Don Quijote von der Mancha - Miguel de Cervantes Saavedra - E-Book

Don Quijote von der Mancha E-Book

Miguel de Cervantes Saavedra

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Beschreibung

Der verarmte Adelige Don Quijote flüchtet sich regelmäßig in die märchenhafte Traumwelt idealisierender Ritterromane und ihrer Helden. Irgendwann kann er nicht mehr zwischen literarischer Traumwelt und Realität unterscheiden. Er wird wahnsinnig und bildet sich ein, selbst ein Ritter zu sein. Da ein echter Ritter ein Pferd braucht, wird Rosinante zum Ritterpferd auserkoren. Don Quijote beschließt, sich nunmehr voll und ganz den Hauptaufgaben eines Ritters zu widmen: Jungfrauen und Waisen vor dem Bösen in der Welt zu retten. Don Quijote kann den nüchternen Sancho Pansa als Knappen gewinnen. Sancha Pansa lässt sich trotz seiner im Kern realistischen Weltsicht von den Chancen erfolgreichen Rittertums überzeugen. Die erhofften Erfolge bleiben aus. In seinem Wahn identifiziert Don Quijote immer wieder Gegner, die keine Gegner sind. Legendär geworden ist sein Kampf gegen Windmühlen, die er für Riesen hält. Quijote will die Realität nicht sehen und verbleibt in seiner Traumwelt. Trotz aller Erniedrigungen und Misserfolge richtet sich Don Quijote moralisch auf und zieht weiter. Seine Würde ist unerschütterlich. Ursprünglich hatte Cervantes den Roman von 1605/1615 als Persiflage auf die zu seiner Zeit modernen Ritterromane geplant. Dieses Vorhaben weitet Cervantes während des Schreibens erheblich aus. Don Quijote begegnet auf seiner Reise so vielen unterschiedlichen Repräsentanten der spanischen Gesellschaft, dass ein umfassendes satirisches Bild Spaniens zur Zeit Cervantes entsteht. »Don Quijote« ist ein unvergängliches Meisterwerk der Weltliteratur. Der »Ritter von der traurigen Gestalt« wurde oft kopiert, adaptiert und zitiert.

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Don Quijote von der Mancha

Don Quijote von der ManchaErster Teil Vorrede 1. Kapitel 2. Kapitel 3. Kapitel 4. Kapitel 5. Kapitel 6. Kapitel 7. Kapitel 8. Kapitel 9. Kapitel 10. Kapitel 11. Kapitel 12. Kapitel 13. Kapitel 14. Kapitel 15. Kapitel 16. Kapitel 17. Kapitel 18. Kapitel 19. Kapitel 20. Kapitel 21. Kapitel 22. Kapitel 23. Kapitel 24. Kapitel 25. Kapitel 26. Kapitel 27. Kapitel 28. Kapitel 29. Kapitel 30. Kapitel 31. Kapitel 32. Kapitel 33. Kapitel 34. Kapitel 35. Kapitel 36. Kapitel 37. Kapitel 38. Kapitel 39. Kapitel 40. Kapitel 41. Kapitel 42. Kapitel 43. Kapitel 44. Kapitel 45. Kapitel 46. Kapitel 47. Kapitel 48. Kapitel 49. Kapitel 50. Kapitel 51. Kapitel 52. Kapitel Zweiter Teil Vorrede 1. Kapitel 2. Kapitel 3. Kapitel 4. Kapitel 5. Kapitel 6. Kapitel 7. Kapitel 8. Kapitel 9. Kapitel 10. Kapitel 11. Kapitel 12. Kapitel 13. Kapitel 14. Kapitel 15. Kapitel 16. Kapitel. 17. Kapitel 18. Kapitel 19. Kapitel 20. Kapitel 21. Kapitel 22. Kapitel 23. Kapitel 24. Kapitel 25. Kapitel 26. Kapitel 27. Kapitel 28. Kapitel 29. Kapitel 30. Kapitel 31. Kapitel 32. Kapitel 33. Kapitel 34. Kapitel 35. Kapitel 36. Kapitel 37. Kapitel 38. Kapitel 39. Kapitel 40. Kapitel 41. Kapitel 42. Kapitel 43. Kapitel 44. Kapitel 45. Kapitel 46. Kapitel 47. Kapitel 48. Kapitel 49. Kapitel 50. Kapitel 51. Kapitel 52. Kapitel 53. Kapitel 54. Kapitel 55. Kapitel 56. Kapitel 57. Kapitel 58. Kapitel 59. Kapitel 60. Kapitel 61. Kapitel 62. Kapitel 63. Kapitel 64. Kapitel 65. Kapitel 66. Kapitel 67. Kapitel 68. Kapitel 69. Kapitel 70. Kapitel 71. Kapitel 72. Kapitel 73. Kapitel 74. Kapitel Impressum

Don Quijote von der Mancha

Teil I und II

Vollständige deutsche Ausgabe mit 24 Illustrationen

Miguel de Cervantes Saavedra

Erster Teil

Vorrede

Verehrter Leser! Ohne Eidschwur kannst du mir glauben, daß ich wünschte, dieses Buch, ein Kind meines Geistes, wäre das schönste, stattlichste und geistreichste, das sich erdenken ließe. Allein ich konnte nicht gegen das Gesetz der Natur ankommen, in der ein jedes Ding seinesgleichen erzeugt. Und was konnte demnach mein unfruchtbarer und unausgebildeter Geist anderes erzeugen als die Geschichte eines trockenen, verrunzelten, und mit vielen Macken behafteten Sohnes, voll von merkwürdigen Gedanken, wie sie nie einem anderen in den Sinn gekommen sind? Eben eines Sohnes, der im Gefängnis gezeugt wurde, wo es trister und lauter ist, als an jedem anderen Ort. Friedliche Muße, eine behagliche Stätte, die Lieblichkeit der Umgebung, die Heiterkeit des Himmels, das Plätschern der Quellen, und die Ruhe des Geistes können aber dazu beitragen, daß die unfruchtbarsten Musen sich dennoch als fruchtbar erweisen und dem Publikum Erzeugnisse bieten, die es mit Bewunderung und Freude erfüllen.

Es geschieht wohl, daß ein Vater einen häßlichen Sohn besitzt, dem jede Grazie fehlt, und die Liebe, die er für ihn hat, legt ihm eine Binde um die Augen, daß er dessen Fehler nicht sieht, vielmehr sie für witzige und liebenswürdige Züge hält und sie gegenüber seinen Freunden als scharfsinnige und anmutige Eigenschaften darstellt. Jedoch ich, der ich zwar als Vater Don Quijotes erscheine, in Wahrheit aber nur sein Stiefvater bin, ich will nicht mit dem Strom der Gewohnheit schwimmen, noch dich, teurer Leser, schier mit Tränen in den Augen bitten, wie andere es tun, daß du die Fehler, die du an diesem meinem Sohne finden magst, verzeihen oder nicht sehen wollest; denn du bist weder sein Verwandter noch sein Freund, hast deinen eignen Kopf und deinen freien Willen wie der Allertüchtigste auf Erden und sitzt in deinem Hause, wo du der Herr bist wie der König über seine Steuergelder, und weißt, was man gemeinhin zu sagen pflegt: unter meinem Mantel kann ich den König umbringen. Alles dieses enthebt und befreit dich von jeder Rücksicht und Verpflichtung, und so kannst du von dieser Geschichte alles sagen, was dir richtig erscheint, ohne dich zu sorgen, daß man dich schelte wegen des Bösen, noch belohne wegen des Guten, das du von ihr sagen magst.

Nur hätte ich sie dir gerne bar und nackt geben mögen, nicht aufgeputzt mit einer Vorrede und dem unzählbaren Haufen und Katalog der üblichen Sonette, Epigramme und Lobgedichte, die man den Büchern an den Eingang zu setzen pflegt. Denn ich kann dir sagen, obschon diese Geschichte zu schreiben mich manche Mühe gekostet hat, so erschien mir doch keine größer, als diese Vorrede auszuarbeiten, die du hier liesest. Oft nahm ich die Feder, um sie niederzuschreiben, und oft ließ ich sie wieder fallen, weil ich nicht wußte, was ich schreiben sollte. Und wie ich einmal so unschlüssig dasaß, mit dem Papier vor mir, die Feder hinter dem Ohr, den Ellbogen auf dem Schreibtisch und die Hand an der Wange, erwägend, was ich sagen sollte, da trat unversehens ein Freund von mir herein, ein Mann von Witz und großer Einsicht; und als er mich so nachdenklich sah, fragte er mich um die Ursache. Ich hielt nicht damit zurück und sagte ihm, ich dächte über die Vorrede nach, die ich zur Geschichte des Don Quijote schreiben müsse und um derentwillen ich mich in einem solchen Zustand befände, daß ich sie gar nicht schreiben und ebensowenig die Taten dieses so edlen Ritters ans Licht treten lassen wolle.

