Dorian Hunter 106 - Neal Davenport - E-Book

Dorian Hunter 106 E-Book

Neal Davenport

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Beschreibung

Die O-toku-San hatte Angst. Dieses Gefühl war ziemlich ungewöhnlich für eine Puppe, deren Körper und Kopf aus Porzellan bestanden. In der uralten Ruine, in der sie sich nach ihrer Reise wiedergefunden hatte, wollte sie sich versteckt halten, bis ihr der neue Meister weitere Befehle erteilte.
Doch die unbekannte Macht meldete sich nicht. Es war jetzt hell geworden, und sie hörte Stimmen, die von Kindern stammten und die rasch näher kamen. Die Angst der Puppe steigerte sich. Sie wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Verzweifelt blickte sie sich um, während die Schritte der Kinder immer deutlicher zu hören waren ...

Dorian nimmt die Spur der O-toku-San auf, die den Kampf Olivaros gegen den unbekannten Gegner offenbar entscheidend beeinflussen kann. Um die Puppe zu finden, wechselt Dorian erneut die Gestalt - und stößt auf das Geheimnis der Maske ...


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Seitenzahl: 143

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Inhalt

Cover

Was bisher geschah

DAS GEHEIMNIS DER MASKE

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

mystery-press

Vorschau

Impressum

Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen gewidmet, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es dem »Dämonenkiller«, ihnen die Maske herunterzureißen.

Bald kommt Dorian seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Teufel, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um für seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen blieben ungeschoren. Als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, ging seine Seele in den nächsten Körper über. So ging es fort bis in die Gegenwart. Dorian Hunter begreift, dass es seine Aufgabe ist, de Condes Verfehlungen zu sühnen und die Dämonen zu vernichten.

Als Rückzugsort in seinem Kampf bleibt Dorian neben der Jugendstilvilla in der Baring Road in London noch das Castillo Basajaun in Andorra, in dem er seine Mitstreiter um sich sammelt – darunter die ehemalige Hexe Coco Zamis, die aus Liebe zu Dorian die Seiten gewechselt hat. Kurz nach der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes Martin versteckt Coco diesen zum Schutz vor den Dämonen an einem Ort, den sie selbst vor Dorian geheimhält.

Bald darauf veranlassen die Erinnerungen an seine Existenz als Michele da Mosto Dorian, nach der Mumie des Dreimalgrößten Hermes Trismegistos zu forschen. Er stößt auf die versunkene Stadt Ys und birgt aus ihr einen Handspiegel. Dieser stellt offenbar die einzig wirksame Waffe gegen Hermons einstigen Erzgegner Luguri dar, der sich zum neuen Oberhaupt aufgeschwungen hat.

Auf Island gewinnt Dorian den Kampf um das Erbe des Hermes Trismegistos und richtet sich in dessen Tempel ein. Wie es sein Vorgänger Grettir prophezeit hat, verspürt Dorian schon bald keinen Drang mehr, in sein altes Leben zurückzukehren, zumal er von seinen Freunden seit Monaten für tot gehalten wird: Nur Coco, die einen Doppelgänger von Dorian vernichtet hat und seitdem als seine Mörderin gilt, weiß, dass Dorian, ausgestattet mit den Kräften des Hermes Trismegistos, die Gestalt des harmlosen Richard Steiner angenommen hat.

Kurz darauf erwachen in Dorian Erinnerungen an sein fünftes Leben als Tomotada: Wie es aussieht, ist der »Samurai des Teufels« in der Gegenwart auf einmal wieder aktiv. Dorian alias Steiner sowie Coco reisen begleitet von ihren Freunden Hideyoshi Hojo und Abi Flindt nach Japan, wo sie jedoch nicht verhindern können, dass Tomotada sein gefürchtetes Schwert, das Tomokirimaru, wieder in seinen Besitz bringt und damit ein Blutbad anrichtet. Allerdings stoßen sie auf eine geheimnisvolle Puppe, die O-toku-San, die möglicherweise mehr über Tomotada und seinen Herrn Olivaro weiß ...

DAS GEHEIMNIS DER MASKE

von Neal Davenport

Die O-toku-San hatte Angst. Dieses Gefühl war ziemlich ungewöhnlich für eine Puppe, deren Körper und Kopf aus Porzellan bestanden.

Sie lebte auf magische Weise und konnte beschränkt denken und wurde von einer unbekannten Macht manipuliert. Nach turbulenten Ereignissen war sie von dieser Macht in ein Magnetfeld gelockt worden. Die Puppe war hineingestolpert, und ihr Körper hatte sich aufgelöst. In einer uralten Ruine hatte sie sich wiedergefunden. Hier sollte sie sich versteckt halten, bis ihr der neue Meister weitere Befehle erteilte.

