Dirty Talk. Ivy & Brent - Megan Erickson - E-Book

Dirty Talk. Ivy & Brent E-Book

Megan Erickson

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Beschreibung

Er liebt sie, aber er darf es nicht. Sie will ihn, traut sich aber nicht ihn zu lieben. Brent Payton arbeitet hart und will am Abend seinen Spaß haben. Sein Ruf als Player eilt ihm stets voraus. Dabei steckt hinter der Fassade des Draufgängers viel mehr. Nur dass das niemand sieht. Bis Ivy plötzlich in der Tür steht, mit ihren wallenden Haaren und großen braunen Augen. Und weil sie die Schwester seiner neuen Kollegin in der Autowerkstatt ist, darf zwischen den beiden eigentlich nichts laufen. Das führt natürlich dazu, dass Brent sie nur noch mehr will. Doch Ivy hat den Männern abgeschworen. Zu oft und zu lange bestimmte ein Mann ihr Leben - und das ihrer kleinen Tochter Violet. Damit ist jetzt Schluss, sie steht auf eigenen Beinen. So weit, so gut. Bis sie bei einem Besuch in der Werkstatt Brent trifft. Und plötzlich möchte sie all ihre Prinzipien über Board werfen ...

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Veröffentlichungsjahr: 2017

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Das Buch

Brent Payton rühmt sich gern damit, jede attraktive Singlefrau in einem Umkreis von zehn Meilen zu kennen. Nur diese Traumfrau, die eines Tages in seiner Autowerkstatt auftaucht, hat er noch nie gesehen. Augenblicklich schaltet sich sein Playerinstinkt ein – bis sich herausstellt, dass Ivy die Schwester seiner neuen Kollegin ist und somit tabu für ihn.

Ivy hingegen sollte keine Probleme haben, dem sexy Mechaniker zu widerstehen, schließlich ist sie schon viel zu oft und herb von Männern enttäuscht worden. Ihre Tochter Violet will sie deshalb gemeinsam mit ihrer Schwester und vor allem unbehelligt von Männern großziehen. Doch unter Brents Fassade als Draufgänger blitzt etwas auf, das sie nicht loslässt …

Die Autorin

Megan Erickson arbeitete als Journalistin und berichtete über das wahre Leben. Bis sie merkte, dass sie lieber ihre eigenen Happy-Endings schreiben wollte. Seither schreibt sie New Adult, Sexy Romance und Gay Romance. Sie lebt mit ihrem Mann, zwei Kindern und zwei Katzen in Pennsylvania.

Homepage der Autorin: meganerickson.org

Von Megan Erickson ist in unserem Hause bereits erschienen:

Dirty Thoughts – Jenna & Cal

Megan Erickson

DIRTY TALK

Ivy & Brent

Roman

Aus dem Amerikanischen von Sybille Uplegger

Ullstein

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ISBN 978-3-8437-1511-9

© für die deutsche Ausgabe Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2017© 2015 by Megan EricksonThis edition published by arrangement with Avon Impulse,an imprint of HarperCollins Publishers, LLC.Titel der amerikanischen Originalausgabe: Dirty Talk. A Mechanics of Love NovelUmschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®, München

E-Book: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin

Alle Rechte vorbehalten

Für meinen Sohn, der ununterbrochen von den Avengers redet. In diesem Buch kommst Du auf Deine Kosten, Schatz.

Kapitel 1

Brent Payton wollte bei der Arbeit anständige Musik hören.

Nicht dieses Pop-Rock-Gedudel, das im Radio kam, sondern echten Rock ’n’ Roll. Im Moment hatte er wirklich eine Dosis George Thorogood nötig. Vielleicht »Bad to the Bone«? Das war noch besser als eine Tasse Kaffee, die er an diesem Montagmorgen auch sehr gut vertragen hätte.

Er hatte vorgeschlagen, von seinem Geld ein iPod mit Docking-Station für die Werkstatt anzuschaffen, damit er seine eigene Musik hören konnte. Sein Vater, der alte Technikmuffel, hatte darauf reagiert, als wollte Brent sich ein Raumschiff kaufen.

Das war also wohl vom Tisch.

»Brent!«, kam Cals Stimme aus der anderen Grube der Autowerkstatt Payton and Sons Automotive.

»Ja?«

»Was läuft da für ein Mist im Radio? Dreh das leiser. Meine Ohren fangen gleich an zu bluten.«

Brent schnaubte. Cal war von Natur aus nicht gerade ein Sonnenschein, aber seit er mit dem Rauchen aufgehört hatte und ein Nikotinpflaster verwendete, war es mit ihm kaum noch auszuhalten. Also widersprach er nicht, sondern stellte die Musik leiser.

Ein Truck bog mit röhrendem Motor auf den Hof ein. Brent drehte sich um und spähte durch zusammengekniffene Augen hinaus, um zu sehen, wer der Ankömmling war.

Alex Dawn, die neue Mechanikerin, die sie vor einer Woche eingestellt hatten, stiefelte in Baggy Jeans und engem T-Shirt in die Werkstatt. Sie hatte sich ein Tuch um den Kopf gebunden und hielt eine Banane in der Hand.

Brent grinste und gesellte sich zu ihr, als sie an der Tür zum Büro den Arbeitsplan für den Tag studierte. Sie pellte ihre Banane und biss ein Stück ab.

Er beugte sich zu ihr und atmete tief ein. »Ich liebe den Geruch von Östrogen am Morgen.«

Ihre Lippen zuckten nur einmal ganz kurz, ehe sie sich zu ihm herumdrehte und mit einem harten Boxhieb gegen seinen Oberarm antwortete. Die Frau konnte zuschlagen.

Er jaulte übertrieben auf und hielt sich den Arm, ließ ihn schlaff herunterhängen, als könne er ihn nicht mehr bewegen. »Ich bin verletzt! Jetzt kann ich nicht mehr arbeiten!«

Während Alex ihn in milder Belustigung ansah, nutzte er die Gelegenheit, schnappte sich ihre Banane und verschlang die Hälfte davon mit einem Bissen.

»Du Arsch! Das war mein Frühstück!« Alex verpasste ihm einen Schlag in die Magengrube, woraufhin er so heftig lachen musste, dass er sich fast an der Banane verschluckt hätte. »Na warte, dafür klaue ich dir das Snickers, das du im Büro gebunkert hast.«

Vor lauter Schreck richtete er sich kerzengerade auf. »Das würdest du nicht wagen.«

»Und ob«, sagte sie selbstzufrieden. Hexe.

