Dorian Hunter 119 - Earl Warren - E-Book

Dorian Hunter 119 E-Book

Earl Warren

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Beschreibung

Phillips Körper glühte.
Der Arzt, ein dunkelblonder Georgier, machte den schmalen Brustkorb des Hermaphroditen frei und horchte auf seine Herztöne. Kurz darauf schüttelte er den Kopf und zückte einen Spiegel, den er Phillip vor das Gesicht hielt. Er beschlug nicht.
Kiwibin übersetzte das Ergebnis der Untersuchung: »Da ist nichts mehr zu machen. Phillip ist klinisch tot.«
Im nächsten Moment setzte sich der Hermaphrodit auf. »Der Zugang ist gefunden«, sagte er und lächelte.
Als ich Phillips Hand ergriff, war seine Temperatur ganz normal. Wo mochte er gewesen sein? Was hatte er erlebt? Würden wir das je erfahren ...?


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Seitenzahl: 145

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Inhalt

Cover

Was bisher geschah

DER MITTERNACHTSTEUFEL

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

mystery-press

Vorschau

Impressum

Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen gewidmet, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es dem »Dämonenkiller«, ihnen die Maske herunterzureißen.

Bald kommt Dorian seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Teufel, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um für seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen blieben ungeschoren. Als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, ging seine Seele in den nächsten Körper über. So ging es fort bis in die Gegenwart. Dorian Hunter begreift, dass es seine Aufgabe ist, de Condes Verfehlungen zu sühnen und die Dämonen zu vernichten.

Als Rückzugsort in seinem Kampf bleibt Dorian neben der Jugendstilvilla in der Baring Road in London noch das Castillo Basajaun in Andorra, in dem er seine Mitstreiter um sich sammelt – darunter die ehemalige Hexe Coco Zamis, die aus Liebe zu Dorian die Seiten gewechselt hat. Kurz nach der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes Martin versteckt Coco diesen zum Schutz vor den Dämonen an einem Ort, den sie selbst vor Dorian geheimhält.

Bald darauf veranlassen die Erinnerungen an seine Existenz als Michele da Mosto Dorian, nach der Mumie des Hermes Trismegistos zu forschen. Er findet jedoch »nur« den Steinzeitmenschen Unga, der Hermon einst gedient hat und der sich nach seinem Erwachen schnell den Gegebenheiten der Gegenwart anpasst. Auf Island gewinnt Dorian den Kampf um das Erbe des Hermes Trismegistos, richtet sich in dessen Tempel ein und verspürt schon bald keinen Drang mehr, in sein altes Leben zurückzukehren.

Kurz darauf erwachen in Dorian Erinnerungen an sein fünftes Leben. Als Samurai Tomotada war er damals im Auftrag des Januskopfes Olivaros aktiv, der in der Gegenwart kurzzeitig als Oberhaupt der Schwarzen Familie agierte. Olivaros Nach-Nachfolger, der Erzdämon Luguri, unternimmt derweil alles, um den Bayerischen Wald in eine Brutstätte des Bösen zu verwandeln, wird aber von Coco und Dorian zurückgeschlagen. Im Tempel des Hermes Trismegistos erhält Dorian einen Hinweis auf das Wirken von Janusköpfen in Indien. Coco und er müssen jedoch Olivaro folgen, der von »Psychos« in das irische Dorf Cranasloe gebracht wurde. Aus diesem Grund folgen Unga und der Puppenmann Donald Chapman der indischen Spur und stoßen auf ein Dimensionstor der Janusköpfe. Zeitgleich wird Dorian in Irland gezwungen, den Ys-Spiegel gegen Luguris Horden einzusetzen. Darüber verliert Olivaro den Verstand – und wird zusammen mit Dorian und Coco in ein weiteres Dimensionstor der Janusköpfe gezogen ...

DER MITTERNACHTSTEUFEL

von Earl Warren

In den Bergen lag Schnee, und ein eisiger Wind pfiff über die Ebene. Krähenschwärme flogen über Akademgorodok, der Wissenschaftlerstadt, fünfundzwanzig Kilometer nordöstlich von Nowosibirsk.