Doch die unbekannte Macht meldete sich nicht. Es war jetzt hell geworden, und sie hörte Stimmen, die von Kindern stammten und die rasch näher kamen. Die Angst der Puppe steigerte sich. Sie wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Verzweifelt blickte sie sich um, während die Schritte der Kinder immer deutlicher zu hören waren. Sie starrte die halb eingestürzten Wände an und entdeckte eine schmale Öffnung. Einen Augenblick zögerte sie, dann setzte sie sich ungelenk in Bewegung. Sie stieg in die Öffnung und duckte sich.

1. Kapitel

Laut hörte sie das aufgeregte Geschnatter zweier Kinder, dann Schritte; die sich ihrem Versteck näherten. Die Puppe rutschte tiefer in die kleine Höhle und blieb dann ruhig stehen. Als sich die Schritte entfernten, blieb die Puppe bewegungslos liegen. Sie hatte beschlossen, in der Höhle zu bleiben und hier auf die Befehle der unbekannten Macht zu warten.

Hisako Hasegawa war für einen Japaner ungewöhnlich groß. Er war zweiunddreißig Jahre alt und Besitzer eines kleinen Reisebüros. Flüchtig sah er die alten Steinmauern des Sanbonmatsu-Schlosses an, wandte dann den Kopf um und blickte über Tsuwano. Er lächelte zufrieden. Die Geschäfte gingen gut.

Vor zwei Tagen war das Otome-Festival zu Ende gegangen, das wie jedes Jahr große Scharen von Katholiken aus ganz Japan angezogen hatte. Tsuwano war einer der bedeutendsten katholischen Wallfahrtsorte Japans. Während des Verbots des Christentums in der Feudalzeit der japanischen Geschichte waren hier einundvierzig Katholiken gemartert worden. Zum Andenken an diese Opfer war die St. Marienkapelle in der Nähe des Otome-Passes errichtet worden. Die Kapelle war von Pater Yujiro Okazaki erbaut worden, einem deutschen Geistlichen namens Paul Naber, der die japanische Staatsbürgerschaft angenommen hatte. Wie jedes Jahr war die Stadt voll mit Katholiken gewesen, die in einer farbenprächtigen Prozession vom Stadtzentrum Tsuwanos zur Kapelle gezogen waren, wo zum Gedenken an die heroischen christlichen Märtyrer eine feierliche Messe gelesen worden war.

»Wohin sind Hideo und Yukio verschwunden?«, riss Mina Hisako aus seinen Gedanken.

»Sie sind in der Ruine«, antwortete Hisako seiner Frau. »Lass ihnen ihr Vergnügen, Mina! Heute ist Kodomo-no-hi, der Kindertag, an dem sie tun und lassen sollen, was sie wollen.«

»Ich weiß«, sagte Mina lächelnd. »Aber sie sind jetzt schon seit einer halben Stunde verschwunden, und ich habe Angst, dass ihnen in der Ruine etwas geschehen könnte.«

Hisako drehte sich um und starrte die Ruine an. Das Schloss war im späten 13. Jahrhundert erbaut worden. Es diente als Beobachtungsposten und Station für Patrouillen. 1874 wurden die Verteidigungsanlagen des Schlosses abgerissen. Doch große Teile der Festung blieben erhalten. Hisako liebte diese Ruine. Als kleiner Junge hatte er oft hier gesessen und mit seinen Gedanken in der ruhmreichen Vergangenheit seines Volkes geweilt. In seiner Fantasie war er zu einem kühnen Samurai geworden, der im Auftrag seines Herrschers die tollsten Abenteuer zu bestehen hatte. Etwas von dieser Liebe zur Vergangenheit seines Volkes hatte auf seine Kinder abgefärbt, die immer wieder die Ruine besuchen wollten.

Er ging an einigen Bäumen vorbei und trat durch ein grasüberwachsenes Tor. Seine Frau folgte ihm.

»Hideo, Yukio!«, rief er und blieb stehen. »Wo steckt ihr?«

»Hier, Pa!«, schrie Yukio.

Seine beiden Söhne stürmten hinter einer halb eingestürzten Mauer hervor.

Hideo war acht und Yukio zehn Jahre alt. Beide trugen farbenfrohe Kimonos, Samurai-Helme aus Plastik und hielten in den Händen hölzerne Samurai-Schwerter.

»Wir haben eine O-toku-San gesehen«, plapperte Hideo aufgeregt.

