und überlegte, ob Lukas in dieser Woche Früh- oder Spätschicht hatte. Wenn er Frühschicht hätte, könnte es funktionieren. Wenn nicht, dann würde sich der Verkauf des Hauses weiter verzögern.

Ziemlich angepisst wechselte ich zu WhatsApp und schrieb Lukas: Ruf mich bitte mal an, sobald du kannst! Dringend!

Doch ich wartete vergeblich. Bis nachmittags um vier hatte er meine Nachricht nicht einmal gelesen, obwohl er entweder um diese Zeit längst zu Hause war oder sie vor der Arbeit noch gesehen haben musste.

Weitere zwei Stunden später, als ich selbst Feierabend machte, hatte ich die Faxen dicke und rief ihn an, auch auf die Gefahr hin, ihn mitten in der Schicht zu erwischen.

„Der angerufene Teilnehmer ist momentan nicht erreichbar“, teilte mir eine Frauenstimme vom Band mit. „Wenn Sie eine Rückrufbenachrichtigung per SMS senden wollen, drücken Sie …“

Shit! Frustriert unterbrach ich die Ansage und schickte Lukas selbst eine Nachricht. Aber den Rest des Abends wartete ich weiterhin vergeblich auf eine Antwort.

Im Stillen verfluchte ich meinen unzuverlässigen Bruder, der sich wahrscheinlich gerade irgendwo vergnügte und bloß keinen Bock auf mich und diesen langweiligen Organisationskram hatte. Ärgerlich scrollte ich unsere letzten Chats bei WhatsApp durch, bis ich einen Hinweis darauf gefunden hatte, dass er in seiner zweiten Woche in der neuen Firma Spätschicht gearbeitet hatte. Demnach hatte er diese Woche Frühschicht, und wenn er sich bis morgen früh nicht gemeldet hatte, würde ich dem Makler für Freitagabend zusagen. Dann musste Lukas sehen, dass er herkam, egal, was er sonst geplant hatte.

Punkt! Aus! Ende der Durchsage!

Anna

Als ich am Montagabend von der Arbeit nach Hause kam, stand vor unserer Haustür ein junger Mann, der an der Fassade hochblickte und etwas ratlos wirkte. Ich hatte ihn nie zuvor hier gesehen, aber er machte einen recht harmlosen Eindruck, deshalb trat ich ohne zu zögern neben ihn, zog meinen Schlüssel aus der Tasche und sagte: „Hallo.“

„Hallo“, erwiderte er automatisch und drehte sich zu mir um.

Wir musterten uns schweigend, und ich fragte mich, ob er eventuell Hilfe brauchte. Vermutlich wollte er zu einem der Studenten aus der WG im Dachgeschoss, bei der so oft die Bewohner wechselten, dass sich längst keiner mehr die Mühe machte, die Namensschilder an der Klingel auszutauschen. Kein Wunder, dass man da als Besucher überfordert war.

„Suchst du jemanden?“, erkundigte ich mich freundlich.

Der junge Mann runzelte nachdenklich die Stirn und antwortete etwas zerstreut: „Ja … das heißt, nein. Ich wollte eigentlich zu Lukas Engelhardt, aber er scheint nicht da zu sein.“

„Ach so“, gab ich möglichst neutral zurück, während mein Herz alleine bei der Erwähnung seines Namens einen kleinen Hüpfer außer der Reihe machte. „Wart ihr denn verabredet?“

„Nein.“

„Tja, dann hast du wohl einfach Pech gehabt.“ Ich steckte meinen Schlüssel ins Schloss und erwartete, dass er sich daraufhin verabschieden und gehen würde. Doch er rührte sich nicht von der Stelle, und ich spürte, dass er noch etwas loswerden wollte.

„Kennst du Lukas?“, fragte er, ehe ich die Tür aufschließen und im Haus verschwinden konnte. „Also, wenigstens vom Sehen, meine ich? Er ist erst vor ein paar Wochen hierhergezogen.“

„Ja“, sagte ich und drehte mich wieder zu ihm um. „Er wohnt direkt neben mir. Wieso?“

Er zögerte kurz. „Hast du ihn zufällig seit dem Wochenende mal gesehen?“

Ich sah ihn überrascht an: „Warum willst du das wissen?“

Ich hatte schließlich keine Ahnung, wer er war, und da konnte ja jeder daherkommen, um die Nachbarn auszuhorchen. Andererseits … Jetzt, wo er danach fragte, fiel mir auf, dass ich tatsächlich nicht wusste, ob Lukas seit unserer letzten Begegnung am Samstagabend noch einmal hier gewesen war. Und das, obwohl ich ihn dank seines polternden Hais eigentlich immer hörte, wenn er nach Hause kam. Allerdings war ich selbst ebenfalls unterwegs gewesen, überlegte ich im Stillen. Gestern bei Flo, der mir wirklich alles abverlangt und bloß eine erschöpfte Hülle von mir übrig gelassen hatte, und heute bei der Arbeit. Aber mich beschlich plötzlich ein dumpfes Gefühl, dass hier etwas nicht stimmte.

„Ich bin ein Kollege von Lukas“, erklärte der Fremde, der meine Unsicherheit zu spüren schien. „Wir waren Samstagabend mit ein paar anderen aus unserem Team zum Public Viewing verabredet und …“

„Ja, ich weiß“, unterbrach ich ihn auf einmal seltsam angespannt. „Und da wollte er auch hin. Wir haben uns direkt vorher zufällig getroffen und darüber geredet.“

Der junge Mann lächelte nachsichtig. „Er war auch bei uns, und wir hatten einen coolen Abend miteinander“, meinte er. „Aber seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört. Dabei hatten wir uns eigentlich für Sonntag bei mir verabredet, weil die Jungs Lukas von meiner Plattensammlung erzählt haben und er sie unbedingt mal sehen wollte. Aber er ist nicht gekommen und hat sich auch nicht gemeldet. Ich habe erst gedacht, er hat es verpennt, weil wir am Samstag schon ziemlich was gebechert hatten. Aber nachdem er heute bei der Arbeit auch nicht aufgetaucht ist und keiner was von ihm gehört hat, dachte ich, ich gucke mal lieber, ob bei ihm alles in Ordnung ist.“