»Das bedeutet Krieg, Weib.«

Sie warf die Bananenschale in hohem Bogen weg, so dass sie auf seiner Schulter landete. »Dann Finger weg von meiner Banane.«

»Hört sich ziemlich versaut an«, meinte er, pflückte die Bananenschale von seiner Schulter und beförderte sie in den Abfalleimer.

»Haltet ihr zwei jetzt endlich den Rand und geht an die Arbeit?«, blaffte sein Vater Jack, der den Kopf aus der Bürotür steckte. »Man könnte glatt meinen, ihr seid verwandt.«

Brent zuckte mit den Schultern und ging zu dem Minivan, dessen Reifen er gerade wechselte. Alex feixte ihn von ihrer Werkstattgrube aus an. Brent zwinkerte ihr zu.

Anfangs war die Zusammenarbeit mit ihr nicht leicht gewesen. Sie schleppte irgendein Problem mit sich herum, über das sie nicht reden wollte, und Brent hatte sich einen Spaß daraus gemacht, zu versuchen, es aus ihr herauszukitzeln – was nur dazu geführt hatte, dass sie sich ständig angifteten. Doch seit ein Kunde einmal unfreundlich zu ihr gewesen war, weil sie eine Frau war, und sie ihm daraufhin gesagt hatte, er könne sie mal am Arsch lecken, bei Payton and Sons nahm man es mit dem Motto »Der Kunde ist König« nicht immer so genau, betrachtete er sie mit neugewonnenem Respekt. Und weil Brent ihr vor besagtem Kunden beigesprungen war, hatte sich auch ihre Einstellung zu ihm geändert. Seitdem pflegten sie eine Art Bruder-Schwester-Beziehung, die ihm richtig Spaß machte. Normalerweise pflegte Brent nämlich keine Freundschaften zu Frauen – erst recht nicht zu Frauen, die er nicht flachgelegt hatte.

Aber die Sache mit Alex war … Er wollte sie gar nicht flachlegen. Und es lag nicht daran, dass sie nicht attraktiv gewesen wäre, denn das war sie. Die Chemie zwischen ihnen stimmte einfach nicht. Was Brent wunderte, denn er war gewissermaßen wie Wasserstoff: Er reagierte auf alles.

Den Rest des Vormittags arbeitete er still vor sich hin und sang leise mit, wann immer ein halbwegs anständiger Song im Radio kam. Er machte den Minivan fertig und wandte sich dann dem nächsten Job zu.

Er war gerade dabei, bei einem alten Toyota das Öl abzulassen, als er aus dem vorderen Bereich der Werkstatt Stimmen hörte. Er sah, wie Dick Carmichael sich mit Alex unterhielt. Sie wies nach hinten in die Richtung, in die Cal kurz zuvor verschwunden war. Die Carmichaels waren seit Urzeiten Kunden der Werkstatt, schon bevor Brent dort angefangen hatte. Dick war früher Buchhalter gewesen, aber mittlerweile in Rente; seine Frau schnitt den Leuten zu Hause die Haare.

»Kann ich dir vielleicht weiterhelfen, Dick?«, fragte Brent im Näherkommen.

Der Mann drehte sich zu ihm um. »Morgen, Brent. Ach, ist schon in Ordnung. Ich warte einfach auf Cal.«

»Also, wenn du was brauchst …«

Dick winkte ab. »Ist schon gut. Kannst ruhig wieder an die Arbeit gehen. Willst ja bestimmt bald Mittagspause machen.« Er tätschelte ihm die Schulter wie einem kleinen Kind und lachte leise. »Dein Dad meint immer, das ist für dich das Wichtigste am ganzen Arbeitstag.«

Brent schluckte seinen aufsteigenden Ärger hinunter. Erstens: Welche Autosorgen Carmichael auch immer hatte, Brent konnte ihm dabei genauso gut behilflich sein wie Cal. Zweitens: Ja, Brent aß gern und viel, aber das bedeutete nicht, dass er faul war.

Trotzdem nickte er bloß und ging zurück zu seinem Toyota. Er sah nicht auf, als Cal zurückkam und Dick mit ihm besprach, was an seinem Auto erledigt werden sollte – Arbeiten, die am Ende vermutlich sowieso Brent zugeteilt würden. Aber er war eben nicht der vertrauenswürdige Cal.

Und er war auch nicht Max, ihr jüngerer Bruder und der Erste aus der Familie, der aufs College gegangen war.

Brent war das Sandwichkind, der Clown, die Stimmungskanone. Der Verantwortungslose.

Wen interessierte es da schon, dass er in der Werkstatt arbeitete, seit er sechzehn war? Wen interessierte es, dass er Autos in- und auswendig kannte und jeden Job praktisch blind erledigen konnte? Wen interessierte es, dass auf ihn immer Verlass war, auch wenn ihn niemand so behandelte?

Er spürte einen Schmerz im Handgelenk und sah auf seinen Arm herab. Seine Adern und Sehnen traten unter der Haut hervor, so fest hielt er den Schraubenschlüssel umklammert.

Er lockerte den Griff und warf das Werkzeug neben sich auf die Bank.

Er musste wirklich aufhören, sich in Selbstmitleid zu suhlen.

So war nun mal das Leben. Er war glücklich (meistens) und frei (keine Frau, keine Verpflichtungen). War es so wichtig, dass ihn die Leute nicht ernst nahmen? Er spielte seine Rolle gut, man konnte es ihnen also wohl nicht verdenken.

»Warum so bedrückt, Igelschnäuzchen?«, fragte Alex neben ihm, als sie sein Gesicht sah.

Er verzog die Lippen zu einem Grinsen, lehnte sich mit der Hüfte gegen den Tresen und verschränkte die Arme vor der Brust. »Wusste ich doch, dass du auf mich stehst, Zuckerbacke.«

Ihre Augen wurden schmal, doch sie schürzte die Lippen, um ein Schmunzeln zu verbergen. »Träum weiter.«

Er stieß einen theatralischen Seufzer aus. »Du bist genau wie all die anderen. Jede will ein Stück von Brent. Aber entspann dich, Alex, es ist genug für alle da, du musst mich nicht erst mit süßen Kosenamen weichkochen.«

Jemand räusperte sich. Als Brent sich umdrehte, entdeckte er eine Frau in ihrer Nähe. Sie hatte eine Hand locker in die Seite gestemmt, in der anderen schlenkerte sie eine Papiertüte. Fragend zog sie ihre dunklen Augenbrauen hoch, ihre vollen roten Lippen waren leicht gespitzt.

