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Dogs & Christmas - In diesen vierundzwanzig weihnachtlichen Geschichten dreht sich alles um Hunde. So erfahren die Leser, wie ein Hund am Nikolaustag zum Lebensretter wird, wie Dackel Waldi eine wenig gelungene Predigt zerfledert und der Hofhund Rüdiger dafür sorgt, dass in diesem Jahr die Gänse ebenfalls überleben.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
O Nadelbaum
Überraschung im Advent
Weihnachten in Wien
Eierpunsch und mehr
Die neuen Schlittschuhe
Nikolaustag
Das Karussellpferd
Die Weihnachtsaktion
Flaschenpost
Weihnachten ohne Gänsebraten
Mit Volldampf in ein neues Leben
Mascha´s schönstes Weihnachtsgeschenk
Ein tierischer Schutzengel
Die Wende
Ein Weihnachtsmärchen
Die rote Bank
Silas
Eingeschneit
Der geliehene Weihnachtshund
Hundeglück unterm Tannenbaum
Vergelt´s Gott, Waldi
Rettungsaktion am Heiligen Abend
Geschenke für das Jesuskind
Chaosweihnachten
O Nadelbaum
„Der neueste Trend zum Weihnachtsfest geht jetzt dahin, dass man den Tannenbaum schon zum ersten Advent aufstellt. Dann hat man wenigstens was davon, außerdem kann man ihn sogar als Adventskalender nutzen. Was hältst Du davon?“, fragte Juli ihren Mann.
Der schüttelte nur den Kopf: „Vier Wochen und länger um eine geschmückte Tanne, die im Wohnzimmer im Wege steht, herumlaufen müssen? Also, ich weiß nicht, so recht...“, antwortete Gunnar unschlüssig.
Aber er kannte seine Eheliebste. Wenn sie sich etwas in ihr hübsches Köpfchen gesetzt hatte, dann fand sie in der Regel auch Mittel und Wege, es durchzusetzen. So hatte sie in den fünf Jahren ihrer Ehe zu jeder Saison neuen Weihnachtsschmuck gekauft, je nachdem, welche Farbe in dem Jahr gerade angesagt war. Im Keller standen schon etliche Kartons mit goldenen, silberfarbenen und auch bunten Kugeln, Strohsternen, Engeln und Schleifen in diversen Farben. Im Jahr zuvor hatte er im letzten Moment gerade noch verhindern können, dass sie auch noch amerikanische Accessoires für ihren Weihnachtsbaum kaufte. Die grellbunten Anhänger in Form von Obst oder Gemüse, Autos und alten Telefonen fand er einfach scheußlich. Ebenso wenig gefielen ihm die kitschigen Tiere, die zu allem Überfluss auch noch rote Zipfelmützen mit weißem Fellrand trugen. Die Vorstellung, einen so grässlich verunstalteten Weihnachtsbaum anschauen zu müssen, konnte er nicht ertragen. Schmollend hatte Juli sich überreden lassen, davon Abstand zu nehmen. Sie wollte unbedingt „trendy“ sein, so wie ihre, in seinen Augen etwas überspannte, beste Freundin Sophia. Er seufzte. Aber wenn es sie glücklich machte, sich schon Ende November eine Tanne ins Haus zu holen, dann wollte er ihr den Spaß daran nicht verderben. Damit konnte Gunnar leben.
„Gibt es denn jetzt schon Weihnachtsbäume zu kaufen?“ erkundigte er sich, als seine Frau Mitte November auf das Thema zurückkam.
„Im Baumarkt habe ich welche gesehen“, gab sie zurück.
Damit war die Sache entschieden, das wusste er genau.
„Also gut, dann fahren wir am Wochenende hin und holen uns einen Baum. Ist Dir das recht?“, schlug er vor.