Dr. Wassilij Wassiliew schaute aus dem Thermopenfenster des Sitzungssaales auf die kahlen Bäume im Park des Alexander-Newskij-Instituts. Hinter ihm diskutierten seine zwölf Kollegen – wie er ausgebildete Parapsychologen. Jeder von ihnen war außerdem noch eine Kapazität auf einem anderen Gebiet. Trotzdem waren sie dumm. So dumm! Sie wussten von nichts. Sie begriffen die einfachsten Dinge nicht, und das Rätsel von Dscheskajan war für sie völlig unlösbar; das Rätsel des Dorfes im westlichen Pamir, in dem viele Bewohner übernatürliche Fähigkeiten besaßen, die schon seit Jahren die Parapsychologen in Atem hielten. Jetzt war dort etwas Ungeheuerliches geschehen.

Dr. Wassiliew drehte sich um. Er war ein mittelgroßer, aber sehr kräftiger Mann mit tief liegenden, dunklen Augen. Sie strahlten eine zwingende Kraft aus. Sein Gesicht und das strähnige Haar verrieten, dass er Tatarenblut in den Adern hatte.

1. Kapitel

Wie seine Kollegen trug auch er einen weißen Kittel.

Er hob beschwichtigend die Hände. »Genossen, wir wollen uns nicht streiten. Es ist alles für die Sitzung vorbereitet. Nelja soll kommen. Vielleicht sehen wir dann klarer.«

Einer der Parapsychologen drückte auf einen Klingelknopf. Sekunden später öffnete sich die Tür. Zwei Milizsoldaten in braunen Uniformen führten ein schlankes junges Mädchen herein, das einen völlig abwesenden Eindruck machte. Es trug ein besticktes Kleid aus dickem Stoff, Wollstrümpfe und derbe Holzschuhe. Auf Dr. Wassiliews Wink hin führten die Milizsoldaten das Mädchen zu einem Stuhl.

Nelja setzte sich gehorsam. Ihre Arme wurden auf die Stuhllehnen gelegt und mit Eisenscharnieren angeschlossen. Die Beine bekam sie auf die gleiche Weise an die Stuhlbeine gefesselt.

»Wartet draußen!«, sagte Dr. Wassiliew zu den Milizsoldaten. »Seid ihr bewaffnet?«

Die beiden Soldaten wechselten einen Blick. »Nein, Genosse Dr. Wassiliew. Aber wir können uns Pistolen holen.«

»Schnellfeuergewehre dürften besser geeignet sein. Bleibt auf jeden Fall vor der Tür – egal was geschieht –, bis ihr gerufen werdet!«

»Ja, Genosse Dr. Wassiliew.«

Die anderen Wissenschaftler murmelten. Dr. Wassiliew war ein Einzelgänger, der blendende Erfolge errungen hatte. Seine Kollegen beneideten ihn und misstrauten ihm. Keiner mochte ihn. Wassiliew focht das nicht an.

»Glauben Sie, es wird so schlimm, Genosse Dr. Wassiliew?«

»Vorsicht kann nie schaden«, sagte der Parapsychologe mit dem stechenden Blick und grinste ohne jede Freundlichkeit. »Wir wollen anfangen, Genossen. Schaltet die Aufzeichnungsgeräte ein und nehmt Platz!«

Die zwölf Parapsychologen setzten sich an den langen Tisch, vor dem der Stuhl mit dem gefesselten Mädchen auf einem niedrigen Podium stand. Eine Kamera, die in einer Wandluke montiert war, begann aufzunehmen.

Vor dem Tisch mit der Kommission der Parapsychologen und dem niedrigen Podium stiegen die leeren Stuhlreihen an. In diesem Saal wurden auch die Vorlesungen abgehalten. Hinten an der Wand befand sich eine große Tafel.

