Dorian Hunter 1 - Horror-Serie - Ernst Vlcek - E-Book

Dorian Hunter 1 - Horror-Serie E-Book

Ernst Vlcek

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

IM ZEICHEN DES BÖSEN


»Leichen sind etwas Wunderbares«, schwärmte der kleine, dunkle Australier mit den ungewöhnlich zarten Händen, der sich als Edward Belial vorgestellt hatte. Dann räusperte er sich und fügte erklärend hinzu: »Sie müssen wissen, dass ich Leichenbestatter bin. Und ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass ich in meiner Arbeit aufgehe. Wenn die Angehörigen ihre Verstorbenen zu mir bringen, dann sind sie kalt und weiß wie Wachsfiguren. Ihre Gesichter sind entstellt, vom Tode gezeichnete Fratzen. Es gibt nur wenige, die selig und sanft entschlafen. Die weitaus meisten scheiden nach langen qualvollen Leiden dahin, oder sie sterben eines unnatürlichen Todes. Wenn sie aber durch meine Hände gegangen sind, haben sie wieder einen frischen Teint und sind schöner als zu Lebzeiten. Ich liebe meinen Beruf, denn der Leichenbestatter ist der Einzige, der den Toten einen Hauch von Leben schenken kann.«

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 142

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

IM ZEICHEN DES BÖSEN

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

mystery-press

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Mark Freier

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6982-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

IM ZEICHEN DES BÖSEN

von Ernst Vlcek

»Leichen sind etwas Wunderbares«, schwärmte der kleine, dunkle Australier mit den ungewöhnlich zarten Händen, der sich als Edward Belial vorgestellt hatte. Dann räusperte er sich und fügte erklärend hinzu: »Sie müssen wissen, dass ich Leichenbestatter bin. Und ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass ich in meiner Arbeit aufgehe. Wenn die Angehörigen ihre Verstorbenen zu mir bringen, dann sind sie kalt und weiß wie Wachsfiguren. Ihre Gesichter sind entstellt, vom Tode gezeichnete Fratzen. Es gibt nur wenige, die selig und sanft entschlafen. Die weitaus meisten scheiden nach langen qualvollen Leiden dahin, oder sie sterben eines unnatürlichen Todes. Wenn sie aber durch meine Hände gegangen sind, haben sie wieder einen frischen Teint und sind schöner als zu Lebzeiten. Ich liebe meinen Beruf, denn der Leichenbestatter ist der Einzige, der den Toten einen Hauch von Leben schenken kann.«

1. Kapitel

Edward Belial unterbrach sich, als der Autobus über ein Schlagloch fuhr und er in die Höhe gehoben wurde. Die anderen neun Insassen, acht Männer und eine Frau, wurden ebenfalls gehörig durchgeschüttelt. Je nach Temperament und Laune schimpften sie, verdrehten die Augen und verwünschten den Fahrer. Manche von ihnen, wie zum Beispiel der Argentinier Roberto Copello, hatten eine lange Reise hinter sich und waren den Strapazen dieser Autobusfahrt nervlich nicht mehr gewachsen.

Ein kleiner dicklicher Franzose, dem trotz seiner Jugend auf der Vorderseite seines Kopfes bereits keine Haare mehr wuchsen und der auf der Bank hinter dem Fahrer saß, beugte sich zu diesem vor und fluchte auf Englisch: »Können Sie nicht besser Acht geben? Sie fahren ja, als sei der Leibhaftige hinter Ihnen her.« Er drehte sich zu den anderen um, die sich über die verschiedenen Sitzreihen verteilt hatten. Seine kleinen Augen hatten einen verschlagenen Ausdruck, und sein Blick wanderte unruhig von einem zum anderen. »Ich glaube, Sie kennen meinen Namen noch nicht«, sagte er. »Ich bin Dr. Frederic de Buer und soviel ich weiß mit neunundzwanzig Jahren der jüngste Serologe Frankreichs. Sie dort hinten in der letzten Reihe, Sie sprechen doch Deutsch? Ich glaube, Ihr Name war Hunter? Dorian Hunter? Sagen Sie doch diesem Bauernlümmel, dass er nicht so rasen soll! Wir werden noch alle im Straßengraben landen.«