Brent blinzelte. Hoffentlich war das keine Fata Morgana.

Tory, Maryland war nicht groß, und er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, jede alleinstehende junge Frau innerhalb der Stadtgrenzen – und etwa zehn Meilen darüber hinaus – zu kennen.

Aber diese hier? Die hatte er noch nie zuvor gesehen. Denn er hätte sich garantiert an sie erinnert.

Umwerfend. Lange Haare, die so dunkel waren, dass sie fast schwarz wirkten. Ein perfektes Gesicht. Es war September und noch warm, und sie trug ein enges gestreiftes Kleid, das ihr bis zur Mitte der Oberschenkel reichte. Sie war zierlich, mindestens dreißig Zentimeter kleiner als er. Scheiße, was ihm bei ihrem Anblick alles durch den Kopf ging … Ob sie Yoga machte? Zierlich und gelenkig, das wäre sein Untergang.

Schmale Taille, runde Hüften, große Brüste.

Kein Ring.

Bingo.

Er lächelte. Okay, vermutlich war sie eine Kundin, aber es wäre ja nicht das erste Mal, dass er die Werkstatt-Umgebung nutzte, um Eindruck zu schinden. Normalerweise reichte es, ein paar Reifen durch die Gegend zu werfen oder einen Motor aufheulen zu lassen, und schon rückten die Frauen bereitwillig Telefonnummer und Adresse heraus. Es hielt ihn sowieso keiner für besonders professionell. Warum sollte er sich dann so verhalten?

»Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«

Sie blinzelte. Lange Wimpern senkten sich über große blaue Augen. »Ob Sie mir helfen können?«

»Ja, wir machen hier Rundum-Service.« Er verkniff sich ein Augenzwinkern. Das wäre zu schmierig gewesen.

Ihre Augen weiteten sich kurz, ehe ihr Blick zu Alex huschte. Ihre Miene verdüsterte sich ganz kurz, und man sah ihre Zungenspitze zwischen ihren roten Lippen auftauchen. Dann drückte sie die Schultern durch. »Nein, Sie können mir nicht helfen.«

Er machte einen Schritt auf sie zu. »Wirklich nicht? Sind Sie sich da sicher?«

»Absolut.«

»Wie absolut?«

»Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass ich keine Hilfe von dir brauche, Brent Payton.«

Damit hatte er nicht gerechnet. Sie kannte seinen Namen. Er wusste genau, dass er sie noch nie gesehen hatte. Folglich musste sie irgendwie von ihm gehört haben. Und zwar nichts Gutes, ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen.

So ein Mist aber auch.

Er machte den Mund auf. Er hatte zwar keine Ahnung, was er sagen wollte, hoffte aber, dass ihm etwas einfallen würde. Aber da fing Alex neben ihm plötzlich an zu lachen. Sie prustete und schnaufte und schlug sich auf die Schenkel.

Brent funkelte sie böse an. »Was ist denn mit dir los?«

Alex machte einen Schritt nach vorn, legte der fremden Frau einen Arm um die Schultern und grinste von einem Ohr zum anderen. »Brent, darf ich dir meine Schwester Ivy vorstellen? Ivy, ich bin stolz auf dich. Danke.«

Jetzt hatten sie beide dasselbe breite Grinsen, bei dem sie jede Menge weißer Zähne entblößten. Brent betrachtete erst Alex’ Gesicht, dann das von Ivy, und verdammte Axt – wieso war ihm das nicht früher aufgefallen? Sie sahen ja fast aus wie Zwillinge.

Die Schwestern grinsten immer noch. Tja. Die Tour hatten sie ihm gründlich vermasselt.

Er zeigte anklagend auf Alex. »Was hast du ihr über mich erzählt?«

»Dass du mich am Tag meines Bewerbungsgesprächs gebeten hast, ein Whitesnake-Musikvideo auf der Motorhaube eines Autos nachzuspielen.«

Er hob die Hände. »Trägst du mir das etwa immer noch nach? Du warst nicht mal meine erste Wahl. Eigentlich wollte ich Cals Freundin haben.«

»Das macht es natürlich gleich viel besser«, entgegnete Alex trocken.

»Entschuldigt, dass ich versuche, hier ein bisschen für Stimmung zu sorgen.«

Ivy wandte sich an ihre Schwester, und er erhaschte einen ausgiebigen Blick auf ihre Schenkel. Er konnte sich durchaus vorstellen, seine Seele zu verkaufen, nur um sie einmal berühren zu dürfen.

Sie präsentierte die Papiertüte, die sie in der Hand hielt. »Ich habe Mittagessen mitgebracht. Ich hoffe, das ist in Ordnung.«

»Klar ist das in Ordnung«, sagte Alex. »Vielen Dank. Zumal eine gewisse Person mir mein Frühstück geklaut hat.« Sie fixierte Brent durch zusammengekniffene Augen. Ivy drehte sich ganz langsam zu ihm um und sah ihn ungläubig an, als könne sie nicht fassen, wie abgrundtief böse er war.

In Sachen schlechter erster Eindruck war Brent quasi ein Spezialist. Als er noch auf der Highschool gewesen war, hatte der Vater seiner Freundin sie einmal beim Sex erwischt. Das Erste, was er von Brent gesehen hatte, war nicht dessen Gesicht, sondern sein blanker Arsch. Keine sehr angenehme Situation. Und trotzdem hielt Brent es für möglich, dass sein erster Eindruck bei Ivy noch katastrophaler war.

Was der Vater des Mädchens über ihn dachte, war ihm nämlich schnurzegal gewesen.

Er wünschte, es wäre ihm genauso egal, was Ivy über ihn dachte – so wie ihm die Meinung besagten Freundinnen-Vaters damals gleichgültig gewesen war. Aber verdammt, es wurmte ihn richtiggehend, dass sie ihn abgestempelt hatte, ohne ihn überhaupt zu kennen. Hatte Alex ihrer Schwester gegenüber auch ein paar seiner guten Eigenschaften erwähnt? Zum Beispiel … Brent überlegte fieberhaft, welche guten Eigenschaften er hatte.

Als ihm eine einfiel, waren die Frauen bereits im Pausenraum verschwunden, um dort ihr Mittagessen zu genießen.

»Glaubst du, wir haben seine Gefühle verletzt?« Ivy zupfte an einem Salatblatt, das aus ihrem Sandwich heraushing. Sie sah ihrer Schwester, die ihr an dem kleinen Tisch im Pausenraum von Payton and Sons Automotive gegenübersaß, nicht in die Augen – nicht mal, als Alex anfing, lautstarke Würgegeräusche von sich zu geben.