Damit gab sich Juli zufrieden. Eifrig überlegte sie, ob es sinnvoll wäre, den Baum gleich zu schmücken, oder ob er bis kurz vor dem Fest zunächst nur als Adventskalender genutzt werden sollte. Da seine Frau immer Wünsche hatte, war es für Gunnar nicht allzu schwierig, vierundzwanzig kleine Päckchen für sie zu packen, damit sie jeden Tag eine kleine Freude vom Baum pflücken konnte. Er hatte in ihrer Lieblingsparfümerie mehrere Proben bekommen und auch einen hübschen kleinen Schlüsselanhänger mit Schutzengelmotiv gekauft. Den Anhänger hatten sie bei ihrem letzten gemeinsamen Stadtbummel in einem Schaufenster gesehen, und Juli war davon ganz entzückt gewesen. Die restlichen Tage würde sie weihnachtliche Süßigkeiten in ihren Päckchen finden. Damit konnte man sie immer beglücken. In den letzten Jahren hatten sie im Flur eine Leine gespannt, an die jeder von ihnen für den anderen vierundzwanzig Päckchen gehängt hatte. Nun sollten diese Gaben an den Weihnachtsbaum gehängt werden.
„Heiligabend fällt in diesem Jahr auf einen Montag. Ich würde vorschlagen, dass wir den Baum dann am vierten Advent dekorieren“, meinte Juli.
Auch damit war Gunnar einverstanden. Also wurde der aus dem Baumarkt geholte Baum gleich ins Haus geholt und aufgestellt.
„Sieht prima aus“, fand Juli und war sehr zufrieden. „Ich hole gleich meine Päckchen für Dich. Hast Du auch schon einige fertig?“
„Ich habe noch nicht alle zusammen, aber ich werde in den nächsten Tagen die restlichen Päckchen dranhängen“, versprach Gunnar.
„Ist in Ordnung. Ich habe schon alles vorbereitet!“, verkündete Juli stolz.
Wenig später hingen ihre Päckchen am Baum. Alle mit blauen Schleifen, so wie jedes Jahr. Gunnar war zu diesem Zweck die Farbe Rot zugeteilt worden. Er hatte erst die Hälfte verpackt, aber als alle Geschenke am Baum hingen, sah es wirklich gut aus, das musste Gunnar zugeben. Und Juli war glücklich, das war das Wichtigste. Am nächsten Tag kaufte er noch einige Süßigkeiten, um auch für sie jeden Tag eine kleine Überraschung zu haben. So vergingen die Tage bis kurz vor dem zweiten Advent. Der Baum war inzwischen natürlich nicht mehr ganz so frisch und durch die Wärme im Haus, hatte er auch begonnen, ein paar Nadeln abzuwerfen. Eines Abends betrachtete Juli ihn skeptisch und meinte: „Jetzt, wo nur noch so wenige Päckchen dranhängen, sieht der Baum etwas kahl aus, finde ich. Wir sollten einige Kugeln dazu hängen und vielleicht auch schon einige Kerzen aufstecken. Was meinst Du?“
„Wenn Du willst, können wir das gern tun“, gab Gunnar ihr recht.
Also wurden die goldenen Kugeln und einige Strohsterne aus dem Keller nach oben geholt und der Baum damit aufgeputzt. Am Ende dieser Aktion hatte er wiederum etliche Nadeln verloren.
„Vielleicht sollten wir mit dem restlichen Baumschmuck und den Kerzen doch lieber noch warten“, fand Juli.
Gunnar widersprach nicht, er fürchtete ohnehin, dass sie noch einmal einen neuen Baum kaufen mussten, aber diese Einsicht behielt er wohlweislich für sich. Dann rief einige Tage später Juli´s Freundin Sophia an und teilte ihnen mit, dass sie sich einen Hund angeschafft hatte. Ein süßer weiblicher Mischlingswelpe war es, in den sie sich „auf den ersten Blick total verliebt“ hatte, wie sie es ausdrückte.