Hisako blickte seinen Sohn skeptisch an.

»Wirklich, Pa!«, schaltete sich Yukio ein. »Es war eine lebende Puppe. Wir haben sie ganz deutlich gesehen. Sie verschwand in einer Maueröffnung. Wir gingen hin und sahen ihren Kimono, aber wir trauten uns nicht in die Höhle hinein. Komm mit! Wir zeigen sie dir.«

Hisako beschloss, auf das Spiel seiner Söhne einzugehen. Wahrscheinlich hatten sie sich einen Scherz ausgedacht. Er wechselte einen Blick mit seiner Frau, die langsam eine Braue hob und stärker lächelte.

»Nun gut. Dann zeigt mir die Höhle, in der sich die O-toku-San versteckt hat.«

»Das ist sicherlich eine verzauberte Prinzessin«, sagte Yukio mit schriller Stimme.

»Sie hat vor Angst gezittert«, meinte Hideo.

»Wie hat denn die O-toku-San ausgesehen?«, fragte Mina.

»Sie war kleiner als du, Ma«, antwortete Yukio. »Und sie trug altertümliche Hofkleider, die bestickt waren.«

»Und der Kopf ist aus Porzellan«, sagte Hideo. »Siehst du das Loch in der Wand dort, Pa?«

Hisako nickte.

»Dort hat sich die Puppe versteckt. Hoffentlich ist sie in der Zwischenzeit nicht verschwunden.«

Hisako ging rasch auf die Öffnung zu, die in der mit Gras bewachsenen Wand klaffte. Vor der Öffnung blieb er stehen und beugte sich vor. Überrascht runzelte er die Stirn. Da war tatsächlich etwas in der Höhle. Es schimmerte golden. Interessiert streckte er den rechten Arm aus. Seine Finger berührten Seide und verkrallten sich im Stoff. Er zog daran. Es war tatsächlich ein altertümliches Hofgewand.

»Ist die Puppe noch in der Höhle?«

Hisako antwortete nicht. Er presste die Lippen zusammen und zerrte stärker.

Plötzlich bewegte sich das Gewand und eine steinharte Faust schlug nach seiner Hand. Er stieß einen Schmerzensschrei aus, ließ das Kleid los und sprang einen Schritt zurück.

In diesem Augenblick stand die O-toku-San auf und wandte Hisako den Kopf zu. Seine Augen weiteten sich.

Es war tatsächlich eine O-toku-San. Ihre Bewegungen waren eckig und etwas unbeholfen – wie die einer Marionette. Ihr Kleid war goldbestickt. Verschiedene Landschaftsbilder mit Schmetterlingen, schlanke Vögel und Liebespaare waren abgebildet. Eine goldene Schärpe hielt ein Rückenkissen. Der Kopf war aus Porzellan. Das Gesicht war unwirklich glatt. Die Augen asiatisch geschlitzt, die Brauen wie bei verheirateten Frauen rasiert. Die Nase war etwas zu breit geraten, und der rot geschminkte Mund lächelte. Das eng anliegende schwarze Haar war aus Porzellan, ebenso die Hände.

Die Puppe glitt aus der Höhle und ging auf Hisako zu.

Mina zog ihre Söhne an sich und wich ängstlich zurück.

»Wer bist du?«, fragte Hisako.

Doch die Puppe antwortete nicht. Unbeirrt stapfte sie auf ihn zu. Hisako verstellte ihr den Weg. Er griff nach ihrem Kopf, denn er wollte sich überzeugen, ob es sich nur um eine Maske handelte. Doch dagegen hatte die Puppe etwas. Sie schleuderte seine ausgestreckte Hand zur Seite und versetzte ihm einen Stoß gegen die Brust, dass er taumelte.

»Bleib stehen!«, schrie Hisako der Puppe nach.

»Lass sie gehen!«, rief Mina mit zittriger Stimme.

Doch Hisako hörte nicht auf seine Frau. Er folgte der Puppe. Mit wenigen Schritten hatte er sie eingeholt. Er verkrallte seine rechte Hand in ihrem Rückenkissen. Da wirbelte die Puppe herum. Ihre Porzellanhand schlug gegen seine Schläfe, und er sackte bewusstlos zusammen.

Ich hatte den Puppenkopf an mich gebracht und ihn mit dem Körper vereint. In diesem Augenblick war Tomotada, der Schwarze Samurai, aufgetaucht, der den Puppenkopf für Olivaro holen wollte.