»W-wie bitte?«, stotterte Alex.

Ivy biss sich auf die Lippe und hob den Blick. Alex hatte ihr oft von Brent erzählt, und obwohl aus ihren Worten eine gewisse platonische Zuneigung sprach, hatte sie sich die meiste Zeit darüber beklagt, was für eine Nervensäge er war. Vielleicht hatte ihre Schwester während der kurzen Unterhaltung draußen in der Werkstatt nicht genau hingesehen, aber Ivy schon. Sie hatte den Anflug von Frust bemerkt, der über seine Züge gehuscht war, als sie sich über ihn lustig gemacht hatten.

Was sie ins Grübeln brachte, war ihr Eindruck, dass sich dieser Frust gar nicht gegen sie richtete, sondern gegen ihn selbst.

Mist. Ivy widmete sich wieder ihrem Sandwich. So ging das nicht weiter. Was Alex und sie anging, hatte praktisch jeder Schwanzträger ein dickes rotes X auf der Stirn – und zwar seit geraumer Zeit. Sie waren schon zweimal umgezogen, um von Männern wegzukommen, die ihnen das Leben zur Hölle gemacht hatten. In Tory wollten sie sich endlich dauerhaft niederlassen. Sie wollten ihr Leben wieder in geordnete Bahnen lenken und gemeinsam Violet großziehen. Deshalb hatte Ivy sich Brent gegenüber reflexartig kühl gestellt – ihr Verteidigungsmechanismus. Sicher, Fliegen fing man mit Honig, aber sie wollte ja gar keine Fliegen. Und auch keinen Honig. Oder was auch immer. Also hatte sie die Stacheln aufgestellt.

Sie und Alex brauchten keine Männer. Sie hatten einander und Violet, und das reichte vollkommen.

Trotzdem konnte Ivy nicht aufhören, an Brent zu denken. Alex hatte ihr nicht gesagt, dass er … so aussah. Knapp eins neunzig groß und so heiß, als wäre er einem »Mechaniker deiner Träume«-Kalender entstiegen. Gott. Diese dunklen Haare, die ausdrucksvoll geschwungenen Lippen, die so wunderschön grinsen konnten, und diese grauen Augen, die einen nur einmal anschauen mussten, schon wusste man, dass dieser Mann Ärger bedeutete.

»Iviiiiii.« Alex zog ihren Namen in die Länge, wie große Schwestern es taten, wenn sie ein Verhör einläuten wollten.

Ivy drückte mit dem Finger in der Weißbrotscheibe ihres Sandwichs herum. »Was denn?«

»Warum machst du dir Sorgen um Brents Gefühle?«

Sie wusste es selbst nicht. Ganz ehrlich, sie wusste es nicht. Aber sie konnte dieses kurze Aufblitzen von Gefühlen bei ihm nicht vergessen, das er sofort mit einem Grinsen überspielt hatte. »Ihr arbeitet zusammen und …«

»Schon klar, er ist Sex auf zwei Beinen, Ivy, aber das weiß er auch ganz genau. Wahrscheinlich findest du in der ganzen Stadt keine Frau, die er noch nicht klargemacht hat.«

Ivy presste die Lippen aufeinander und machte sich im Stillen Vorhaltungen, dass sie ihr Herz immer auf der Zunge trug. Sie musste sich darauf konzentrieren, einen Job zu finden und ihrer Tochter ein stabiles Zuhause zu schaffen. Dort lagen ihre Prioritäten. Nicht darin, sich mit einem selbstverliebten, wenngleich attraktiven Typen einzulassen. »Du hast recht. Vergiss, was ich gesagt habe.« Ivy hob beide Zeigefinger und kreuzte sie zu einem X. »Keine Männer.«

»Igitt«, spie Alex.

»Bäh«, sagte Ivy.

Alex grinste sie an, und Ivy grinste zurück, während sie von ihrem Eistee trank. »Und? Läuft es gut auf der Arbeit?«

»Ja. Es gefällt mir hier. Cal ist echt korrekt. Und es macht Spaß, mit Brent zusammenzuarbeiten. Jack ist ein ziemlich harter Knochen, aber ich glaube, er wird langsam warm mit mir.«

Alex hatte Ivy erzählt, dass Cals und Brents Vater ein brummiger, sturer Esel war. »Schön.«

»Wie kommt Vi in der neuen Schule zurecht?«, wollte Alex wissen.

Ivys Tochter ging in die erste Klasse der White-Pine-Grundschule in Tory. Sie waren pünktlich zu Beginn des Schuljahres umgezogen.

»Ihre Lehrerin hat schon wieder angerufen und mir gesagt, dass Vi heute Vormittag mehrmals geweint hat.« Ivy wusste, dass der Umzug für ihre Tochter schwer gewesen war, aber sie hatten keine andere Wahl gehabt. »Das macht mich total fertig.«

Alex drückte Ivys Hand. »Es ist nur Schule, keine Folter. Sie wird sich schon eingewöhnen.«

Ivy verspürte ein unangenehmes Gefühl im Magen. »Hoffentlich.«

»Sie ist ein tolles Kind. Sie braucht einfach Zeit.«

Ivy seufzte. »Ja, wahrscheinlich.«

»Alex«, kam eine tiefe Stimme von der Tür her. Ivy reckte den Hals und erblickte einen Mann, der Brent sehr ähnlich sah, aber … nicht Brent war.

»Ja?«, sagte Alex.

Der Mann grüßte Ivy mit einem Nicken. »Ich bin Cal.« Dann wandte er sich gleich wieder an Alex. »Sorry. Ich weiß, ihr esst gerade zu Mittag, aber da draußen steht die Kundin von letzter Woche. Ich hab versucht, mit ihr zu reden, aber sie mag dich lieber.«

Alex lachte. »Greta Sherman?«

»Genau die.«

Sie knüllte ihr leeres Sandwichpapier zusammen. »Bin gleich wieder da«, sagte sie zu Ivy.

Ivy betrachtete ihr halb aufgegessenes Mittagessen. »Ich kann auch gehen …«

»Quatsch, ich komme ja gleich zurück. Iss ruhig weiter.«

Im Rausgehen warf Alex ihren Müll in den Abfalleimer.