Dr. Wassilij Wassiliew, der dreizehnte Parapsychologe, stand vor dem Mädchen Nelja aus Dscheskajan. Er hielt einen kleinen, blitzenden, kreisrunden Spiegel in der Hand, der auf einem Stab drehbar montiert war.

»Wie heißt du?«, fragte er.

Das Mädchen sah starr geradeaus und antwortete nicht.

Die Fernsehkamera surrte in dem überheizten Raum.

»Nelja«, sagte Dr. Wassiliew, »antworte mir!«

»Das ist nicht mein Name«, sagte das Mädchen mit tonloser Stimme. »Ich habe keinen Namen. Ich bin ...« Nelja verstummte.

»Was bist du?«, fragte der Parapsychologe. »Sag es mir!«

Das Mädchen, das nicht älter war als siebzehn oder achtzehn Jahre, wandte nun Wassiliew das Gesicht zu. Dabei lächelte es freundlich. Trotzdem war es, als lauerte etwas hinter diesem glatten hübschen Mädchengesicht. »Ich weiß es nicht. Ich habe es vergessen.«

Dr. Wassiliew versetzte den Spiegel in Drehung. Sein stechender Blick bohrte sich in Neljas.

Neljas Gesicht wurde teilnahmslos. Ihre Augen schauten stumpf und gleichgültig geradeaus.

Dr. Wassiliew hatte sie in Trance versetzt, wie schon bei anderen Gelegenheiten. Nelja hatte auch mediale Fähigkeiten, und sie sprach leicht auf Wassiliews Hypnose an.

Er bewegte den Spiegel dicht vor ihren Augen. Die Pupille veränderte sich nicht. Die Trance war tief. »Ich frage dich wieder«, sagte der Parapsychologe, »wer bist du?«

»Stenka«, sagte das Mädchen. Ihre Stimme klang jetzt ganz anders, dumpf und grollend.

Die Parapsychologen am Tisch sahen sich an und murmelten wieder. Dr. Wassiliew nickte.

»Jetzt ist es endlich so weit«, sagte er. »Wir haben eine direkte Verbindung mit ihrem Alter Ego. Wir wollen sehen, was wir dabei erfahren können.« Er wandte sich wieder an das Mädchen. »Was bist du, Stenka?«

»Ein Dämon.«

»Woher kommst du? Wie siehst du aus?«

Ein Knurren war zu hören. Man konnte kaum glauben, dass ein zartes Mädchen ein solch bestialisches Geräusch von sich gab.

»Ich komme aus einer anderen Welt«, fauchte der Dämon. »Aus dem Jenseits. Von nirgendwo. Bin ich dir Rechenschaft schuldig, du Narr?«

Die Aggressivität in der unheimlichen Stimme erschreckte die Parapsychologen – bis auf Dr. Wassiliew. Er blieb völlig gleichgültig.

»Du hast mir zu antworten, Stenka. Dämon Stenka. Also – wie siehst du aus?«

Fauchen, Knurren, Grollen. Als sei ein ganzer Käfig von entfesselten Raubtieren im Zimmer – so klang es. Dann kam die Antwort, kaum verständlich.

»Ich bin groß und stark wie ein Riese. Meine Ohren sind spitz, mein Gesicht spiegelt meine dämonische Wildheit wider und ist ganz anders als eure blassen Visagen. Meine Hände sind Klauen, und hornige Spitzen sitzen an meinen Gelenken. Schwarz ist mein Körper und behaart, die Haut rau. Meine Füße sind Hufe.«

Der Dämon fauchte und grollte so schrecklich, dass nichts anderes mehr zu verstehen war. Er brüllte, dass die Fensterscheiben bebten.

Es klopfte an der Tür.

»Ist alles in Ordnung, Genossen?«, fragten die beiden Milizsoldaten auf dem Flur, als der Dämon verstummt war.

»Jawohl!«, rief Wassiliew. »Stört uns nicht! Schweigt! Kein Wort mehr, ihr Tölpel!«

Die Parapsychologen betrachteten das Mädchen Nelja. Nichts an ihrem schlanken Körper hatte sich verändert. Und doch hatte sie sich auf so grässliche Weise beschrieben und solche Geräusche von sich gegeben.