Der Angesprochene, an dessen Seite die einzige Frau saß, rief nach vorn: »Müssen Sie so schnell fahren? Wir haben es gar nicht eilig.«

»Aber ich«, rief der Fahrer im Dialekt der Einheimischen zurück, ohne den Kopf zu wenden. Er kauerte mit verkniffenem Gesicht hinter dem großen Lenkrad und wandte den Blick nicht von der Schotterstraße, die sich durch den Wald schlängelte. »Ich hätte diese Fuhre gar nicht übernommen, wenn Sie kein so gutes Angebot gemacht hätten. Aber vor Einbruch der Dunkelheit möchte ich wieder zu Hause sein.«

»Warum?«, wollte Dorian Hunter wissen.

Der Fahrer lachte nur. Es klang gekünstelt.

»Da ist nichts zu machen«, meinte Dorian mit einem bedauernden Lächeln zu den anderen. »Der Mann scheint eine wichtige Verabredung zu haben.«

»Wie wir«, sagte der große stattliche Schwede, der sich als Jörg Eklund vorgestellt hatte.

»Er hat Angst«, behauptete ein Mann, der in der dritten Sitzreihe saß. Er war fast zwei Meter groß, unheimlich mager und blass und wirkte fast durchscheinend wie ein Gespenst. »Ich brauche seine Sprache gar nicht zu verstehen, um das zu merken.«

Dorian Hunter drückte seine Frau fester an sich, als er merkte, dass sie zitterte. »Was ist mit dir, Lilian?«, erkundigte er sich besorgt.

Sie wirkte neben ihm so zierlich und zerbrechlich wie eine Puppe. Dieser Eindruck wurde noch durch ihr blondes Haar und die helle Haut unterstrichen, die einen starken Gegensatz zu seinem dunklen Teint bildete. Er war einen Meter neunzig groß, schlank und sportlich; aus jeder seiner Bewegungen, selbst wenn er seiner Frau zärtlich über das Puppengesicht strich, sprach die geballte Kraft seines durchtrainierten Körpers.

»Ich habe Angst«, gestand Lilian. »Alles ist so unheimlich. Diese fremden Männer, die dasselbe Ziel haben wie du … Wie erklärst du es dir, Rian, dass sie alle zur gleichen Zeit den Wunsch verspürt haben, nach Asmoda zu fahren? Ausgerechnet in dieses unscheinbare Dorf an der jugoslawischen Grenze, das niemand kennt.«

Dorian blickte mit einem aufmunternden Lächeln auf seine Frau herab, aber der dichte Schnurrbart verzerrte das Lächeln, und der besänftigende Blick aus seinen dunklen Augen hatte etwas Dämonisches.

»Es wird sich sicher für alles eine harmlose Erklärung finden«, sagte Dorian, aber es klang nicht sehr überzeugend.

»Daran glaubst du selbst nicht, Rian«, wisperte Lilian. »Welche Erklärung soll es denn dafür geben, dass neun Männer aus allen Teilen der Welt, die sich vorher noch nie gesehen und nichts voneinander gehört haben, plötzlich denselben Wunsch verspüren?«

»Es ist mehr als ein Wunsch. Es ist ein Drang. Beinahe ein Zwang«, berichtigte Dorian sie.