Ivy trank noch einen Schluck von ihrem Eistee und fummelte lustlos an ihrem Sandwich herum. Sie hatte den ganzen Morgen am Computer gesessen und sich in Tory und Umgebung auf verschiedene Stellen beworben. Es war nicht gerade ein Mekka der Jobmöglichkeiten, aber Alex hatte Arbeit gefunden, die zu ihr passte, und das Gehalt war in Ordnung. Ivy hatte Ersparnisse, aber die würden nicht ewig reichen, und sie wollte ihren Teil zum Unterhalt der kleinen Familie beitragen.

Ihr Lebenslauf war ziemlich dürftig. Sie hatte einen Highschool-Abschluss, war aber nicht aufs College gegangen, da sie mit Anfang zwanzig Violet bekommen hatte. Ihre Möglichkeiten in Tory waren begrenzt: Sekretärin für einen Rechtsanwalt, Möbelverkäuferin oder Kindermädchen.

Nichts davon ließ sie in Jubelstürme ausbrechen.

Aber wenigstens würde sie eigenes Geld verdienen.

Sie sah auf, als der andere Stuhl knarrte. Sie öffnete den Mund, um Alex von ihren Jobangeboten zu erzählen.

Nur, dass es gar nicht Alex war.

Sondern Brent.

Er lehnte sich zurück, schwang die Füße auf den Tisch und schlug die Beine übereinander. Er hielt eine Tüte mit Erdnüssen in der Hand, von denen er sich ein paar in den Mund schüttete. Er kaute, während er Ivy mit seinen stahlgrauen Augen beobachtete.

Sie biss die Zähne aufeinander.

Er schluckte. »Du sahst aus, als wolltest du was sagen.«

»Wollte ich auch. Zu Alex. Du bist nicht Alex.«

»Stimmt, die bin ich nicht. Aber ich kann ausgezeichnet zuhören.«

»Bestimmt«, sagte sie trocken.

Seine Lippen zuckten. »Willst du wissen, was ich noch alles gut kann?«

»Nicht wirklich.«

»Ich kenne nämlich diesen Zungentrick …«

Großer Gott. »Ich mache so was nicht.«

»Was machst du nicht?«

Sie zeigte mit der Hand erst auf ihn, dann auf sich selbst. »So was hier. Flirten.«

Er zog die Augenbrauen hoch. »Babe, ich hab noch nicht mal angefangen zu flirten.«

Sie atmete einmal tief durch, um ihren Blutdruck zu senken. »Das mache ich auch nicht.«

»Mann! Was ist jetzt schon wieder?« Sie hätte seine Verzweiflung vielleicht sogar liebenswert gefunden, wenn sie noch ein Herz gehabt hätte. »Kosenamen benutzen.«

»Babe?«

»Ich heiße Ivy. I-V-Y. Drei Buchstaben. Zwei Silben.«

Ihr war es selbst unangenehm, dass sie ihm gegenüber so zickig war.

Er musterte sie aufmerksam. Seine Miene war jetzt weniger belustigt als … nachdenklich. Der nachdenkliche Brent gefiel ihr gar nicht. Brent, der flirtende Spaßvogel? Harmlos. Brent, der Denker, der in die Tiefe schauen wollte? Lebensgefahr!

Er strich sich mit zwei Fingern über die Lippe, dann ließ er die Hand auf die Tischplatte fallen und neigte den Kopf zur Seite. »Du hast ja wirklich überall Dornen, was?«

Sie erstarrte bei diesen Worten wie ein Reh im Scheinwerferlicht, denn ja – ja, sie hatte sehr viele Dornen. Sie hatte vor langer Zeit die bittere Erfahrung gemacht, dass Dornen nötig waren, um ihre verletzlichen Stellen zu schützen.

Aber Brent war noch nicht fertig; sein Tonfall war jetzt sanfter. »Bist du schon so auf die Welt gekommen, oder ist dir irgendwas passiert, Ivy?«

Sie schluckte. O ja. Brent Payton war gefährlich und verboten sexy noch dazu. Seine Worte schlängelten sich an ihren Dornen vorbei und trafen sie genau an ihren schwachen Punkten.

Sie gab sich einen Ruck und ballte die Fäuste. »Das sagst du nur, weil ich die erste Frau bin, die dir nicht schmachtend zu Füßen liegt.«

Darüber musste er lachen. »Mir schmachtend zu Füßen liegen? Ach was, es gibt jede Menge Frauen, die mir eine Abfuhr erteilt haben. Aber alles in allem ist meine Trefferquote ganz gut. Vielleicht achtzig-zwanzig.« Da war wieder sein dreistes Grinsen. »Aber du hast mich neugierig gemacht. Jetzt will ich weiterbohren, bis ich eine Stelle finde, wo keine Dornen sind. Was glaubst du, wie lange könnte das dauern?«

Scheiße, nein. Genau das wollte sie nicht. Diese Augen, die zugleich so klug und so gefährlich waren.

Sie schluckte und streckte die Wirbelsäule durch. »So nah wirst du niemals an mich rankommen.«

Er legte den Kopf schief. »Nein?«

»Nein.«

Er gab einen unbestimmten Laut von sich und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Dann warf er eine Erdnuss in die Luft und fing sie mit dem Mund auf. Er kaute, während er sie aus seinen stahlgrauen Augen fixierte, als wollte er sie dazu herausfordern, seinem Blick auszuweichen. »Dann muss ich meinen Angriff das nächste Mal sorgfältiger planen, was? Und du arbeitest besser an deiner Verteidigung.«

Sie hörte Alex’ Stimme, als ihre Schwester zurück in den Pausenraum kam. Lächelnd reckte Ivy das Kinn vor. »Wer sagt, dass ich diejenige bin, die sich verteidigen muss?«

Er lachte scharf auf, als wäre er von ihren Worten überrascht. »Oh, Babe. Versuch’s nur.«

Sie knirschte mit den Zähnen. »Ivy.«

»Babe. Ich nenne die Dinge beim Namen, und du bist definitiv ein Babe.«

Ivy stieß ein Knurren aus.

Er lächelte, dann stand er auf und ging zur Tür, gerade als Alex hereinkam. Sie warf ihm einen Blick hinterher, als er zurück in die Werkstatt ging.

Alex sah Ivy besorgt an. »Hat er dich belästigt?«

Belästigen war gar kein Ausdruck. »Nein, ist schon in Ordnung. Nichts, womit ich nicht umgehen könnte.«

Alex zuckte die Achseln. »Ich kann gerne mal mit ihm reden …«

»Alex, ich schwöre dir, da war nichts. Und selbst wenn, könnte ich das selber regeln.«

Ihre Schwester beäugte sie kurz, dann stibitzte sie einen Bissen von ihrem Sandwich. »Also gut. Und jetzt iss was. Du bist dünn geworden.«

»Hör auf, mich zu bemuttern.«

Alex deutete auffordernd auf das Sandwich. Ivy blitzte sie finster an und biss ab.