Nelja saß wieder still und unbeteiligt da.

Die Parapsychologen redeten erregt durcheinander.

Dr. Wassiliew betrachtete sie verächtlich. Er hörte sich die Debatte eine Weile an, die in seinen Augen völlig sinnlos war. Die zwölf Wissenschaftler vertraten dreizehn verschiedene Meinungen. Sie wären sich auch nicht einig geworden, wenn sie noch den Rest des Tages und die Nacht geredet hätten.

»Genossen«, sagte Dr. Wassiliew. Und noch einmal lauter: »Genossen!«

Endlich wandten sie sich ihm zu.

»Ich schlage vor, ich versuche, Neljas Alter Ego abzuspalten. Dazu wird eine verstärkte Hypnose nötig sein.«

Ein kahlköpfiger Wissenschaftler sprang auf.

»Ich protestiere!«, rief er und fuchtelte erregt herum. »Die Art, wie Sie sich hier aufspielen und der Kommission Ihren Willen aufzwingen, ist unerträglich.«

»Wissen Sie vielleicht etwas Besseres, Professor Schubjakin?«, fragte Wassiliew mit unüberhörbarer Ironie. »Dann sagen Sie es nur! Sie können das Experiment auch gern an meiner Stelle weiterführen.«

Schubjakin wollte sich nicht blamieren und verstummte. Nach ein paar Zwischenrufen und akademischen Erörterungen war Wassiliews Vorschlag angenommen.

Wieder ließ er den blitzenden Spiegel vor Neljas Augen rotieren und starrte sie an. Schweißtropfen perlten über Dr. Wassiliews breites Tatarengesicht, rannen ihm in den Kragen. Er konzentrierte sich, bot seine ganze Willenskraft auf.

Minuten des Schweigens vergingen. Nur ein- oder zweimal war Füßescharren zu hören.

»Es ist so weit!«, sagte Dr. Wassiliew schließlich. »Stenka, ich befehle dir, zeige dich uns! Verlass den Körper und den Geist dieses Mädchens! Stenka, komm! Stenka!« Die Stimme Dr. Wassiliews war wie eine Peitsche.

Ein Röhren und Brüllen war zu hören. Nelja bäumte sich auf und schrie, aber ihr Schrei ging in den anderen Geräuschen unter.

Und plötzlich stand der Dämon im Saal.

Er war riesengroß, wie er gesagt hatte. Über zwei Meter, und das wutverzerrte Gesicht erinnerte an einen Urmenschen oder einen Affen. Er hatte spitze Ohren und hornige Auswüchse an den Schultern, Ellbogen und Handgelenken.

Das Ungeheuer raste auf die vor Angst aufschreiende Parapsychologenkommission los und warf den Tisch um. Nelja wand sich auf dem Stuhl, an den sie gefesselt war. Dr. Wassiliew flüchtete zwischen die Stuhlreihen, warf sich flach auf den Boden und presste die Arme hinter den Kopf. Der Dämon bewegte sich rasend schnell. Er packte die schreienden Parapsychologen, schlug mit seinen Klauen um sich und trat mit seinen Hufen erbarmungslos zu.

Bevor vier Sekunden um waren, lag die Hälfte der Kommission tot oder schwer verwundet auf dem Boden.

Der Dämon ließ keinen der Parapsychologen entkommen.

Die Milizsoldaten rissen nun die Tür auf. Als sie sahen, was hier vorging, brüllten sie vor Schreck auf, warfen die Kalaschnikow-Schnellfeuergewehre weg und rannten davon.

Der Dämon tötete auch die restlichen Kommissionsmitglieder, nur den zwischen den Stühlen verborgenen Dr. Wassiliew übersah er.

Stenka, der Dämon, brüllte triumphierend. Vom Korridor hallten nun aufgeregte Stimmen herein.