»Hör auf damit!«, bat Lilian. »Wir hätten diese Reise gar nicht unternehmen sollen.«

»Ich habe dir freigestellt, in London zu bleiben.«

Lilian rückte ein Stück von ihm ab und meinte schmollend: »Bin ich dir lästig? Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich nicht mitgekommen.«

Er zog sie an sich und küsste sie auf die Nasenspitze. »Sei nicht albern, Lilian!«

Sie schmiegte sich wieder an ihn. »Du weißt doch, dass ich nie – nie ohne dich sein könnte! Warum hast du keine einzige Sekunde daran gedacht, dieses alberne Vorhaben, nach Asmoda zu fahren, aufzugeben und bei mir in London zu bleiben?«

Dorian biss die Zähne aufeinander, dass seine Wangenknochen hervortraten. »Weil ich nicht anders konnte. Ich muss herausfinden, welche Kraft mich in diese gottverlassene Gegend zieht.«

Lilian zitterte am ganzen Körper. Ihre Zähne klapperten hörbar aufeinander. »Ich habe es mir nicht so schlimm vorgestellt«, gestand sie. »Ich glaubte, dass du dir alles nur einbilden würdest – diese lockenden Stimmen, die du in deinen Träumen gehört hast. Ich dachte, sie wären eine Auswirkung deiner intensiven Beschäftigung mit dem Okkultismus, den Hexenverbrennungen, der Inquisition und diesen schauderhaften Dingen. Deshalb wollte ich dich an Ort und Stelle davon überzeugen, dass alles nur ein Produkt deiner blühenden Phantasie ist. Aber jetzt …« Sie schüttelte sich demonstrativ und fuhr mit zittriger Stimme fort: »Jetzt fange ich an zu glauben, dass es diese Stimmen wirklich gegeben hat. Es kann doch kein Zufall sein, dass diese acht Männer die gleiche Botschaft wie du erhalten haben. Hätte ich gewusst, dass wir in so unheimliche Gesellschaft geraten würden … Sieh dir einmal den Mann an, der drei Reihen vor uns sitzt! Wenn er mir im Londoner Nebel begegnen würde, würde ich vor Angst sterben. Er hat gesagt, dass er Sizilianer sei. Ich wette, er gehört zur Mafia.«

»Jetzt geht aber deine Phantasie mit dir durch«, sagte Dorian lachend.

Der Mann, von dem Lilian gesprochen hatte, war groß und bullig. Der kleine Kopf bildete einen unheimlichen Kontrast zu seinem Körper. In diesem Augenblick wandte sich der Fremde um, als hätte er Lilians Worte gehört. Sie erblickte eine breite Narbe auf seiner linken Gesichtshälfte, die sich von der Stirn bis zum Kinn hinunter zog.

»Ich heiße Bruno Guozzi«, sagte er, als sei er aufgefordert worden, seinen Namen zu nennen.

»Er hat mich gehört«, flüsterte Lilian ihrem Mann zu. »Ich bin sicher, dass er mich gehört hat, obwohl ich leise gesprochen habe. Er kommt mir so vor, als sei er von den Toten auferstanden.«

Wie um Lilians Ängste zu schüren, fuhr Bruno Guozzi fort: »Ich weiß, dass ich keinen sehr erfreulichen Anblick biete. Das habe ich meinen Feinden zu verdanken, die versucht haben, mich lebendig einzumauern. Kann sich jemand von Ihnen vorstellen, was es bedeutet, lebendig begraben zu sein? Dieses Erlebnis hat mich geformt – äußerlich wie auch im Innern. Würde jemand von Ihnen glauben, dass ich erst neunundzwanzig Jahre alt bin?«

»Sagten Sie neunundzwanzig Jahre?«, erkundigte sich Jörg Eklund, ein Schwede mit leicht femininen Zügen. Als er den drohenden Blick des Sizilianers bemerkte, fügte er schnell hinzu: »Dann sind wir der gleiche Jahrgang. Ich bin auch neunundzwanzig. Geboren am 14. Juli.«

»Welch ein Zufall!«, rief der Argentinier Roberto Copello, der sich als Kriminologe ausgegeben hatte, mit schriller Stimme. »Auch ich bin neunundzwanzig Jahre und am 14. Juli geboren.«

Lilian gab einen erstickten Aufschrei von sich und starrte ihren Mann aus vor Schreck geweiteten Augen an.