„Leah heißt die Kleine und sie ist total verspielt“, schwärmte sie am Telefon. „Natürlich macht Leah noch Dummheiten, aber sie ist schon stubenrein. Die Züchterin wollte ursprünglich, dass ich sie nach den Feiertagen abholen sollte, aber ich wollte sie unbedingt so schnell wie möglich bei mir haben. Ich würde sie Euch gerne vorstellen. Dürfen wir bei Euch vorbeikommen?“
„Klar, wie wäre es, wenn Du gleich morgen Nachmittag mit ihr zu uns kommst? Unser Weihnachtsbaum steht schon. Wir machen es uns richtig gemütlich“, freute sich Juli.
Pünktlich am nächsten Tag klingelte es, und als Juli öffnete, schoss ein kleines Wollknäuel an ihr vorbei, nahm sofort Kurs auf die offene Wohnzimmertür und sprang gleich voll Begeisterung in den großen Weihnachtsbaum. Der schwankte bedenklich, blieb aber stehen. Natürlich verlor er dabei wiederum etliche Nadeln.
„Oh sorry, ich habe nur schnell nach meinem Smartphone gegriffen. Ich habe eine SMS bekommen, dabei ist mir wohl die Leine aus der Hand gerutscht“, entschuldigte sich Sophia verlegen. „Leah“, rief sie entsetzt, als sie sah, dass ihr kleiner Hund erneut Anstalten machte, in den Baum zu springen. Sophia stürzte sofort hin, um Leah zu bändigen. Sie versuchte, sie an die Leine zu nehmen, aber der kleine Hund entwischte ihr erneut und sprang noch einmal in den Tannenbaum, der sich nun doch zur Seite neigte und mitsamt dem Ständer umfiel und Leah unter sich begrub.
„Mein armes Schätzchen“, kreischte Sophia hektisch.
„Ich würde vorschlagen, Du und Juli, Ihr macht jetzt mit Deinem Schätzchen einen langen Spaziergang. Dabei könnt Ihr Euch in aller Ruhe unterhalten“, giftete Gunnar.
Ihm reichte es. Bei dem Sturz waren mehrere Kugeln zerbrochen und der Weihnachtsbaum sah inzwischen wirklich jämmerlich aus. Die meisten Äste zierten nur noch vereinzelt hier und dort ein paar grüne Nadeln. Im Grunde konnte man das Tännchen nur noch als Gerippe bezeichnen.
„Aber Liebling...“, wollte Juli protestieren, verstummte allerdings, als sie den recht verärgerten Blick ihres Ehemannes auffing. Offenbar war Gunnar mit seiner Geduld jetzt endgültig am Ende. Natürlich war Sophia beleidigt, als Juli nach ihrem Mantel griff und sagte: „Komm, es ist besser!“
Nachdem die Frauen mit Leah das Haus verlassen hatten, atmete Gunnar auf. Er hob den verunglückten Weihnachtsbaum aus dem Ständer, nahm den Schmuck sowie die letzten Päckchen ab, und brachte ihn anschließend auf die Terrasse. Dabei verlor das gute Stück auch die allerletzten Nadeln. Gleich morgen würde er einen frischen Weihnachtsbaum kaufen müssen. In dem Moment schwor er sich, dass er niemals wieder schon zum ersten Advent einen echten Weihnachtsbaum aufstellen würde. Schließlich musste man ja nicht jedem Trend folgen. Er hoffte, dass würde auch Juli einsehen.