Der Dämon trat zu dem Mädchen Nelja, das verloren lächelte. Dann sah Dr. Wassiliew, der unter den Stuhlreihen hindurchlugte, wie er verschwand. Von einem Augenblick zum anderen war er fort. Das dämonische Brüllen, Grollen, Knurren und Fauchen verstummte. Man hörte nur noch das Stöhnen und Wimmern der Schwerverletzten.

Dr. Wassiliew erhob sich.

Das Mädchen Nelja saß vollkommen unberührt von all dem Horror und Schrecken auf dem Stuhl.

Wassiliew schaute auf seine grässlich zugerichteten Kollegen. Wenige Sekunden, bevor ein paar Milizsoldaten und entschlossene Institutsangestellte in den Saal stürmten, sagte er etwas. Es wurde nicht aufgezeichnet. Der Dämon hatte den Tisch zertrümmert. Das Aufnahmegerät lag auf der Erde und funktionierte nicht mehr.

Später stritt Dr. Wassiliew ab, das gesagt zu haben: »Das Experiment hat sehr interessante Dinge ergeben, wenn es auch nicht so verlaufen ist, wie ich es mir vorgestellt hatte, Genossen. Aber die Wissenschaft fordert nun einmal ihre Opfer. Auf jeden Fall ist meine Alter-Ego-Theorie bestätigt, und das ist ja wohl die Hauptsache.«

Castillo Basajaun hatte schwer unter dem Ansturm von Luguris Horden gelitten. Die Tage der dämonischen Belagerung waren uns allen noch unvergessen. Luguri hatte seine Dämonen abziehen müssen, nachdem sein Plan fehlgeschlagen war, im Bayerischen Wald ein großes Dämonenreservat zu errichten.

Wir hatten nun alle Hände voll damit zu tun, das Castillo zu restaurieren.

Mir passte es nicht, hier den Bauarbeiter und die Putzfrau zu spielen. Es juckte mich, das Castillo zu verlassen und den Dämonen zu zeigen, dass sie hier nicht ungestraft so hausen konnten. Es lag mir nicht, herumzusitzen und nebensächliche Arbeiten zu machen, während anderswo entscheidende Dinge geschahen.

Der Dämonenkiller und Coco Zamis befanden sich in Irland. Keiner von uns wusste, was dort vorging. Von Unga und Don Chapman hatten wir aus Indien bestürzende Nachrichten erhalten. Wie gern wäre ich ihnen beigestanden. Aber es gab strikte Anweisungen, nach denen ich im Castillo Basajaun zu bleiben hatte. Dort befanden sich zur Zeit Ira Marginter, Virgil Fenton, Tirso Aranaz, der Zyklopenjunge, Phillip, der Hermaphrodit, Burke Kramer, Burian Wagner und ich – Abi Flindt.

Mürrisch schlenderte ich in meinem verdreckten Arbeitsanzug aus dem ersten Stock, wo ich gerade mit einer Arbeit fertig geworden war. Ich wollte Ira Marginter fragen, wie sie in der Halle vorankam.

Die blonde Kölnerin war von Beruf Restauratorin und als solche darauf versessen, die Kunstschätze von Castillo Basajaun zu retten, besonders die mit Ornamenten verzierten Säulen in der Eingangshalle, die Bestiensäulen, waren stark in Mitleidenschaft gezogen worden.

Ira fotografierte gerade eine Säule.

»Was soll denn das werden?«, fragte ich auf Englisch, der Sprache, in der wir uns im Castillo meist verständigten.

»Ich will die Säule restaurieren. Dazu brauche ich zunächst eine Zeichenvorlage, auf der ich die zerstörten Ornamente ergänzen und mit der ich experimentieren kann. Deshalb fotografiere ich, denn ich will mich nicht hinstellen und alles abzeichnen.«

»Musst du denn diese scheußlichen Dinger wiederherstellen? Schön sind diese Bestiensäulen wirklich nicht. Es wäre besser, die Ornamente von den restlichen Säulen auch noch abzuschlagen, dann würde die Halle gleich viel schöner aussehen.«

»Barbar!«, zischte Ira. »Das sind Kunstwerke. Außerdem gehören die Ornamente zum Stil des Castillos.«

»Schöner Stil!«, brummte ich.