„Denn wie könnt Ihr verlangen, daß mich die Vorstellung: ›Was wird jener alte Gesetzgeber, den man den großen Haufen nennt, dazu sagen?‹ nicht ratlos mache, wenn er sehen wird, daß nach so vielen Jahren, seit ich im Schweigen der Vergessenheit schlafe, ich jetzt mit all meinen Jahren auf dem Halse mit einer Mär hervortrete, die da so dürr ist wie Dünengras, aller Erfindung bar, mangelhaft im Stil, arm an geistreichem Spiel der Worte und aller Gelehrsamkeit und Wissenschaft entbehrend, ohne Zitate am Rand und ohne Notate am Schluß des Buches; dieweil doch, wie ich sehe, andre Bücher alles dies haben und, selbst wenn sie fabelhaften und weltlichen Inhaltes sind, so voll von Aussprüchen des Aristoteles, des Plato und der ganzen Schar von Philosophen einhersteigen, daß sie die Leser in Staunen setzen und daß diese deren Verfasser für belesene, gelehrte und wohlberedte Männer halten. Und wie erst, wenn sie die Heilige Schrift anführen! Man möchte nicht anders glauben, als daß sie lauter heilige Thomase sind oder andre Kirchenlehrer, und dabei beobachten sie die Schicklichkeit so geistvoll, daß, wenn sie in einer Zeile einen verliebten Bruder Liederlich gemalt haben, sie in der nächsten ein Stücklein christlicher Predigt hinschreiben, daß es ein Vergnügen und Genuß ist, es anzuhören oder zu lesen. Alles dessen muß mein Buch entbehren, denn ich habe nichts am Rand zu zitieren, nichts am Schluß zu notieren, und noch weniger weiß ich, welchen Autoren ich in meinem Buche folge, um sie, wie alle tun, nach dem Abc an den Eingang zu stellen, beim Aristoteles anfangend und endigend mit Xenophon und mit Zoilus oder Zeuxis – obschon der eine ein Lästermaul und der andre ein Maler war. Auch wird es meinem Buche an Sonetten zum Eingang fehlen, wenigstens an solchen, die von Herzogen, Marquesen, Grafen, Bischöfen, Edeldamen oder weltberühmten Poeten verfaßt wären. Freilich, wenn ich mir solche von zwei oder drei befreundeten Handwerksburschen erbäte, so weiß ich, sie würden sie mir geben, und zwar so gute, daß ihnen die jener Herren nicht gleichkämen, die am meisten Ruf in unsrem Spanien haben.

Kurz, werter Herr und Freund“, fuhr ich fort, „ich habe beschlossen, daß der Herr Don Quijote in seinen Archiven in der Mancha begraben bleiben soll, bis der Himmel jemanden beschert, der ihn mit so vielen Dingen, die ihm jetzt fehlen, ausschmücke; denn ich fühle mich wegen meiner Unzulänglichkeit und meiner mangelhaften literarischen Bildung unfähig, hier abzuhelfen, und bin auch von Natur zu bequem und zu träge, um nach Autoren suchen zu gehen, die da sagen sollen, was ich für mich schon ohne sie sagen kann. Daher kommt's, daß ich so unschlüssig und aufgeregt war, wie Ihr mich gefunden habt; und sicher war der Grund, den ich Euch dargelegt habe, ein genügender, um mich in solche Zustände zu versetzen.“

Als mein Freund das hörte, schlug er sich mit der flachen Hand an die Stirn, und in ein mächtiges Gelächter ausbrechend, sagte er zu mir: „Bei Gott, Gevatter, jetzt erst werde ich eines Irrtums völlig los, in dem ich die lange Zeit her lebte, seit ich Euch kenne, denn bisher hielt ich Euch immer in allen Euren Handlungen für verständig und besonnen. Aber jetzt sehe ich, daß Ihr so fern davon seid wie der Himmel von der Erde. Wie ist es möglich, daß Dinge von so geringer Bedeutung, und denen so leicht abzuhelfen ist, die Macht haben, einen so reifen Geist zu beirren und zu verwirren wie den Eurigen, der so dazu angetan ist, weit größere Schwierigkeiten zu bewältigen und aus dem Wege zu räumen? In Wahrheit, das kommt nicht vom Mangel an Geschick, sondern aus Überfluß an Trägheit und aus Denkfaulheit. Wollt Ihr sehen, ob ich die Wahrheit sage? Nun, so schenkt mir einige Aufmerksamkeit, und da werdet Ihr finden, wie ich im Handumdrehen all Eure Bedenklichkeiten zunichte mache und Euch alles das herbeischaffe, dessen Mangel, wie Ihr sagt, Euch so verlegen macht und entmutigt, daß Ihr es aufgebt, die Geschichte Eures berühmten Don Quijote, des Lichtes und Spiegels der gesamten fahrenden Ritterschaft, ans Licht der Welt treten zu lassen.“

„Sagt“, entgegnete ich ihm, als ich dies hörte, „auf welche Weise wollt Ihr die Leere meiner Besorgnis ausfüllen und Helle in das Chaos meiner Verlegenheit bringen?“

Darauf antwortete er: „Das erste, woran Ihr Euch stoßt, nämlich daß Sonette, Epigramme oder Lobgedichte Euch für den Eingang des Buches fehlen, und zwar solche, die von Personen von Ansehen und Adel herrühren – dem kann dadurch abgeholfen werden, daß Ihr selbst einige Mühe darauf wendet, sie anzufertigen, und nachher könnt Ihr sie taufen und jeden Namen, der Euch beliebt, daruntersetzen und könnt sie dem Priester Johannes aus Indien oder dem Kaiser von Trapezunt als Kinder unterschieben, da man von ihnen, wie ich weiß, Nachricht hat, sie seien berühmte Poeten gewesen; und wenn sie es auch nicht gewesen wären und wenn es dann ein paar Pedanten und Schwätzer gäbe, die hinterrücks nach Euch beißen und gegen Eure Angabe belfern wollten, so achtet das nicht eines Dreiers wert; denn wenn sie Euch auch die Lüge nachweisen, so werden sie Euch doch nicht die Hand abhauen, mit der Ihr's geschrieben habt.

Was nun den Punkt betrifft: am Rande die Bücher und Schriftsteller aufzuführen, woraus Ihr die Lehrsprüche und Kernworte entlehnt, die Ihr in Eurer Geschichte anwendet, so braucht es weiter nichts, als es so einzurichten, daß hie und da zu gelegener Zeit etliche Sprüche oder lateinische Brocken vorkommen, die Ihr etwa schon auswendig wißt oder die aufzusuchen Euch doch nur geringe Mühe kostet; wie zum Beispiel, wenn Ihr da, wo Ihr von Freiheit und Gefangenschaft handelt, folgendes hinschreibt:

Non bene pro toto Libertas venditur auro –

und dann gleich am Rande den Horaz anführt, oder wer sonst es gesagt haben mag. Wenn Ihr etwa von der Gewalt des Todes handelt, dann gleich herbei mit:

Pallida mors aequo pulsat pede pauperum tabernas,Regumque turres.

Wenn von der Freundschaft und Liebe, die Gott befiehlt gegen den Feind zu üben, dann gleich auf der Stelle in die Heilige Schrift hineingegriffen, was Ihr mit einem wenigen von Beflissenheit fertigbringen könnt, und entlehnt nichts Geringeres als Gottes eigene Worte: Ego autem dico vobis: diligite inimicos vestros. Wenn Ihr von bösen Gedanken handelt, so kommt mit dem Evangelium herbei: De corde exeunt cogitationes malae. Wenn von der Unbeständigkeit der Freunde, so ist Cato da, Euch sein Distichon zu geben:

Donec eris felix, multos numerabis amicos;Tempora si fuerint nubila, solus eris.

Und mit diesen lateinischen Brocken und anderen der Art werden sie Euch doch zum mindesten für einen Grammatiker halten, was zu sein heutzutage nicht wenig Ehre und Vorteil bringt.

In betreff des Schreibens von Anmerkungen zu Ende des Buches, das könnt Ihr mit aller Sicherheit folgendergestalt machen: Wenn Ihr in Eurem Buch irgendeinen Riesen nennt, so richtet es so ein, daß es der Riese Goliath sei, und allein schon damit, was Euch soviel wie nichts kosten wird, habt Ihr eine große Anmerkung, denn Ihr könnt hinsetzen: Der Riese Golías oder Goliath war ein Philister, den der Hirte David mit einem gewaltigen Steinwurf im Terebinthental tötete, wie solches im Buch der Könige berichtet wird, in dem und dem Kapitel, wo ihr es geschrieben finden könnt.

Hierauf, um Euch als gelehrt in den schönen Wissenschaften und als welt- und länderkundigen Mann zu zeigen, legt es so an, daß in Eurer Geschichte der Fluß Tajo genannt werde, und gleich seht Ihr Euch wieder mit einer wundersamen Anmerkung versorgt, indem Ihr hinsetzt: Der Fluß Tajo wurde nach einem spanischen Könige so benannt; er hat seinen Ursprung an dem und dem Ort und verliert sich im Großen Ozean, nachdem er die Mauern der berühmten Stadt Lissabon geküßt, und man meint, er führe Goldsand. Wenn Ihr etwa von Räubern handelt, will ich Euch die Geschichte von Cacus geben, denn ich weiß sie auswendig. Wenn von leichtfertigen Weibern, so ist der Bischof von Mondonedo zur Stelle, der Euch Lamia, Lais und Flora bieten wird, welche Anmerkung Euch ein großes Ansehen geben muß; wenn von grausamen, wird Euch Ovid die Medea hergeben. Wenn von Zauberinnen und Hexen, so hat Homer die Kalypso und Vergil die Kirke. Wenn von tapfern Feldherrn, so wird sich Euch kein Geringerer als Julius Cäsar selbst in seinenKommentarien darbieten und Plutarch Euch tausend Alexander geben. Wollt Ihr von der Liebe handeln, so werdet Ihr mittels eines Lots Kenntnis von der toskanischen Sprache auf Leone Ebreo stoßen, der Euch das Maß bis zum Überlaufen füllen kann. Und wenn Ihr nicht in fremde Lande gehen wollt, so habt Ihr in Eurem Hause den Fonseca Von der Liebe zu Gott, worin alles inbegriffen ist, was Ihr und der Allersinnreichste nur immer bei einem solchen Gegenstand zu wünschen vermögt. Kurz, es braucht weiter nichts, als daß Ihr Euch die Mühe gebt, diese Namen zu nennen oder diese Geschichten, die ich hier bezeichnet habe, in der Eurigen zu berühren, und mir laßt dann die Sorge, die Notate und Zitate beizusetzen; ich schwör Euch drauf, ich will Euch die Ränder füllen und noch ein Dutzend Blätter am Ende des Buches verbrauchen.