Kapitel 2

Jedes Mal, wenn Brent den Namen seines Hundes aussprechen musste, schrie ein Teil seines Testosterons in Todesqualen auf.

»Honeybear! Jetzt komm schon, Mädchen.« Er klopfte sich auf den Schenkel und pfiff, aber die Hündin schnüffelte weiter in der Nähe seiner Grundstücksgrenze herum, dort wo der Wald begann, der sein Haus umgab.

Brent steckte die Hände in die Jackentaschen und fröstelte in der Herbstluft, die mit jedem Tag kühler wurde. Er glaubte in einem der hinteren Fenster der Doppelhaushälfte nebenan eine Bewegung wahrzunehmen, aber als er genauer hinsah, war alles still. Bis jetzt hatte er seinen Nachbarn noch nicht zu Gesicht bekommen, aber er war auch erst vor einer Woche hierhergezogen. Sein Einzugsgeschenk von Cal? Diese Hündin mit ihrem unglaublich peinlichen Namen. Sie konnte von Glück sagen, dass sie so niedlich war. Aber wenn er noch einmal ihren Namen rufen musste, dann … »Honeybear!«

Endlich spitzte sie die Ohren und drehte ihr zweifarbiges Gesicht, halb schwarz, halb weiß, in seine Richtung.

»Komm ins Haus, sonst lasse ich dich draußen in der Kälte«, rief er, woraufhin sie gemächlich in seine Richtung trottete.

Honeybear war eine Australian-Shepherd-Mischung, die Cal aus dem örtlichen Tierheim geholt hatte. Sie war von einer Familie abgegeben worden, mit der Begründung, dass ihnen das Tier zu lebhaft und verspielt sei. Als Cal das gehört hatte, hatte er laut gelacht und verkündet, die Hündin würde perfekt zu Brent passen.

Brent wusste nicht genau, ob er deswegen beleidigt sein sollte, aber egal. Honeybear war ein großartiger Hund – bis auf den Namen.

Als Kinder hatten sie nie Haustiere gehabt, weil ihr Vater meinte, sie machten zu viel Arbeit. Brent hatte sich gefreut wie ein kleines Kind am Heiligabend, als Cal ihm Honeybear mit einer großen roten Schleife um den Hals präsentiert hatte.

Brent hätte ihr gerne einen vernünftigen, geschlechtsneutralen Namen gegeben, Sam oder so ähnlich. Aber nein, sie hörte nur auf Honeybear, und ihm blieb nichts anderes übrig, als zu jeder Tages- und Nachtzeit diesen Namen zu rufen. So auch an diesem Montagabend.

Als sie bei ihm war, setzte sie sich zu seinen Füßen hin. Ihre Rute peitschte durchs ungemähte Gras, die Zunge hing ihr schlaff aus dem Maul. Schon nach fünf Minuten war Brent rettungslos in sie verliebt gewesen. Er kraulte sie hinter den Ohren. »Na, wie geht’s meinem Mädchen?«

Ihre Ohren rotierten, dann drehte sie den Kopf in Richtung Nachbarhaus. Brent folgte ihrem Blick und sah einen Mann auf der Terrasse sitzen. Er bewegte sich nicht und sagte auch nichts. Brent richtete sich auf, unschlüssig, was er tun sollte. In der letzten Zeit hatte er mit ersten Eindrücken nicht gerade viel Erfolg gehabt. Schließlich hob der Mann eine Hand zum Gruß, was Honeybear als Aufforderung verstand, loszulaufen und sich die Sache aus der Nähe anzusehen. Sie sprang auf das Nachbargrundstück und begann die ausgestreckte Hand des Mannes zu beschnüffeln und abzuschlecken.

Brent folgte ihr. Erst als er die eingezäunte Terrasse betrat, erkannte er, dass der Mann im Rollstuhl saß. Seine Beine waren mit einer dünnen Decke zugedeckt.

»Äh, tut mir leid. Manchmal geht es mit ihr durch«, sagte Brent und kratzte sich am Hinterkopf. Er streckte dem Mann die rechte Hand hin. »Brent Payton. Wohnen Sie hier? Wenn ja, bin ich Ihr neuer Nachbar.«

Der Mann betrachtete Brents Hand eine Weile, ehe er sie ergriff. Sein Händedruck war kraftvoll, seine Finger voller Schwielen. Er nickte. »Davis.«

»Davis?«, fragte Brent.

»Jep.«

»So heißen Sie? Sie haben nur einen Namen? Davis?«

Im Kiefer des Mannes zuckte ein Muskel. »Ich heiße Barney Davis. Man nennt mich Davis.«

»Barney? Wie der lila Dinosaurier aus der Kindersendung?«

Durch zusammengebissene Zähne sagte der Mann: »Deshalb nennt man mich Davis. Und will ein Mann mit einem Hund, der Honeybear heißt, sich ernsthaft über meinen Namen lustig machen?«

Brent deutete auf seinen Hund. »Den Namen hatte sie schon vorher. Für den kann ich nichts.«

Davis zog seine Augenbrauen hoch. »Ich für meinen auch nicht.«

Brent schürzte die Lippen. »Hm. Okay, das ist ein Argument.«

Der Mann lächelte ein breites Lächeln, bei dem sich sein ganzes Gesicht in Falten legte.

Normalerweise war es nicht Brents Angewohnheit, andere Männer abzuchecken, aber der hier war kräftig gebaut – ein starkes Kreuz, kraftvolle Hände und eine breite Brust. Seine Augen waren tiefbraun, und er trug einen kurzen Bart, dessen Rotstich in Kontrast zu seinen dunkelbraunen Haaren stand.