Überraschung im Advent
Mit einem Blick zur Uhr stellte Vibeke fest: „Ach je, so spät schon. Hilft ja nichts, wir müssen trotzdem noch mal Gassi gehen.“
Ihr Mischling Yaris wedelte erfreut mit dem Schweif, er hatte offenbar genau verstanden, was sein Frauchen zu ihm gesagt hatte. Eigentlich passte das gar nicht mehr in Vibeke´s Zeitplan, aber natürlich war ihr klar, dass sie Yaris nicht vernachlässigen durfte. Er war so ein lieber kleiner Kerl, der ihr viel Freude machte, seitdem sie und Jonas ihn aus dem Tierheim zu sich geholt hatten. Vor einiger Zeit hatten sie erfahren, dass sie nie Eltern werden konnten; ein Hund war natürlich kein Ersatz für ein Baby, aber er tröstete sie ein wenig über diesen Kummer hinweg. Sie griff nach seiner Leine, und wenig später spazierten die beiden durch den kleinen Park in der Nähe ihres Hauses. Hier kannte Yaris sich bestens aus, deshalb ließ Vibeke ihn von der Leine, damit er sich ein wenig austoben konnte. Yaris rannte hierhin und dorthin, dann schnüffelte er an einigen Bäumen, um endlich an einem sein Beinchen zu heben. Erleichtert leinte Vibeke ihn wieder an.
„Jetzt aber schnell nach Hause. Herrchen kommt auch bald“, versprach sie, woraufhin Yaris erfreut bellte.
Unterwegs warf sie noch einen Blick in die weihnachtlich geschmückten Schaufenster. In drei Tagen war Heiligabend und sie suchte immer noch eine Kleinigkeit, mit der sie Jonas erfreuen konnte. Die Männer zu beschenken, ist gar nicht so einfach, schoss es ihr durch den Kopf. Dann klingelte ihr Handy. Jonas war dran und teilte ihr mit, dass er in etwa zwei Stunden zu Hause sein würde.
„Zumindest, wenn unterwegs kein Stau mehr ist“, hoffte er. „Ich freue mich auf Euch beide!“
„Wir freuen uns auch auf Dich, fahr vorsichtig“, bat sie.
Plötzlich begann Yaris wie wild an seiner Leine zu zerren. Das tat er doch sonst nie, wunderte sich Vibeke. Der kleine Hund zog sie zielstrebig zu einer der öffentlichen Telefonzellen. Dort bellte er, so laut er konnte. „Was hast Du denn?“, stöhnte Vibeke.
Neugierig trat sie näher, sah in die Zelle und stutzte. Im Innenraum stand eine richtige Babytragetasche. Oder war es eine Puppe, die darin lag? Vorsichtig öffnete Vibeke die Tür, um sich zu vergewissern. Himmel, darin schlief tatsächlich ein echtes Baby. Das konnte doch nicht wahr sein. Wer stellte denn sein Kind hier ab und vergaß es dann? Oder, war der Mutter womöglich etwas Schlimmes geschehen? Vibeke sah sich um, konnte aber niemanden entdecken. In der Telefonzelle war es zwar nicht so kalt wie draußen, aber dennoch viel zu kühl für ein Neugeborenes. Yaris hatte aufgehört zu bellen, nachdem er sein Frauchen dorthin geführt hatte, aber seine dunklen Augen verfolgten genau, was geschah. Vibeke beschloss, ein paar Minuten zu warten. Sicher würde die junge Mutter bald zurückkommen. Es konnte doch gar nicht anders sein, oder doch? Nachdem sie eine Weile dort gestanden hatte, zückte sie ihr Handy und rief Jonas an.
„Stell Dir vor, Yaris hat in einer Telefonzelle ein schlafendes Baby gefunden. Die Mutter scheint nicht in der Nähe zu sein. Denkst Du, es ist ausgesetzt worden?“, rief sie aufgeregt ins Telefon.
„Das kann ich mir nicht vorstellen“, versuchte Jonas, sie zu beruhigen.
„Ich habe schon über eine Viertelstunde gewartet, aber bis jetzt ist noch niemand erschienen.“
„Dann musst Du die Polizei anrufen. Eine andere Möglichkeit sehe ich nicht“, riet Jonas ihr.