Unga hatte sich Tomotada zum Kampf gestellt. Und während die beiden verbissen miteinander fochten, war die Puppe zum Leben erwacht. Ich war ihr gefolgt, doch nach wenigen Metern hatte sich die Puppe einfach in einem Strahlungsfeld aufgelöst. Nachdem ich mich um Abi Flindt und Unga gekümmert hatte, kehrte ich zu diesem Strahlungsfeld zurück und blieb stehen. Die Puppe schien wichtig zu sein, sonst wäre Olivaro nicht so scharf auf sie. Bisher wusste ich nur, dass Olivaro gegen einen unbekannten Dämon kämpfte und die Puppe anscheinend Wissen über Olivaro gespeichert hatte, das ihm schaden konnte. Der Schwarze Samurai der Gegenwart war ein Werkzeug Olivaros. Aber ich wusste noch immer nicht, ob dieser Tomotada II. die zum Leben erweckte Mumie des Tomotada I. war. Tomotada I. war ich selbst zu Beginn des 17. Jahrhunderts gewesen. Meiner Meinung nach musste der Samurai der Gegenwart ein anderer Tomotada sein; der fehlende Rokuro-Kubi-Kopf, der sich beim ersten Schwarzen Samurai im linken Ärmel verbissen hatte, schien das zu beweisen.

Noch immer steckte ich in der Maske des Buckligen. Einen Augenblick lang überlegte ich, welche Gestalt ich jetzt meinem Körper geben sollte. Als Dorian Hunter durfte ich nicht auftreten, da ich ja offiziell tot war, und nur ganz wenige wussten, dass ich das Erbe des Hermes Trismegistos angetreten hatte.

Ich setzte mich vor dem Magnetfeld nieder und holte den Vexierer hervor, diesen Zauberspiegel, mit dem ich jede beliebige Gestalt annehmen konnte. Der Vexierer sah einem zusammenklappbaren Holzmessstab ähnlich. Statt einer Maßeinteilung wies er magische Symbole auf.

Ich bildete aus dem Vexierer ein Achteck und stellte es vor mir auf. Mit geschlossenen Augen konzentrierte ich mich. Ich wollte das Aussehen eines etwa dreißig Jahre alten mittelgroßen Japaners annehmen. Mit der linken Hand betastete ich mein Gesicht, und mit der rechten versuchte ich quasi nach meinem Wunschbild zu greifen.

Langsam veränderten sich mein Gesicht und mein Körper. Je öfter ich meine Gestalt veränderte, umso leichter und rascher ging es.

Nachdem ich meine Verwandlung abgeschlossen hatte, klappte ich den Vexierer wieder zusammen. Mit dem magischen Zirkel steckte ich nun das Magnetfeld ab. Ich stellte mich in die Mitte des Sprungkreises und konzentrierte mich. In der rechten Hand hielt ich den Kommandostab, der aus einem knochenähnlichen Material bestand. Nach einigen Sekunden fühlte ich mich schwerelos. Ein leises Raunen war zu hören, dann schien ich durch undurchdringliche Schwärze zu gleiten. Auch an diesen Zustand hatte ich mich bereits gewöhnt.

Plötzlich spürte ich festen Boden unter mir. Es war eine warme Mainacht. Der Himmel war wolkenlos, und ein leichter Wind fing sich in meinen Kleidern.

Neugierig blickte ich mich um. Ich stand auf einem Berg. Unter mir erblickte ich eine kleine japanische Ortschaft. Rechts lag eine gewaltige Ruine im Mondlicht. Kein Mensch war zu sehen.

Ich wusste nicht, wo ich gelandet war. Von der Puppe war nichts zu sehen, doch ich war sicher, dass sie sich hier in der näheren Umgebung befinden würde.

Wahrscheinlich hat sie sich in der Ruine versteckt, dachte ich. Mir blieb keine andere Wahl, ich musste die Ruine durchsuchen.

Doch sosehr ich auch suchte, von der Puppe fand ich zu meiner größten Überraschung keine Spur.

Langsam wurde es hell. Einige Autos blieben vor der Ruine stehen. Meine Hoffnung, die Puppe zu finden, verflog immer mehr. Unter den vielen Menschen konnte sie sich nicht sehen lassen. Möglicherweise gab es noch ein weiteres Magnetfeld in der Nähe, mit dessen Hilfe sie ihre Flucht fortgesetzt hatte.

Ich holte den Magnetstab heraus, der sich teleskopartig zusammenschieben ließ und jetzt wie eine Pfeife aussah. Nochmals durchsuchte ich die Ruine, doch ich entdeckte kein weiteres Magnetfeld.