Davis sah sich auf seiner kahlen Terrasse um. »Ich, also … Ich bin nicht oft hier draußen. Tut mir leid, dass ich Ihnen keinen Stuhl oder so was anbieten kann.«

Brent zuckte die Achseln. »Kein Thema. Und? Wohnen Sie schon lange hier?«

Davis griff nach unten und streichelte Honeybears Kopf. »Paar Jahre.«

»Ich mag’s hier. Schön ruhig.«

»Das Paar, das vor Ihnen hier gewohnt hat, hatte zwei Kinder. Die waren nicht besonders ruhig. Jetzt hör ich nur noch Sie, wie Sie nach Ihrem Hund rufen. Anfangs wusste ich nicht, dass es ein Hund ist, und dachte, Sie sind vielleicht ein bisschen komisch drauf.«

Brent lachte. »Komisch drauf bin ich auf alle Fälle, aber ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass ich noch nie eine Frau Honeybear genannt habe.«

Davis sah zu ihm auf. Er schwieg so lange, dass Brent kurz davor war, sich zu verabschieden. Schließlich wies Davis mit dem Daumen in Richtung Haus. »Wollen Sie vielleicht auf ein Bier mit reinkommen?«

Brents Blick ging zu der gläsernen Schiebetür. »Macht’s Ihnen was aus, wenn mein Hund auch mitkommt?«

Davis tätschelte ihren Kopf. »Ganz und gar nicht.«

»Dann gern.«

Davis war geschickt mit seinem Rollstuhl. Er machte eine scharfe Drehung und schob die Tür auf. Brent überlegte, ob er ihm seine Hilfe anbieten solle, aber der Mann hatte es alleine nach draußen geschafft, also würde er es auch alleine wieder reinschaffen.

Honeybear war ganz entzückt von ihrem neuen Freund. Sie lief neben seinem Rollstuhl her, als er zum Kühlschrank fuhr. Er holte zwei Flaschen Stella heraus, machte die Kronkorken mit einem Flaschenöffner ab, auf dem »Tory Fire Station 22« stand, und reichte eine der Flaschen an Brent weiter.

Brent nahm sie mit einem Lächeln entgegen und prostete Davis zu.

Das Bier war süffig, herb und kalt, und Brent fand den Mann schon jetzt sympathisch. Jemanden, der anständiges Bier im Haus hatte, musste man einfach mögen. Der Fußboden war blitzblank, die Arbeitsfläche aufgeräumt. Darauf standen einige makellos saubere Küchengeräte. Brent war sich ziemlich sicher, dass er in der Oberfläche des fleckenlosen Edelstahl-Kühlschranks sein Spiegelbild sehen könnte.

»Erzählen Sie mir was über Ihren Hund.« Davis hatte den Kopf gesenkt und betrachtete Honeybear.

Brent trank einen Schluck von seinem Bier. »Na ja, mein Bruder war der Meinung, dass ich einen Hund brauche, weil es keine Frau in meinem Leben gibt. Als ich hier eingezogen bin, kam er vorbei und hat mir Honeybear geschenkt. Er hat sie aus dem Tierheim geholt, und natürlich hört sie nur auf diesen blöden Namen.«

Davis stellte die Ellbogen auf die Armlehnen seines Rollstuhls. »So schlimm ist er ja auch wieder nicht. Sie könnten doch Honey zu ihr sagen.«

»Hab ich versucht. Funktioniert nicht.«

»Vielleicht muss sie sich einfach daran gewöhnen.«

»Ich gebe die Hoffnung jedenfalls nicht auf, das steht fest.«

Davis lächelte und trank sein Bier. Dabei sah er Brent die ganze Zeit an. »Was machen Sie beruflich?«

»Ich arbeite bei Payton and Sons Automotive, zusammen mit meinem Dad und meinem Bruder.«

»Ihr Name kam mir gleich irgendwie bekannt vor. Ich glaube, ich hab meinen Wagen da hin und wieder zur Reparatur gebracht.«

»Kommen Sie mal wieder vorbei. Ich mache Ihnen einen Ölwechsel gratis.«

»Danke. Vielleicht nehm ich Sie beim Wort. Obwohl ich nicht mehr so viel Auto fahre.«

»Was machen Sie denn so?«

Davis pulte am Etikett seiner Bierflasche. Honeybear winselte und rieb sich an seinem Rollstuhl, weil sie weiter am Kopf gekrault werden wollte. »Früher war ich bei der freiwilligen Feuerwehr auf der Wache 22. Jetzt helfe ich nur noch als Disponent in der Einsatzzentrale aus.«

Brent setzte sich auf einen Stuhl am Küchentisch. Feuerwehrmann zu werden war ein Kindheitstraum von ihm, aus dem er nie herausgewachsen war. Er wusste auch genau, von welcher Wache Davis sprach. Er fuhr oft daran vorbei und sah, wie die Feuerwehrleute ihre Fahrzeuge wuschen, für Einsätze übten oder zu einem Notfall ausrückten. Er wäre zu gerne einer von ihnen gewesen – schon immer. Einmal, noch während der Schulzeit, hatte er seinem Vater und Cal von seinem Wunsch erzählt, und sie hatten ihn angesehen, als wäre er nicht ganz richtig im Kopf. Brent sollte für Leben und Sicherheit anderer Menschen verantwortlich sein? Vollkommen absurd. Lächerlich. So etwas konnte man doch nicht ernst nehmen.

Er ärgerte sich immer noch schwarz, wenn er daran dachte.

Er räusperte sich. »Und hat Ihre Arbeit bei der Feuerwehr irgendwas damit zu tun, dass Sie im Rollstuhl sitzen?«

Davis gab Honeybears Winseln nach und begann sie erneut zu kraulen. »Ja. Vor ein paar Jahren sind wir zu einem Hausbrand in Tory ausgerückt – eins dieser alten Doppelhäuser. Um es kurz zu machen: Ich bin im ersten Stock durch eine schwache Stelle im Fußboden gestürzt und hab mir ein paar Wirbel gebrochen. Von der Hüfte abwärts gelähmt. Tja, jetzt sitze ich hier. Und lösche keine Feuer mehr.«

Brents Mund war trocken. Das Bier schmeckte auf einmal sauer. »Das tut mir leid.«

Davis hatte den Blick weiterhin auf Honeybear geheftet. »Ja, mir auch.«

Brent wollte ihn noch mehr fragen. Bereuen Sie es? Würden Sie dasselbe wieder tun?, doch stattdessen trank er einen Schluck von seinem Bier und sah zu, wie sein Nachbar seinen Hund streichelte. »Sie können gerne mal Zeit mit ihr verbringen. Mit ihr spazieren gehen. Oder ihre Scheißhaufen wegmachen. Ehrlich, jederzeit.«

Davis lachte. »Ach ja?«

»Ich lasse Ihnen ein paar Kackebeutel da, nur zur Sicherheit.«

»Ich glaube, es reicht mir, sie hin und wieder mal zu besuchen.«

»Ach, Mist. Na ja, ich hab’s versucht.«

Davis lehnte sich in seinem Rollstuhl zurück und leerte sein Bier; die Flasche stellte er auf den Küchentresen. »Seit ich hier eingezogen bin, ist meine Schwester die Einzige, die mich besuchen kommt. Ist ein bisschen seltsam, plötzlich jemanden im Haus zu haben, aber irgendwie auch ganz nett.«

Brent drehte seine Flasche auf dem Tisch hin und her. »In letzter Zeit bin ich fast nur in der Werkstatt oder zu Hause. Früher bin ich öfter durch die Bars gezogen, aber jetzt hab ich Honeybear und … keine Ahnung. Wahrscheinlich bin ich langsam aus dem Alter raus.« Der kurvige Körper und die großen blauen Augen von Ivy Dawn tauchten vor seinem inneren Auge auf. Wenn sie jede Nacht in seinem Bett läge, würde er definitiv anständig werden.