Inzwischen fror Vibeke tüchtig, und auch Yaris tänzelte unruhig hin und her. Er wollte nach Hause. Es sah leider nicht so aus, als würde bald jemand kommen, um das Baby abzuholen, aber sie konnte es unmöglich allein und völlig schutzlos hier zurücklassen. Schließlich fasste Vibeke Mut und nahm die Tragetasche mit dem schlafenden Kind an sich. Dann eilte sie mit Yaris nach Hause. Die Polizei konnte sie auch von dort aus anrufen, fand sie. Immerhin war es dort warm. Sie fand es unverantwortlich, das Baby jetzt noch länger in der Kälte stehenzulassen. Daheim angekommen, stellte sie die Tragetasche erst einmal ab. Nachdem sie ihren Mantel und die Schuhe ausgezogen hatte, füllte sie schnell den Napf von Yaris. Normalerweise stürzte er sich gleich auf sein Futter, aber heute war das anders. Er begann vorsichtig an der Tragetasche zu schnüffeln und gab ein paar Töne von sich. Davon erwachte das Baby und schlug die Augen auf.
„Wer bist Du, und wo ist Deine Mutter?“, fragte sich Vibeke ratlos.
Dann nahm sie das Kind hoch. Dabei entdeckte sie in der Tragetasche einige frische Windeln und ein gefülltes Fläschchen, sowie eine Packung mit Babynahrung. Auch ein Brief lag darin. Mit dem Baby auf dem Arm ging sie in die Küche, um das Fläschchen anzuwärmen. Den Brief nahm sie mit und riss ihn auf, um ihn zu lesen.
„Bitte kümmern Sie sich um meine kleine Tochter. Ich kann es einfach nicht. Ich habe sie Minna genannt…“
Mehr stand nicht darin. Keine Unterschrift, gar nichts. Allerdings war dem Schreiben eine Geburtsurkunde beigefügt. Vermutlich hatte die Mutter erst vor wenigen Tagen im Krankenhaus anonym entbunden.
„Oh Yaris, da haben wir den Schlamassel.“
Dieses kleine Wesen tat Vibeke unendlich leid. Tränen traten ihr in die Augen. Warum konnte sie kein eigenes Baby haben, während eine andere Frau ihr Kind nicht behalten wollte?
Yaris schaute sie erneut an und jaulte leise. Sie musste die Polizei anrufen, aber das hatte Zeit. Erst einmal musste das Kind gefüttert werden. Außerdem wollte sie warten, bis Jonas bei ihr war, um sie zu unterstützen. Sie rief ihn noch einmal an, und er versicherte ihr, dass er bald zu Hause sein würde. Nachdem Vibeke das Baby gefüttert hatte, wechselte sie die Windel, wobei Yaris ihr neugierig zusah. Inzwischen hatte er seinen Napf geleert, aber er verfolgte weiterhin jeden ihrer Handgriffe. Als Vibeke sah, wie das Auto von Jonas auf den Hof bog, ging sie schnell zur Haustür, um ihm zu öffnen.
„Da bist Du ja“, rief sie erleichtert.
Jonas trat ein und nahm seine schluchzende Frau in die Arme.
„Dieses Baby, stell Dir vor, seine Mutter will es nicht haben! Denkst Du, wir könnten es zu uns nehmen?“
Er schaute sie überrascht an. Über eine mögliche Adoption hatten sie nie zuvor gesprochen. Aber war das nicht ein Wink des Himmels? Natürlich mussten sie zuerst die Behörden einschalten.
„Es ist ein kleines Mädchen“, erklärte Vibeke strahlend.
Die Kleine lag strampelnd auf einer Decke und gluckste fröhlich vor sich hin. Yaris saß daneben und ließ sie nicht aus den Augen. Ein reizendes Kind, dachte auch Jonas.
„Wir rufen erst mal die Polizei an, dann sehen wir weiter“, dämpfte er die überschwängliche Freude von Vibeke.