Kommen wir nun zu der Anführung der Schriftsteller, die bei den andern Büchern üblich ist und die zu Eurem Buch fehlt. Die Abhilfe dafür ist sehr leicht, denn Ihr habt nichts weiter zu tun als ein Buch herbeizusuchen, das sie alle von A bis Z, wie Ihr sagt, bereits angeführt hat. Nun wohl, dies nämliche Abc setzt Ihr in Euer Buch; denn wenn man auch daraus, daß Ihr so gar wenig nötig hattet, die vielen Schriftsteller zu benutzen, die Lüge deutlich ersieht, so liegt nichts daran; und vielleicht gibt's immerhin jemanden, der so einfältig ist, zu glauben, Ihr hättet in Eurer einfachen und schlichten Geschichte sie doch alle benutzt. Und wenn auch zu weiter nichts, so wird jener große Katalog von Schriftstellern wenigstens dazu dienen, dem Buch auf einen Schlag Ansehen zu verschaffen. Zudem wird sich nicht leicht einer finden, der sich an die Untersuchung begibt, ob Ihr ihnen gefolgt oder nicht gefolgt seid, da ihm gar nichts daran liegen kann. Und dies ist um so mehr der Fall, da, wenn ich recht verstehe, dies Euer Buch nicht eines jener Dinge nötig hat, die, wie Ihr sagt, ihm fehlen; denn das Ganze ist nur ein Angriff auf die Ritterbücher, an die Aristoteles nie gedacht, von denen der heilige Basilius nichts gesagt und bis zu denen Cicero sich nicht verstiegen hat; und ebensowenig gehört in den Kreis seiner erdichteten Narreteien die strenge Genauigkeit geschichtlicher Wahrheit wie die Beobachtung der Sterndeuterei; auch sind ihm von keinem Wert die geometrischen Messungen noch die Widerlegung der Beweisführungen, deren sich die Redekunst bedient. Ebensowenig soll es irgendwem etwas vorpredigen und so das Menschliche mit dem Göttlichen vermischen – eine Art von Vermischung, die kein christlicher Geist zur Schau tragen soll. Ausschließlich soll es in allem, was es darstellt, sich der Nachahmung befleißigen, und um so vollkommener diese sein wird, um so besser wird ausfallen, was Ihr schreibt. Und da dies Euer Werk auf weiter nichts ausgeht, als das Ansehen und die Gunst zu zerstören, die die Ritterbücher in der Welt und bei der Masse genießen, so ist kein Grund, weshalb Ihr betteln gehen solltet um Kernsprüche der Weltweisen, um gute Lehren der Heiligen Schrift, Erfindungen der Dichter, hohe Worte der Redekünstler, Wunder der Heiligen; sondern Ihr habt nur darum bemüht zu sein, daß in schlichter Weise, mit bezeichnenden, anständigen und wohlgefügten Worten, Euer Stil und Satzbau klangvoll und anmutig dahinschreite; indem Ihr in allem, was Ihr erreichen könnt und was Euch möglich ist, Euern Endzweck getreulich darstellt und Eure Gedanken zum Verständnis bringt, ohne sie zu verwickeln und zu verdunkeln. Strebet auch danach, daß beim Lesen Eurer Geschichte der Schwermütige zum Lachen erregt werde, der Lachlustige noch stärker auflache, der Mann von einfachem Verstande nicht Überdruß empfinde, der Einsichtsvolle die Erfindung bewundere, der sinnig Ernste sie nicht mißachte und der Kenner nicht umhinkönne, sie zu loben. Mit einem Worte, richtet Euer Augenmerk darauf, das auf so schlechter Grundlage ruhende Gerüste jener Ritterbücher niederzureißen, die von so vielen verabscheut und von einer noch weit größeren Anzahl gepriesen werden; und wenn Ihr dieses Ziel erreicht, so werdet Ihr nichts Geringes erreicht haben.“

Mit tiefem Schweigen saß ich und hörte meinem Freunde zu, und so tief prägten sich mir seine Worte ein, daß ich, ohne eine Widerrede zu versuchen, ihnen meine Gutheißung erteilte und mir vornahm, aus diesen selben Worten meine Vorrede zusammenzutragen. In ihr also wirst du, holder Leser, die Verständigkeit meines Freundes ersehen sowie mein gutes Glück, in einem so bedrängten Augenblicke einen solchen Ratgeber gefunden zu haben, und zugleich die Quelle deiner eigenen Befriedigung darüber, daß du die Geschichte des berühmten Don Quijote von der Mancha so lauter und so ganz ohne Abirrungen erhältst; des Mannes, von dem unter allen Bewohnern des Gefildes von Montiel die Meinung geht, daß er der keuscheste Liebhaber und der tapferste Ritter gewesen, den man von vielen Jahren her bis zu dieser Zeit in jenen Gegenden gesehen. Ich will den dir geleisteten Dienst, daß ich dich einen so edlen und ehrsamen Ritter kennen lehre, nicht zu hoch anschlagen; aber danken sollst du mir, daß du Bekanntschaft mit seinem Schildknappen, dem berühmten Sancho Pansa, machst, in welchem ich dir, nach meiner Ansicht, den Inbegriff aller knappenhaften Witze vorführe, die in dem Haufen der Ritterbücher sich zerstreut finden.

Und hiermit, Gott möge dir Heil gewähren und mich nicht vergessen. Leb wohl.

Urganda die Unerkannte an das Buch Don Quijote von der Mancha

Wenn zu Trefflichen zu kommen Du, mein Buch, erstreben kannst, Wird dir kein Gelbschnabel sagen, Daß du es nicht gut getroffen. Doch packt Ungeduld dich oft, Weil du Eseln wirst zu ei-gen, Wirst du sehn im Nu, daß keiner Auf den Kopf den Nagel treffe, Ob er sich die Finger lecke, Sich als Mann von Geist zu zeigen.

Und da die Erfahrung spricht: Wer an guten Baum sich lehnt, Daß den guter Schatten deckt, Beut dein Stern in Béjar dir Einen Baum, der königlich, Fürsten trägt als seine Früchte Und an dem ein Herzog blüht, Der ein neuer Alexander; Wage dich in seinen Schatten, Denn dem Kühnen lacht das Glück.

Abenteuer sollst du singen Eines Ritters aus der Mancha, Dem der Bücher hohler Tand, Die er las, den Kopf verwirrte. Frauen, Waffen, edle Ritter Hatten so ihn eingenommen, Daß er wie Roland der tolle Ganz von Liebeswut befangen Sich errang mit starken Armen Dulcinea von Toboso.

Male du nicht eitle Bilder Auf den Schild, denn wenn der heftige Spieler stets auf Bilder setzt, Wird er gegen As verlieren. Sei demütig in der Widmung! Und dann wird kein Spötter rufen: Welch ein Konnetabel Luna, Welch karthagischer Hannibal, Welch ein König Franz in Spanien Will noch übers Schicksal murren!

Da der Himmel nicht gewollt, Daß so viel Latein du wissest Als der Neger Juan Latino, Meide du lateinische Brocken. Nicht zitier mir Philosophen, Sei nicht überfein haarspalterisch; Sonst verzieht den Mund zum Lachen Wer den Pfiff versteht, und ruft Gellend dir ins Ohr den Spruch: Warum Kniffe mir und Phrasen?

Nicht beschreib in breitem Schwulst Fremder Leute Lebensbahn; Weitab stehn und liegen lasse Dinge, die dem Leser Wurst. Dem schlägt man auf die Kapuze, Der zu breit sich macht mit Witz, Du arbeite nur und schwitze, Zu erringen guten Ruf; Denn wer Albernheiten druckt, Leiht sie aus auf ewige Zinsen.

Merke dir: der ist ein Narr, Der da unterm Glasdach weilt Und trotzdem nach Steinen greift Und sie wirft auf Nachbars Dach. Doch der Mann von Urteilskraft Geht bei allem, was er schreibt, Als war Blei an seinen Beinen; Und wer das Papier bedruckt, Um Backfischchen zu erlusten, Hat versimpelt seine Zeit.

Amadís von Gallien an Don Quijote von der Mancha

Sonett

O du, in dem die Lieb Nachahmung weckte Des Tränenlebens, das mich quält' und plagte, Als auf dem Armutsfelsen ich verzagte,

Wiel mich Entfernung und Verschmähung schreckte;

Du, der zum Trank der Augen Salzflut leckte Und dem zur Mahlzeit, wenn dich Hunger nagte Und Silber, Zinn und Kupfer dir versagte, Die Erd auf harter Erd ein Tischchen deckte;

Leb du in Zuversicht, daß dir auf immer – So lang zum mindsten, als die Feuerpferde Apollos in der vierten Sphäre kreisen –

Dein Name hell wird sein von Ruhmesschimmer, Dein Vaterland das erst' auf dieser Erde, Dein Autor einzig unter allen Weisen.

Don Belianis von Griechenland an Don Quijote von der Mancha

Sonett

Ich brach, hieb, sprach, schlug Beulen, hab vollbracht Mehr als der fahrenden Ritter ganz Geschlecht, Kühn, brav, stolz, tausend Frevel schwer gerächt Und hunderttausend wiedergutgemacht.

Der Ruhm verewigt meiner Taten Pracht; Stets war mein Lieben sanft, freigebig, echt. Im Zweikampf war ich jeder Pflicht gerecht; Ein Riese galt als Zwerg mir in der Schlacht.

Zu Füßen mir hatt ich Fortuna liegen; Am Stirnhaar hielt mein schlauer Sinn mit Spotte Die kahle Glatze der Gelegenheit.

Doch hob sich auch mein Glück im steten Siegen Über des Mondes Hörner – Don Quijote, Auf deine Heldentaten hab ich Neid.

Die Dame Oriana an Dulcinea von Toboso

Sonett

O schöne Dulcinee! Hätt ich's vollbracht, Mein Miraflores einst, mir zum Ergetzen Und Labsal, nach Toboso zu versetzen, Mit deinem Dorf zu tauschen Londons Pracht!

O zierte deine Denkart, deine Tracht Mir Seel und Leib! wie froh würd ich mich schätzen, Den Ritter, der beglückt in deinen Netzen, Zu schaun im Kampfe gegen Übermacht!

Hätt ich's vollbracht, mit keuschem Sinn zu meiden Herrn Amadís, wie du dem höflich feinen Quijote dich entzogst trotz seinen Qualen!

Ich wär beneidet dann, statt zu beneiden, Blieb froh statt traurig und genoß den reinen Glücksbecher, ohne Zeche zu bezahlen.