»Habe ich Sie erschreckt?«, erkundigte sich Copello scheinheilig.

Dorian schüttelte den Kopf. »Die Überraschung meiner Frau ist wohl darauf zurückzuführen, dass ich ebenfalls in Ihrem Alter bin. Auch mein Geburtstag fällt auf den 14. Juli.«

Für einen Moment herrschte Totenstille im Autobus; nur die Fahrgeräusche waren zu hören. Durch die schlecht abgedichteten Fenster pfiff ein schauriger Wind. Die Männer sahen einander an; und sie lasen es von den Gesichtern der anderen ab, dass sie alle dasselbe dachten. Sie waren alle gleich alt, und sie waren alle am selben Tag geboren. Dies musste eine tiefere Bedeutung haben. Lilian Hunter war derselben Ansicht. Sie presste ängstlich die Hand vor den Mund, weil sie ahnte, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging.

Der Autobus hielt mit quietschenden Bremsen auf dem Dorfplatz.

»Das ist Asmoda?«, fragte Dr. Robert Fuller, der kleine nervöse Transplantationschirurg aus den USA, enttäuscht.

»Mir scheint, wir sind ins düstere Mittelalter verschlagen worden«, meinte Dr. Jerome Hewitt stirnrunzelnd. Er war groß und kräftig und wirkte so behäbig und ungeschickt wie ein Bär.

Der Platz war nicht groß. In der Mitte stand ein Brunnen, den ein gusseiserner Drache zierte. Früher hatte er aus seinem aufgerissenen Maul wahrscheinlich Wasser gespien, aber jetzt kam kein Tropfen mehr heraus. Zwei junge Burschen, die auf der Steinumfassung gesessen hatten, erhoben sich schnell und verschwanden in dem fünfzehn Meter entfernten Gasthaus. Die Häuser rund um den Platz waren Fachwerkbauten mit geschnitzten Giebelverzierungen und Holzläden vor den Fenstern. Einst waren es sicherlich schmucke Häuser gewesen, doch jetzt zeigten sie starke Verfallserscheinungen. Aber nicht nur die ländlichen Gebäude und der mit Kopfsteinen gepflasterte Platz machten einen verwahrlosten Eindruck; auch die wenigen Bewohner, die zu sehen waren, wirkten heruntergekommen und verschlampt. Die beiden Frauen, die eben aus dem Gemischtwarenladen traten und eiligen Schrittes, dicht an die Hauswand geduckt, davonhasteten, trugen einfache Kittel aus grobem Leinen. Ihre Gesichter verschwanden unter den schwarzen, streng geknoteten Kopftüchern. Ihre Hände, mit denen sie Einkaufskörbe umklammerten und fest an den Körper drückten, waren schmutzig. Kaum hatten sie den Laden verlassen, eilte der Besitzer heraus und schlug die Läden zu. Ein halbes Dutzend Dorfbewohner, die kurz aus den Fenstern geblickt hatten, folgten seinem Beispiel. Im Nu lag der Platz wie ausgestorben da. Der Fahrer des klapprigen Autobusses versuchte seine Gäste durch Gesten und Worte, die sie nicht verstanden, zu rascherem Aussteigen zu bewegen. Als alle draußen waren und ihre Koffer aus dem mit einem Stück Draht verschlossenen Gepäckraum holten, wandte sich Dorian Hunter an den Fahrer und fragte ihn: »Wovor fürchten Sie sich?«

»Ich habe keine Angst«, behauptete der grobschlächtige Mann wenig überzeugend. »Ich möchte nur Asmoda noch vor Einbruch der Nacht weit hinter mir wissen.«

»Das muss doch einen besonderen Grund haben, denke ich.«

Der Fahrer wischte sich nervös die Hände an der Hose ab, blickte sich dann verstohlen um und sagte mit gedämpfter Stimme: »Alle Leute der Umgebung meiden Asmoda. Sehen Sie selbst, wie seltsam sich die Bewohner benehmen! Sie misstrauen allen Fremden – und als Fremder tut man ebenso gut, den Leuten von Asmoda zu misstrauen. Man erzählt sich seltsame Dinge.«

»Wir sind nicht abergläubisch«, meinte Dorian lachend.