Als ich den entsetzten Schrei einer Frau hörte, wandte ich mich nach links, sprang über einige Steine und gelangte zu einem halb eingestürzten Raum in der Nähe eines der Tore.

Ein Japaner lag auf dem Rücken. Vor ihm kniete eine junge Frau, hinter der zwei Buben ängstlich standen. Sie trugen Samuraihelme und -schwerter. Der Japaner stöhnte und setzte sich auf.

»Kann ich Ihnen helfen, mein Herr?«, fragte ich. Mein Japanisch war akzentfrei.

»Es geht schon«, flüsterte der Mann und stand schwankend auf.

»Die O-toku-San hat Vater niedergeschlagen«, sagte einer der Jungen.

»Wie war das?«, fragte ich überrascht.

»Sie haben richtig gehört«, sagte der Mann leise. »Meine Söhne führten mich hierher. Sie berichteten mir, dass sie in dieser Höhle eine O-toku-San gesehen hätten. Ich war skeptisch, doch sie hatten sich nicht getäuscht. Ich versuchte, die Puppe aus der Höhle zu ziehen. Sie schlug mir auf die Hand und stieß mich zur Seite. Ich folgte ihr, da schlug sie mich nieder.«

»Sie haben sich nicht getäuscht? Es war tatsächlich eine O-toku-San?«

»Wir alle haben sie gesehen.«

»In welcher Richtung verschwand sie?«

»Nach rechts. Sie lief auf diesen Gang zu.«

»Danke«, sagte ich. »Noch eine Frage: Wie heißt diese Ruine?«

Der Mann blickte mich verwundert an. »Das ist das Sanbonmatsu-Schloss.«

»Danke. Und wie heißt der Ort unterhalb des Berges?«

Ich sah ihm deutlich an, wie verblüfft er über meine Frage war. »Tsuwano«, sagte er.

»Herzlichen Dank«, sagte ich und winkte ihm zu.

Rasch trat ich in den Gang, in dem die Puppe verschwunden war. Ich fragte einige Leute, ob sie eine Puppe gesehen hätten, erntete aber nur verwunderte Blicke.

Die Puppe war verschwunden. Sie hatte sich die ganze Nacht über hier versteckt gehabt. Möglicherweise würde sie sich jetzt den ganzen Tag über irgendwo anders verbergen und erst gegen Abend zur Ruine zurückkommen.

Im Augenblick war eine weitere Suche sinnlos. Ich beschloss, nach Tsuwano zu gehen und ein Quartier zu suchen. Dann wollte ich mich mit Unga in Verbindung setzen. Mich interessierte, ob er eine Spur des Schwarzen Samurai gefunden hatte.

Während ich ins Tal stieg, dachte ich nach. Irgendwann musste ich in der Maske Richard Steiners nach Basajaun springen. Zu Abi Flindt und Yoshi hatte ich gesagt, dass ich Japan verlassen würde. Doch im Augenblick hatte ich keine Zeit dafür; vorläufig musste ich weiter in Japan bleiben.

Eine halbe Stunde später erreichte ich den Ort. Er war klein und hatte etwa achttausend Einwohner. Die malerischen Häuser waren mit den traditionellen roten oder braunen Dachziegeln gedeckt.

Tsuwano war eine alte Schlossstadt. Die Ortschaft war voll mit Touristen. Der Verkehr war schwach. Autos waren kaum zu sehen. Die meisten Einheimischen fuhren mit Fahrrädern. Überall sah man Bewässerungsgräben, in denen farbenprächtige Karpfen schwammen.

Ich quartierte mich in einem einfachen Hotel in der Nähe des Stadtzentrums ein, unweit der Ohashi-Brücke. In meinem Zimmer versuchte ich, mich mit Unga in Verbindung zu setzen.

Im Abteil des Schnellzuges nach Osaka war es ruhig. Nur das Rattern der Räder war zu hören.

Abi Flindt, der blondhaarige Däne, blickte Unga missmutig an. Für ihn war Unga ein Diener des Hermes Trismegistos. Er wusste nicht, ob er dem Steinzeitmenschen trauen durfte; über die wahren Hintergründe war Abi nicht informiert. Auch Hideyoshi Hojo, der von allen Yoshi genannt wurde, war nicht eingeweiht. Wie Abi Flindt glaubte er, dass Dorian Hunter tot war.

Unga hatte seine Samuraikleider abgelegt und trug jetzt wieder europäische Kleidung.

Neben Unga saß Coco, die gedankenverloren aus dem Fenster blickte. Unga hatte ihr von den letzten Ereignissen berichtet.