Gandalin, Schildknappe des Amadís von Gallien, an Sancho Pansa, den Schildknappen Don Quijotes

Sonett

Heil, edler Mann, dir! Als des Schicksals Macht Dich mit dem Amt des Knappentums belohnt, Hat's dich mit allem Pech so ganz verschont, Daß deine Pflichten du mit Glanz vollbracht.

Jetzt wird nicht Sens und Spaten mehr verdacht Den fahrenden Knappen, simpler Geist nun wohnt Im Knappentum; der Hochmut, der den Mond Mit Füßen treten will, wird ausgelacht.

Ich neide deinen Ruhm, dein Eselein; Jedoch dein Zwerchsack, der dich kennen lehrt Als höchst fürsichtig, geht mir noch darüber.

Heil nochmals dir, du Biedrer, dem allein Hat unser spanischer Ovid gewährt Ehrsamen Gruß mit einem Nasenstüber.

Von dem Zierlichen, dem Poeten für Allerhand, auf Sancho Pansa

Sancho Pansa bin ich, Knappe Des Manchaners Don Quijote; Einst hab ich Reißaus genommen, Meines Lebens klug zu warten. Villadiego sah das Ganze Der Politik in der Lehre, Aus Gefahr sich fortzustehlen; Also sagt die Celestina, Die ein göttlich Buch mir schiene, Wenn's nicht gar zu menschlich wäre.

Auf Rosinante

Des Babieca Enkelsohn, Rosinante hochberühmt, Meine Schwächen abzubüßen, Dient ich einem Don Quijo-te; War im Langsamlaufen groß; Doch dem gaulhaft klugen Sinn Nie ein Gerstenkorn entging; Was mich Lazarillo lehrte, Der, dem Blinden Wein zu stehlen, Sich ins Maul den Strohhalm hielt.

Der rasende Roland an Don Quijote von der Mancha

Sonett

Du bist kein Großer zwar des Reichs, indessen Muß man als Größten dich der Großen ehren, Du Sieger, unbesiegt von ganzen Heeren; Dir gleich zu sein, darf keiner sich vermessen.

Von Liebe zu Angelika besessen, Zog rasend ich, Roldán, zu fernen Meeren, Und Opfer bracht ich auf des Ruhms Altären, Daß nie mein Name sinket in Vergessen.

Obschon du den Verstand wie ich verloren, Kann ich dir gleich nicht sein; das Weltall schätzt Weit höher deinen Ruf und deine Taten.

Mir wirst du gleich, wenn du den stolzen Mohren, Den wilden Skythen bändigst, der uns jetzt Gleich nennt im Lieben, das vom Glück verraten.

Der Sonnenritter an Don Quijote von der Mancha

Sonett

Nie hat mein Schwert so kühn wie deins gedroht, Du span'scher Phöbus, du voll Lieb und Witz, Und deinem Arm weicht meiner, der als Blitz In Ost und West viel Feinde schlug zu Tod.

Den Thron verschmäht ich, den die Welt mir bot, Verließ im Orient den Königssitz Für Claridianas Anblick, denn mich litt's Nur, wo ich sah mein holdes Morgenrot.

Heiß liebt ich sie, das hehre Wunderbild; Als sie mich kalt verstieß, griff ich die Rotte Der Höllen an, die ich mit Schrecken schlug.

Doch du, ein echter Gote, wild und mild, Bist ewig groß durch Dulcinee, Quijote, Und sie durch dich berühmt als keusch und klug.

Solisdan an Don Quijote von der Mancha

Sonett

Junger Quijote, so Ihr Euch geschwächt Das Hirn und seid zur Narrenzunft gesprochen, So sagt kein Mensch doch, daß Ihr was verbrochen, Noch eines Schelmenstücks Euch habt erfrecht.

Wohl Eure Taten sitzen drob zu Recht. Auf Ritterfahrt habt Frevel Ihr gerochen, Und tausendmal zerschlugen Euch die Knochen Manch böser Wicht und mannich loser Knecht.

Und so dich Dulcinee gen Euch erbost Und tut Euch Leids und bringt Euch auf den Hund Und Eurem Weh kein willig Labsal gibt,

In solchen Nöten sei Euch dies zum Trost: Daß Sancho sich aufs Kuppeln nicht verstund, Ein Dummkopf er, sie hart, Ihr nicht verliebt.

Zwiegespräch zwischen Babieca und Rosinante

Sonett

B. So hager, Rosinante, so verschlissen? R. Weil's Arbeit stets und niemals Futter gab. B. Wirft Euch der Dienst nicht Stroh und Gerste ab? R. Mein Herr verabreicht mir nicht einen Bissen.

B. Ihr loser Knecht, schämt Euch in Eu'r Gewissen! Ein Eselsmaul reißt seinen Herrn herab. R. Er ist ein Esel von der Wieg ans Grab; Seht nur, wie er der Liebe sich beflissen!

B. Ist Lieben Torheit? R. Doch nicht viel Vernunft. B. Du bist ein Philosoph. R. Das kommt vom Hungern. B. Verklagt den Diener, der auf Euch nichts wandte.

R. Wem sollt ich's klagen bei der Bettlerzunft, Wo Herr und Diener in der Welt rumlungern Und grad so schäbig sind wie Rosinante?

1. Kapitel

Welches vom Stand und der Lebensweise des berühmten Junkers Don Quijote von der Mancha handelt

An einem Orte der Mancha, an dessen Namen ich mich nicht erinnern will, lebte vor nicht langer Zeit ein Junker, einer von jenen, die einen Speer im Lanzengestell, eine alte Tartsche, einen hagern Gaul und einen Windhund zum Jagen haben. Eine Schüssel Suppe mit etwas mehr Kuh- als Hammelfleisch darin, die meisten Abende Fleischkuchen aus den Überbleibseln vom Mittag, jämmerliche Knochenreste am Samstag, Linsen am Freitag, ein Täubchen als Zugabe am Sonntag – das verzehrte volle Dreiviertel seines Einkommens; der Rest ging drauf für ein Wams von Plüsch, Hosen von Samt für die Feiertage mit zugehörigen Pantoffeln vom selben Stoff, und die Wochentage schätzte er sich's zur Ehre, sein einheimisches Bauerntuch zu tragen – aber vom feinsten! Er hatte bei sich eine Haushälterin, die über die Vierzig hinaus war, und eine Nichte, die noch nicht an die Zwanzig reichte; auch einen Diener für Feld und Haus, der ebensowohl den Gaul sattelte als die Gartenschere zur Hand nahm. Es streifte das Alter unsres Junkers an die fünfzig Jahre; er war von kräftiger Körperbeschaffenheit, hager am Leibe, dürr im Gesichte, ein eifriger Frühaufsteher und Freund der Jagd. Man behauptete, er habe den Zunamen Quijada oder Quesada geführt – denn hierin waltet einige Verschiedenheit in den Autoren, die über diesen Kasus schreiben –, wiewohl aus wahrscheinlichen Vermutungen sich annehmen läßt, daß er Quijano hieß. Aber dies ist von geringer Bedeutung für unsre Geschichte; genug, daß in deren Erzählung nicht um einen Punkt von der Wahrheit abgewichen wird.

Man muß nun wissen, daß dieser obbesagte Junker alle Stunden, wo er müßig war – und es waren dies die meisten des Jahres –, sich, dem Lesen von Ritterbüchern hingab, mit so viel Neigung und Vergnügen, daß er fast ganz und gar die Übung der Jagd und selbst die Verwaltung seines Vermögens vergaß; und so weit ging darin seine Wißbegierde und törichte Leidenschaft, daß er viele Morgen Ackerfeld verkaufte, um Ritterbücher zum Lesen anzuschaffen; und so brachte er so viele ins Haus, als er ihrer nur bekommen konnte. Und von allen gefielen ihm keine so gut wie die von dem berühmten Feliciano de Silva verfaßten; denn die Klarheit seiner Prosa und die verwickelten Redensarten, die er anwendet, dünkten ihm wahre Kleinode; zumal wenn er ans Lesen jener Liebesreden und jener Briefe mit Herausforderungen kam, wo er an mancherlei Stellen geschrieben fand: Der Sinn des Widersinns, den Ihr meinen Sinnen antut, schwächt meinen Sinn dergestalt, daß ein richtiger Sinn darin liegt, wenn ich über Eure Schönheit Klage führe. Und ebenso, wenn er las: ...die hohen Himmel Eurer Göttlichkeit, die Euch in göttlicher Weise bei den Sternen festigen und Euch zur Verdienerin des Verdienstes machen, das Eure hohe Würde verdient. Durch solche Redensarten verlor der arme Ritter den Verstand und studierte sich ab, um sie zu begreifen und aus ihnen den Sinn herauszuklauben, den ihnen Aristoteles selbst nicht abgewonnen noch sie verstanden hätte, wenn er auch zu diesem alleinigen Zweck aus dem Grab gestiegen wäre. Er war nicht sonderlich einverstanden mit den Wunden, welche Don Belianís austeilte und empfing; denn er dachte sich, wie große Ärzte ihn auch gepflegt hätten, so könnte er doch nicht anders als das Gesicht und den ganzen Körper voll Narben und Wundenmale haben. Aber bei alldem lobte er an dessen Verfasser, daß er sein Buch mit dem Versprechen jenes unbeendbaren Abenteuers beendet; und oftmals kam ihm der Wunsch, die Feder zu ergreifen und dem Buch einen Schluß zu geben, buchstäblich so, wie es dort versprochen wird; und ohne Zweifel hätte er es getan, ja er wäre damit zustande gekommen, wenn andere größere und ununterbrochen ihn beschäftigende Ideen es ihm nicht verwehrt hätten.

Vielmals hatte er mit dem Pfarrer seines Ortes – der war ein gelehrter Mann und hatte den Grad eines Lizentiaten zu Siguenza erlangt – Streit darüber, wer ein besserer Ritter gewesen, Palmerín von England oder Amadís von Gallien; aber Meister Nikolas, der Barbier desselbigen Ortes, sagte, es reiche keiner an den Sonnenritter, und wenn einer sich ihm vergleichen könne, so sei es Don Galaor, der Bruder des Amadís von Gallien, weil dessen Naturell sich mit allem zurechtfinde; er sei kein zimperlicher Rittersmann, auch nicht ein solcher Tränensack wie sein Bruder, und im Punkte der Tapferkeit stehe er nicht hinter ihm zurück.