Der Einheimische warf ihm einen seltsamen Blick zu. »Es geht mich nichts an, was Sie hier wollen. Sie haben mich anständig bezahlt, und ich habe Sie an Ihr Ziel gefahren. Alles Weitere hat mich nicht zu kümmern. Aber … wollen Sie etwa die Nacht in Asmoda verbringen?«

»Es wird uns wohl nichts anderes übrigbleiben.«

Der Fahrer ergriff plötzlich Dorians Arm und drückte ihn fest. »Wenn ich Ihnen einen guten Rat geben darf: Tun Sie das nicht! Sie haben eine junge, hübsche Frau bei sich. Das kann gefährlich werden. Um der Sicherheit Ihrer Frau willen, bleiben Sie nicht hier!«

»Was wollen Sie damit sagen?«, erkundigte sich Dorian scharf.

»Nichts, Herr. Ich sage nichts mehr. Ich habe schon zu viel geredet.«

Dorian schüttelte seine Hand ab und packte ihn am Rockaufschlag. »Heraus mit der Sprache! Warum glauben Sie, dass meine Frau in Asmoda nicht sicher sei?«

»Ich … Lassen Sie mich los, Herr! Ich bekomme keine Luft.«

Als sich Dorians Griff lockerte, schluckte der Mann und bekreuzigte sich. »Hoffentlich erfährt sie es nicht, dass ich Sie gewarnt habe. Verraten Sie mich nicht, Herr!«

»Von wem sprechen Sie eigentlich?«

»Von der Hexe, die hier ihr Unwesen treibt«, antwortete der Mann widerwillig. »Lachen Sie mich nicht aus, Herr! Denken Sie an meine Worte und achten Sie auf Ihre junge, schöne Frau! Es sind schon viele junge Mädchen in dieser Gegend verschwunden und nie mehr aufgetaucht.«

Dorian blies hörbar die Luft durch die Zähne und gab dem Fahrer einen Stoß, dass er mit dem Gesäß gegen das Lenkrad und auf die Hupe fiel. Ihr missklingender Ton hallte eindringlich über den stillen Platz. Ihr Klang, der so ganz und gar nicht in diese mittelalterliche Umgebung passen wollte, brachte Dorian zur Besinnung. »Entschuldigen Sie!«, meinte er verlegen. »Und danke für Ihre Warnung.« Dann wandte er sich wieder Lilian zu.

»Was wollte der Mann von dir?«, erkundigte sie sich, während er ihr beim Aussteigen behilflich war.

»Er muss verrückt sein«, sagte Dorian ausweichend. »Er hat ganz konfuses Zeug geredet.«

Lilian blieb auf der untersten Stufe stehen. »Wollen wir nicht umkehren, solange es noch nicht zu spät ist? Der Fahrer nimmt uns bestimmt mit zurück, wenn wir ihn darum bitten. Mir zuliebe, Rian!«

»Du kleine, ängstliche Närrin«, meinte er lachend und hob sie mit spielerischer Leichtigkeit von der Treppe herunter. »Solange ich bei dir bin, hast du weder Teufel noch Dämonen zu fürchten.«

»Teufel und Dämonen?«, wiederholte Lilian und schlang die Arme um den Körper.