Er nahm das Telefonbuch zur Hand und suchte die Nummer der örtlichen Behörde heraus. Wenig später sprach er mit einem Beamten, dem er die Situation erklärte.
„Jetzt müssen wir auf die Polizei warten, und eventuell kommt auch gleich eine Dame vom Jugendamt mit“, informiert Jonas seine Frau anschließend.
Vibeke zitterte vor Aufregung.
„Glaubst Du, dass wir eine Chance haben werden, die Kleine zu behalten? Das wäre mein schönstes Weihnachtsgeschenk!“
„Das müssen wir abwarten“, mehr war Jonas in dem Augenblick nicht zu entlocken. Er nahm sich vor, lieber keine Hoffnungen bei ihr zu wecken, die sich womöglich nicht erfüllen ließen. Aber auch er konnte sich durchaus mit dem Gedanken anfreunden, dieses Baby großzuziehen. Die Kleine, mit den großen blauen Augen und dem zarten dunklen Flaum auf dem Köpfchen, berührte sein Herz ebenso wie das von Vibeke.
Etwa eine Stunde später klingelte es, und ein Polizist in Uniform stand vor der Tür. Er kam in Begleitung einer kleinen, etwas pummeligen jungen Dame, die er als Frau Zimmermann vom Jugendamt vorstellte. Die beiden bedankten sich zunächst einmal dafür, dass Vibeke die Kleine mitgenommen und sie benachrichtigt hatte.
„Normalerweise haben wir immer zwei Pflegestellen für die Babys, aber eine Pflegemutter ist schwer erkrankt, und die andere Familie ist im Weihnachtsurlaub. Könnten Sie sich eventuell vorstellen, das kleine Mädchen für ein paar Tage zu behalten?“, erkundigte sich die Dame.
„Natürlich, das traue ich mir problemlos zu. Meine Schwester wohnt in der Nähe. Sie hat zwei Kinder, das Jüngste ist jetzt anderthalb Jahre alt. Um die beiden haben wir uns schon häufiger gekümmert“, stimmte Vibeke eifrig zu. „Von ihr kann ich mir sicher alles Nötige leihen.“
„Sind Sie ebenfalls damit einverstanden?“, wurde Jonas gefragt.
Er nickte bestätigend.
„Sehr gut“, antwortete die Sozialarbeiterin sichtlich erleichtert. „Ich melde mich, sobald ich einen Pflegeplatz für die Kleine freihabe.“ „Wir würden sie am liebsten für immer behalten“, schaltete Jonas sich nun ein.
„Das kann ich weder jetzt noch hier entscheiden“, antwortete die Dame vom Jugendamt. „Bevor sie ein Kind adoptieren können, müssen Sie offiziell einen Antrag stellen. Sie brauchen natürlich ein gültiges Gesundheitszeugnis, und es kommt auch Papierkram, sowie einiges andere auf Sie zu. Bitte denken Sie daran, dass so eine Entscheidung gut überlegt sein muss. Ich schlage vor, dass wir uns demnächst in aller Ruhe darüber unterhalten. Ich schaue morgen noch einmal bei Ihnen herein.“
Kurz darauf verabschiedeten sich ihre Besucher, und Vibeke rief sofort ihre Schwester Jessica an, um ihr die Neuigkeit zu erzählen und sie zu bitten, einige Babysachen herauszusuchen.
„Das gibt es doch gar nicht!“, staunte Jessica. „Aber natürlich bekommst Du Kleidung, meinen Flaschenwärmer und überhaupt alles, was Du jetzt brauchst. Keine Sorge, das kriegen wir schon hin. Ich suche sofort erst mal das Wichtigste zusammen und bringe es Dir.“
Glücklich sahen Vibeke und Jonas sich an. Um dieses Baby wollten sie mit allen Mitteln kämpfen, darin waren sie sich einig. Und auf jeden Fall würden sie mit Minna und Yaris ein wundervolles Weihnachtsfest verleben.