Schließlich versenkte er sich so tief in seine Bücher, daß ihm die Nächte vom Zwielicht bis zum Zwielicht und die Tage von der Dämmerung bis zur Dämmerung über dem Lesen hingingen; und so, vom wenigen Schlafen und vom vielen Lesen, trocknete ihm das Hirn so aus, daß er zuletzt den Verstand verlor. Die Phantasie füllte sich ihm mit allem an, was er in den Büchern las, so mit Verzauberungen wie mit Kämpfen, Waffengängen, Herausforderungen, Wunden, süßem Gekose, Liebschaften, Seestürmen und unmöglichen Narreteien. Und so fest setzte es sich ihm in den Kopf, jener Wust hirnverrückter Erdichtungen, die er las, sei volle Wahrheit, daß es für ihn keine zweifellosere Geschichte auf Erden gab. Er pflegte zu sagen, der Cid Rui Diaz sei ein sehr tüchtiger Ritter gewesen, allein er könne nicht aufkommen gegen den Ritter vom flammenden Schwert, der mit einem einzigen Hieb zwei grimmige ungeheure Riesen mitten auseinandergehauen. Besser stand er sich mit Bernardo del Carpio, weil dieser in Roncesvalles den gefeiten Roldán getötet, indem er sich den Kunstgriff des Herkules zunutze machte, als dieser den Antäus, den Sohn der Erde, in seinen Armen erstickte. Viel Gutes sagte er von dem Riesen Morgante, weil dieser, obschon von jenem Geschlechte der Riesen, die sämtlich hochfahrende Grobiane sind, allein unter ihnen leutselig und wohlgezogen gewesen. Doch vor allen stand er sich gut mit Rinald von Montalbán, und ganz besonders, wenn er ihn aus seiner Burg ausreiten und alle, auf die er stieß, berauben sah und wenn derselbe drüben über See jenes Götzenbild des Mohammed raubte, das ganz von Gold war, wie eine Geschichte besagt. Gern hätte er, um dem Verräter Ganelon ein Schock Fußtritte versetzen zu dürfen, seine Haushälterin hergegeben und sogar seine Nichte obendrein.

Zuletzt, da es mit seinem Verstand völlig zu Ende gegangen, verfiel er auf den seltsamsten Gedanken, auf den jemals in der Welt ein Narr verfallen; nämlich es deuchte ihm angemessen und notwendig, sowohl zur Mehrung seiner Ehre als auch zum Dienste des Gemeinwesens, sich zum fahrenden Ritter zu machen und durch die ganze Welt mit Roß und Waffen zu ziehen, um Abenteuer zu suchen und all das zu üben, was, wie er gelesen, die fahrenden Ritter übten, das heißt jegliche Art von Unbill wiedergutzumachen und sich in Gelegenheiten und Gefahren zu begeben, durch deren Überwindung er ewigen Namen und Ruhm gewinnen würde. Der Arme sah sich schon in seiner Einbildung durch die Tapferkeit seines Armes allergeringsten Falles mit der Kaiserwürde von Trapezunt bekrönt; und demnach, in diesen so angenehmen Gedanken, hingerissen von dem wundersamen Reiz, den sie für ihn hatten, beeilte er sich, ins Werk zu setzen, was er ersehnte.

Und das erste, was er vornahm, war die Reinigung von Rüstungsstücken, die seinen Urgroßeltern gehört hatten und die, von Rost angegriffen und mit Schimmel überzogen, seit langen Zeiten in einen Winkel hingeworfen und vergessen waren. Er reinigte sie und machte sie zurecht, so gut er nur immer konnte. Doch nun sah er, daß sie an einem großen Mangel litten: es war nämlich kein Helm mit Visier dabei, sondern nur eine einfache Sturmhaube; aber dem half seine Erfindsamkeit ab, denn er machte aus Pappdeckel eine Art von Vorderhelm, der, in die Sturmhaube eingefügt, ihr den Anschein eines vollständigen Turnierhelms gab. Freilich wollte er dann auch erproben, ob der Helm stark genug sei und einen scharfen Hieb aushalten könne, zog sein Schwert und führte zwei Streiche darauf, und schon mit dem ersten zerstörte er in einem Augenblick, was er in einer Woche geschaffen hatte; und da konnte es nicht fehlen, daß ihm die Leichtigkeit mißfiel, mit der er ihn in Stücke geschlagen. Um sich nun vor dieser Gefahr zu bewahren, fing er den Vorderhelm aufs neue an und setzte Eisenstäbe innen hinein, dergestalt, daß er nun mit dessen Stärke zufrieden war; und ohne eine neue Probe damit anstellen zu wollen, erachtete und erklärte er ihn für einen ganz vortrefflichen Turnierhelm.

Jetzt ging er, alsbald nach seinem Gaule zu sehen, und obschon dieser an den Hufen mehr Steingallen hatte als ein Groschen Pfennige und mehr Gebresten als das Pferd Gonellas, das tanium pellis et ossa fuit, dünkte es ihn, daß weder der Bukephalos des Alexander noch der Babieca des Cid sich ihm gleichstellen könnten. Vier Tage vergingen ihm mit dem Nachdenken darüber, welchen Namen er ihm zuteilen sollte; sintemal – wie er sich selbst sagte – es nicht recht wäre, daß das Roß eines so berühmten Ritters, das auch schon an sich selbst so vortrefflich sei, ohne einen eigenen wohlbekannten Namen bliebe. Und so bemühte er sich, ihm einen solchen zu verleihen, der deutlich anzeige, was der Gaul vorher gewesen, ehe er eines fahrenden Ritters war, und was er jetzo sei; denn es sei doch in der Vernunft begründet, daß, wenn sein Herr einen andern Stand, auch das Roß einen andern Namen annehme und einen solchen erhalte, der ruhmvoll und hochtönend sei, wie es dem neuen Orden und Beruf zieme, zu dem er sich selbst bereits bekenne. Und so, nachdem er viele Namen sich ausgedacht, dann gestrichen und beseitigt, dann wieder in seinem Kopfe andre herbeigebracht, abermals verworfen und aufs neue in seiner Vorstellung und Phantasie zusammengestellt, kam er zuletzt darauf, ihn Rosinante zu heißen, ein nach seiner Meinung hoher und volltönender Name, bezeichnend für das, was er gewesen, als er noch ein Reitgaul nur war, bevor er zu der Bedeutung gekommen, die er jetzt besaß, nämlich allen Rossen der Welt als das Erste voranzugehen.

Nachdem er seinem Gaul einen Namen, und zwar so sehr zu seiner Zufriedenheit, gegeben, wollte er sich auch selbst einen beilegen, und mit diesem Gedanken verbrachte er wieder volle acht Tage; und zuletzt verfiel er darauf, sich Don Quijote zu nennen; woher denn, wie schon gesagt, die Verfasser dieser so wahren Geschichte Anlaß zu der Behauptung nahmen, er müsse ohne Zweifel Quijada geheißen haben und nicht Quesada, wie andre gewollt haben. Jedoch da er sich erinnerte, daß der tapfere Amadís sich nicht einfach damit begnügt hatte, ganz trocken Amadís zu heißen, sondern den Namen seines Königreichs und Vaterlands beifügte, um es berühmt zu machen, und sich Amadís von Gallien nannte, wollte er ebenso als ein guter Ritter seinem Namen den seiner Heimat beifügen und sich Don Quijote von der Mancha nennen; damit bezeichnete er nach seiner Meinung sein Geschlecht und Heimatland ganz lebenstreu und ehrte es hoch, indem er den Zunamen von ihm entlehnte.

Da er nun seine Waffen gereinigt, aus der Sturmhaube einen Turnierhelm gemacht, seinem Rosse einen Namen gegeben und sich selbst neu gefirmelt hatte, führte er sich zu Gemüt, daß ihm nichts andres mehr fehle, als eine Dame zu suchen, um sich in sie zu verlieben; denn der fahrende Ritter ohne Liebe sei ein Baum ohne Blätter und Frucht, ein Körper ohne Seele. Er sagte sich: Wenn ich um meiner argen Sünden willen oder durch mein gutes Glück draußen auf einen Riesen stoße, wie dies gewöhnlich den fahrenden Rittern begegnet, und ich werfe ihn mit einem Speerstoß darnieder oder haue ihn mitten Leibes auseinander, oder kurz, besiege ihn und zwinge ihn zu meinem Willen, wird es da nicht gut sein, eine Dame zu haben, der ich ihn zusenden kann, um sich ihr zu stellen, so daß er eintrete und sich auf die Knie niederlasse vor meiner süßen Herrin und mit demütiger und unterwürfiger Stimme sage: Ich bin der Riese Caraculiambro, Herr der Insel Malindrania, den im Einzelkampf der nie nach voller Gebühr gepriesene Ritter Don Quijote von der Mancha besiegt hat, als welcher mir befohlen, ich solle mich vor Euer Gnaden stellen, auf daß Euer Herrlichkeit über mich nach Dero Belieben verfüge?

O wie freute sich unser Ritter, als er diese Rede getan, und gar erst, als er gefunden, wem er den Namen seiner Dame zu geben hätte! Und es verhielt sich dies so – wie man glaubt –, daß an einem Ort in der Nachbarschaft des seinigen ein Bauernmädchen von recht gutem Aussehen lebte, in die er eine Zeitlang verliebt gewesen, obschon, wie man vernimmt, sie davon nie erfuhr noch acht darauf hatte. Sie nannte sich Aldonza Lorenzo, und dieser den Titel einer Herrin seiner Gedanken zu geben deuchte ihm wohlgetan. Er suchte für sie nach einem Namen, der vom seinigen nicht zu sehr abstäche und auf den einer Prinzessin und hohen Herrin hinwiese und abziele, und so nannte er sie endlich Dulcinea von Toboso, weil sie aus Toboso gebürtig war; ein Name, der nach seiner Meinung wohlklingend und etwas Besonderes war und zugleich bezeichnend wie alle übrigen, die er sich und allem, was ihn betraf, beigelegt hatte.