Ira Marginter schaute das Bild an, und auch ich warf einen Blick darauf. Wir stutzten beide. Die Aufnahme zeigte nicht die beschädigten Ornamente. Ein Mann war auf der Säule abgebildet, den wir erst auf den zweiten Blick erkannten. Er hatte einen kahl geschorenen Kopf, trug nur einen gelben Lendenschurz und saß mit gekreuzten Beinen da, im Lotossitz. Seine Augen waren geschlossen, als konzentrierte er sich oder meditierte. Sein ausgemergeltes Gesicht drückte Verzweiflung aus.

Der Mann war Jeff Parker, der amerikanische Playboy, Millionär und Dämonenbekämpfer, persönlicher Freund des Dämonenkillers Dorian Hunter, Mitglied des Jet-Set. Jeff Parker war eine illustre Persönlichkeit.

Seit Dorian Hunter vor ein paar Monaten angeblich gestorben war – Coco Zamis hatte einen Doppelgänger des Dämonenkillers erstochen –, galt Jeff Parker als verschollen. Kein Mensch wusste, wo er sich aufhielt.

Ich betastete die Säule, konnte aber nichts Außergewöhnliches feststellen.

»Seltsam!«, sagte Ira Marginter. »Wenn Jeff nicht da ist, wie kann man ihn dann fotografieren?«

»Übernatürliche Einflüsse«, murmelte ich und dachte angestrengt nach.

Ich sah mich in der Halle um, lauschte, entdeckte aber nichts. Falls es einen metaphysischen Einfluss gab, so konnte ich ihn mit meinen Sinnen nicht wahrnehmen.

»Fotografiere doch einmal eine andere Säule!«, sagte ich zu Ira. »Wollen mal sehen, was dabei herauskommt.«

Ira Marginter tat es. Wieder zeigte das Bild Jeff Parker – in der gleichen Haltung. Sein Gesichtsausdruck wirkte noch schmerzlicher, noch verbissener. Versuchte er uns von irgendwoher ein Zeichen zu geben?

Ira Marginter sah mich angstvoll an. »Ob Jeff vielleicht tot ist?«, fragte sie. »Ob es seine Ausstrahlung aus dem Jenseits ist, die wir empfangen?«

Sie schwärmte insgeheim für Jeff Parker, der einer der begehrtesten Junggesellen der Welt war, zumindest wenn man den Klatschmagazinen glauben durfte.

»Glaube ich nicht. Ira, wir müssen die anderen herholen. Dieses Problem können wir nicht allein lösen.« Ich hängte mich ans Haustelefon, und Minuten später waren alle versammelt, auch der immer ein wenig ätherisch wirkende Hermaphrodit Phillip und Tirso Aranaz, der Zyklopenjunge. Anfangs hatte ich ihm sehr reserviert gegenübergestanden und ihn für ein kleines Ungeheuer gehalten. Jetzt mochte ich ihn. Er war ein lieber und freundlicher Kerl, und ihm stand keine leichte Zukunft bevor. Im Moment war er noch ein Kind und begriff alles nicht richtig, aber die meisten Menschen würden ihn mit seiner blauen Haut und seinem einen Auge immer als Monster ansehen.

Alle betrachteten die Geisterfotos, die Ira Marginter geschossen hatte. Schließlich kam der pferdegesichtige Burkhard Kramer auf die Idee, dass vielleicht Phillip für die seltsamen Bilder verantwortlich sein könnte.

»V-vielleicht f-fängt er magnetische oder pa-paraenergetische Strömungen auf«, sagte Kramer. Wenn er aufgeregt war, stotterte er manchmal ein wenig. »Ph-phillip will uns auf Jeff Parker hinweisen, in seiner üblichen orakelhaften Art.«