»Das nimmst du doch nicht wörtlich?« Dorian holte ihre beiden Koffer aus dem Gepäckraum, verschloss die Klappe mit dem Draht und gab dem Fahrer mit einem Handzeichen zu verstehen, dass er abfahren konnte. Der Motor heulte auf. Der Autobus setzte sich in Bewegung und war eine Minute später in einer der engen Dorfgassen verschwunden. Zurück blieben die zehn Personen mit ihrem Reisegepäck. Erst jetzt merkten sie, dass sie Fremdkörper in diesem Dorf waren, an dem die Zeit spurlos vorbeigegangen zu sein schien.

»Wie soll es nun weitergehen?«, fragte Jörg Eklund.

»Ich schlage vor, dass wir uns zuerst einmal ein Quartier für die Nacht suchen«, meinte Dr. de Buer. »Wollen Sie das übernehmen, Mr. Hunter? Vielleicht versuchen Sie es einmal in dem Gasthaus dort drüben. Ein anderes Lokal scheint es hier ohnehin nicht zu geben.«

Dorian stellte seine beiden Koffer wieder hin, lächelte Lilian beruhigend zu und schritt auf das Gasthaus zu. Über dem Eingang hing ein Schild mit einer abgeblätterten Schrift. Zum Güldenen Drudenfuß, stand darauf. Das Schild schien tatsächlich noch aus jener Zeit zu stammen, in der man geglaubt hatte, dass Pentagramme vor Nachtkobolden und Hexen schützen. Absurd, dass heutzutage jemand noch etwas auf diese Schauergeschichten gab.

Als Dorian den Eingang des Wirtshauses erreichte, trat plötzlich der Wirt heraus und schickte sich an, die Holzläden der Tür zu schließen. Dorian schob blitzschnell einen Fuß in die Türspalte und fragte: »Haben Sie Zimmer frei?«

Ein Blick ins Innere zeigte ihm, dass der Schankraum nur durch Kerzenlicht erhellt war. Aus dem Halbdunkel blickten ihm einige düstere Gesichter entgegen.

»Geschlossen«, sagte der Wirt in gebrochenem Deutsch und fügte anschließend etwas in einer fremden Sprache hinzu.

»Wir wollen gar nicht bei Ihnen einkehren«, versuchte Dorian ihm geduldig zu erklären. »Wir brauchen nur Quartiere für die Nacht. Wenn Sie Zimmer vermieten, würden wir sie gern ansehen.«

Der Wirt schüttelte den Kopf.

»Sie vermieten keine Zimmer?«, vergewisserte sich Dorian.

Erneutes Kopfschütteln.

»Können Sie uns dann vielleicht sagen, ob es in diesem Ort noch eine andere Übernachtungsmöglichkeit gibt?«

»Nein.«

Dorian resignierte. Er zog den Fuß zurück, und die Holzläden schlugen zu. Die anderen Reisegäste hatten neben dem Drachenbrunnen gewartet. Dorian kehrte zu ihnen zurück und hob bedauernd die Schultern. Links hörte er plötzlich ein schrilles Kichern. Als er sich umwandte, sah er einen jungen Mann unter einem Torbogen kauern. Er hockte auf einem Mauervorsprung und grinste, während er mit abgehackten, heftigen Bewegungen an einem Stück Rinde schnitzte. Dorian ging zu ihm. »Wir sind fremd hier und suchen für die Nacht ein Quartier«, sagte er. »Wissen Sie, wo wir hier in Asmoda Zimmer bekommen könnten?«

Der junge Mann blickte von seiner Tätigkeit auf. Dorian sah in das Gesicht eines Geistesgestörten, in dem ständig irgendein Nerv zuckte.

»Ja, ja«, sagte der junge Mann und kicherte wieder aufdringlich. »Ich weiß, wo Sie schlafen können. In der Herberge des fetten Jablonsky.«

»Können Sie uns den Weg beschreiben?«, fuhr Dorian schnell fort. »Oder würden Sie uns zur Herberge hinführen? Sie brauchen das natürlich nicht umsonst zu tun.«