2. Kapitel

Welches von der ersten Ausfahrt handelt, die der sinnreiche Don Quijote aus seiner Heimat tat

Nachdem er alle diese Vorkehrungen getroffen, wollte er nicht länger warten, sein Vorhaben ins Werk zu setzen; es drängte ihn dazu der Gedanke an die Entbehrung, die die Welt durch sein Zögern erleide, derart waren die Unbilden, denen er zu steuern, die Ungerechtigkeiten, die er zurechtzubringen, die Ungebühr, der er abzuhelfen, die Mißbräuche, die er wiedergutzumachen, kurz, die Pflichten, denen er zu genügen gedachte. Und so, ohne irgendeinem von seiner Absicht Kunde zu geben und ohne daß jemand ihn sah, bewehrte er sich eines Morgens vor Anbruch des Tages – es war einer der heißen Julitage – mit seiner ganzen Rüstung, stieg auf den Rosinante, nachdem er seinen zusammengeflickten Turnierhelm aufgesetzt, faßte seine Tartsche in den Arm, nahm seinen Speer und zog durch die Hinterpforte seines Hofes hinaus aufs Feld, mit gewaltiger Befriedigung und Herzensfreude darob, mit wie großer Leichtigkeit er sein löbliches Vorhaben auszuführen begonnen.

Aber kaum sah er sich in freiem Feld, als ihn ein schrecklicher Gedanke anfiel, und zwar ein solcher, der ihn beinahe dahin gebracht hätte, das angefangene Unternehmen wieder aufzugeben: nämlich der Gedanke, daß er nicht zum Ritter geschlagen sei und daß gemäß dem Gesetze des Rittertums er gegen keinen Ritter die Waffen führen könne noch dürfe; und wenn er es sogar schon wäre, so müßte er doch eine weiße Rüstung tragen, ohne ein Abzeichen auf dem Schild, bis er sich eines durch seine Tapferkeit gewänne. Diese Erwägungen machten ihn in seinem Vorsatze wankend; aber da seine Torheit mehr vermochte als jeglicher Vernunftgrund, nahm er sich vor, sich von dem ersten besten, auf den er stieße, zum Ritter schlagen zu lassen, in Nachahmung vieler andern, die so getan, wie er in den Büchern gelesen hatte, die ihn in solche Geistesrichtung versetzt hatten. Was die weiße Rüstung betraf, so dachte er die seine, wenn er Gelegenheit habe, dergestalt zu putzen, daß sie weißer werde als ein Hermelin. Und damit beruhigte er sich und setzte seinen Weg fort, ohne einen andern einzuschlagen, als den sein Pferd wollte; denn er meinte, gerade darin bestünde das rechte Wesen der Abenteuer.

Wie nun unser funkelnagelneuer Abenteurer des Weges hinzog, pflog er ernsten Gespräches mit sich selbst und sagte: Wer zweifelt, daß in kommenden Zeiten, wann die wahrhafte Geschichte meiner ruhmvollen Taten dereinst ans Licht tritt, der weise Zauberer, der sie verfassen wird, wenn er an die Erzählung gelangt dieser meiner ersten Ausfahrt so frühmorgens, folgendermaßen hinschreibt: Kaum hatte der rotwangige Apollo über das Antlitz der großen weithingedehnten Erde die goldnen Fäden seiner schönen Haupthaare ausgebreitet und kaum hatten die kleinen buntfarbigen Vögelein mit ihren spitzigen Zungen und mit sanfter honigsüßer Harmonie das Kommen der rosigen Aurora begrüßt, welche, das weiche Lager des eifersüchtigen Gemahls verlassend, sich aus den Pforten und Erkern des Manchaner Horizontes hervor den Sterblichen zeigte, als der berühmte Ritter Don Quijote von der Mancha, die müßigen Daunen verlassend, auf seinen berühmten Hengst Rosinante stieg und des Weges zu ziehen begann über das alte weitbekannte Gefilde von Montiel. – Und in der Tat ritt er eben darüber hin.

Und er sagte weiter: Glücklich das Zeitalter und glücklich das Jahrhundert, wo dereinst ans Licht treten die ruhmvollen Taten mein, würdig, in Erz gegraben, in Marmor gemeißelt, auf Tafeln gemalt zu werden zum Angedenken in aller Zukunft! O du weiser Zauberer, wer auch immer du seiest, dem es zuteil werden soll, der Chronist dieser merkwürdigen Geschichte zu sein, ich bitte dich, meines guten Rosinante nicht zu vergessen, meines ewigen Gefährten auf all meinen Wegen und Bahnen.

Dann sagte er wieder, als wäre er wirklich verliebt: O Prinzessin Dulcinea, Herrin dieses mit Gefangenschaft bestrickten Herzens! Große Unbill habt Ihr mir getan, mich abzuweisen und wegzustoßen mit der grausamen Strenge des Gebotes, daß ich vor Euer Huldseligkeit mich nicht mehr zeigen soll. Es beliebe Euch, Herrin, dieses Euch untertänigen Herzens zu gedenken, das so viele Nöten um Eurer Liebe willen erduldet.

An diese Ungereimtheiten reihte er noch vielfach andre an, alle in der Art jener, die seine Bücher ihn gelehrt, indem er ihre Sprache, soviel es ihm möglich war, nachahmte; und dabei ritt er so langsam fürbaß, und die Sonne stieg so eilig und mit solcher Glut herauf, daß es hingereicht hätte, ihm das Hirn breiweich zu schmelzen, wenn er welches gehabt hätte.

Beinahe diesen ganzen Tag zog er dahin, ohne daß ihm etwas begegnete, was zum Erzählen wäre, und darüber wollte er schier verzweifeln; denn gern hätte er gleich zur Stelle auf jemand treffen mögen, an dem er die Tapferkeit seines starken Armes erproben könnte.

Es gibt Schriftsteller, die da sagen, das erste Abenteuer, das ihm zustieß, sei das im Bergpaß Lápice gewesen; andre sagen, das mit den Windmühlen. Was ich jedoch über diesen Kasus ermitteln konnte und was ich in den Jahrbüchern der Mancha geschrieben fand, ist, daß er den ganzen Tag seines Weges zog und beim Herannahen des Abends er und sein Gaul erschöpft und bis zum Tode hungrig waren; und daß, nach allen Seiten hin spähend, ob er irgendeine Burg oder einen Hirtenpferch entdeckte, wo er eine Zuflucht finden und seinem großen Notstand abhelfen könnte, er nicht weit von dem Weg, den er ritt, eine Schenke erblickte. Da war ihm, als sähe er einen Stern, der ihn zur Pforte – wenn auch nicht in den Palast – seiner Erlösung leitete. Er beschleunigte seinen Ritt und langte eben zur Zeit an, wo es Abend wurde.

Hier standen von ungefähr an der Tür zwei junge Frauenzimmer, aus der Zahl jener, welche man Die von der leichten Zunft benennt; sie waren auf der Reise nach Sevilla mit Maultiertreibern, die zufällig diese Nacht in der Schenke Rast hielten. Und da es unsern Abenteurer bedünkte, alles, was er auch immer dachte, sah oder sich einbildete, sei so beschaffen und trage sich so zu wie die Dinge, die er gelesen hatte, so kam es ihm sogleich vor, da er die Schenke sah, sie sei eine Burg mit ihren vier Türmen und Turmhauben von glänzendem Silber, ohne daß ihr ihre Zugbrücke und ihr tiefer Graben fehlte, nebst allen jenen Zubehörungen, womit man dergleichen Burgen malt. Er ritt näher an die Schenke heran – die ihm eine Burg schien –, und eine kurze Strecke von ihr hielt er seinem Rosinante die Zügel an und wartete, daß irgendein Zwerg sich zwischen den Zinnen zeige, um mit einer Drommete oder dergleichen das Zeichen zu geben, daß ein Ritter der Burg nahe. Da er aber sah, daß man zögerte, und Rosinante nach dem Stall Eile hatte, ritt er vor die Tür der Schenke und erblickte die beiden liederlichen Dirnen, die dort standen und die ihm als zwei schöne Fräulein oder anmutvolle Edelfrauen erschienen, die vor der Burgpforte sich erlusten mochten.

Im selben Augenblicke geschah es zufällig, daß ein Schweinehirt, der eine Herde Schweine – denn es ist nicht zu ändern, so heißen sie einmal – von den Stoppelfeldern heimtrieb, in sein Horn stieß, auf welches Zeichen sie heimwärts ziehen; und augenblicklich stellte sich unserm Don Quijote alles dar, was er wünschte, nämlich daß ein Zwerg das Zeichen seiner Ankunft gebe. Und so, mit außerordentlicher Befriedigung, nahte er der Schenke und den Damen; diese aber, als sie einen in solcher Weise gerüsteten Mann, mit Speer und Tartsche, heranreiten sahen, wollten voller Angst in die Schenke hinein. Jedoch Don Quijote, der aus ihrer Flucht auf ihre Ängstlichkeit schloß, hob das Pappdeckelvisier empor, und sein dürres, bestäubtes Gesicht halb aufdeckend, sprach er zu ihnen mit freundlicher Gebärde und sachter Stimme: „Euer Gnaden wollen nicht zur Flucht sich wenden noch irgendeine Ungebühr befürchten, sintemal es dem Orden der Ritterschaft, der mein Beruf ist, nicht zukommt noch geziemend ist, solche irgendwem anzutun; wieviel weniger so hohen Jungfrauen, wie Euer edles Aussehen verkündigt.“

Die Dirnen schauten ihn an und suchten mit den Augen hin und her nach seinem Gesicht, das das schlechte Visier zum Teil verdeckte; aber da sie sich Jungfrauen nennen hörten, ein so ganz außerhalb ihres Berufs liegendes Wort, konnten sie das Lachen nicht zurückhalten, und es war so arg, daß Don Quijote in Zorn geriet und ihnen sagte: „Gut steht Höflichkeit den Schönen, und zudem ist zu große Einfalt das Lachen, so aus unerheblicher Ursache entspringt. Indessen sage ich Euch das nicht, auf daß Ihr Euch etwa kränktet oder unfreundlichen Mut zeigtet; denn der meine steht auf andres nicht, als Euch zu Diensten zu sein.“