Zu blöd, dass sie ihn nicht leiden konnte.

»Ich hab mich immer noch nicht daran gewöhnt. Sie fehlen mir«, gestand Davis leise.

»Die Bars?«

»Frauen«, brummte er.

Brent konnte sich gerade noch davon abhalten, in Davis’ Schoß zu starren. Normalerweise machte er sich keine Gedanken über anderer Leute Schwänze, doch jetzt drängte sich ihm die Frage auf, wie stark Davis’ Verletzung sein Liebesleben beeinträchtigte. Aber sie hatten sich gerade erst kennengelernt, da wollte Brent das Thema nicht ansprechen.

»Sie können gerne mal mit mir mitkommen.«

Davis mied seinen Blick. »Meine Schwester sagt mir ständig, ich soll öfter unter Menschen gehen. Bin seit dem Unfall nicht mehr draußen gewesen … Ich weiß einfach nicht, wie es mir damit gehen würde, wenn ich mit dem Rollstuhl in eine Bar komme.«

Brent kaute an seiner Lippe und überlegte, wie er seine nächste Frage am besten formulieren sollte. »Machen Sie sich Sorgen, die Leute könnten Sie anstarren? Oder dumme Bemerkungen machen?«

»Ich hab lange damit gerungen«, sagte Davis und schaute zur Terrassentür hinaus. »Inzwischen hab ich mich mit dem Unfall abgefunden. Damit, wie ich jetzt bin. Aber ich hasse es, wenn ich das Gefühl habe, dass ich dafür sorgen muss, dass meine Situation anderen nicht unangenehm ist. Wenn ich mich dafür entschuldigen muss, weil ich eine Rollstuhlrampe brauche, um in ein Restaurant zu kommen. Kann man das nachvollziehen?«

Das konnte Brent. Er nickte. »Bei mir müssen Sie sich für nichts entschuldigen.«

Davis schmunzelte noch breiter als zuvor. »Ja. Deshalb hab ich Sie auch reingebeten. Sie haben einen guten ersten Eindruck gemacht.«

Brent war verblüfft. »Im Ernst? Normalerweise ist der erste Eindruck bei mir immer ein Desaster.«

Davis lachte, dann saßen sie einige Minuten lang schweigend da. Irgendwann fragte sein Nachbar leise: »Noch ein Bier?«

Brent fühlte sich wohl hier. Er hatte einen Hund und einen neuen Freund. Er legte die Füße auf den Stuhl neben ihm. »Klar. Warum nicht?«

Davis grinste, und Brent dachte bei sich, dass er, sollte ihm fortan an einem positiven ersten Eindruck gelegen sein, gut daran täte, seinen Hund dabeizuhaben.

Ein kleiner Körper kollidierte mit Ivys Beinen, und gleich darauf blickte sie in die großen blauen Augen ihrer sechsjährigen Tochter.

»Mommy«, jammerte Violet mit zitternder Stimme. Sie drückte sich an ihre Mutter, und Ivy schlang beschützend den Arm um ihre schmalen Schultern. Als sie den Blick hob, sah sie einen großen Mann ein Stück entfernt von ihnen im Gang stehen. Er hielt eine Schachtel Cheerios in der Hand und wirkte ausnehmend verwirrt.

Ivy hätte losheulen können. Mitten im Supermarkt. Denn Robby, Alex’ Exfreund, dieses Schwein, hatte sich wirklich die größte Mühe gegeben, alle drei Mitglieder der Familie Dawn nachhaltig zu traumatisieren. Hätte er jetzt in diesem Moment vor Ivy gestanden, hätte sie für nichts garantieren können.

Durch tränenfeuchte Augen lächelte Ivy den fremden Mann an. »Tut mir leid, sie … Also, sie fühlt sich in Gegenwart von Männern nicht so wohl.«

Er zuckte ein bisschen zurück, bevor er die Schachtel mit Frühstücksflocken in seinen Einkaufswagen legte. »Ach so, na dann gehe ich einfach weiter …«

»Nein, das müssen Sie nicht.«

»Schönen Tag noch.« Er wandte sich ab und verschwand rasch den Gang hinunter.

Ivy schloss die Augen und zählte bis zehn. Dann schaute sie zu ihrer Tochter herab, die dem Mann ängstlich hinterhersah. »Es ist alles gut, Vi.«

Ihre Tochter sah zu ihr auf und wischte sich die Tränen aus den Augen. »Tut mir leid.«

»Nein, du musst dich nicht entschuldigen. Das ist doch nicht schlimm. Aber wir haben darüber gesprochen, weißt du noch? Dass nicht alle Männer so sind wie Robby.«

Violets Blick huschte zu dem davongehenden Mann, dann zurück zu ihrer Mutter. »Ja, ich weiß, aber irgendwie hatte ich trotzdem Angst.«

»Ich weiß, Schätzchen.« Ivy wusste nicht mehr, was sie noch sagen sollte. Was sie gegen diese Angst tun sollte, die Robby in Violet geweckt hatte und vor der sie ihre kleine Tochter nicht beschützt hatte. Es war ein Versagen, das sie sich jeden Tag vorwarf.

Aber damals, völlig abgebrannt und ohne ein Dach über dem Kopf, war Alex die Einzige gewesen, die sie bei sich aufgenommen hatte. Wie schlimm Robby wirklich war, hatten sie erst erkannt, als es zu spät war. Der Schaden war bereits angerichtet.

»Alles in Ordnung?« Alex tauchte an Ivys Seite auf. Sie war im Gang nebenan gewesen, um den Ketchup zu holen, den sie vergessen hatten.

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