Diese von den Damen nicht verstandene Sprache und die übel aussehende Gestalt unsres Ritters vermehrten bei ihnen das Lachen und dies Lachen bei ihm den Ärger, und er wäre vielleicht sehr weit gegangen, wenn im nämlichen Augenblick nicht der Wirt gekommen wäre, ein Mann, der, weil sehr wohlbeleibt, sehr friedfertig war. Als dieser die seltsam entstellte Figur sah, bewehrt mit so schlecht zusammenpassenden Rüstungsstücken wie Zügel und Speer, Tartsche und Koller, war er ganz nahe daran, den Fräulein in den Äußerungen ihrer Heiterkeit Gesellschaft zu leisten; doch da er diese ganze Kriegsmaschinerie in der Tat fürchtete, entschied er sich dafür, ihn mit Höflichkeit anzureden, und somit sprach er zu ihm: „Wenn Euer Gnaden, Herr Ritter, Herberge sucht, so wird, mit Ausnahme des Bettes – denn in dieser Schenke gibt es keines –, alles andre sich hier im größten Überflusse finden.“

Als Don Quijote das demütige Benehmen des Befehlshabers der Feste sah – denn dafür hielt er den Wirt und die Schenke –, antwortete er: „Für mich, Herr Kastellan, genügt jegliches, was es auch immer sei, denn

Meine Zierat sind die Waffen, Und mein Ausruhn ist der Kampf,

und so weiter.“

Der Wirt vermeinte, daß er ihn Kastellan geheißen, sei darum geschehen, weil er ihm einer von den ehrlichen Kastilianern, das ist Gaunern, geschienen, wiewohl er doch ein Andalusier war, freilich einer vom Strande von Sanlúcar, nicht weniger diebisch als Cacus und kein geringerer Schalk als ein Student oder ein Page. Und somit entgegnete er ihm: „Hiernach ist ohne Zweifel Euer Bette harter Felsen, Euer Schlaf ein stetes Wachen; und da dem so ist, so könnt Ihr getrost hier absteigen mit der Gewißheit, daß Ihr in dieser Hütte Gelegenheit und Gelegenheiten findet, um in einem ganzen Jahre, wieviel mehr in einer Nacht, nicht in Schlaf zu kommen.“

Und so redend, hielt er Don Quijote den Steigbügel; der stieg mit vieler Schwierigkeit und Mühe ab, da er den ganzen Tag noch nichts über die Lippen gebracht hatte. Alsbald sagte er dem Wirt, er möchte ihm für sein Pferd besondre Fürsorge tragen, denn es sei das allerbeste Tier, das auf Erden sein Futter fresse. Der Wirt beschaute es, und es dünkte ihm lange nicht so preisenswürdig, als Don Quijote sagte, ja nicht einmal halb so gut, und nachdem er es im Stall untergebracht, kam er wieder, um zu sehen, was sein Gast begehre. Diesem waren die Fräulein – die sich bereits mit ihm ausgesöhnt – im Begriffe, die Rüstung abzunehmen; doch obwohl sie ihm bereits das Koller von der Brust und das Schulterblech gelöst, verstanden und vermochten sie nimmer, ihm die Halsberge aus dem Verschluß zu bringen, noch ihm das nachgemachte Visier abzunehmen, welches er mit grünen Schnüren festgebunden trug; es wäre erforderlich gewesen, diese zu zerschneiden, weil man die Knoten nicht lösen konnte, aber er wollte unter keiner Bedingung dareinwilligen. Und so blieb er diesen ganzen Abend mit seinem Turnierhelm auf dem Kopfe, was die komischste und seltsamste Figur abgab, die zu erdenken war. Beim Abnehmen der Rüstung, da er sich einbildete, die Landstreicherinnen, die ihn entwehrten, seien vornehme Frauen, Damen aus dieser Burg, sprach er zu ihnen mit höchst anmutigem Gebaren:

„Niemals ward annoch ein RitterSo wie jetzo Don QuijoteWohl bedient von holden Damen,Da er kam aus seinem Dorfe;Edle Fräulein pflagen sein,Und Prinzessen seines Rosses,

oder seines Rosinante; denn dies, meine Damen, ist der Name meines Pferdes und Don Quijote von der Mancha der meinige. Denn obschon ich mich nicht zu erkennen geben wollte, bis meine zu Eurem Dienst und Frommen vollführten Taten mich kundbar gemacht hätten, so ist doch der Drang, diese alte Romanze dem gegenwärtigen Zwecke anzupassen, Veranlassung geworden, daß Ihr meinen Namen lang vor der rechten Zeit erfahret. Allein der Tag wird kommen, wo Euer Erlaucht mir gebieten mögen und ich gehorchen und die Tapferkeit meines Armes den Wunsch offenbaren kann, den ich Euch zu dienen hege.“

Die Mädchen, an solcherlei Redensarten nicht gewöhnt, erwiderten kein Wort; sie fragten ihn nur, ob er etwas zu essen wünsche. „Wohl möchte ich einen Imbiß nehmen, was es auch sei“, antwortete Don Quijote; „denn wie ich merke, würde es mir sehr zustatten kommen.“

Zufälligerweise war es gerade Freitag, und in der ganzen Schenke gab es nichts als geringen Vorrat von einem Fische, den man in Kastilien Stockfisch, in Andalusien Kabeljau, in andern Gegenden Laberdan, in wieder andern Forellchen nennt. Man fragte ihn, ob vielleicht Seine Gnaden Forellchen genießen möchten, da kein andrer Fisch ihm vorzusetzen da sei. „Wenn nur viele Forellchen da sind“, erwiderte Don Quijote, „so können sie zusammen für eine Forelle dienen; denn es ist ganz dasselbe, wenn man mir acht Realen in Einzelstücken, wie wenn man mir ein Achtrealenstück gibt, um so mehr, da es doch sein könnte, daß es sich mit diesen Forellchen verhielte wie mit dem Kalbfleisch, das besser ist als Kuhfleisch, und mit dem Zicklein, das besser als der Geißbock. Aber sei es, wie es sei, es soll nur gleich kommen, denn die Mühsal und das Gewicht der Rüstung läßt sich nicht tragen ohne den Unterhalt des Magens.“

Man stellte ihm den Tisch vor die Tür der Schenke, um der Kühle willen, und es brachte ihm der Wirt eine Portion des schlecht gewässerten und noch schlechter gekochten Stockfisches und ein Brot, so schwarz und schmierig wie seine Rüstung. Aber es war gar sehr zum Lachen, ihn essen zu sehen, denn da er den Helm auf dem Kopfe hatte und das Visier in die Höhe hielt, so konnte er nichts mit seinen eigenen Händen in den Mund stecken, wenn nicht ein andrer es ihm gab und hineinsteckte; und so pflag eine jener Damen dieses Dienstes. Jedoch ihm zu trinken zu geben war unmöglich und würde unmöglich geblieben sein, wenn der Wirt nicht ein Schilfrohr ausgehöhlt und ihm das eine Ende in den Mund gehalten und zum andern ihm den Wein eingegossen hätte. Und alles dies nahm er mit Geduld auf, damit er nur nicht die Schnüre seines Visiers zu zerschneiden brauchte.

Wie man so weit war, kam zufällig ein Schweinschneider vor die Schenke, und wie er anlangte, blies er vier- oder fünfmal auf seiner Rohrpfeife. Das bestärkte Don Quijote vollends darin, daß er in irgendeiner berühmten Burg sei und daß man ihn mit Tafelmusik bediene und daß der Stockfisch eine Forelle, das Brot Weizenbrot, die Dirnen edle Damen und der Wirt Burgvogt dieser Feste sei; und somit fand er seinen Entschluß und seine Ausfahrt wohlgelungen. Was ihn jedoch hierbei noch sehr quälte, war, sich noch nicht zum Ritter geschlagen zu sehen, weil es ihn bedünkte, er könne sich nicht rechtmäßig in irgendwelches Abenteuer einlassen, ohne vorher den Ritterorden zu empfangen.

3. Kapitel

Wo die anmutige Art und Weise erzählt wird, wie Don Quijote zum Ritter geschlagen wurde

Von diesem Gedanken gequält, kürzte er sein kneipenhaft mageres und kärgliches Mahl ab, und kaum war es beendet, rief er den Wirt, schloß sich mit ihm im Pferdestall ein, fiel vor ihm auf die Knie und sprach: „Nie werde ich von der Stelle aufstehen, wo ich liege, tapferer Ritter; bis Eure edle Sitte mir eine Gunst gewährt, die ich von Euch erbitten will und die zu Eurem Preise und zum Frommen des Menschengeschlechtes gereichen wird.“

Der Wirt, der seinen Gast zu seinen Füßen sah und solcherlei Reden hörte, ward ganz betroffen, betrachtete ihn und wußte nicht, was tun oder sagen, und drang in ihn, sich zu erheben; aber er wollte durchaus nicht, bis der Wirt sich genötigt sah, ihm zu erklären, er gewähre ihm die Gunst, die er von ihm erbitte.

„Nichts Geringeres erwarte ich von Eurer hohen Großmut“, antwortete Don Quijote, „und so sag ich Euch denn, daß die Gunst, die ich von Euch erbeten und die mir von Eurem Edelmute gewährt worden, darin besteht, daß Ihr morgen am Tage mich zum Ritter schlagen sollt. Diese Nacht werde ich in der Kapelle dieser Eurer Burg die Waffenwacht halten; und morgen, wie ich gesagt habe, wird erfüllt werden, was ich so sehr ersehne, damit ich, wie es sich gebührt, durch alle vier Weltteile ziehen kann, Abenteuer aufsuchend zum Frommen der Hilfsbedürftigen, wie es auferlegt ist dem Rittertum und den fahrenden Rittern, wie ich einer bin, deren Verlangen auf solcherlei Großtaten gerichtet ist.“

Der Wirt, der, wie gesagt, etwas vom verschmitzten Schalk in sich trug und schon einigen Argwohn hatte, daß es seinem Gast am Verstand fehle, war, sobald er solche Reden von ihm gehört, auch sogleich völlig davon überzeugt; und damit er diesen Abend etwas zu lachen hätte, entschloß er sich, auf des Ritters Grillen einzugehen. Und so sagte er ihm, er treffe durchaus das Richtige mit seinem Begehr, und ein solches Vorhaben sei so vornehmen Rittern, wie er einer scheine und wie sein stattliches Aussehen verkünde, eigentümlich und naturgemäß. Er selbst habe ebenso in den Jahren seiner Jugend sich diesem ehrenvollen Berufe hingegeben und verschiedene Weltgegenden durchzogen, um auf seine Abenteuer auszugehen, ohne daß er die Fischervorstadt von Málaga und das Riaránsche Häuserviertel daselbst, den Kirchenplatz zu Sevilla, den Krämermarkt zu Segovia, den Olivenplatz zu Valencia, den kleinen Zwinger von Granada, den Strand von Sanlúcar, den Pferdebrunnenplatz zu Córdoba und die Kneipen von Toledo vernachlässigt hätte, nebst verschiedenen andren Gegenden, wo er die Leichtigkeit seiner Füße und Fertigkeit seiner Finger geübt, viel Unrechtes getan, viele Witwen in Versuchung geführt, manche Jungfrauen zu Fall gebracht, manche Unmündige hintergangen; endlich, er habe sich fast bei allen höheren und unteren Gerichten, die es in Spanien gibt, bekannt gemacht, und schließlich sei er zu dem Entschluß gekommen, sich in diese seine Burg zurückzuziehen, wo er von seinem Vermögen lebe und auch von fremden, und in selbiger nehme er alle fahrenden Ritter auf, von was Art und Stande sie auch immer seien, lediglich aus großer Zuneigung, die er zu ihnen hege, und damit sie zur Vergeltung seiner guten Absicht ihre Habe mit ihm teilten. Er sagte ihm ferner, in dieser seiner Burg gebe es keine Kapelle, die Waffenwacht zu halten, denn sie sei niedergerissen worden, um sie neu aufzubauen; aber im Notfalle, das wisse er, könne man die Wacht halten, wo man wolle, und diese Nacht könne er sie in einem Hofe der Burg halten; am Morgen, so es Gott beliebe, würden die gebührenden Feierlichkeiten in solcher Weise stattfinden, daß er des Ritterschlags teilhaftig werde und bleibe, und zwar als ein so echter Ritter, daß in der Welt nichts echter sein könne.

Dann befragte er ihn, ob er Geld bei sich führe. Don Quijote entgegnete, er habe keinen Pfennig in der Tasche, denn er habe nie in den Geschichten der fahrenden Ritter gelesen, daß irgendeiner Geld mitgenommen hätte.

Darauf versetzte der Wirt, er sei im Irrtum; denn zugegeben, daß es in den Geschichten nicht geschrieben stehe, weil deren Verfasser gemeint, es sei unnötig, so selbstverständliche Dinge, die bei sich zu haben so unerläßlich sei, wie Geld und reine Hemden, ausdrücklich zu erwähnen, so müsse man darum nicht glauben, daß sie dieselben nicht bei sich führten. Und also möge er für gewiß und erwiesen halten, daß alle fahrenden Ritter – von denen so viele Bücher angefüllt und vollgepfropft sind – wohlbeschlagene Börsen mit hinausnahmen, um allerhand Zufälligkeiten begegnen zu können, und daß sie imgleichen Hemden bei sich führten, auch ein klein Kästchen voll Salben, um die Wunden zu pflegen, die sie empfingen. Denn nicht in jedem Falle habe es in den Gefilden und Einöden, wo sie kämpften und wundgeschlagen wurden, jemanden gegeben, der ihrer pflegte; wenn es nicht etwa der Fall war, daß sie irgendeinen weisen Zauberer zum Freunde hatten, der ihnen gleich zu Hilfe kam und in den Lüften auf einer Wolke eine Jungfrau oder einen Zwerg herbeibrachte, mit einer Flasche Wassers von solcher Kraft, daß sie, wenn sie einen Tropfen davon kosteten, gleich auf der Stelle von allen Hieben und Wunden geheilt waren, als wäre ihnen nie ein Leid geschehen. Aber stets, wenn das nicht zur Hand war, hielten die früheren Ritter es für das Richtige, daß ihre Schildknappen mit Geld versehen sein sollten, so auch mit andern notwendigen Dingen, wie Scharpie und Salben, um sich die Wunden zu verbinden. Und wenn es geschah, daß die besagten Ritter keine Knappen hatten – was wenige und seltene Fälle waren –, so führten sie selbst dies alles in einem sehr schmächtigen Mantelsäckchen, das beinahe gar nicht wie ein solches aussah, auf der Kruppe des Pferdes, so als ob es etwas andres von besonderer Wichtigkeit wäre; denn wenn nicht um solchen Behufes willen, war dies Mitnehmen von Mantelsäcken unter den fahrenden Rittern in der Regel nicht zulässig. Deshalb gebe er ihm den Rat – da er es ihm sogar befehlen könne als seinem Patenkind im Rittertum, was er ja so bald sein würde –, von jetzt hinfür nie ohne Geld und ohne die herkömmlichen Vorräte auszuziehen, und er würde, wenn er sich's am wenigsten versehe, finden, wie gut er damit fahre.

Don Quijote versprach ihm, mit aller Pünktlichkeit zu tun, was ihm angeraten worden. Und alsbald wurde Anordnung getroffen, daß er die Waffenwacht in einem zur Seite der Schenke befindlichen großen Hofe halten sollte. Er nahm all seine Rüstungsstücke zusammen, legte sie auf einen Trog, der vor einem Brunnen stand, und seine Tartsche an den Arm nehmend, ergriff er seinen Speer und begann mit edlem Anstand vor dem Troge auf und ab zu wandeln. Und, gerade wie er dies Wandeln begann, da begann auch die Nacht hereinzubrechen.

Der Wirt erzählte allen, die in der Schenke waren, von der Narrheit seines Gastes, der Waffenwacht und dem Ritterschlag, den er erwarte. Verwundert über eine so seltsame Art von Verrücktheit, gingen sie hin, um ihn von ferne zu beobachten, und sahen, wie er mit gelassener Haltung bald auf und ab ging, bald, an seinen Speer gelehnt, die Blicke auf die Rüstungsstücke richtete und sie eine geraume Zeit nicht aus den Augen ließ. Die Nacht war indessen vollends hereingebrochen, und der Mond war von solcher Helle, daß er mit dem Gestirn, das sie ihm lieh, wetteifern konnte, so daß, was immer der angehende Ritter tat, von allen deutlich gesehen wurde.

Nun aber gelüstete es einen der Maultiertreiber, die sich in der Schenke aufhielten, seiner Koppel Tiere Wasser zu geben, und dazu war erforderlich, die Waffen Don Quijotes wegzunehmen, die auf dem Brunnentrog lagen. Der, als er jenen herankommen sah, sprach zu ihm mit lauter Stimme: „O du, wer auch immer du seiest, verwegener Ritter, der du herannahest, um die Waffen des tapfersten Abenteurers zu berühren, der da je sich mit einem Schwert umgürtet, siehe wohl zu, was du tust, und berühre sie nicht, wenn du nicht das Leben lassen willst zur Buße für deine Verwegenheit.“

Der Treiber sorgte sich nicht um diese Worte – und es wäre besser gewesen, er hätte sich gesorgt, denn dann hätte er für sich gesorgt, ehe er in Sorge geriet –; vielmehr faßte er die Riemen und schleuderte die Rüstungsstücke eine weite Strecke von sich hinweg. Sowie Don Quijote dies gesehen, erhob er die Augen gen Himmel, und seine Gedanken – wie es sich kundgab – zu seiner Herrin Dulcinea wendend, sprach er: „Seid mir gegenwärtig, meine Herrin, bei diesem ersten Kampfe, der sich dieser Euch lehenspflichtigen Brust darbietet; es gebreche mir nicht in dieser ersten Gefährde Eure Gunst und Euer Schutz.“

Diese und andre dergleichen Reden führend, ließ er die Tartsche los, hub den Speer mit beiden Händen und versetzte damit dem Maultiertreiber einen so gewaltigen Schlag auf den Kopf, daß er ihn zu Boden stürzte, so übel zugerichtet, daß, wenn er mit einem zweiten nachgefolgt wäre, der Mann keines kundigen Meisters zu seiner Heilung bedurft hätte. Dies getan, las er seine Rüstungsstücke zusammen und fing wieder an, mit derselben Ruhe wie vorher auf und ab zu wandeln.

Kurze Zeit darauf kam, ohne zu wissen, was vorgegangen – denn der Maultiertreiber lag noch betäubt da –, ein andrer mit derselben Absicht, seinen Mauleseln Wasser zu geben, und wie er hinging, die Waffen wegzunehmen, um den Brunnentrog abzuräumen, da, ohne daß Don Quijote diesmal ein Wort sprach oder Gunst und Schutz von jemand verlangte, ließ er abermals die Tartsche los, hub abermals den Speer, und wenn er diesen nicht in Stücke brach, so brach er doch den Kopf des Treibers in mehr als drei Stücke, denn er schlug ihn in vier auseinander. Bei dem Lärm kamen alle Insassen der Schenke herzu, und unter ihnen der Wirt. Als Don Quijote dieses sah, faßte er die Tartsche in den Arm, nahm das Schwert zu Händen und rief: „O Herrin der Schönheit, Mut und Stärke dieses meines entkräfteten Herzens! Nun zur Stunde ist es Zeit, daß du die Augen deiner Hoheit auf diesen Ritter, deinen Gefangenen, richtest, der eines so großen Abenteuers in Erwartung steht.“

Damit gewann er nach seiner Meinung so mächtigen Mut, daß er, wenn auch alle Eseltreiber der Welt ihn angegriffen, den Fuß nicht rückwärts gewendet hätte.